TE OGH 2019/5/15 9ObA25/19w

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.05.2019
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Bernhard Gruber und ADir. Gabriele Svirak als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. A*****, vertreten durch Mag. Dr. Rainer W. Böhm, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Celar Senoner Weber-Wilfert Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Kündigungsanfechtung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. Dezember 2018, GZ 7 Ra 49/18d-59, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der behauptete Verfahrensmangel wurde geprüft; er liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass nach der Kündigung der Klägerin eine andere Mitarbeiterin (mit anderem Aufgabenbereich) aufgenommen wurde und die Aufgaben der Klägerin auf andere Mitarbeiter aufgeteilt wurde, somit weder der Mitarbeiterstand verringert wurde, noch der Tätigkeitsbereich der Klägerin weggefallen ist. Ob damit davon gesprochen werden kann, dass der Arbeitsplatz der Klägerin „weggefallen“ ist, ist eine Wertung des Berufungsgerichts, kein Abweichen vom festgestellten Sachverhalt.

2. Bei der Anfechtung einer Kündigung nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG ist zunächst zu prüfen, ob dem Arbeitnehmer durch die Kündigung erhebliche soziale Nachteile entstehen, die über die normale Interessenbeeinträchtigung bei einer Kündigung hinausgehen (RS0051746 [T7]). Ist dies der Fall, so ist das Vorliegen von subjektiven oder objektiven Kündigungsrechtfertigungsgründen zu prüfen und anschließend eine Interessenabwägung vorzunehmen (RS0116698).

3. Eine Kündigung ist dann iSd § 105 Abs 3 Z 2 lit b ArbVG durch betriebliche Erfordernisse begründet, wenn sie im Interesse des Betriebs notwendig ist. Im Fall einer betrieblichen Rationalisierung ist die Beurteilung der Zweckmäßigkeit und Richtigkeit der Maßnahme grundsätzlich dem wirtschaftlichen Ermessen des Betriebsinhabers vorbehalten (vgl RS0051649; RS0052008). Die konkrete Kündigung muss aber zur Verwirklichung des beabsichtigten Erfolgs geeignet sein (8 ObA 95/11w).

Die wirtschaftliche Bedingtheit einer Kündigung ist vom Arbeitgeber in rational nachvollziehbarer Weise darzutun (RS0051825). Eine Kündigung ist nur dann betriebsbedingt, wenn sie eine normale und für jedermann nachvollziehbare betriebswirtschaftliche Konsequenz einer unternehmerischen Disposition ist, wobei die Kündigung, nicht jedoch die sie auslösende Unternehmerdisposition der Rechtfertigung bedarf.

4. Die Revision versucht allein aus dem Umstand, dass die konkrete Stelle der Klägerin als solche nicht nachbesetzt wurde und ihre Aufgaben aufgeteilt wurden, abzuleiten, dass die Kündigung betriebsbedingt war.

Bereits das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass es aber schon am Vorbringen fehlt, welcher wirtschaftlicher Erfolg mit der Kündigung der Klägerin angestrebt werden sollte. Offenkundig ist der Aufgabenbereich der Klägerin nicht weggefallen. Es gibt kein Vorbringen, dass die Kündigung Folge einer geplanten Umstrukturierung oder etwaiger wirtschaftlicher Überlegungen war. Vielmehr gingen die Vorgesetzten der Klägerin davon aus, sie als Person nicht mehr verwenden zu können, was aber im Rahmen einer personenbezogenen Rechtfertigung der Kündigung zu prüfen ist, nicht einer betriebsbedingten.

5. Die in der Person des Arbeitnehmers gelegenen Gründe, die der Arbeitgeber zur Rechtfertigung der Kündigung gemäß § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG geltend machen kann, müssen nicht so gravierend sein, dass sie die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über den Kündigungstermin hinaus unzumutbar machen (RS0051888 [T14]) oder gar das Gewicht eines Entlassungsgrundes erreichen. Sie müssen aber die betrieblichen Interessen soweit nachteilig berühren, dass sie bei objektiver Betrachtungsweise einen verständigen Betriebsinhaber zur Kündigung veranlassen würden und die Kündigung als gerechte, dem Sachverhalt adäquate Maßnahme erscheinen lassen. Werden die betrieblichen Interessen in erheblichem Maße berührt, überwiegen sie das (wesentliche) Interesse des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses (RS0051888).

6. Das Berufungsgericht hat sich ausführlich mit dem festgestellten Verhalten der Klägerin sowohl in Bezug auf den Umgang mit den anderen Mitarbeitern und der Vorgesetzten als auch mit ihrem Fehlverhalten im Hinblick auf die zu verrichtenden Arbeiten und der Befolgung von Arbeitsaufträgen auseinandergesetzt und dieses Verhalten nicht nur im einzelnen sondern auch in seiner Gesamtheit in seine Beurteilung einbezogen.

Richtig ist, dass die allgemein festgestellten Verhaltensweisen der Klägerin (ablehnende Haltung gegenüber der Vorgesetzten; abweisende Gesten; Arbeitsanweisungen nur widerwillig und nach wiederholter Aufforderung befolgt; unkooperativ) ebenso wie die vom Berufungsgericht detailliert dargestellten Vorfälle, durch die einzelne Fehler und falsche Verhaltensweisen der Klägerin dokumentiert sind, personenbezogene Gründe darstellen, die eine Kündigung rechtfertigen können.

Ob dies der Fall ist, kann jedoch, wie zuvor dargestellt und auch vom Berufungsgericht richtig erkannt, nur im Rahmen einer Interessenabwägung abschließend beurteilt werden.

7. Nach ständiger Rechtsprechung stellt die konkrete Abwägung der durch die Kündigung beeinträchtigten wesentlichen Interessen des gekündigten Arbeitnehmers gegen die vom Arbeitgeber nachgewiesenen personenbezogenen Kündigungsgründe iSd § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG wegen ihrer Einzelfallbezogenheit im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RS0051818 [T8] uva).

8. Im Rahmen der Interessenabwägung hat das Berufungsgericht berücksichtigt, dass die allgemein festgestellten Verhaltensweisen der Klägerin keine verwertbaren Rückschlüsse auf die Schwere der Verfehlung zulassen. Im Zusammenhang mit den umfangreich festgestellten einzelnen Vorfällen wies das Berufungsgericht weiters darauf hin, dass die Klägerin in dieser Zeit auch mit unrichtigen Vorwürfen konfrontiert wurde und sich subjektiv überlastet fühlte und die Vorgesetzten zwar über das Arbeitsverhalten der Klägerin miteinander sprachen, die Klägerin selbst aber nicht mit den Vorwürfen konfrontiert wurde und ihr keine Gelegenheit gegeben wurde, ihr Verhalten zu korrigieren.

Wenn das Berufungsgericht daher im Rahmen seiner Interessenabwägung von einem Überwiegen der Interessen der 1965 geborenen Klägerin unter Berücksichtigung der langen Betriebszugehörigkeit und der Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess ausgegangen ist, hält sich diese Rechtsauffassung im Rahmen des eingeräumten Ermessensspielraums.

9. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Textnummer

E125210

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00025.19W.0515.000

Im RIS seit

11.06.2019

Zuletzt aktualisiert am

07.02.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten