TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/28 I415 1230961-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.10.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

28.10.2018

Norm

B-VG Art.130 Abs1 Z3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §69 Abs2

Spruch

I415 1230961-2/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER, als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX (alias XXXX), geb. XXXX (alias XXXX alias XXXX), StA. Nigeria, vertreten durch Rechtsanwalt Edward DAIGNEAULT, Lerchenfelder Gürtel 45/11, 1160 Wien, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl betreffend den Antrag auf Aufhebung des Rückkehrverbotes vom 15.07.2015, IFA-Zahl XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht wird gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) stattgegeben.

II. In Erledigung des Antrages vom 15.07.2015 wird das mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 25.11.1999, Zl. XXXX, verhängte unbefristete Aufenthaltsverbot gemäß § 69 Abs 2 FPG behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria und reiste nach eigenen Angaben am 21.07.1998 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 24.07.1998 unter Angabe der Aliasidentität XXXX und dem Aliasgeburtsdatum XXXX, einen Asylantrag.

2. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 23.11.1998, Zl. XXXX, wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen des Vergehens des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen Diebstahls nach § 127, 130, 15 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten und einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

3. Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 08.07.1999, Zl. XXXX, gemäß § 7 AsylG 1997 ab und erklärte seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria gemäß § 8 AsylG 1997 für zulässig. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer mangels einer aufrechten Abgabestelle am 08.07.1999 durch Hinterlegung im Akt zugestellt.

4. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 29.07.1999, Zl.XXXX, wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen des Verstoßes nach dem Suchtmittelgesetz nach § 28 Abs. 2, 3 und 4 SMG, § 15 StGB, § 27 SMG sowie wegen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 StGB rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 32 Monaten verurteilt.

5. Auf Grundlage der rechtskräftigen, strafgerichtlichen Verurteilungen erließ die Bundespolizeidirektion Wien über den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 25.11.1999, Zl. XXXX, das verfahrensgegenständliche unbefristete Aufenthaltsverbot. Begründend wurde ausgeführt u.a. ausgeführt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes selbst eine ansonsten völlige soziale Integration eines Fremden bei Suchtgiftdelikten der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegenstehe. Familiäre Bindungen zum Bundesgebiet würden nicht bestehen und müsse daher eine Interessensabwägung zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausfallen.

6. Mit den Urteilen des Landesgerichtes XXXX vom 18.02.2004, XXXX, vom 12.08.2008, XXXX sowie vom 11.08.2011, XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen neuerlicher Verstöße gegen das Suchtmittelgesetz, des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls sowie wegen schwerer Körperverletzung zu unbedingten Freiheitsstrafen von zunächst achtzehn Monaten, sodann zu zwei Jahren und zuletzt zu vierzehn Monaten rechtskräftig verurteilt.

7. Zuletzt verurteilte ihn das Bezirksgericht XXXX mir Urteil vom 15.05.2012, XXXX wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten.

8. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.11.2012 wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 15.01.2013, Zl. A6 230.961-0/2008/21E die gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.07.1999, Zl. 987 05.444-BAG, eingebrachte Beschwerde gemäß § 7 AslG 1997 ab und stellte gemäß § 8 AsylG 1997 iVm § 50 FPG fest, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Diese Entscheidung ist rechtskräftig und vollstreckbar.

9. Mit Schriftsatz seines Rechtsvertreters vom 15.07.2015 beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung des Rückkehrverbotes. Begründend wurde auf das Wesentliche zusammengefasst ausgeführt, dass er sich ohne Unterbrechung seit Juli 1998 in Österreich aufhalte und er Vater von drei minderjährigen Kindern sei, zu denen eine intensive Bindung bestehe. Die Gründe, die ursprünglich zu Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten, seien weggefallen. Mittels Fax vom 02.02.2016 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs 1 Z 3 B-VG.

10. Am 08.03.2017 erfolgte in Anwesenheit des Beschwerdeführers am Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung hinsichtlich seines Antrages auf Aufhebung des Rückkehrverbotes.

11. Mit Mandatsbescheid des BFA vom 27.06.2018, Zl. XXXX, wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2018, Zl. W251 2202104-1/18E, als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die in Punkt I dargestellten Ausführungen zum Verfahrensgang werden zum festgestellten Sachverhalt erhoben.

Darüberhinaus wird festgestellt:

Der Beschwerdeführer führt die im Spruch angegebene Identität (Name und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger Nigerias und ist somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Gegen den Beschwerdeführer wurde mit am 18.12.1999 in Rechtskraft erwachsenem Bescheid der BPD Wien, Zl. IV - 916.922/FrB/99, vom 25.11.1999, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer weist nachfolgende Verurteilungen im österreichischen Strafregister auf:

01) LG XXXX vom 23.11.1998 RK 27.11.1998

PAR 127 130 15 StGB

Freiheitsstrafe 6 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Vollzugsdatum 27.11.1998

zu LG XXXX RK 27.11.1998

Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre

LG XXXX vom 29.07.1999

zu LG XXXX RK 27.11.1998

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig

Vollzugsdatum 27.11.1998

LG XXXX vom 28.12.2007

02) LG XXXX vom 29.07.1999 RK 29.10.1999

PAR 28 ABS 2 3 U 4/3 SMG

PAR 15 StGB

PAR 27/1 SMG

PAR 15 269/1 StGB

Freiheitsstrafe 32 Monate

Vollzugsdatum 21.12.2001

03) LG XXXX vom 18.02.2004 RK 24.02.2004

PAR 27 ABS 1 U 2/2 (1. FALL) SMG

PAR 27/1 SMG

PAR 15 127 130 (1. FALL) StGB

Freiheitsstrafe 18 Monate

Vollzugsdatum 10.09.2004

04) LG XXXX vom 12.08.2008 RK 04.12.2008

PAR 27 ABS 1/1 (8. FALL) SMG

PAR 15 StGB

PAR 27/3 SMG

PAR 15 StGB

Datum der (letzten) Tat 06.05.2008

Freiheitsstrafe 2 Jahre

Vollzugsdatum 06.05.2010

05) LG XXXX vom 11.08.2011 RK 17.01.2012

§§ 83, 84 (1) StGB

Freiheitsstrafe 14 Monate

Vollzugsdatum 08.11.2013

06) BG XXXX vom 15.05.2013 RK 22.05.2013

§ 223 (2) StGB

Datum der (letzten) Tat 16.05.2012

Freiheitsstrafe 3 Monate

Vollzugsdatum 08.02.2014

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem diesbezüglich zweifelsfreiem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und der vorliegenden Gerichtsakte des Bundesverwaltungsgerichts I415 1230961-2, I415 1230961-3 sowie W251 2202104-1 und der durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 08.03.2017.

Die Angaben zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Verwaltungs- und Gerichtsakt, insbesondere aus der im Verwaltungsakt erliegenden Kopie des Reisepasses des Beschwerdeführers. Dass der Beschwerdeführer in Österreich unterschiedliche Identitäten angegeben hat, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen zu seinen strafgerichtlichen Verurteilungen gründen sich auf die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt sowie einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 17.10.2018. Der Grund für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes beruht auf einer Ausfertigung des oben zitierten Bescheides der BPD Wien und ergeben sich die Verurteilungen des Beschwerdeführers samt den näheren Ausführungen ebenfalls daraus sowie einer Ausfertigung der besagten Strafurteile.

3. Rechtliche Beurteilung:

2.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

2.1.1. Die maßgebliche Bestimmung des Artikel 130 Abs. 1 B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl I Nr. 22/2018, lautet:

"Artikel 130. (1) Die Verwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden

1.-gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

2.-gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

3.-wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;

4.-gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4."

2.1.2. Die maßgeblichen Bestimmungen der §§ 69 Abs 2 und 125 FPG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 lauten (soweit im hier gegebenen Zusammenhang relevant):

§ 69 (2) Ein Aufenthaltsverbot ist auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

"§ 125. (3) Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, gelten als nach diesem Bundesgesetz erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer. Besteht gegen einen Fremden, der am 1. Jänner 2006 Asylwerber ist, ein Aufenthaltsverbot, so gilt dieses Aufenthaltsverbot als Rückkehrverbot.

(16) Vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Aufenthaltsverbote gemäß § 60 oder Rückkehrverbote gemäß § 62 bleiben bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig.

[...]

(25) Ausweisungen gemäß § 62 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 bleiben bis zur Ausreise des Drittstaatsangehörigen aus dem Bundesgebiet aufrecht. Vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/2012 erlassene Rückkehrverbote bleiben bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig und können nach Ablauf des 31. Dezember 2013 gemäß § 60 Abs. 4 und 5 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 aufgehoben oder für gegenstandslos erklärt werden. Vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/2012 erlassene Aufenthaltsverbote bleiben bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig und können nach Ablauf des 31. Dezember 2013 gemäß § 69 Abs. 2 und 3 in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012 aufgehoben werden oder außer Kraft treten. [...]"

§ 125 Abs. 25 FPG wurde mit dem Gesetz BGBl. I Nr. 2013/68 eingefügt: Die EBRV führen zu dieser Bestimmung aus: "Der vorgeschlagene Abs 25 beinhaltet Regelungen, dass bereits vor Ablauf des 31. Dezember 2013 erlassene aufenthaltsbeendende Maßnahmen auch nach diesem Zeitpunkt ihre Gültigkeit behalten. So bleiben Ausweisungen gemäß § 62 nach alter Rechtslage bis zur Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht. Rückkehrverbote, Aufenthaltsverbote oder Einreiseverbote bleiben bis zum von der Behörde festgesetzten Zeitpunkt gültig und können nach Ablauf des 31. Dezember 2013 aufgehoben, verkürzt oder für gegenstandslos erklärt werden." (EBRV 2144 BlgNR XXIV. GP, 25).

Da das gegenständliche gem. § 60 FPG alt erlassene Aufenthaltsverbot sowohl vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 38/2011 als auch BGBl. I Nr. 87/2012 erlassen wurde, hat dieses gegenwärtig immer noch Gültigkeit und ist verfahrensgegenständlich zur Beurteilung des vom BF gestellten Aufhebungsantrages § 69 Abs. 2 und 3 FPG idF BGBl. I Nr. 87/2012 heranzuziehen.

Zu A)

2.2. Zur Stattgabe der Beschwerde (Spruchpunkt I.)

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG erkennen Verwaltungsgerichte über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.

Gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

§ 8 Abs. 1 VwGVG knüpft bei der Regelung der Frist zur Erhebung der Säumnisbeschwerde an die im AVG vorgesehene sechsmonatige Entscheidungsfrist an. Die Entscheidungsfrist beginnt grundsätzlich erst mit Einlangen des Antrages auf Sachentscheidung bei der zuständigen Behörde zu laufen. Für die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde ist der Zeitpunkt ihrer Erhebung maßgeblich (siehe Eder/Martschin/Schmid: Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, NWV 2013, K 2 und K 4 zu § 8 VwGVG).

Ist die Säumnisbeschwerde zulässig und nicht abzuweisen, geht die Zuständigkeit zur Entscheidung auf das Verwaltungsgericht über (siehe Eder/Martschin/Schmid: Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, NWV 2013, K 28 zu § 28 VwGVG).

Im gegenständlichen Fall beantragte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 15.07.2015 die Aufhebung des Rückkehrverbotes. Zum Zeitpunkt der Einbringung gegenständlichen Säumnisbeschwerde bei der zuständigen Behörde am 02.02.2016 war daher die sechsmonatige Entscheidungsfrist gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG verstrichen, weshalb sich aufgrund der - unbestrittenen - Säumigkeit des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht als zulässig erweist.

Zu prüfen bleibt, ob die gegenständliche Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht abzuweisen ist, weil die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der belangten Behörde zurückzuführen ist.

Die Verzögerung ist jedenfalls dann auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurück zu führen, wenn in der Entscheidungsfrist keinerlei Verfahrensschritte durch die Behörde gesetzt wurde (siehe Eder/Martschin/Schmid: Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, NWV 2013, K 8 zu § 8 VwGVG). Für diese Beurteilung gilt es auch auszumachen, ob die Ursache einer Verzögerung des Verwaltungsverfahrens (überwiegend) im Einflussbereich des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl liegt; gegebenenfalls ist das Verschulden der Partei an der Verzögerung des Verfahrens gegen jenes der Behörde abzuwägen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 73 Rz 126ff.).

Ein überwiegendes Verschulden ist auch dann anzunehmen, wenn die Behörde nicht durch ein schuldhaftes Verhalten der Partei (vgl. VwGH 22.12.2010, 2009/06/134; VwGH 18.11.2003, 2003/05/0115) oder durch unüberwindliche Hindernisse von der Entscheidung abgehalten wurde (vgl. VwGH 26.09.2011, 2009/10/0266); etwa wenn die Behörde die für eine zügige Verfahrensführung notwendigen Schritte unterlässt oder mit diesen grundlos zuwartet (vgl. VwGH 26.01.2012, 2008/07/0036). In der Abwägung des Verschuldens der Partei an der Verzögerung gegen jenes der Behörde genügt ein "überwiegendes" Verschulden der Behörde (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 8 VwGVG, Anmerkung 9, mwH.).

Wie sich aus dem Verwaltungsakt des Bundesamtes und aus dem oben dargestellten Verfahrensgang ergibt, sind nach dem Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes bis zur Erhebung der Säumnisbeschwerde durch den Beschwerdeführer keine Ermittlungsschritte der belangten Behörde ersichtlich. Damit ist ein überwiegendes Behördenverschulden hinsichtlich der Verletzung der Entscheidungspflicht im konkreten Fall gegeben.

Da sich aus dem Akteninhalt auch nicht ergibt, dass die Ermittlungsverzögerung durch ein schuldhaftes Verhalten des Beschwerdeführers oder durch unüberwindliche Hindernisse verursacht war, war der Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht stattzugeben.

Daraus folgt auch, dass die Zuständigkeit hinsichtlich des Antrags des Beschwerdeführers auf Aufhebung des Rückkehrverbotes auf das Bundesverwaltungsgericht übergegangen ist und es in der Folge über diesen Antrag selbst zu entscheiden hat.

2.3. Zur Behebung des Bescheides (Spruchpunkt II.)

Gemäß § 125 Abs. 3 FPG gelten Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, als nach diesem Bundesgesetz erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer. Besteht gegen einen Fremden, der am 1. Jänner 2006 Asylwerber ist, ein Aufenthaltsverbot, so gilt dieses Aufenthaltsverbot als Rückkehrverbot.

Gemäß § 125 Abs. 16 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, bleiben vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 - das ist der 1. Juli 2011 - erlassene Aufenthaltsverbote gemäß § 60 bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig.

Gemäß § 125 Abs. 25 dritter Satz FPG bleiben vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I. Nr. 87/2012 - das ist der 1. Jänner 2014 - erlassene Aufenthaltsverbote bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig und können nach Ablauf des 31. Dezember 2013 gemäß § 69 Abs. 2 und 3 in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012 aufgehoben werden oder außer Kraft treten.

Das hier gegenständliche unbefristete Aufenthaltsverbot wurde mit dem oben angeführten Bescheid der BPD Wien vom 25.11.1999 mit Rechtswirksamkeit ab 18.12.1999 rechtskräftig erlassen und gilt dieses Aufenthaltsverbot, weil der Beschwerdeführer zum Stichtag 01.01.2006 Asylwerber war, als Rückkehrverbot.

Im vorliegenden Fall wurde das gemäß §§ 36 Abs 1 iVm Abs 2 Z. 1 und 39 Fremdengesetz (FrG) in der damals geltenden Fassung erlassene unbefristete Aufenthaltsverbot nach persönlicher Zustellung am 01.12.1999 des zugrundeliegenden Bescheides an den Beschwerdeführer am 18.12.1999 rechtskräftig durchsetzbar.

§§ 36, 39 und 44 Fremdengesetzt (FrG) in der zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides geltenden Fassung BGBl. I Nr. 75/1997, lauteten - auszugsweise - wie folgt:

Aufenthaltsverbot

§ 36. (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt

----------

1.-die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.-anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

----------

1.-von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

§ 39. (1) Das Aufenthaltsverbot kann in den Fällen des § 36 Abs. 2 Z 1 und 5 unbefristet, in den Fällen des § 36 Abs. 2 Z 9 für die Dauer von höchstens fünf Jahren, sonst nur für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(2) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen.

Aufhebung des Aufenthaltsverbotes

§ 44. Das Aufenthaltsverbot ist auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 10.04.2014, 2011/22/0333, ausgesprochen hat, bleiben nach der Übergangsbestimmung des § 125 Abs. 16 FPG vor Inkrafttreten dieser Bestimmung (das war der 01.07.2011) erlassene Aufenthaltsverbote oder Rückkehrverbote bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig. Es bestünden, so der Verwaltungsgerichtshof, keine Zweifel daran, dass von dieser Bestimmung sämtliche - auch unbefristete - Aufenthalts- bzw. Rückkehrverbote nach § 60 bzw. § 62 FPG in der Fassung vor dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 erfasst sind (Hinweis auf VwGH 11.06.2013, 2012/21/0142). Alte Aufenthaltsverbote nach § 125 Abs. 16 FPG gelten als solche weiter; von einer Überleitung in das neue Recht sei dabei nicht die Rede (Hinweis auf VwGH 28.08.2012, 2012/21/0159, wonach solche Aufenthaltsverbote - auch wenn der Fremde bei seiner Erlassung keinen Aufenthaltstitel innehatte - nicht in Rückkehrentscheidungen samt Einreiseverbot nach der neuen Rechtslage umgedeutet werden können). Somit sei auf solche alten Aufenthaltsverbote § 69 Abs. 2 FPG anzuwenden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in genanntem Erkenntnis daran anknüpfend weiter ausführte, ist gemäß § 69 Abs. 2 FPG ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu dessen Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Antrag nach § 69 Abs. 2 FPG auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung der Maßnahme eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Entscheidung über die Aufhebung einer solchen Maßnahme kann die Rechtmäßigkeit jenes Bescheides, mit dem diese Maßnahme erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden. Eine Änderung der Rechtslage kann allerdings den Wegfall eines Grundes für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes darstellen und ist demnach bei der Prüfung der Zulässigkeit der Aufrechterhaltung dieser Maßnahme zu berücksichtigen (Hinweis auf VwGH 07.11.2012, 2012/18/0052, mwN und VwGH 16.05.2013, 2011/21/0272). Da allerdings eine Verkürzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes gemäß § 69 Abs. 2 FPG nicht in Betracht komme, sei dem Umstand, dass auf Grund der geänderten Rechtslage kein unbefristetes Aufenthaltsverbot gegen den Mitbeteiligten erlassen werden dürfte, in der Form nachzukommen, dass nach Ablauf von zehn Jahren das Aufenthaltsverbot (von Amts wegen oder auch auf Antrag) aufzuheben ist, sofern nicht zuvor das Vorliegen einer Gefährdung wegfällt oder aus sonstigen Gründen die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nicht mehr zulässig ist (Hinweis auf VwGH 24.01.2012, 2011/18/0267).

Diese Vorjudikatur bestätigte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24.05.2016, Ra 2016/21/0143: Dem Umstand, dass auf Grund der geänderten Rechtslage kein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen werden dürfte, sei zwingend (also ohne dass im vorliegenden Fall auf nach der Verhängung der Maßnahme eingetretene und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechende Gründe Bedacht genommen werden dürfe) in der Form nachzukommen, dass nach Ablauf von zehn Jahren das Aufenthaltsverbot (hier: über Antrag des Revisionswerbers) aufzuheben sei (Hinweis auf VwGH 24.01.2012, 2011/18/0267, und VwGH 10.04.2014, 2011/22/0333).

Aufgrund des gegen den Beschwerdeführer mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 25.11.1999, Zl. IV-916.922/FrB/99, erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbots ist vorliegend gemäß § 125 Abs. 25 FPG der § 69 Abs. 2 FPG in der oben angeführten Fassung anzuwenden (vgl. wiederum VwGH 10.04.2014, 2011/22/0333).

Gemäß den anzuwendenden Verwaltungsvorschriften, namentlich § 69 Abs. 2 FPG in seiner hier anzuwendenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/2012, ist in ihrer Auslegung durch den VwGH in Bezug auf als solche weitergeltende unbefristete Rückkehrverbote (Aufenthaltsverbote) eine (nachträgliche) Befristung bzw. Verkürzung gerade nicht möglich (vgl. wiederum VwGH 10.04.2014, 2011/22/0333). Zum selben Ergebnis gelangt man, wenn man vorliegend die mit § 69 Abs. 2 FPG wortgleiche, für alte Rückkehrverbote geltende Bestimmung des § 60 Abs. 5 FPG in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012, zur Anwendung brächte, zumal sich die angeführte ständige Rechtsprechung des VwGH zu § 69 Abs. 2 FPG auch auf diese - wortgleiche - Bestimmung übertragen lässt.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens war der Beschwerde stattzugeben:

Gegen den Beschwerdeführer wurde mit am 18.12.1999 in Rechtskraft erwachsenem Bescheid der BPD Wien vom 25.11.1999, Zl. XXXX, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Begründend wurde u.a. ausgeführt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes selbst eine ansonsten völlige soziale Integration eines Fremden bei Suchtgiftdelikten der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegenstehe. Familiäre Bindungen zum Bundesgebiet würden nicht bestehen und müsse daher eine Interessensabwägung zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausfallen.

Der gegenständliche Antrag auf Aufhebung wurde mit dem Umstand begründet, dass sich der Beschwerdeführer seit Juli 1998 ohne Unterbrechung in Österreich aufhalte und er Vater von drei minderjährigen Kindern sei, zu denen intensive familiäre Bindungen bestehen. Deshalb dürfe das Rückkehrverbot gegen den Beschwerdeführer nicht aufrechterhalten bleiben. Die Gründe, die ursprünglich zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt haben, seien weggefallen. Seit seiner Haftentlassung 2013 habe er dem rechtswidrigen Verhalten den Rücken gekehrt, weitreichende Integrationsschritte gesetzt und wolle er seinen Sohn unterstützen.

Im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist dem Umstand, dass auf Grund der geänderten Rechtslage kein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen werden dürfte, zwingend (also ohne dass im vorliegenden Fall auf nach der Verhängung der Maßnahme eingetretene und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechende Gründe Bedacht genommen werden dürfe) in der Form nachzukommen, dass nach Ablauf von zehn Jahren das Aufenthaltsverbot aufzuheben ist. Ausgehend davon, dass gegen den Beschwerdeführer nach derzeitiger Rechtslage somit lediglich ein zehnjähriges Rückkehrverbot erlassen werden dürfte und seit Erlassung des (damaligen) Aufenthaltsverbotes am 18.12.1999 bereits mehr als zehn Jahre vergangen sind, war dem Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung daher in der Form nachzukommen, dass das gegen ihn verhängte Aufenthaltsverbot aufzuheben war.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden und der angefochtene Bescheid zu beheben.

Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot aufgehoben, Bescheiderlassung, Entscheidungsfrist,
Ermittlungspflicht, geänderte Verhältnisse, persönliche und soziale
Bindungen, Rechtsanschauung des VwGH, Rechtslage, Säumnis,
Säumnisbeschwerde, Zeitablauf

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I415.1230961.2.00

Zuletzt aktualisiert am

07.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten