TE OGH 2019/5/21 14Os2/19d

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Veröffentlicht am 21.05.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Mai 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Binder als Schriftführer in der Strafsache gegen Johann W***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22. Oktober 2018, GZ 31 Hv 19/18s-25, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Strafverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johann W***** (im zweiten Rechtsgang [vgl zum ersten 17 Os 16/18h]) des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 21. September 2017 in Wien als Beamter des Zollamts S***** mit dem Vorsatz, dadurch Robert H***** an dessen Grundrecht auf Privatleben (Art 8 MRK) zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte, nämlich allgemeine Maßnahmen der Zollaufsicht nach § 22 Abs 2 und 3 Zollrechts-DurchführungsG, vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er ohne Grund zur Annahme, dass H***** Waren transportierte, die der zollamtlichen Überwachung unterliegen, dessen Pkw anhielt und durchsuchte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 8 und 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der Antrag auf zeugenschaftliche Vernehmung des Johann P*****, zum Beweis dafür, „dass sich der Angeklagte anlässlich des Vorfalles im Helenental so verhalten hat, wie dies anlässlich von Schulungen laufend vermittelt wird“ (ON 24 S 109), zu Recht abgewiesen. Der Antrag nannte kein erhebliches Beweisthema (RIS-Justiz RS0118319), denn ein Vorfall „im Helenental“ ist nicht verfahrensgegenständlich; einen Bezug zur angeklagten Tat ließ der Antrag nicht erkennen.

Die Mängelrüge kritisiert, die Tatrichter hätten sich nicht mit einem Aktenvermerk des Beschwerdeführers auseinandergesetzt (Z 5 zweiter Fall), in dem dieser den Vorfall – gleichlautend wie von ihm in der Hauptverhandlung geschildert – festgehalten habe. Abgesehen davon, dass das Vorbringen eine Feststellung, welcher dieser Aktenvermerk entgegenstehen soll, nicht konkret nennt (RIS-Justiz RS0130729), bezieht sich die Rüge auf ein Beweismittel, das nicht aktenkundig ist, der Behauptung zuwider in der Hauptverhandlung offenbar nicht vorgetragen wurde und daher auch nicht erörterungsbedürftig war (RIS-Justiz RS0118316).

Der weiteren Mängelrüge zuwider liegt auch kein Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zwischen den Feststellungen zur vom Beschwerdeführer vorgenommenen Durchsuchung des Pkw des Opfers (insbesondere des Kofferraums) und jenen zur Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs vor. Schon der von der Rüge ins Treffen geführten Urteilspassage zum objektiven Tatgeschehen (US 5) ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer den Kofferraum sehr wohl durchsucht habe, andere Bereiche des Pkw hingegen nicht. Zudem lassen die Entscheidungsgründe – von der Rüge übergangen (RIS-Justiz RS0119370) – an mehreren anderen Stellen keinen Zweifel daran, dass der Beschwerdeführer (zumindest) den Kofferraum durchsuchte (US 10 mit Verweis auf die Verantwortung des Beschwerdeführers, der dies in der Hauptverhandlung übrigens selbst mehrfach eingestand [ON 24 S 39 ff], weiters US 5, 11 und 12). Die kritisierte Feststellung zur subjektiven Tatseite, der Beschwerdeführer habe gewusst, dass er durch die Durchsuchung seine Befugnis missbraucht habe, steht daher im Einklang mit den übrigen Urteilsannahmen.

Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite sind auch nicht offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall). Denn ihre – zudem nicht ausschließliche – Ableitung „aus dem objektiven Geschehen“ ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden und bei (wie hier) leugnenden Angeklagten methodisch meist nicht zu ersetzen (RIS-Justiz RS0116882).

Der Beschwerdeführer kritisiert unter dem Aspekt der Z 8, die Tatrichter hätten den Schuldspruch (unter anderem) auf die Feststellung gestützt, er habe mit dem Vorsatz, das Opfer an dessen Grundrecht auf Privatleben (Art 8 MRK) zu schädigen, gehandelt (US 6), während die Anklage von einem Vorsatz auf Schädigung des Grundrechts auf Freiheit (Art 5 MRK) ausgegangen sei. Solcherart wird aber – entgegen dem Rechtsmittelvorbringen – weder eine Abweichung in der rechtlichen Beurteilung des angeklagten Sachverhalts (vgl RIS-Justiz RS0121419), noch dessen Überschreitung durch das Erstgericht (§ 267 StPO) dargetan. Das Vorbringen ist davon abgesehen schon deshalb unverständlich, weil die Staatsanwaltschaft die Anklage (zu Beginn der Hauptverhandlung im zweiten Rechtsgang) dahin „modifizierte“, dass sich der Schädigungsvorsatz des Beschwerdeführers auf das Grundrecht auf Privatleben des Opfers bezogen habe, und sich die Vorsitzende daraufhin vergewisserte, „dass der Angeklagte von Gegenstand und Umfang der Anklage ausreichend in Kenntnis gesetzt ist“ (ON 24 S 3).

Weshalb die Feststellungen zur Wissentlichkeit in Bezug auf den Befugnismissbrauch und zum Vorsatz auf Schädigung des Opfers an dessen Recht auf Privatleben (US 5 f) die Willenskomponente des Vorsatzes nicht zum Ausdruck bringen sollen, erklärt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht (vgl RIS-Justiz RS0088835 [T4]). Im Übrigen enthält die Konstatierung, der Täter habe die ihm eingeräumte Befugnis, als Organ des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, auch eine (ausreichende) Aussage zu seinem auf die Beamteneigenschaft gerichteten (bedingten) Vorsatz (RIS-Justiz RS0089065 [T9]).

Indem die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit a) von der Prämisse ausgeht, der Beschwerdeführer habe den Pkw des Opfers nicht durchsucht, sondern dieses bloß aufgefordert, „den Kofferraum zu öffnen und darin befindliche Gegenstände zu zeigen“, entfernt sie sich vom gesetzlichen Bezugspunkt des festgestellten Sachverhalts (RIS-Justiz RS0099810). Der Verweis auf ein – vom Sachverhalt nicht vergleichbares – Erkenntnis des VfGH (VfSlg 12.122 [wo eine Hausdurchsuchung verneint wurde, weil ein Gendarmeriebeamter „bloß einen Blick in die unversperrten Zimmer“ geworfen habe]), geht daher ins Leere.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E125228

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00002.19D.0521.000

Im RIS seit

12.06.2019

Zuletzt aktualisiert am

12.06.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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