TE OGH 2018/2/26 1R163/17y

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Veröffentlicht am 26.02.2018
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Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. B***** Aktiengesellschaft, *****; 2. E***** AG, *****; 3. R***** AG, *****, 4. R***** Aktiengesellschaft, *****; 5. U***** AG, *****; und 6. B***** S.A., *****, alle vertreten durch die Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17-19, wegen EUR 7.500.000,- sA (zu 1.), EUR 15.000.000,- sA (zu 2.), EUR 7.500.000,- sA (zu 3.), EUR 12.500.000,- sA (zu 4.), EUR 17.500.000,- sA (zu 5.) und EUR 20.000.000,-sA (zu 6.), Gesamtstreitwert EUR 80.000.000,-, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 18.8.2017, 23 Cg 14/15g-55, in nicht öffentlicher Sitzung

I. durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Jesionek als Vorsitzende sowie den Richter und die Richterin des Oberlandesgerichts Mag. Guggenbichler und Dr. Faber den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. An Stelle der i***** ag, *****, tritt die R***** AG, *****, in den Prozess ein.

2. Die Berufungsbeantwortung der R***** AG wird zurückgewiesen.

3. Die Berufung wird, soweit darin Nichtigkeit geltend gemacht wird, verworfen.

II. durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Jesionek als Vorsitzende, die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Faber und den Kommerzialrat Kwasny den

Beschluss

gefasst:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof ist zulässig.

Text

Begründung:

I.1. Mit Schriftsatz vom 21.12.2017 teilten sämtliche Klägerinnen, so auch die ausscheidende Drittklägerin i***** ag, sowie die neu eintretende Drittklägerin R***** AG, mit, dass die ausscheidende Drittklägerin ihre streitgegenständliche Forderung an die eintretende Drittklägerin veräußert und die Oesterreichische Kontrollbank AG der Veräußerung gemäß § 7 ULSG zugestimmt habe. Die bisherige Drittklägerin beantrage, aus dem Verfahren auszuscheiden; die neu eintretende Drittklägerin mache ihren Anspruch vollumfänglich geltend und halte sämtliche Anträge der ausscheidenden Drittklägerin aufrecht.

Die Beklagte stimmte dem Parteiwechsel mit Schriftsatz vom 27.12.2017 zu und hielt ihre Anträge auch gegenüber der eintretenden Drittklägerin aufrecht.

Nach § 234 ZPO hat die Veräußerung einer in Streit verfangenen Sache oder Forderung auf den Prozess keinen Einfluss. Der Erwerber ist nicht berechtigt, ohne Zustimmung des Gegners als Hauptpartei in den Prozess einzutreten. § 234 ZPO dient einerseits der Erhaltung der freien Verfügungsmöglichkeit des Klägers über den eingeklagten Anspruch (4 Ob 212/12y) und ist andererseits eine Schutzvorschrift zugunsten der Gegenpartei, die verhindern soll, dass sich eine Partei durch Veräußerung des Streitgegenstands ihrer Sachlegitimation entledigt und damit einen an sich berechtigten Anspruch des Gegners zum Scheitern bringt (RIS-Justiz RS0039314).

Nach § 234 ZPO ist ein Eintritt des Erwerbers der streitverfangenen Sache in den Prozess als Partei jedoch mit Zustimmung des Prozessgegners zulässig, ohne dass es der Zustimmung der ausscheidenden Partei bedürfte (Klicka in Fasching/Konecny³ § 234 ZPO Rz 37; ders in Rechberger, ZPO4 § 234 Rz 3; in diesem Sinn 7 Ob 49/08v). Die Eintrittserklärung des (Einzel-)Rechtsnachfolgers und die Zustimmung des Gegners sind Prozesshandlungen, die als Parteienerklärungen in der vorgesehenen Form erfolgen müssen (3 Ob 129/05z). Ein Eintritt des Rechtsnachfolgers ist auch nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zulässig (6 Ob 688/86; Klicka aaO § 234 Rz 37).

Im vorliegenden Fall erfolgten sowohl die Erklärung der eintretenden Drittklägerin als auch die Zustimmung der Beklagten in der für Prozesserklärungen im Anwaltsprozess vorgesehenen Form; auch die ausscheidende Drittklägerin erklärte in dieser Form ihre Zustimmung. Die Erwerberin der Forderung tritt daher anstelle der ausscheidenden Drittklägerin in den Prozess ein.

I.2. Zum Zeitpunkt der Einbringung der Berufungsbeantwortung (am 17.10.2017) war die R***** AG noch nicht Partei des Verfahrens. Dennoch erstattete sie - im Schriftsatz als Siebtklägerin gereiht – eine Berufungsbeantwortung. Mangels Parteistellung zu diesem Zeitpunkt war ihre Berufungsbeantwortung zurückzuweisen.

Zur Berufung (I.3. und II.):

Angesichts der Auswirkungen der internationalen Finanzkrise auf die Realwirtschaft wollte der Gesetzgeber durch den Erlass des Unternehmensliquiditätsstärkungsgesetzes (ULSG, BGBl I 78/2009) durch zielgerichtete staatliche Maßnahmen den nachteiligen Auswirkungen der Krise auf die Liquiditätssituation wirtschaftlich gesunder österreichischer Unternehmen begegnen. Dieses Gesetz wurde der Europäischen Kommission als staatliche Beihilfe „Nr. N 317/2009-Österreich“ notifiziert; es trat nach Kundmachung der Genehmigung der Europäischen Kommission als mit Artikel 87 Absatz 3 lit b EG (nunmehr: 107 Abs 3 lit b AEUV) vereinbar am 25.8.2009 in Kraft.

Am 22.12.2010 schlossen die (ursprünglichen) Klägerinnen als Kreditgeberinnen mit der A***** GmbH Schweiz (idF: A***** CH) als Kreditnehmerin ein „Term Loan Facility Agreement“ über einen Gesamtbetrag von EUR 160 Millionen (ULSG II-Finanzierung). Die Zuzählung der Kreditsumme an die A***** CH diente nur der Weiterleitung an die A***** GmbH (*****, idF: A*****). Die A***** übernahm wirtschaftlich sowohl die Kreditraten als auch das Kreditrisiko. Die (ursprünglichen) Klägerinnen haben unterschiedliche Kreditbeträge im Rahmen der ULSG II-Finanzierung übernommen. Gemäß Schedule 2 der ULSG II-Finanzierung war es eine aufschiebende Bedingung für das Wirksamwerden der ULSG II-Finanzierung, dass die Oesterreichische Kontrollbank AG (OeKB) gemäß § 1 ULSG als Bevollmächtigte der Beklagten ULSG-Garantien im Sinn des § 5 ULSG ausstellt.

Die OeKB unterfertigte in der Folge am 29.12.2010 jeweils auf Basis des Antrags der Kreditgeberinnen vom 9.11.2010 gegenüber diesen „Garantieerklärungen“ über jeweils 50 % des von den einzelnen Kreditgeberinnen übernommenen Obligos. Im Einzelnen erfolgten „Garantieerklärungen“ des Bundes gegenüber den Kreditgeberinnen im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag vom 22.12.2010 wie folgt:

a) Erstklägerin: „Garantieerklärung“ über EUR 7.500.000,-.

b) Zweitklägerin: „Garantieerklärung“ über EUR 15.000.000,-.

c) Ö*****Aktiengesellschaft (= ursprüngliche Drittklägerin;*****): „Garantieerklärung“ über EUR 7.500.000,-.

d) Viertklägerin: „Garantieerklärung“ über EUR 12.500.000,-.

e) Fünftklägerin: „Garantieerklärung“ über EUR 17.500.000,-.

f) Sechstklägerin: „Garantieerklärung“ über EUR 20.000.000,-.

Über das Vermögen der A***** wurde mit Beschluss vom 19.6.2013 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Die Klägerinnen begehren die Zahlung aus den von der Beklagten übernommenen Garantien in Höhe der jeweils besicherten Beträge.

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A***** sei der Haftungsfall gemäß Punkt 12.2 der ULSG-Richtlinie (idF: ULSG-RL, abgedruckt bei Diwok/Schramm, ULSG [2010] 114 ff) eingetreten. Die Klägerinnen (der Einfachkeit halber ist damit die ursprüngliche Drittklägerin mitgemeint, ohne dass darauf gesondert hingewiesen wird) hätten sämtliche Verbindlichkeiten aus der ULSG II-Finanzierung mit sofortiger Wirkung fällig gestellt. Sie hätten gegenüber der OeKB jeweils die Garantie in Anspruch genommen und die Anerkennung des Haftungsfalls unter gleichzeitigem Anbot der Abtretung eines Teils ihrer Forderungen gegen die A***** begehrt. Die OeKB habe jeweils den Haftungsfall mit dem begehrten Betrag anerkannt und mit Schreiben vom 22.3.2013 erklärt, gegen die Inanspruchnahme aus den Garantieerklärungen keine Einwände zu erheben, wenn bis zum Ablauf des 1.4.2015 ein Haftungsfall iSd ULSG vorliege. Die vereinbarte aufschiebende Bedingung, der Abschluss des „***** Agreement“, sei am 27.3.2013 erfüllt worden.

Die Beklagte wendet ein, sie habe die Haftungsbeträge nicht ausgezahlt, weil Umstände bekannt geworden seien, die zur weiteren Prüfung der Rechtmäßigkeit der Auszahlung Anlass gegeben hätten. Ihr sei erst ab Spätsommer 2013 bekannt geworden, dass die A***** nicht die Voraussetzungen einer gesunden wirtschaftlichen Basis vor dem 1.7.2008 und einer positiven Vorschau iSv § 2 Abs 1 Z 5 ULSG erfüllt habe.

Die A***** sei bereits im Jahr 2008 kein wirtschaftlich gesundes Unternehmen mehr gewesen. Unter Zugrundelegung korrekter Jahres- und Konzernabschlüsse sei von einer Zahlungsunfähigkeit der A***** und damit mittelbar auch der A***** Holding GmbH im Herbst 2010 auszugehen. Die besicherten Kredite hätten objektiv nur zur Rückzahlung kurzfristiger, unbesicherter Kredite und der Insolvenzverschleppung gedient.

Die Beklagte sei über die Bonität der A***** GmbH in einen relevanten Irrtum geführt worden.

Den Anträgen der Klägerinnen seien gemäß Punkt 4.2 ULSG-RL Unterlagen angeschlossen gewesen, die die Erfüllung der Voraussetzungen für eine Haftungsübernahme nach dem ULSG nachweisen und Aufschluss über die Bonität und Zukunftsprognose der A***** geben sollten. Die für die Beurteilung des Risikos des Bundes durch die OeKB erforderlichen Unterlagen seien durchwegs von den Klägerinnen beigebracht und nur in Einzelfällen direkt von der A***** eingeholt worden. Darin liege eine Irrtumsveranlassung durch die Klägerinnen.

Konkret sei die Irreführung durch Vorlage unrichtiger Jahresabschlüsse der A***** und unrichtiger Konzernabschlüsse der A***** Gruppe sowie durch unrichtige Ratings der Klägerinnen erfolgt.

Die Klägerinnen hätten die Beklagte auch durch Verletzung ihrer Aufklärungspflicht in die Irre geführt, da sie weitergehende Erkenntnisse als die Beklagte hätten haben müssen. Die Zweit- und die Fünftklägerin seien die Hausbanken der A***** gewesen und hätten anhand der Kontoführung Einsicht in die tagesaktuelle Lage und die Entwicklung des Alltagsgeschäfts gehabt. Daraus hätten sie erkennen müssen, dass die A***** seit etwa 2008 vor wichtigen Stichtagen jeweils Maßnahmen getätigt habe, um die Nettoverschuldung zum Stichtag zu verbessern („Window-Dressing“). Aufgrund dieser Maßnahmen sei davon auszugehen, dass es der A***** weit schlechter gegangen sei, als aus den Bilanzen ersichtlich, worüber die Zweit- und Fünftklägerin die Beklagte hätten informieren müssen. In Kenntnis der wahren Sachlage wäre die Beklagte die Haftungen nicht eingegangen.

Sollten die Klägerinnen selbst vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs 1 Z 5 ULSG ausgegangen seien, liege ein zur Vertragsanfechtung berechtigender gemeinsamer Geschäftsirrtum vor.

Die Einrede des Irrtums sei nicht verjährt, weil die Beklagte bereits am 20.12.2013 beim Handelsgericht Wien zu 17 Cg 41/13f Klage auf Nichtigerklärung der Haftungsübernahmen bzw auf Vertragsaufhebung wegen Irrtums und Fehlens der Geschäftsgrundlage erhoben habe. Die fristauslösenden Haftungsübernahmen seien erst am 29.12.2010 ausgestellt worden. Die vor dem 20.12.2010 ausgestellten „Garantiepromessen“ der Beklagten seien nur Vorverträge, die für den Fristenlauf unbeachtlich seien.

Überdies sei die Verjährungfrist durch die Erneuerung der Garantien im Herbst 2011 gehemmt worden. Der Anfechtungsgrund betreffe nicht nur die ursprünglichen Verträge aus 2010, sondern auch jene aus 2011; diese seien jeweils ex tunc nichtig, weshalb die Beklagte keine Verpflichtung zur Auszahlung treffe.

Da die Voraussetzung eines gesunden Unternehmens nach § 2 Abs 1 Z 5 ULSG eine für ein solches Geschäft typische Voraussetzung sei, sei auch von einem Fehlen der Geschäftsgrundlage auszugehen. Die Beklagte sei daher nicht an ihre Haftungserklärungen gebunden.

Die Beklagte könne sich auf § 879 ABGB, Irrtumsanfechtung und das Fehlen der Geschäftsgrundlage stützen, weil keine abstrakten Garantien vorlägen, dem Garanten aber auch bei abstrakten Garantien die Einwendungen aus dem Garantievertrag offen stünden.

Schließlich seien die Schreiben der OeKB vom 6.8. und vom 13.8.2013 keine konstitutive Anerkennung des Haftungsfalls, sondern nur die vorweg erklärte Annahme der Forderungsabtretung in jenem Umfang, in dem es tatsächlich zu Zahlungen aus den Haftungsübernahmen komme. Die OeKB habe auch nicht mit Schreiben vom 22.3.2013 auf Einwände gegen die Inanspruchnahme verzichtet.

Die Haftungen seien zudem nichtig nach § 879 Abs 1 ABGB, weil sie gegen das Beihilferecht der Europäischen Union (Art 108 Abs 3 AEUV und Art 3 der VO [EG] Nr 659/1999 des Rates) verstießen. Die Unionsrechtswidrigkeit ergebe sich daraus, dass Haftungen zugunsten eines Unternehmens übernommen worden seien, das vor dem 1.7.2008 keine gesunde wirtschaftliche Basis aufgewiesen habe und bei dem die Erfüllung der Kreditverbindlichkeiten nicht zu erwarten gewesen sei. Die Beklagte dürfe die Beihilfen daher nicht auszahlen.

Die Haftungsübernahme hätte die A***** zwar insofern begünstigt, als sie auf dem freien Markt keinen Kredit mehr erhalten hätte. Durch die Haftungsübernahmen seien aber gleichzeitig die Klägerinnen in mehrfacher Hinsicht begünstigt worden. So habe die Beklagte das Geschäftsrisiko der Klägerinnen ohne marktübliche Gegenleistung der Klägerinnen übernommen; die Klägerinnen hätten nämlich die Zahlung des Haftungsentgelts auf die A***** überwälzt. Darüber hinaus seien die Klägerinnen durch die Umwandlung von unbesicherten in besicherte Kredite begünstigt worden. Das Vorliegen eines marktüblichen Haftungsentgelts sei nicht entscheidend, da das Kreditgeschäft ohne die Haftungsübernahme überhaupt nicht zustande gekommen wäre. Die Beklagte könne sich den Klägerinnen gegenüber auf die Nichtigkeit stützen, weil diese nicht Dritte, sondern Begünstigte aus der Beihilfe seien; sie seien auch nicht gutgläubig gewesen.

Auch unter der Annahme wirksamer Haftungsübernahmen seien die Klageforderungen nicht fällig, weil die Klägerinnen eine ergänzende Informationserteilung entgegen ihren Verpflichtungserklärungen und entgegen den ULSG-RL verweigert hätten, sodass die Prüfung des Haftungsfall noch nicht abgeschlossen sei.

Die Klägerinnen halten dem entgegen, die A***** habe im Zeitpunkt der Haftungsübernahme alle Voraussetzungen nach dem ULSG erfüllt. Das ULSG solle auch Finanzierungen für Unternehmen ermöglichen, die nach dem 1.7.2008 in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten seien, sodass wirtschaftliche Schwierigkeiten zum Zeitpunkt der Haftungsübernahme unbeachtlich seien. Im vorliegenden Fall sei jedoch sowohl zum 1.7.2008 als auch zum Zeitpunkt der Haftungsübernahme eine gesunde wirtschaftliche Basis der A***** vorgelegen; zudem sei die Rückzahlung der garantierten Verbindlichkeiten aufgrund von Vorschauen zu erwarten gewesen.

Die Übernahme der ULSG-Haftung durch die Beklagte sei keine Bedingung für die Einräumung eines Kredits durch die Klägerinnen gewesen, sondern habe sich nur auf die Konditionen des Kreditvertrags ausgewirkt.

