TE OGH 2018/8/28 5Ob129/18h

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.08.2018
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei g***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Stefan Hoffmann, Dr. Thomas Herzog, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, gegen die beklagte Partei G*****, vertreten durch Mag. Percy Hirsch, Rechtsanwalt in Wels, wegen 5.092,80 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 25. April 2018, GZ 22 R 135/18m-47, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 418,78 EUR (darin 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren teilweise statt. Das Urteil wurde dem Beklagtenvertreter am 23. 1. 2018 zugestellt. Am 20. 2. 2018 langte beim Erstgericht ein von der Beklagten selbst verfasstes Schreiben ein, in dem sie erklärte, gegen die Entscheidung Einspruch zu erheben, und ersuchte, die Berufungsfrist zu verlängern, um einen neuen Rechtsanwalt suchen zu können. Das Erstgericht übermittelte dieses „möglicherweise als Berufung einzustufende Schreiben“ dem Beklagtenvertreter zur Verbesserung binnen 14 Tagen durch Unterfertigung und allfällige Ergänzung.

Das Berufungsgericht wies die daraufhin verbesserte Berufung als verspätet zurück. Der Verbesserungsauftrag des Erstgerichts sei zu Unrecht erfolgt, weil der Beklagten bewusst gewesen sei, dass die Berufung der Unterschrift eines Rechtsanwalts bedürfe. Bringe eine Partei jedoch im Bewusstsein ihrer Fehlerhaftigkeit eine Eingabe ein, um einen Verbesserungsauftrag und damit eine Fristverlängerung zu erreichen, sei ihr die Verbesserungsmöglichkeit nicht zu gewähren. Der dennoch erteilte Verbesserungsauftrag habe keine Fristverlängerung zur Folge, weshalb die Berufung als verspätet zurückzuweisen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Beklagten. Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss des Berufungsgerichts aufzuheben und diesem die inhaltliche Erledigung der Berufung aufzutragen.

Die Klägerin beantragte in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Gegen einen Beschluss, mit dem das Berufungsgericht eine Berufung wegen Verspätung zurückweist, ist der Rekurs gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ohne Rücksicht auf den Streitwert und ungeachtet des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zulässig (RIS-Justiz RS0042770; RS0043893; RS0098745; RS0043861; RS0043882; RS0043886). Das Rekursverfahren vor dem Obersten Gerichtshof ist seit der ZVN 2009 zweiseitig (RIS-Justiz RS0128487; RS0125481; RS0098745 [T21]; RS0043882 [T12]).

2. Der Oberste Gerichtshof erachtet die Begründung des angefochtenen Beschlusses für zutreffend (§ 510 Abs 3 Satz 2 iVm § 528a ZPO). Ergänzend ist auszuführen:

2.1. Einer Partei ist in der Regel gemäß §§ 84 f ZPO die Möglichkeit einzuräumen, Formmängel einer Prozesshandlung – zu denen auch die fehlende anwaltliche Vertretung gehört – innerhalb einer vom Gericht zu setzenden Frist zu beheben, außer die Partei hat ihre Eingabe im Bewusstsein ihrer Fehlerhaftigkeit eingebracht (RIS-Justiz RS0036385 [T11]; RS0036447 [T7]). Die Beklagte wurde wiederholt (im Zuge der Ladung zu den Tagsatzungen vom 26. 8. 2016 und 1. 3. 2017) ausdrücklich darüber belehrt, dass in diesem Verfahren absolute Anwaltspflicht herrscht. Auch aus dem Umstand, dass die Beklagte in ihrem Schreiben die Fristverlängerung gerade für die Suche eines Rechtsanwalts beantragte, ergibt sich unzweifelhaft, dass der Beklagten das Erfordernis der Unterschrift eines Rechtsanwalts bekannt war. Schon aus diesem Grund wäre von der Einleitung eines Verbesserungsverfahrens abzusehen gewesen.

2.2. Abgesehen von der Begründung für die beantragte Fristverlängerung erschöpft sich der Inhalt des Schreibens der Beklagten in der bloßen Erklärung: „Ich erhebe Einspruch gegenüber der letzten Entscheidung!“ Um bei Rechtsmitteln der Gefahr vorzubeugen, dass durch bewusst unvollständige Erhebung des Rechtsmittels eine Verbesserungsfrist erschlichen und damit eine vom österreichischen Zivilprozess grundsätzlich abgelehnte Teilung von Anmeldung des Rechtsmittels und späterer Ausführung desselben in eigener Frist auf diesem Umweg doch erreicht wird, darf eine inhaltliche Verbesserung eines „Rechtsmittels“ nur dann verfügt werden, wenn sich der Schriftsatz nicht in der bloßen Benennung des Rechtsmittels oder in der Erklärung erschöpft, die Entscheidung zu bekämpfen (RIS-Justiz RS0036478). Ein „leeres“ Rechtsmittel einer an sich anwaltlich vertretenen Partei ist grundsätzlich nicht verbesserungsfähig (RIS-Justiz RS0036478 [T11]).

2.3. Erteilt das Gericht – wie das Erstgericht hier – einen unzulässigen Verbesserungsauftrag und kommt die Partei diesem nach, so tritt dadurch eine Sanierung der ursprünglichen Fristversäumung nicht ein (RIS-Justiz RS0110935). Bei rechtsmissbräuchlicher Inanspruchnahme des Instituts der Verbesserung ist also nicht nur kein Verbesserungsauftrag zu erteilen; selbst wenn ein solcher – unzulässigerweise – erteilt wurde, führt dies zu keiner Fristverlängerung (RIS-Justiz RS0110935 [T4]). Das Berufungsgericht wies die als Verbesserung eingebrachte Berufung daher zu Recht als verspätet zurück.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Textnummer

E122719

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00129.18H.0828.000

Im RIS seit

03.10.2018

Zuletzt aktualisiert am

03.10.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten