TE OGH 2018/6/25 8ObA28/18b

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.06.2018
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. 

Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und den Hofrat Dr. 

Stefula als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Claudia Gründel und Mag. Mauela Majeranowski-Laufer in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** P*****, vertreten durch Dr. Martin Holzer, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Ulrich Berger und Mag. Christof Pusswald, Rechtsanwälte in Bruck an der Mur, wegen 31.899,59 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. April 2018, GZ 7 Ra 68/17z-15, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine gerechtfertigte vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses kann immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (stRsp; RIS-Justiz RS0106298, jüngst 8 ObA 48/17t). Eine Einzelfallentscheidung ist für den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm korrigiert werden müsste. Bewegt sich das Berufungsgericht im Rahmen der Grundsätze einer ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und trifft es seine Entscheidung ohne grobe Fehlbeurteilung aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls, so liegt eine erhebliche Rechtsfrage nicht vor (RIS-Justiz RS0044088 [T8, T9]). Eine solche Fehlbeurteilung zeigt die außerordentliche Revision nicht auf. Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass der vorzeitige Austritt nicht berechtigt sei, da kein ungebührliches Vorenthalten von Entgelt vorliege, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs:

Von einem „ungebührlichen Vorenthalten“ des Entgelts iSd § 26 Z 2 AngG spricht man regelmäßig dann, wenn der Anspruch weder bestritten noch bezweifelt, das Entgelt jedoch bei Eintritt des Fälligkeitstermins nicht oder nicht zur Gänze geleistet wird (RIS-Justiz RS0028896 [T9]). Gleiches gilt für das ungebührliche Vorenthalten von Bezügen iSd § 82a Abs 1 lit d GewO 1859 (iVm § 376 Z 47 GewO 1994).

Durch eine bloß objektive Rechtswidrigkeit, insbesonders also, wenn über das Bestehen des Anspruchs verschiedene Rechtsmeinungen vertreten werden können und daher der Ausgang eines diesbezüglichen Rechtsstreits nicht abzusehen ist, wird der Tatbestand des § 26 Z 2 AngG (oder § 82a Abs 1 lit d GewO 1859) nicht erfüllt (RIS-Justiz

RS0029257).

Entscheidend ist, ob der Arbeitgeber wusste oder infolge der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht hätte wissen müssen, dass seine Vorgangsweise unrechtmäßig ist (RIS-Justiz

RS0029257 [T7]). Die Vorinstanzen legten ihren Entscheidungen zutreffend aber auch zu Grunde, dass nicht jede, sondern nur eine wesentliche Vertragsverletzung zum vorzeitigen Austritt berechtigt (RIS-Justiz RS0029312; RS0030641). Wesentlich ist eine Vertragsverletzung nur, wenn dem Arbeitnehmer die weitere Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses nicht einmal mehr für die Kündigungsfrist objektiv zugemutet werden kann (RIS-Justiz RS0028914 [T1]; ebenso RS0028609; RS0029312 [T13]). Die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung bildet auch im Bereich des vorzeitigen Austritts eine unabdingbare Voraussetzung des Beendigungsrechts (RIS-Justiz RS0030641 [T3]). Hier ist es – unter Beachtung der geringen Höhe der letztlich als berechtigt erachteten Überstundenforderung – jedenfalls vertretbar, wenn die Vorinstanzen die Unzumutbarkeit der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses verneinten. Dass die Beklagte keine Arbeitsaufzeichnungen führte war darin begründet, dass die Geschäftsführerin die Klägerin, die bereits 28 Jahre im Betrieb arbeitete, als „gleichsam zur Familie gehörend“ betrachtete und zu ihr ein großes Vertrauen bestand, sodass man auch nicht genau darauf achtete, wann sie kam und ging. Zudem hatte die Klägerin bislang die Gehaltsabrechnungen unbeanstandet unterfertigt. Erstmals mit dem (unter der Bedingung der Nichtbegleichung der Forderung binnen 10 Tagen erklärten) Austritt hat die Klägerin die Beklagte damit konfrontiert, sie hätte während der letzten drei Jahre Überstunden geleistet (wobei von den im Schreiben behaupteten 1.962,50 Überstunden letztlich nur 28 zu entlohnen waren [vgl Seite 20 iVm Seite 8 des Ersturteils]).

Textnummer

E122089

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:008OBA00028.18B.0625.000

Im RIS seit

19.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

07.03.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten