TE OGH 2018/6/28 9Ob44/18p

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.06.2018
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula in der Rechtssache der klagenden Partei A***** S*****, vertreten durch Mag. Manfred Sigl, Rechtsanwalt in Amstetten, gegen die beklagte Partei O***** GmbH, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei, D***** GmbH, *****, vertreten durch Gassauer-Fleissner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 51.556,54 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. April 2018, GZ 15 R 19/18a-130, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Nach Beendigung des Vertragsverhältnisses gebührt dem Handelsvertreter ua dann ein angemessener Ausgleichsanspruch, wenn und soweit er dem Unternehmer neue Kunden zugeführt oder bereits bestehende Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hat und zu erwarten ist, dass der Unternehmer oder dessen Rechtsnachfolger aus diesen Geschäftsverbindungen auch noch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile ziehen kann (§ 24 Abs 1 Z 1 und 2 HVertrG 1993).

Zur – auch hier relevanten – Frage des Fortwirkens der durch zugeführte Neukunden entstandenen Vorteile im Fall der Veräußerung des Unternehmens hat der Oberste Gerichtshof nicht nur bereits ausführlich im ersten Rechtsgang dieses Verfahrens (9 Ob 21/13y), sondern mittlerweile auch in weiteren Entscheidungen Stellung genommen (8 ObA 9/15d; 10 Ob 55/16k). Danach ist auch bei Veräußerung des Unternehmens ein Unternehmervorteil denkbar, weil es nicht darauf ankommt, dass der Unternehmer die potentiell erzielbaren Vorteile aus den vom Handelsvertreter akquirierten oder erweiterten Geschäftsverbindungen auch wirklich nutzbringend verwertet (RIS-Justiz RS0122237; RS0112456; RS0062649). Der Ausgleichsanspruch soll das Vertragsverhältnis überdauernde Vorteile, die dem Unternehmer aus der vom Handelsvertreter zugeführten Kundschaft bleiben, abgelten (RIS-Justiz RS0109283).

Dem Unternehmer bleibt es aber unbenommen, seine Geschäftstätigkeit strategischen Änderungen zu unterziehen (RIS-Justiz RS0122237 [T3]). Kein Ausgleichsanspruch gebührt dem Handelsvertreter, wenn der den Betrieb veräußernde Unternehmer tatsächlich keinen Vorteil aus dem neu geschaffenen Kundenstamm bei Veräußerung seines Unternehmens/Betriebs ziehen kann, weil etwa der Erwerber auf diesen Kundenstamm keinen Wert legt und dieser daher auch nicht in die Bemessung des Kaufpreises einfließt, weil der Erwerber nur an den Betriebsmitteln interessiert ist. Diesen (Gegen-)Beweis hat der Geschäftsherr zu erbringen (RIS-Justiz RS0106003).

Die im Revisionsverfahren noch strittige Frage, ob der den Betrieb veräußernde beklagte Unternehmer einen Vorteil aus dem neu geschaffenen Kundenstamm des klagenden Handelsvertreters bei Veräußerung des Betriebs ziehen konnte, kann nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Diese Frage stellt damit keine erhebliche Rechtsfrage dar, der zur Wahrung der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung iSd § 502 Abs 1 ZPO Bedeutung zukommt. Die Kasuistik des Einzelfalls schließt in der Regel eine beispielgebende Entscheidung aus (RIS-Justiz RS0042405 [T1]). Dies ist auch hier der Fall.

Die Beklagte verkaufte den vom Kläger bis zur Beendigung des Handelsvertretervertrags geführten Tankstellenbetrieb in einem Paket von insgesamt ca 10 Tankstellen an die Nebenintervenientin, die kein Interesse an dessen Fortführung hatte, sodass der Standort geschlossen wurde. Die veräußerten Tankstellen wurden aus einem Netz von 100 Tankstellen aus regionalen und finanziellen Gründen ausgesucht, wobei für die Beklagte der Gesamtpreis und nicht der Preis für die einzelne Tankstelle ausschlaggebend war. Der Kundenstamm des Klägers wurde beim Verkauf der Tankstelle an die Nebenintervenientin nicht abgegolten.

Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe nicht willkürlich, sondern in den Grenzen ihrer unternehmerischen Freiheit aus strategisch-wirtschaftlichen Gründen die vom Kläger betriebene Tankstelle geschlossen und an die Nebenintervenientin verkauft, wobei der Kundenstamm der Tankstelle nicht preisbestimmend gewesen sei, sodass die Beklagte aus dem Neukundenstamm keine Vorteile gezogen bzw ziehen habe können, ist daher vertretbar. Das wesentliche Revisionsargument, beim Tankstellenbetrieb des Klägers habe es sich um ein lebendiges, wirtschaftlich gesundes Unternehmen gehandelt, könnte dem Kläger nur dann zu einem Ausgleichsanspruch verhelfen, wenn die Beklagte die Tankstelle nur deshalb ohne Abgeltung des vom Kläger neu zugeführten Kundenstamms verkauft hätte, um dem Kläger nicht den gesetzlichen Ausgleichsanspruch nach § 24 HVertrG zahlen zu müssen. Dafür bietet der festgestellte Sachverhalt aber keine Anhaltspunkte.

Der Kläger stützte die Berechtigung seines Ausgleichsanspruchs auch darauf, dass die Beklagte dadurch nach wie vor erhebliche Vorteile iSd § 24 Abs 1 Z 2 HVertrG 1993 aus den von ihm geworbenen Stammkunden (und intensivierten Altkunden) erziele, weil diese Kunden auf die beiden in der Nähe des ehemaligen Betriebsstandorts der von ihm geführten Tankstelle gelegenen weiteren Tankstellen der Beklagten abgewandert (ausgewichen) seien.

Dass diese Behauptungen des Klägers grundsätzlich geeignet wären, einen Ausgleichsanspruch nach § 24 Abs 1 HVertrG 1993 zu begründen, hat der Oberste Gerichtshof im Aufhebungsbeschluss des ersten Rechtsgangs (9 Ob 21/13y Pkt. 3.7.) bereits bejaht. Allerdings war dieses Vorbringen im zweiten Rechtsgang nicht erweislich. Dazu stellte das Erstgericht ua fest, dass die umliegenden Tankstellen der Beklagten von der Schließung der Tankstelle des Klägers nur kurzfristig leicht, aber nicht langfristig profitieren konnten. Wenn das Berufungsgericht daher davon ausging, dass die der Beklagten nach Auflösung des Handelsvertretervertrags überdauernde Vorteile, die der Beklagten aus den vom Kläger zugeführten Kunden geblieben seien, zu gering seien, um als erheblich iSd § 24 Abs 1 Z 2 HVertrG angesehen werden zu können, so ist auch diese Rechtsansicht nicht korrekturbedürftig. Das mit den neuen Stammkunden und intensivierten Altkunden zu erwartende Geschäft wies auch nicht den von der Rechtsprechung geforderten Mindestumfang und eine gewisse Beständigkeit auf, um die Erheblichkeitsschwelle des § 24 Abs 1 Z 2 HVertrG zu erreichen (RIS-Justiz RS0124681 [T8]).

Auch mit den vom Erstgericht in diesem Zusammenhang getroffenen negativen Feststellungen zur Frage, welchen Stammkundenanteil die Tankstelle des Klägers bei Beendigung des Handelsvertretervertrags aufwies, und wie sich dieser Anteil allenfalls auf die umliegenden Tankstellen der Beklagten nach der Schließung der Tankstelle des Klägers verteilt hat, und ob daher die Beklagte mit der naheliegenden Tankstelle durch neu geworbene Stammkunden des Klägers Vorteile lukrieren konnte, ist für den begehrten Ausgleichsanspruch des Klägers auch unter dem Aspekt der Beweislastverteilung (RIS-Justiz RS0106003) nichts gewonnen. Vielmehr könnte nach diesen Feststellungen der Stammkundenanteil auch Null sein. Bei der Frage, ob der beweispflichtigen Partei der Nachweis einer bestimmten Tatsache gelungen ist, handelt es sich zudem um eine Frage der Beweiswürdigung, die im Revisionsverfahren nicht mehr überprüfbar ist (RIS-Justiz RS0112242 [T1]). Die in der Revision relevierten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor (vgl RIS-Justiz RS0053317).

Der vom Kläger in der außerordentlichen Revision vorgetragene Verfahrensmangel wurde bereits vom Berufungsgericht verneint. Er kann daher nicht als Revisionsgrund nach § 503 Z 2 ZPO geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042963).

Da der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz ist, könnte selbst eine – hier ohnehin nicht vorliegende – mangelhafte und unzureichende erstgerichtliche Beweiswürdigung im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpft werden (RIS-Justiz RS0043371). Diese Rechtsmittelbeschränkung kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass den Ausführungen des Berufungsgerichts, mit dem dieses die Beweisrüge des Klägers als nicht berechtigt erachtet hat, in der Revision (neue) Argumente entgegen gehalten werden. Nur wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht befasst hätte, wäre sein Verfahren mangelhaft (RIS-Justiz RS0043371). Dies ist hier aber nicht der Fall. Auch bei der Frage, ob der beweispflichtigen Partei der Nachweis einer bestimmten Tatsache gelungen ist, handelt es sich um eine Frage der Beweiswürdigung, die – wie schon dargelegt – im Revisionsverfahren nicht mehr überprüfbar ist (RIS-Justiz RS0112242 [T1]).

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

Textnummer

E122247

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0090OB00044.18P.0628.000

Im RIS seit

03.08.2018

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten