TE OGH 2018/8/28 8ObA50/18p

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.08.2018
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk (Arbeitgeber) und KR Karl Frint (Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei C*****, vertreten durch Dr. Andreas A. Lintl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei W***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Kündigungsanfechtung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Juni 2018, GZ 7 Ra 13/18k-35, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Eine erfolgreiche Anfechtung einer Kündigung wegen Sozialwidrigkeit iSd § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG bedarf des Nachweises durch den Arbeitnehmer, dass die Kündigung wesentliche Interessen des Gekündigten beeinträchtigt (RIS-Justiz RS0051845; RS0051746). In die Untersuchung, ob durch eine Kündigung wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt sind, ist nicht nur die Möglichkeit der Erlangung eines neuen, einigermaßen gleichwertigen Arbeitsplatzes, sondern die gesamte wirtschaftliche und soziale Lage des Arbeitnehmers und seiner Familienangehörigen einzubeziehen (RIS-Justiz RS0051741; RS0051806; RS0051703). Eine finanzielle Schlechterstellung allein genügt für die Tatbestandsmäßigkeit nicht, es sei denn, sie erreicht ein solches Ausmaß, dass sie
– unter Berücksichtigung aller Faktoren – eine fühlbare, ins Gewicht fallende Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage zur Folge hat, ohne dass aber schon eine soziale Notlage oder eine Existenzgefährdung eintreten müsste (RIS-Justiz RS0051727 [T16]; RS0051753; 9 ObA 54/12z). Gewisse Schwankungen in der Einkommenslage muss jeder Arbeitnehmer im Laufe des Arbeitslebens hinnehmen (RIS-Justiz RS0051727 [T2]). Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits wiederholt betont, dass es keine starren Prozentsätze der durch die Arbeitgeberkündigung bedingten Einkommensminderung des betroffenen Arbeitnehmers gibt, bei denen das Vorliegen von Sozialwidrigkeit jedenfalls zu bejahen oder jedenfalls zu verneinen wäre (8 ObA 46/15w; 9 ObA 116/15x; 9 ObA 129/16k ua). Es sind vielmehr alle wirtschaftlichen und sozialen Umstände zueinander in Beziehung zu setzen und nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu gewichten (RIS-Justiz RS0110944 [T3]). Ob die Sozialwidrigkeit der Kündigung nachgewiesen werden kann, stellt damit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0051640 [T5]; RS0051741 [T3, T9]).

2. Die Vorinstanzen haben die wesentliche Beeinträchtigung der Interessen der Klägerin durch die Kündigung unter Heranziehung der vom Obersten Gerichtshof in seiner Judikatur erarbeiteten Grundsätze verneint. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung zeigt die Revision nicht auf:

Nach den Feststellungen konnte die im Jahr 1986 geborene Klägerin – auf den maßgeblichen Zeitpunkt der durch die angefochtene Kündigung herbeigeführten Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Konkretisierungs-zeitpunkt) abgestellt (RIS-Justiz RS0051772) – mit hoher Wahrscheinlichkeit binnen sechs Monaten eine Vollzeitbeschäftigung als Hilfskraft in den Bereichen Handel, allgemeine Hilfsarbeit, Produktion, Lager, Gastronomie, Reinigung oder Sicherheit finden. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass der Klägerin trotz der absehbaren Einkommenseinbuße von brutto 21 % bzw netto 16,5 % gegenüber dem von ihr zuletzt erzielten Entgelt noch keine derart erheblichen sozialen Nachteile entstünden, die über die normale Interessenbeeinträchtigung bei jeder Kündigung hinausgingen (RIS-Justiz RS0051746 [T7]; RS0051753 [T5]), ist nach der Lage des Falls vertretbar. Die Klägerin hat keine Sorgepflichten, ihre Wohnsituation ist durch den Ehemann abgesichert – ein Vorbringen dazu, dies einschränkend zu gewichten, um im Sinne der Rechtsprechung diskriminierende Effekte zu vermeiden (9 ObA 174/01f ua), wurde in den Vorinstanzen nicht erstattet – und ihre festgestellten (relativ geringen) Lebenshaltungskosten finden auch im zu erwartenden reduzierten Einkommen bei weitem Deckung.

3. Dahingestellt bleiben kann, ob die Klägerin gegenüber ihrem Ehemann einen Anspruch auf Tragung der Wohnkosten hat. Maßgeblich ist, dass die Klägerin nach den Feststellungen mit Kosten für die Wohnung tatsächlich nicht belastet ist, ob diese nun vom Ehegatten oder einem anderen Familienangehörigen getragen werden, sodass es zu keiner sachlichen Ungleichbehandlung verheirateter und in Lebensgemeinschaft stehender Arbeitnehmer kommt. Eine (im Konkretisierungszeitpunkt absehbare) Änderung der Wohnsituation hat die für die Sozialwidrigkeit der Kündigung beweispflichtige Klägerin nicht behauptet. Entgegen der Meinung der Klägerin ist die monatliche Kreditrate Teil der festgestellten Lebenshaltungskosten und ist daher bei der gebotenen Gesamtbeurteilung, ob die Klägerin auf ihren Arbeitsplatz zur Sicherung ihres Lebensunterhalts angewiesen ist (vgl RIS-Justiz RS0051753 [T3]), von den Vorinstanzen berücksichtigt worden.

4. Mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Textnummer

E122733

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:008OBA00050.18P.0828.000

Im RIS seit

03.10.2018

Zuletzt aktualisiert am

03.07.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten