TE OGH 2018/6/19 11Os43/18k

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Veröffentlicht am 19.06.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Juni 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Sinek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mita S***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Hüseyin E***** sowie über die Berufungen des Angeklagten Adam C***** und der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten E***** und C***** gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 12. Oktober 2017, GZ 30 Hv 51/17a-137, weiters über die Beschwerden der Angeklagten E***** und C***** gegen Beschlüsse gemäß § 494a StPO, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten E***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, jeweils unbekämpft in Rechtskraft erwachsene Schuld- und Freisprüche weiterer Angeklagter enthaltenden Urteil wurde Hüseyin E***** der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 12, 15, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall (A./II./) und des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 1 StGB (B./5./) schuldig erkannt.

Danach hat er in B***** und andernorts
– soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant –

A./II./ am 8. Dezember 2016 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz dazu beigetragen, dass Mita S***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben jeweils unter Verwendung einer Schreckschusspistole anderen fremde bewegliche Sachen

1./ wegzunehmen versucht hat, und zwar Katharina R***** als Gewahrsamsträgerin der B*****-Tankstelle 1.200 Euro,

2./ weggenommen hat, und zwar Florian V***** als Gewahrsamsträger der J*****-Tankstelle 685,39 Euro und Autobahnvignetten im Wert von 7.498,70 Euro,

indem er die Waffe besorgte und beim zweiten Angriff Aufpasserdieste leistete.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten E*****.

Soweit die Verfahrensrüge (Z 3) Nichtigkeit der Aussage der Zeugin Julia B***** infolge der unterbliebenen Belehrung über „ihr Entschlagungsrecht“ (ersichtlich gemeint wegen Selbstbelastungsgefahr gemäß § 157 Abs 1 Z 1 erster Fall StPO) behauptet, verkennt sie, dass sich die Nichtigkeitssanktion des § 159 Abs 3 erster Satz StPO (bei Fehlen eines ausdrücklichen Verzichts durch den Zeugen) bloß auf Aussagebefreiungen nach § 156 Abs 1 Z 1 StPO, jene des § 159 Abs 3 zweiter Satz StPO (bei fehlender [oder falscher] Information) auf Aussageverweigerungsrechte nach § 157 Abs 1 Z 2 bis 5 StPO bezieht (vgl RIS-Justiz RS0124907; siehe auch Kirchbacher, WK-StPO § 159 Rz 26). Zudem führt ein im Zug der polizeilichen oder gerichtlichen Ermittlungen allenfalls zustande gekommenes „Aussagedelikt“ nicht zum Zeugnisverweigerungsrecht (Kirchbacher, WK-StPO § 157 Rz 4).

Indem auch auf die bei der Vernehmung durch die Kriminalpolizei (ON 8 S 35 ff) unterbliebene Belehrung dieser Zeugin über deren (seinerzeitiges) Entschlagungsrecht als Angehörige gemäß § 156 Abs 1 Z 1 StPO Bezug genommen wird, zeigt die Beschwerde keine Verletzung oder Missachtung einer von § 281 Abs 1 Z 3 StPO geschützten Vorschrift in der Hauptverhandlung auf (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 192; RIS-Justiz RS0099128). Im Übrigen wurde das Protokoll über die angesprochene polizeiliche Vernehmung mit ausdrücklicher Zustimmung der Verteidigung gemäß § 252 Abs 2a StPO vorgetragen (ON 135 S 33), sodass auch ein Erfolg der Verfahrensrüge unter dem Aspekt des § 281 Abs 1 Z 2 StPO von vornherein ausscheidet (RIS-Justiz RS0121050).

Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) liegt vor, wenn nicht unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt wurde oder aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist, wobei stets die Gesamtheit der Entscheidungsgründe und das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) in den Blick zu nehmen ist (RIS-Justiz RS0117995).

Die Mängelrüge kritisiert bloß die Konstatierungen zu Aufpasserdiensten des Beschwerdeführers und zur Übergabe der Schreckschusspistole, übergeht aber die dem Angeklagten E***** überdies unbestritten angelastete Besorgung der Tatwaffe (US 14), sodass sich das Beschwerdevorbringen nicht auf schuld- oder subsumtionsrelevante Umstände bezieht; erhebliche Tatumstände werden insoweit nicht tangiert (vgl RIS-Justiz RS0116737).

Dem weiteren Vorbringen (Z 5 zweiter, dSn vierter Fall) zuwider liegt auch die zur subjektiven Tatseite behauptete Mangelhaftigkeit nicht vor. Der von den Tatrichtern (zu A./II./) vorgenommene Schluss vom äußeren Verhalten auf die subjektive Tatseite (US 26) ist unter dem Aspekt zureichender Begründung nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0098671).

Die prozessordnungsgemäße Geltendmachung eines materiellen Nichtigkeitsgrundes erfordert striktes Festhalten an den tatsächlich getroffenen Urteilskonstatierungen in ihrer Gesamtheit und die auf dieser Grundlage zu führende Darlegung, dass dem Gericht bei Beurteilung des Urteilssachverhalts ein Rechtsirrtum unterlaufen ist. Demgemäß liegt keine prozessordnungsgemäße Darstellung eines derartigen Beschwerdegrundes vor, wenn eine im Urteil konstatierte Tatsache bestritten oder übergangen oder aber ein nicht festgestellter Umstand als gegeben angenommen wird (RIS-Justiz RS0099810 [T15]).

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) das Fehlen von konkreten Feststellungen zu Beitragshandlungen des Angeklagten E***** behauptet, dabei aber insbesondere jene zur Besorgung der Tatwaffe (US 14 f, 26) ignoriert, verfehlt sie den gesetzlichen Bezugspunkt.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) wendet sich gegen die Annahme der Qualifikation des § 143 Abs 1 zweiter Fall StGB. Soweit der Beschwerdeführer – ohne einen Feststellungsmangel (RIS-Justiz RS0118580) zu behaupten – die Urteilsannahmen dahingehend ergänzt, dass der unmittelbare Täter eine ungeladene Schreckschusspistole verwendet habe, orientiert er sich abermals nicht am Verfahrensrecht. Im Übrigen leitet er nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb der Einsatz einer ungeladenen Schreckschusspistole das Qualifikationsmerkmal der Verwendung einer Waffe iSd § 143 Abs 1 zweiter Fall StGB nicht erfüllen soll (zur Verwendung von funktionsunfähigen Waffen vgl Eder-Rieder in WK² StGB § 143 Rz 20 ff; RIS-Justiz RS0094078 [T7]).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E121848

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0110OS00043.18K.0619.000

Im RIS seit

29.06.2018

Zuletzt aktualisiert am

03.07.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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