TE Vwgh Erkenntnis 2002/4/18 2001/01/0023

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Veröffentlicht am 18.04.2002
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §7;
AVG §37;
AVG §52;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schimetits, über die Beschwerde des MSDD in W, geboren am 16. Februar 1966, vertreten durch Mag. Bettina Knötzl, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Schubertring 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 13. Oktober 2000, Zl. 206.312/1-V/13/99, betreffend § 7 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Guinea und seinen Angaben zufolge am 16. November 1991 in das Bundesgebiet eingereist, beantragte die Gewährung von Asyl. Bei seiner Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 23. November 1991 begründete er seine Flucht aus Guinea im Wesentlichen damit, dass Mitte 1990 sein Onkel "mit seiner ganzen Familie" verhaftet worden sei, weil er an verbotenen Versammlungen teilgenommen und für die Demokratie gekämpft habe. Weil er, der Beschwerdeführer, als Händler mit seinem Onkel zusammengearbeitet habe, sei er ebenfalls verhaftet worden, obwohl er sich in keiner Weise politisch betätigt und auch an keinen Versammlungen teilgenommen habe. Ohne eine strafbare Handlung begangen zu haben, und lediglich wegen der politischen Betätigung seines Onkels sei er vom Gericht in Conakry zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Nach drei Monaten Haft sei er erkrankt und in ein Krankenhaus überstellt worden, aus welchem ihm im November 1990 die Flucht gelungen sei.

Mit Bescheid vom 4. Dezember 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich gemäß § 1 des Asylgesetzes aus 1968 fest, dass der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein am 23. November 1991 erstattetes Vorbringen und ergänzte, dass im Juni 1990 auch seine Mutter und seine jüngere Schwester verhaftet, in der Folge jedoch bald wieder freigelassen worden seien.

Ohne sich mit der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers auseinander zu setzen, wies der Bundesminister für Inneres diese Berufung in Anwendung des Asylausschließungsgrundes des § 2 Abs. 2 Z 3 Asylgesetz 1991 mit Bescheid vom 14. April 1994 ab. Nach Kassation dieses Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof (Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/1322) wurde der Beschwerdeführer im fortgesetzten Berufungsverfahren seitens des Bundesasylamtes am 28. Jänner 1997 ergänzend einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen Folgendes an:

"Ich arbeitete zusammen mit meinem Onkel und meiner Mutter in einem Geschäft. Mein Vater war Polizeibeamter und verstarb er, als ich noch klein war. An das genaue Datum kann ich mich nicht mehr erinnern.

Mein Onkel war Politiker, wir betrieben eine Gemischtwarenhandlung.

Frage: In welcher Art und Weise war Ihr Onkel politisch tätig?

A.: Das kann ich nicht sagen, mich hat dies nicht interessiert.

Frage: Warum haben Sie Ihr Heimatland verlassen, was war der Anlass dafür?

A.: Mein Onkel war Politiker, er beteiligte sich an Demonstrationen und die Polizei kam zu uns ins Geschäft.

Frage: Wann ereignete sich dieser Vorfall?

A.: Ich kann mich an keine Daten erinnern.

Frage: Was geschah im Geschäft, als die Polizei kam?

A.: Gegen 19.00 Uhr kam die Polizei zu uns ins Geschäft, mein Onkel war nicht anwesend, ich wurde festgenommen und in das Gefängnis in der Nähe des Rathauses in Conakry gebracht. Ich wurde dort mehr als einen Monat angehalten, ich wurde dann in ein anderes Gefängnis gebracht, wie das heißt und wo das ist, weiß ich nicht.

Anmerkung: Asylwerber blättert mehrmals im mitgebrachten Koran und erklärt, dass alles sehr schwer zu verstehen ist, es dreht sich in erster Linie alles um dieses Buch. Asylwerber wird erneut aufgefordert, konkrete Angaben über seine Fluchtgründe zu machen. Im zweiten Gefängnis, es war Nacht, kam eine Frau zu mir, es war eine Krankenschwester und half mir diese, das Gefängnis zu verlassen. Ich war erkrankt und wurde ich von ihr in ein Gefängniskrankenhaus gebracht.

Frage: Woran waren Sie erkrankt?

A.: Ich hatte Schwierigkeiten mit dem Magen. Vom Krankenhaus aus wurde mir geholfen und wurde ich mit einem LKW nach Senegal gebracht.

Frage: Wer hat Ihnen geholfen?

A.: Die Krankenschwester hat mit meiner Mutter Kontakt aufgenommen, ihren Namen kann ich nicht angeben.

Aufforderung: Schildern Sie genau, wie Sie aus dem Gefängnis entkommen konnten?

A.: Es war schon ein Gefängnis, die Bewachung wird aber nicht so genau genommen. Ich war ca. ein Monat im Krankenhaus, die Krankenschwester weckte mich in der Nacht auf und sagte mir, dass im Hof ein PKW wartet und sollte ich diesen besteigen. Der PKW gehörte einem Mann, wie sich später herausstellte war es der LKW-Fahrer, der mich nach Senegal brachte.

Frage: Sind Sie an Wachen vorbeigekommen, als Sie das Gefängnis verlassen haben?

A.: Die Wachen haben mich nicht gesehen, als ich das Gefängnis verlassen habe. Sie haben mit der Krankenschwester zusammen gearbeitet. Die Krankenschwester öffnete eine Türe, wo die Polizisten nicht aufgepasst haben. Im PKW wartete ein Mann, ich stieg ein und er deckte mich zu, so konnte ich ungesehen aus dem Gefängnis entkommen.

Ich wurde zum LKW gebracht und setzte die Flucht mit diesem Richtung Senegal fort. Die Grenze nach Senegal überschritt ich zu Fuß.

Frage: Haben Sie jetzt alles Ihre Fluchtgründe betreffend angegeben?

A.: Ich kann nichts mehr dazu angeben, ich habe keinen Kontakt zu meinen Familienangehörigen, wenn sie noch Fragen haben, können sie diese an mich stellen. Vorh.: Sie haben in Ihrer ersten Niederschrift angegeben, dass Ihr Onkel verhaftet wurde, heute haben sie das nicht erwähnt.

A.: Nein, das weiß ich nicht, zum Zeitpunkt meiner Festnahme, war mein Onkel nicht im Geschäft.

Frage: Welche Familienmitglieder wurden noch verhaftet?

A.: Meine Mutter und meine kleine Schwester wurden auch verhaftet.

Frage: Wann wurden Sie verhaftet?

A.: Sie waren gleichzeitig mit mir festgenommen worden. Sie wurden getrennt von mir in das gleiche Gefängnis wie ich gebracht, wie lange sie angehalten wurden, weiß ich nicht.

Vorhalt: In Ihrer ersten Niederschrift haben Sie angegeben, dass Ihr Onkel und alle seine Familienangehörigen verhaftet wurden. Sie erwähnten damals nicht, dass Sie zusammen mit Ihrer Mutter und Schwester verhaftet wurden, Sie erwähnten dies erst in Ihrem Berufungsschreiben.

A.: Mein Onkel war am Ort der Demonstration festgenommen worden, ich interessierte mich nicht weiter für sein Schicksal, unser Verhältnis war nicht das Beste.

Vorhalt: In Ihrer ersten Niederschrift erwähnten Sie weiters, dass sie von einem Gericht zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurden. Warum haben Sie das heute nicht erwähnt?

A.: Das stimmt, ich wurde verurteilt.

Frage: Von welchem Gericht wurden Sie verurteilt und was wurde Ihnen vorgeworfen?

A.: Ich wurde im Namen des Gesetzes vom Bezirksgericht Conakry III verurteilt. Am Tag meiner Festnahme wurde bei mir zu Hause eine Hausdurchsuchung vorgenommen und wurde Material meines Onkels, das er mir zur Aufbewahrung gegeben hatte, vorgefunden.

Frage: Gab es eine Gerichtsverhandlung und wo fand diese statt, haben Sie daran teilgenommen?

A.: Die Verhandlung fand in Conakry III statt, ich wurde von der Polizei dort hin gebracht, es war ein Anwalt anwesend.

Frage: Schildern Sie genau den Verlauf der Verhandlung, was wurde Ihnen konkret vorgeworfen?

A.: Es wurde mir mitgeteilt, dass ich zu drei Jahren Gefängnis verurteilt werde. Ich wurde von den Polizisten in den Saal geführt, neben mir standen zwei Polizisten. Am Anfang kam eine Frau mit einem Heft (Schriftführerin), dann kamen drei Richter und nahmen Platz. Es waren vorher noch zwei Verhandlungen, ich schaute zu. Ich wurde von den Richtern gefragt, wer mich hierher gebracht hat, ich antwortete, die Polizei. Es war ein Politikerkollege meines Onkels anwesend, dieser sprach mit den Richtern. Der Richter warf mir vor, dass ich Angaben zum Verbleib eines Koffers meines Onkels machen sollte. Ich wurde wegen der von mir für meinen Onkel aufbewahrten Unterlagen verurteilt. Es hat sich um politische Unterlagen gehandelt.

Früher hatte ich das alles im Kopf, heute habe ich alles vergessen.

Frage: Was würde Ihnen im Falle einer Rückkehr nach Guinea passieren, die von Ihnen vorgebrachten Vorfälle liegen mehr als sechs Jahre zurück?

A.: In Guinea hat sich nichts geändert, es sind zwar die UNO in Guinea, an der Situation hat sich aber nichts geändert. Vor ca. einem Jahr habe ich telefonischen Kontakt mit Verwandten meines Onkels aufgenommen, es wurde mir mitgeteilt, dass ich nicht zurückkehren soll. Die Verwandten teilten mir mit, dass es auch für sie besser wäre, das Land zu verlassen. Frage: Haben Sie gegen das Gerichtsurteil ein Rechtsmittel ergriffen?

A.: Verwandte meines Onkels besuchten mich im Gefängnis, ich unterschrieb etwas, unter Umständen handelte es sich um eine Berufung gegen das Gerichtsurteil. Eine schriftliche Ausfertigung meines Urteils habe ich bei meiner Flucht zu Hause gelassen."

Mit Bescheid vom 6. Februar 1997 wies der Bundesminister für Inneres die Berufung des Beschwerdeführers gegen den seinerzeitigen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich mangels Glaubwürdigkeit der erstatteten Angaben neuerlich ab. Die dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss vom 8. März 1999, Zl. 97/01/0685, gemäß § 44 Abs. 3 AsylG zurückgewiesen. Mittlerweile war über Anregung einer Flüchtlingshilfeorganisation betreffend den Beschwerdeführer ein Sachwalterschaftsverfahren eingeleitet worden, in dessem Zuge die beigezogene psychiatrische Sachverständige in ihrem Gutachten vom 14. Juni 1999 zu nachstehender Schlussfolgerung gelangte:

"Soweit eine ausreichende Exploration auf Grund der sprachlichen Einschränkungen möglich ist, liegt bei dem Betroffenen eine Persönlichkeits-Veränderung im Sinne einer psychischen Krankheit vor, wobei eine religiös gefärbte paranoide Wahngestimmtheit sein Denken und Handeln bestimmt und er jedenfalls zeitweise nicht ausreichend realitätsbezogen ist. Er ist daher auf Grund der psychischen Krankheit auch nicht in der Lage, bestimmte Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen, weshalb die Beistellung eines Sachwalters für die derzeit anhängigen Angelegenheiten erforderlich ist."

Der in der Folge seitens des nunmehr zur Erledigung der wieder offenen Berufung zuständigen unabhängigen Bundesasylsenates (der belangten Behörde) bestellte Sachverständige Dr. Krieger gelangte demgegenüber in einem Gutachten vom 10. Juli 2000 zu nachstehenden Schlussfolgerungen:

"Gegenüber dem Sachwalterschaftsgutachten konnte jedoch keine 'gefärbte paranoide Wahngestimmtheit' gefunden werden, die sein (Anm.: Beschwerdeführer) Denken oder Handeln bestimmen würde; auch kein Hinweis für eine psychische Erkrankung mit 'mangelhaftem Realitätsbezug.'

Das vom Untersuchten am Anfang der Exploration dargestellte Persönlichkeitsbild entspringt einem 'Ganser'schen Zustand' - einem 'naiven Versuch der Simulation' - der jedoch sofort sistierte, als SV und Dolmetscher beharrlich die Fragen wiederholten und auf Beantwortung drängten.

Dem zu Untersuchenden kann zugemutet werden, über bereits 9 Jahre in der Vergangenheit liegende Ereignisse wahrheitsgemäß zu berichten, wobei darauf hinzuweisen ist, dass gerade schicksalshaft erlittene psychische Traumata sich so in die Seele einbrennen, dass der zu Untersuchende sich gerade solche 'seelische Traumata' merkt und für sich im Rahmen des Asylverfahrens selbst ins Treffen führen kann.

Der zu Untersuchende ist sehr wohl in der Lage, das Gefängnis, seine Entlassung und Flucht aus dem Gefängnis zu beschreiben, nicht jedoch ist er in der Lage, die politische Ideologie - weswegen er inhaftiert worden sei - darzulegen.

Es findet sich beim Untersuchten aus psychiatrischer Sicht keine Erkrankung, die die Erklärung des Asylwerbers 'dass er das alles früher im Kopf hatte, heute alles vergessen' aus fachärztlicher Sicht auf eine psychiatrische Erkrankung rückführen ließe."

Der von der belangten Behörde nach Vorlage des Gutachtens Dris. Krieger zum Sachverständigen bestellte Univ.Prof. Dr. Pakesch erstellte schließlich per 19. September 2000 bezüglich des Beschwerdeführers folgendes Gutachten:

"Beim Betroffenen sind sowohl auf Grund der Anamnese wie auch auf Grund der Untersuchung selbst psychische Auffälligkeiten fassbar, die auf eine psychische Erkrankung hinweisen, die aber diagnostisch schwer zuzuordnen ist. Es könnte sich einerseits um eine rezidivierend depressive Störung mit psychotischen Zügen handeln oder auch um eine rezidivierende psychotische Erlebnisverarbeitung und paranoide Reaktionsbereitschaft.

Zum Untersuchungszeitpunkt waren ein abschweifender, zeitweise nicht kohärenter Sprach- und Gedankengang, Angaben über Gedankendurcheinander und akustische Halluzinationen, eine stark erhöhte Ablenkbarkeit und Konzentrationsstörungen fassbar.

... Es fanden sich aber keine auffälligen Störungen des Langzeitgedächtnisses und auch des mittleren Gedächtnisses.

Es ist daher aus psychiatrischer Sicht beim Betroffenen die Fähigkeit zu bejahen über auch 10 Jahre zurückliegende Ereignisse zu berichten.

Dass einzelne Darstellungen eventuell durch eine psychotischparanoide Erlebnisverarbeitung verfälscht sein könnten, kann aber nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden."

Am 11. Oktober 2000 führte die belangte Behörde eine mündliche Berufungsverhandlung durch. Bei dieser waren zunächst beide im Verfahren beigezogenen medizinischen Sachverständigen (Dr. Krieger und Dr. Pakesch) anwesend. Nach einleitenden Erörterungen mit den beiden Sachverständigen nahm die Verhandlung gemäß dem vorliegenden Verhandlungsprotokoll folgenden Verlauf:

"VL belehrt den BW über das mittlerweilige Ergebnis der Aussagen der Gutachter, nämlich, dass es ihm ohne weiteres zumutbar ist in der heutigen Verhandlung korrekte Angaben zu machen.

BW: Ich habe das verstanden, auch dass ich mich normal verhalten sollte und dass ich von meiner Krankheit noch nicht ganz genesen bin.

VL: Was ist Ihre Muttersprache und welche Sprachen beherrschen Sie noch?

BW: In unserem Land spricht man Französisch, meine Muttersprache heißt PULAR, ich persönlich spreche ein wenig Susu und Malinke.

VL zum afrik. Dolmetsch: Ist es richtig, dass Sie Susu und Peul sprechen und ist Peul gleichzuhalten mit Foulfulde?

Afrik. Dolmetsch: Ich spreche Susu und Peul, ich spreche auch Malinke oder Mandingo und ich spreche auch Wolof.

Der afrik. Dolmetsch wird beeidet und hat er kein Problem mit diesem Versprechen. Der Dolmetsch ist nun unter Eid.

VL zum afrik. Dolmesch: Ich fordere Sie nunmehr auf, mit dem BW Susu zu sprechen. Finden Sie heraus ob er Susu versteht und spricht.

BW spontan: Ich spreche nur ein bisschen Susu.

VL lässt den BW belehren, sich jetzt auf Susu zu unterhalten.

     BW: Wenn mir eine Person die Susu ist, eine Frage stellt,

kann ich auf Susu antworten.

     Afrik. Dolmetsch: Ich habe zunächst auf Susu mit ihm

gesprochen und hat mich zunächst nicht verstanden.

     VL: Versuchen Sie es nochmals!

BW: Ich will nicht auf Susu antworten.

Afrik. Dolmetsch versucht es neuerlich: Er kann nicht Susu

sprechen, er kann nur Peul mit mir sprechen.

     VL zum BW: Warum haben Sie im bisherigen Verfahren behauptet

Susu zu sprechen?

BW: Das ist die afrikanische Sprache, die man bei uns spricht.

     VL: Sprechen Sie nun also Susu oder nicht?

BW: Nein, ich spreche nur Peul.

     VL: Spricht der BW Peul, wie man es als Muttersprache spricht?

Afrik. Dolmetsch: Wenn ich ihn frage, antwortet er mir immer auf Französisch, ich denke schon, dass er mich versteht.

VL fordert den BW auf, aus eigenem etwas in Peul zu erzählen. BW spricht

Afrik. Dolmetsch: Er hat mich auf Peul gefragt, woher ich stamme, aus Conacry, es gibt einen Teil von Guinea den man Mali nennt und behauptet er von dort zu stammen.

VL: Welche Schulbildung haben Sie?

BW: Ich habe ein wenig auf Peul und Französisch die Schule besucht. Ich bin 6 Jahre in die Schule gegangen. Ich bin unregelmäßig in die Schule gegangen, aber ich habe die Schule während 6 Jahren besucht.

VL: Warum haben Sie vor der Sicherheitsdirektion angegeben über keinerlei Schulbildung zu verfügen?

BW stottert herum. Ich glaube ich habe aber schon gesagt ...

     VL: Was haben Sie gesagt?

BW: Dass ich 6 Jahre in die Schule gegangen bin.

     VL: Das Protokoll wurde Ihnen damals auf Französisch

rückübersetzt und haben Sie damals durch den Satz alles verstanden

zu haben die Richtigkeit des Protokolls bestätigt?

BW: Es war ...........

     VL: Haben Sie Militärdienst geleistet?

BW: Nein.

     VL: Waren Sie während Ihres Aufenthaltes in Österreich

mittlerweile in Kontakt mit Personen in ihrem Heimatland?

BW: Ja, früher.

     VL: In welcher Art und Weise, haben Sie geschrieben oder hat

Sie jemand besucht? BW: In meinem Geburtsland hatte ich .............

     VL: Haben Sie geschrieben oder telefoniert?

BW: Ich habe an Freunde geschrieben und telefoniert.

     VL: Wie lautet die telefonische Vorwahl von Guinea aus

Österreich?

BW: Da müsste ich zu Hause nachschauen.

VL: Aber die Telefonvorwahl von Guinea müssten Sie doch wissen?

BW: Ich möchte mich zuerst bei meinen Freunden erkundigen, ob sich die Nummer geändert hat.

VL: Haben Sie jemals auch mit Verwandten im Heimatland

Kontakt gehabt?

BW: Nein, es waren nur Freunde.

VL: Warum haben Sie im Jahre 1997 vor dem BAA, aus eigenem angegeben, vor ca. einem Jahr, gemeint 1996, Kontakt mit Verwandten Ihres Onkels aufgenommen zu haben?

BW: Das war nicht in Guinea, sondern in einem anderen Land neben

Guinea. Kann auch sein.

VL: In welchem Land?

BW: Ich habe überall hin versucht zu telefonieren. Nach

Zentralafrika, ...

VL: Was heißt Westafrika?

BW blickt hilflos umher.

     VL: Wen wollten Sie in diesen Ländern oder Regionen anrufen?

BW: Mit Freunden ... nur mit Freunden.

     VL: Mit wem haben Sie in Afrika telefoniert? (Dem BW wird in

Peul gedolmetscht). VL: Fragt der BW immer zurück?

Afrik. Dolmetsch: Wenn er in Afrika anruft, spricht er mit Freunden oder ihm nahe stehenden Personen, allenfalls mit Sippenangehörigen.

BWV: Kann sich der BW besser auf Peul artikulieren?

Afrik. Dolmetsch: Ich glaube auf jeden Fall, er spricht jedenfalls besser Peul als Französisch, dh. mit mehr Leichtigkeit.

VL: Welche Volksstämme leben denn in Guinea, nennen Sie mir einige?

BW über Afrik. Dolmetsch: Es gibt Susu, Malinke, Pular, Dialonke, Gerze.

VL: Was können Sie mir zum Schicksal Ihrer Eltern erzählen?

BW über Afrik. Dolmetsch: Das ist

etwas schwierig zu sagen,

VL: Wo wohnen z.B. Ihre Eltern?

BW über Afrik. Dolmetsch: Die Eltern leben in Conacry, ich weiß es jetzt nicht, weil ich schon 9 Jahre nicht in Afrika lebe.

VL: Als Sie Guinea verlassen haben, haben beide Elternteile in Guinea gelebt? BW über Afrik. Dolmetsch: Ich habe nur meine Mutter in Conacry zurückgelassen, mein Vater war bereits verstorben.

VL: Können Sie etwa sagen, wie alt Sie waren, als Ihr Vater verstarb?

BW über Afrik. Dolmetsch: Ich war ein Baby als mein Vater starb.

VL: Wissen Sie allenfalls welchen Beruf Ihr Vater ausübte?

BW über Afrik. Dolmetsch: Es geht schon aus den Unterlagen hervor, dass der Vater Polizist war.

VL: Sie haben bei der Ersteinvernahme angegeben, dass Ihr Vater 1973 verstorben ist, da waren Sie jedenfalls kein Baby mehr?

BW über Afrik. Dolmetsch: Ich war kein Baby mehr, sondern schon ein Kind.

Übereinstimmende Aussage der beiden medizinischen SV: Der BW weist keine Beeinträchtigung der Erinnerung- und Aussagefähigkeit auf, etwa bedingt durch akute psychische Störungen; dies nach eineinhalbstündiger Einvernahme, der BW war fassbar in der Lage an ihn gerichtete Fragen geordnet zu beantworten.

Die beiden medizinischen Sachverständigen verlassen um

11.10 Uhr die Verhandlung.

VL: Können sie mir nun in groben Umrissen erzählen, warum Sie Guinea verlassen haben?

BW über Afrik. Dolmetsch: Ich war Händler, aber auf Grund der Politik habe ich Guinea verlassen.

VL: Was genau hat sich abgespielt?

BW über Afrik. Dolmetsch: Ich möchte darüber nicht sprechen.

VL: Sie haben einen Asylantrag gestellt und müssen Sie den Behörden einen Vertrauensvorschuss entgegenbringen und stellt Ihre heutige Aussage die zentrale Entscheidungsgrundlage dar, also antworten Sie auf die Frage?

BW über Afrik. Dolmetsch: Ich möchte nicht viel sprechen, weil ich krank bin.

VL: Haben Sie Fieber oder meinen Sie die psychische Erkrankung?

BW über Afrik. Dolmetsch: Ich habe so eine Krankheit wie Schwindel, aber manchmal geht sie wieder weg.

VL: Gerade eben waren zwei Ärzte da, und ist es Ihnen gut gegangen, können Sie nun aussagen oder nicht?

BW über Afrik. Dolmetsch: Das was ich gesagt habe, kann ich sagen.

BWV: Als sein Rechtsvertreter ersuche ich den BW Sachen zu sagen, die bereits im Akt stehen und die kein Geheimnis sind. Ich bin dazu da Sie zu verteidigen, wenn Sie Probleme haben. Er kann alles wiederholen, was er bereits bei früheren Einvernahmen gesagt hat, es ist kein Geheimnis mehr.

BW über Afrik. Dolmetsch: Ich kann nur darüber sprechen, wenn es mir besser geht, ich habe aber eigentlich schon alles gesagt, was zu sagen ist.

Anmerkung des VL: Der BW macht einen gesunden und orientierten Eindruck.

VL: Wie war nun der Gang der Ereignisse, die Sie zum Verlassen von Guinea bewogen haben?

BW über Afrik. Dolmetsch: Es ist genau so wie ich es 1991 gesagt habe.

VL: Ich fordere Sie nun auf endlich am Verfahren mitzuwirken und mir Details zu Ihren Fluchtgründen zu nennen?

BW über Afrik. Dolmetsch: Ich habe mit einem der beiden Doktoren gesprochen (gemeint Dr. Pakesch), ich habe damals diesem Arzt gesagt, dass ich Moslem bin und nicht viel von der Vergangenheit sprechen will ..........

VL unterbricht den übersetzenden Dolmetscher: Beantworten Sie bitte endlich meine Fragen oder ich beende die Prozedur?

BW über Afrik. Dolmetsch: Ich kann nur dann sprechen, wenn ich mich wohl fühle.

BWV: Haben Sie sich bei Herrn Dr. Pakesch bei der Untersuchung wohler gefühlt als heute?

Während der Übersetzung lächelt der BW kurz.

BW über Afrik. Dolmetsch: Ich fühle mich heute wohler, als damals

als ich beim Arzt war.

BWV: Können Sie uns dann dasselbe wie das, das Sie dem Dr. Pakesch erzählt haben erzählen?

BW über Afrik. Dolmetsch: Ich fühle mich heiß und krank.

VL: Sie haben nun eingangs der Verhandlung die Möglichkeit gehabt eine allenfalls vorliegende physische Erkrankung ins Treffen zu führen und haben Sie in Gegenwart der beiden Psychiater nicht den Eindruck erweckt oder gar releviert physisch beeinträchtigt zu sein. Sie sind also nicht gewillt am Verfahren mitzuwirken? Anmerkung : VL versteht nun bei Beobachtung des BW, was der SV Dr. Krieger mit dem Verhalten läppisch zum Ausdruck bringen wollte - der BW macht einen etwas herablassenden Eindruck.

BW über Afrik. Dolmetsch: Manchmal ist mir nicht zum Sprechen zumute.

Dem BWV wird Raum geboten.

BWV: Ich bin zwar ein Laie auf dem Gebiet der Psychiatrie, aber das jetzige Verhalten des BW erscheint mir typisch zu sein, für das was der SV Dr. Pakesch auf Seite 7 seines GA angeführt hat: Es scheint hier genau jene paranoide Reaktion einzutreten, von der der SV ausgegangen ist. Es tritt offensichtlich auch ein Rezitif ein, ein Rückfall, in vorübergehend bereits überwundene Zustände. Ein solcher Rückfall kann auch in sehr kurzer Zeit erfolgen. Gerade Paranoia wird von schwer verkraftbaren Erlebnissen verursacht, jedoch in Stresssituationen akut ausgelöst.

Ich beantrage die Vorladung von Frau Dr. Brenneis zum Beweis des psychischen Status des BW."

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13. Oktober 2000 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 4. Dezember 1991 gemäß § 7 AsylG ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die beiden im Asylverfahren bestellten Sachverständigen - in der Berufungsverhandlung - übereingestimmt hätten, dass es dem Beschwerdeführer durchaus zumutbar und zusinnbar sei, über in der Vergangenheit liegende Ereignisse wahrheitsgemäß zu berichten. Im Hinblick darauf sei in Anwesenheit der Psychiater mit der Einvernahme des Beschwerdeführers begonnen worden. Dabei hätten sich in seinen Angaben Widersprüche zu seinen Sprachkenntnissen, zu seiner Schulbildung, zur Frage von Kontakten nach seiner Flucht mit Personen in seinem Heimatland und zu seinem Alter beim Tod seines Vaters ergeben. Nach etwa eineinhalbstündiger, sich mühsam gestaltender Einvernahme seien die beiden Sachverständigen übereinstimmend zu dem Schluss gekommen, dass der Beschwerdeführer keine Beeinträchtigung seiner Erinnerungs- und Aussagefähigkeit aufweise und dass er in der Lage sei, an ihn gerichtete Fragen geordnet zu beantworten. Es sei daher von der Einvernahmefähigkeit des Beschwerdeführers auszugehen gewesen. Nachdem sich die beiden Psychiater entfernt hätten, habe der Beschwerdeführer jedoch nicht mehr über seine Erlebnisse im Heimatland sprechen wollen und dies mit einer plötzlich aufgetretenen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes begründet. Trotz Belehrung über die ihn treffende Mitwirkungsverpflichtung habe er sich beharrlich geweigert, konkrete Angaben zu seinen Fluchtgründen zu machen bzw. eine chronologische Darstellung der damaligen Ereignisse vor dem Verlassen seines Heimatlandes zu geben. Ihm sei sohin jegliche persönliche Glaubwürdigkeit abzuerkennen gewesen, die von ihm "im Rahmen des durchgeführten Verfahrens relevierten Umstände bzw. Ereignisse konnten nicht als Sachverhalt festgestellt werden".

"Unbeschadet der Bewertung des Schweregrades der psychischen Erkrankung bzw. des Vorlebens (offenbar gemeint: Vorliegens) einer solchen generell" sei der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde erläuternd - im Rahmen der Berufungsverhandlung jedenfalls so weit bei klarem Verstand gewesen, dass es ihm zumutbar gewesen wäre, die an ihn gerichteten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten und so am gegenständlichen Verfahren mitzuwirken. Hieraus erhelle, dass ihm seine Weigerung, an der Sachverhaltsfeststellung konstruktiv mitzuwirken, voll zurechenbar sei und mangels erkennbarer medizinischer Begründung voll und ganz in die Beweiswürdigung Eingang zu finden gehabt habe.

Auf Grund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer in offenbar zurechenbarer Art und Weise in der Berufungsverhandlung keine konkretisierenden Erläuterungen zu seiner Fluchtgeschichte habe bieten wollen, wäre bei einer "eventualiter-Betrachtung" sein bisheriges Vorbringen heranzuziehen. Auch bei dessen Zugrundelegung wäre eine Asylgewährung jedoch nicht statthaft. So habe der Beschwerdeführer weder bei seiner Ersteinvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich detaillierte und überzeugende Angaben zu seinen Erlebnissen machen können, noch sei er im Rahmen seiner im Jänner 1997 getätigten Aussage vor dem Bundesasylamt in der Lage gewesen, konkrete und nachvollziehbare Gründe für seine Flucht - durch Bekanntgabe eines genauen chronologischen Ablaufes unter detaillierter Schilderung der Umstände - zu geben. Insbesondere erscheine es wenig nachvollziehbar und glaubhaft, dass der Beschwerdeführer einerseits mit seinem Onkel im gemeinsamen Geschäft zusammengearbeitet und für diesen Onkel einen Koffer mit offenbar brisantem politischen Material versteckt hätte, und dass er andererseits nicht einmal über Grundzüge von dessen politischer Tätigkeit Bescheid wisse. Hinzu kämen Divergenzen in den zeitlichen Angaben vor der Erstbehörde, welche die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers in hohem Ausmaß erschüttert hätten. Unter Miteinbeziehung der "wenig klaren und teilweise divergenten Angaben" im Rahmen der Berufungsverhandlung ergebe sich sohin ein Gesamtbild, welchem entnehmbar sei, dass der Beschwerdeführer persönlich nicht glaubwürdig sei bzw. dass es insgesamt nicht glaubhaft erscheine, dass er in seinem Heimatland tatsächlich mit politischer Verfolgung zu rechnen habe. Eine Asylgewährung wäre daher - selbst unter Negierung des mangelnden Mitwirkungsinteresses - mangels Nachvollziehbarkeit bzw. mangels Detailreichtums bzw. auf Grund offen zutage getretener Widersprüche bei einer Gesamtbetrachtung aller Angaben des Beschwerdeführers nicht statthaft.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde ging zunächst davon aus, dass dem Beschwerdeführer jegliche persönliche Glaubwürdigkeit abzuerkennen sei. Da der Beschwerdeführer in der mündlichen Berufungsverhandlung - sieht man von dem Verweis auf seine Aussage aus 1991 ab - keine Angaben zu seinen Fluchtgründen erstattet hatte, kann sich diese Beurteilung nur auf sein Vorbringen vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich und vor dem Bundesasylamt sowie auf den Inhalt seiner Berufung beziehen. Diesbezüglich nahm die belangte Behörde jedoch eine "eventualiter-Betrachtung" vor, und zwar dergestalt, dass der Beschwerdeführer persönlich nicht glaubwürdig sei bzw. es insgesamt nicht glaubhaft erscheine, dass er in seinem Heimatland tatsächlich mit politischer Verfolgung zu rechnen habe. Damit laufen beide Begründungslinien der belangten Behörde in Wahrheit auf das selbe Ergebnis - Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers - hinaus. Tatsächlich vermeint die belangte Behörde bloß, diese Unglaubwürdigkeit mit zwei verschiedenen Argumenten begründen zu können, und zwar primär mit dem Verweis auf das Verhalten des Beschwerdeführers in der Berufungsverhandlung, "eventualiter" mit Überlegungen zur Stichhaltigkeit des davor erstatteten Vorbringens an sich.

Unter dem ersten Gesichtspunkt wirft der bekämpfte Bescheid dem Beschwerdeführer vor, dass er durch seine beharrliche Weigerung, in der Berufungsverhandlung konkrete Angaben zu seinen Fluchtgründen zu machen bzw. eine chronologische Darstellung der damaligen Ereignisse vor dem Verlassen seines Heimatlandes zu geben, die ihn obliegende Mitwirkungsverpflichtung gröblich verletzt habe. Das habe "voll und ganz" in die Beweiswürdigung Eingang zu finden gehabt. Im Detail wird dazu (siehe schon oben bei Wiedergabe des bekämpften Bescheides) ausgeführt, dass seitens der beiden der Berufungsverhandlung beigezogenen Sachverständigen der psychische Zustand des Beschwerdeführers dahingehend bewertet worden sei, dass es diesem durchaus zumutbar und zusinnbar gewesen wäre, über in der Vergangenheit liegende Ereignisse wahrheitsgemäß zu berichten; die beiden Sachverständigen seien übereinstimmend zu dem Schluss gelangt, dass der Beschwerdeführer keine Beeinträchtigung der Erinnerungs- und Aussagefähigkeit aufweise und dass er in der Lage sei, an ihn gerichtete Fragen geordnet zu beantworten. Als "auffällig" habe sich erwiesen, dass der Beschwerdeführer "bei Gegenwart der beiden Psychiater durchaus sich in der Lage fühlte, der Amtshandlung zu folgen und war offenbar zu diesem Zeitpunkt auch willens, an der Sachverhaltsermittlung mitzuwirken. Erst unmittelbar nach dem Verlassen der beiden Gutachter sah sich der Antragsteller offensichtlich nicht mehr gehalten, zweckdienliche Angaben vor der Behörde zu machen und zeigten sich für den Verhandlungsleiter keine Indizien dafür, dass sich sein psychischer Gesundheitszustand von einem Augenblick zum anderen derartig ins Negative verkehrt hätte, dass er tatsächlich nicht mehr aussagefähig wäre".

Mit Recht macht die Beschwerde geltend, dass die belangte Behörde damit ein medizinisches Urteil über die psychische/geistige Verfassung des Beschwerdeführers getroffen hat. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer während der Anwesenheit der beiden beigezogenen psychiatrischen Sachverständigen in der Berufungsverhandlung "aussagefähig" gewesen wäre (dazu siehe später), stellt sich nämlich die Beurteilung, es seien keine Indizien für eine danach plötzlich auftretende psychische Krise erkennbar gewesen, als Aussage über den dann aktuellen gesundheitlichen Zustand des Beschwerdeführers dar. Dass sich für den konkreten Organwalter der belangten Behörde im Erscheinungsbild des Beschwerdeführers keine Änderung gezeigt haben mag, ist in diesem Zusammenhang unmaßgeblich. Das kann seinen Grund auch darin haben, dass es diesem Organwalter an der erforderlichen medizinischen Fachkunde fehlt(e), zumal im bekämpften Bescheid an keiner Stelle auf diesbezügliches Fachwissen rekurriert wird. Nur derartiges Fachwissen jedoch hätte die belangte Behörde zur selbständigen Beurteilung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers in Abwesenheit der zunächst beigezogenen psychiatrischen Sachverständigen ermächtigt. Eine Behörde darf Fachfragen nämlich nur dann selbst beurteilen, wenn sie die Kenntnisse und Erfahrungen hat, die für eine selbständige fachliche Beurteilung von Fragen eines Wissensgebietes vorausgesetzt werden müssen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. März 1995, Zl. 90/10/0143). Schon von daher können die angestellten Überlegungen zum Verhalten des Beschwerdeführers in der Berufungsverhandlung (zur konstatierten Verletzung der ihn treffenden Mitwirkungspflicht) die behördliche Beweiswürdigung, welche nach dem Gesagten nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer über seine Fluchtgründe erst befragt wurde, als die der Berufungsverhandlung beigezogenen psychiatrischen Sachverständigen nicht mehr anwesend waren, nicht tragen, zumal der Vertreter des Beschwerdeführers in der Verhandlung ausdrücklich vorgebracht hat, dass (beim Beschwerdeführer) genau jene paranoide Reaktion einzutreten scheine, von der der Sachverständige Dr. Pakesch ausgegangen sei. Jedenfalls angesichts des der belangten Behörde bekannten Umstandes, dass für den Beschwerdeführer ein Sachwalter bestellt ist, wäre es ihre Aufgabe gewesen, die Beurteilung der Frage, ob die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Verletzung der Mitwirkungspflicht auf dessen freiem Willensentschluss beruhte oder als krankheitsbedingte Reaktion anzusehen war, nicht ohne Beiziehung eines psychiatrischen Sachverständigen vorzunehmen.

Hinzu tritt Folgendes: Die beiden im Asylverfahren beigezogenen psychiatrischen Sachverständigen gelangten in ihren schriftlich erstellten Gutachten hinsichtlich der Frage, ob der Beschwerdeführer an einer psychischen Erkrankung leide, zu unterschiedlichen Ergebnissen. Ihre unterschiedlichen Beurteilungen haben sie auch in der mündlichen Berufungsverhandlung aufrechterhalten, in der Dr. Krieger den Beschwerdeführer als "einfach strukturierte Persönlichkeit" bezeichnete, während Dr. Pakesch sich dieser Ansicht nicht anzuschließen vermochte. Die belangte Behörde ihrerseits ließ die Frage des Vorliegens einer psychischen Erkrankung beim Beschwerdeführer ausdrücklich offen. Dies vermeinte sie im Hinblick darauf tun zu können, dass nach Befragung des Beschwerdeführers zu persönlichen Umständen seitens beider Sachverständigen übereinstimmend angegeben worden war, dass der Beschwerdeführer keine Beeinträchtigung der Erinnerungs- und Aussagefähigkeit, etwa bedingt durch akute psychische Störungen, aufweise, und in der Lage sei, an ihn gerichtete Fragen geordnet zu beantworten. Diese an die Erinnerungs- und Aussagefähigkeit anknüpfende Sichtweise (vgl. auch die "Gutachtensaufträge" an die beiden Sachverständigen; sie lauteten jeweils, es möge herausgefunden werden, inwieweit der Beschwerdeführer in der Lage sei, über in der Vergangenheit liegende Ereignisse zu berichten bzw. an ihn gerichtete Fragen betreffend von ihm angeblich Erlebtes in seinem Heimatland zu beantworten, bzw. es wäre von Belang, ob dem Beschwerdeführer zugemutet werden könne, über bereits neun Jahre zurückliegende Ereignisse wahrheitsgemäß zu berichten) greift jedoch zu kurz. Es stellte sich angesichts der beim Beschwerdeführer im Sachwalterschaftsverfahren diagnostizierten Persönlichkeitsveränderung nämlich nicht nur die Frage nach der "Erinnerungs- und Aussagefähigkeit", sondern es wäre - losgelöst von reinen Gedächtnis- und Reproduktionsleistungen - auch zu klären gewesen, ob/inwieweit er einerseits in der Lage ist, die Bedeutung des Vorgangs (behördliche Befragung im Rahmen eines Asylverfahrens) zu erfassen, und ob er andererseits (in welchem Ausmaß) die voluntativen Fähigkeiten besitzt, sein Verhalten zweckgerichtet zu steuern. Erst bei Bejahung auch dieser Fragen - die eingangs der Berufungsverhandlung von beiden Sachverständigen geäußerte Ansicht, es sei dem Beschwerdeführer "grundsätzlich" zuzumuten bzw. zuzusinnen, über in der Vergangenheit liegende Ereignisse wahrheitsgemäß zu berichten, ist dafür nicht aussagekräftig - wären Schlussfolgerungen aus dem Verhalten des Beschwerdeführers für die Beweiswürdigung zulässig. Das bedeutet letztlich, dass - soll sein nunmehriges Verhalten im Rahmen der Berufungsverhandlung Berücksichtigung finden - die Klärung seines näheren psychischen Zustandes nicht dahingestellt bleiben kann. Das wird gegebenenfalls eine Auseinandersetzung mit den beiden im Verfahren eingeholten Gutachten erfordern, wobei an dieser Stelle nur angemerkt sei, dass die vom Sachverständigen Dr. Krieger in der Berufungsverhandlung für seine gutächtliche Äußerung, es liege der "naive Versuch einer Simulation" vor, abgegebene Begründung, der Beschwerdeführer habe nicht einmal die politische Einstellung seines Onkels angeben können, obwohl die politische Einstellung einen Bestandteil der Persönlichkeit eines Menschen ausmache und daher bei zeitweiligen Denk- und Erinnerungsstörungen wiedergegeben werden könne, im Hinblick darauf, dass es nie um die politische Einstellung des Beschwerdeführers selbst gegangen ist, schlichtweg nicht nachvollzogen werden kann.

Soweit die belangte Behörde "Auffälligkeiten" in den Aussagen des Beschwerdeführers betreffend seine Sprachkenntnisse, Schulbildung, Kontakte mit Verwandten im Heimatland und zum Todeszeitpunkt seines Vaters konstatierte, können daraus im Hinblick auf das eben Gesagte vorerst keine Schlussfolgerungen gezogen werden. Das gilt auch für die Aussage des Beschwerdeführers vom 28. Jänner 1997, zeigt das darüber aufgenommene Protokoll doch deutlich, dass eine allenfalls vorhandene psychische Störung möglicherweise schon damals gegeben war. Jedenfalls im Hinblick darauf erweist sich auch die "eventualiter -Betrachtung" der belangten Behörde (keine Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers auch unter Außerachtlassung des - ihm unterstellten - mangelnden Mitwirkungsinteresses) als nicht haltbar. Was im Übrigen die Einvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich anlangt, so trifft es zwar zu, dass sie sich nicht durch großen Detailreichtum auszeichnet. Daraus könnten freilich nur dann Schlüsse gezogen werden, wenn seitens der Behörde - erfolglos - auf eine nähere Detaillierung der Angaben gedrungen worden wäre (vgl. sinngemäß das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1995, Zl. 94/19/0625), was sich dem über die niederschriftliche Einvernahme aufgenommenen Protokoll vom 23. November 1991 aber gerade nicht entnehmen lässt. Immerhin erreichen die seinerzeitigen Angaben des Beschwerdeführers, die in Richtung "Sippenhaftung" gehen, noch einen solchen Detaillierungsgrad, dass daraus - ihr Zutreffen unterstellt - auf einen asylrelevanten Sachverhalt geschlossen werden könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2001, Zl. 98/20/0312).

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass sich beweiswürdigende Überlegungen zur Stichhaltigkeit einer Fluchtgeschichte regelmäßig nicht auf das Vorbringen eines Asylwerbers beschränken dürfen. Vielmehr bedarf es in der Mehrzahl der Fälle auch einer Betrachtung der konkreten Lage im Herkunftsstaat des Betreffenden, weil seine Angaben letztlich nur vor diesem Hintergrund einer Plausibilitätskontrolle zugänglich sind. In diesem Sinn erscheinen im vorliegenden Fall Ermittlungen dahingehend geboten, ob Vorfälle in der vom Beschwerdeführer seinerzeit geschilderten Art für Guinea im Jahr 1990 verifiziert werden können. Das wäre insbesondere dann unverzichtbar, wenn das Verhalten des Beschwerdeführers in der Berufungsverhandlung vom 11. Oktober 2000 tatsächlich - wie behauptet - auf eine geistige/psychische Erkrankung zurückzuführen gewesen sein sollte und wenn eine derartige Erkrankung auch für die Zukunft keine für sich genommen einer verlässlichen Bewertung zugängliche Angaben des Beschwerdeführers erwarten ließe.

Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass die von der belangten Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung angestellten Überlegungen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht standzuhalten vermögen. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 18. April 2002

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis Sachverständiger Entfall der Beiziehung Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes Fachgebiet

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001010023.X00

Im RIS seit

13.06.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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