Zur Überprüfung der Voraussetzungen des § 2 Abs 1 Z 5 ULSG sei nach § 2 Abs 2 ULSG nicht primär auf die Einzelabschlüsse der A***** abzustellen, sondern auf die Konzernabschlüsse der A***** Holding. Die Klägerinnen hätten auf die Richtigkeit der testierten Abschlüsse vertrauen dürfen.

Die von der Zweit- und Fünfklägerin erstellten Ratings hätten der tatsächlichen Lage der A***** entsprochen. Den Klägerinnen seien bei ihrer internen Prüfung der A***** Gruppe nicht mehr Informationen zur wirtschaftlichen Lage vorgelegen, als gegenüber der OeKB offengelegt; eine Irreführung scheide daher aus.

Die OeKB habe zudem die A***** selbständig geprüft. Unabhängig vom Antrag der Klägerinnen auf Haftungsübernahme hätten bilaterale Verhandlungen zwischen der OeKB und der A***** stattgefunden; die OeKB sei in die Abstimmung des Business Plans der A***** eingebunden gewesen; die prüfungsrelevanten Unterlagen seien ihr auch von der A***** zur Verfügung gestellt worden.

Die Klägerinnen seien ihren Informationspflichten zum Nachweis der Erfüllung der Voraussetzungen der Haftungsübernahme und zur laufenden Information über die wirtschaftliche Lage nachgekommen. Darüber hinaus seien Vertreter der Beklagten ab Herbst 2012 bei den Bankenrunden zur Restrukturierung der A***** anwesend gewesen.

Die Beklagte habe zum 29.7.2013, spätestens jedoch mit Schreiben vom 6.8. bzw 13.8.2013 den Eintritt des Haftungsfalls konstitutiv anerkannt. Damit seien die Klägerinnen zu keinen weiteren Informationen verpflichtet gewesen.

Ein Verstoß gegen Unionsrecht liege nicht vor.

Der Kreditvertrag zwischen der A***** und den Klägerinnen sei keine Beihilfe, weil er zwischen zwei Privatrechtssubjekten geschlossen und nicht aus staatlichen Mittel gewährt worden sei.

Auch im Verhältnis zwischen der Beklagten und der A***** liege keine Beihilfe. Ein Garantieversprechen sei nämlich nicht grundsätzlich verpönt, sondern nur soweit, als keine marktübliche Gegenleistung geschuldet sei. Das im vorliegenden Fall geleistete Haftungsentgelt von 2 % sei jedoch marktkonform. Außerdem könne die Auszahlung der Haftungssumme keine Verfälschung des Wettbewerbs in der Baubranche bewirken, weil die A***** in Konkurs sei.

Im Verhältnis zwischen den Klägerinnen und der Beklagten sei keine Begünstigung gelegen, weil das ULSG die Stärkung der Realwirtschaft und nicht die Förderung der Banken bezwecke, sodass als Beihilfeempfänger nur die A*****, nicht aber die Klägerinnen in Betracht kämen. Es komme auch nicht zu einer Verfälschung des Wettbewerbs auf dem Bankenmarkt, weil alle Kreditinstitute ULSG-Haftungen hätten beantragen können.

Der Beihilfeempfänger, sohin die A*****, nicht aber die Kreditgeberinnen, müsse sich vergewissern, dass ein Verfahren nach Art 108 Abs 3 AEUV (Notifikation der Beihilfe und Prüfung durch die Europäische Kommission) durchgeführt werde. Die Klägerinnen hätten alles Erdenkliche getan, um sicherzustellen, dass nicht gegen Beihilferecht verstoßen werde; sie hätten sich auf die Erfüllung der Voraussetzungen des ULSG verlassen können.

Abgesehen davon, dass keine unionsrechtswidrige Beihilfe vorliege, sei eine allfällige Rechtswidrigkeit der Beklagten „zuzurechnen“, weil diese weitreichende Überprüfungsmöglichkeiten gehabt habe. Die Folgen eines allfälligen Wettbewerbsverstoßes müssten zudem durch Abschöpfung der Zuwendung beim Begünstigten, das sei die A*****, sohin durch Anmeldung im Insolvenzverfahren, beseitigt werden.

Das Recht zur Irrtumsanfechtung sei verjährt, weil die Willensbildung der Beklagten mit der Ausstellung der Garantiepromessen am 7.12.2010 abgeschlossen gewesen sei. Die Klägerin habe die Irrtumsanfechtung erst am 20.12.2013, sohin nach Ablauf der Anfechtungsfrist, gerichtlich geltend gemacht. Die Erneuerung der Garantien im Herbst 2011 sei nicht als Novation zu beurteilen, sondern als bloße Schuldänderung. Ein neuer Irrtum im Herbst 2011 werde nicht behauptet.

Ein allfälliger Irrtum der Beklagten bei Abschluss der Garantieverträge sei nicht von den Klägerinnen veranlasst, weil ein erheblicher Teil der Unterlagen von der A***** übermittelt worden sei. Zudem bestehe eine Einschränkung auf die adäquate Verursachung. Die Klägerinnen hätten auch nicht damit rechnen müssen, dass die Jahresabschlüsse und anderen Unterlagen unrichtig seien. Die Ratings zur A***** Gruppe seien lege artis zustande gekommen. Die Beklagte habe einen allfälligen Irrtum selbst schuldhaft herbeigeführt, weil ihr umfassendere Informations- und Aufsichtsmöglichkeiten zugekommen seien als den Klägerinnen.

Ein gemeinsamer Irrtum liege nicht vor, weil die Beurteilung der Bonität des Hauptschuldners ausschließlich in die Sphäre des Sicherungsgebers falle und kein Geschäftsirrtum sei.

Die Beklagte könne sich auch nicht auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage stützen, weil innerhalb der analog anzuwendenden Frist für die Irrtumsanfechtung keine Geltendmachung erfolgt sei. Es sei auch kein unvorhersehbarer Umstand eingetreten, weil mit einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage immer zu rechnen sei.

Das Klagebegehren werde auch auf Schadenersatz aus culpa in contrahendo und die Verletzung vertraglicher Aufklärungs-, Schutz- und Sorgfaltspflichten gestützt.

Im Fall einer Rückabwicklung müsse die Beklagte Haftungsentgelte von EUR 3.986.666,67 zurückzahlen.

Schließlich stellen die Klägerinnen einen Zwischenantrag auf Feststellung der Verjährung des auf Irrtumsanfechtung und Wegfall der Geschäftsgrundlage gestützten Einwands der Beklagten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und wies mit in die Urteilsausfertigung aufgenommenem, unbekämpftem Beschluss den Zwischenantrag auf Feststellung ab.

Es traf die auf Seiten 2 bis 3 und 11 bis 35 der Urteilsausfertigungen ersichtlichen Feststellungen, auf die verwiesen wird.

Rechtlich verwarf es die Einreden der Beklagten und gab dem Klagebegehren sowohl auf Grundlage der Haftungsverträge als auch auf Grundlage zusätzlicher Vereinbarungen, die im Weg der Korrespondenz über die Anträge der Klägerinnen auf Anerkennung des Haftungsfalls zustande gekommenen seien, statt.

Es verneinte eine auf EU-Recht gegründete Unwirksamkeit der Haftungsübernahmen. Nach Art 107 Abs 1 AEUV seien staatliche Beihilfen grundsätzlich mit dem Binnenmarkt unvereinbar. Die Garantien der Beklagten seien im vorliegenden Fall Beihilfen an die Klägerinnen, da durch eine staatliche Maßnahme die Belastungen, die ein Garantienehmer normalerweise zu tragen habe, vermindert würden. Die Notwendigkeit staatlicher Maßnahmen zur Abfederung der Auswirkungen der Finanzkrise seien aber von der Europäischen Kommission anerkannt worden; die ULSG-RL seien auf der Grundlage des von der Europäischen Kommission genehmigten ULSG umgesetzt worden. Aus den ULSG-RL, dem Kreditvertrag und den Haftungsverträgen ergebe sich daher kein Verstoß gegen Art 107 AEUV.

Die Beklagte könne im Verhältnis zu den Klägerinnen keine Nichtigkeit aus faktischen Umständen (dem Vorliegen eines Unternehmens in Schwierigkeiten) ableiten, die ihre eigene Überprüfungstätigkeit im Verhältnis zur Kreditnehmerin betreffe.

Der Abschluss und der Inhalt der Haftungsverträge werde auf Grundlage von § 4 Abs 8 ULSG in den ULSG-RL näher geregelt. Die Antragstellung sei durch die Fünftklägerin als Agentin/Konsortialführerin für die Klägerinnen erfolgt. Nach dem Abschluss „vorläufiger Haftungsverträge“ durch Ausfertigung und widerspruchslosen Empfang von „Garantiepromessen“ sei der Abschluss der Haftungsverträge dadurch erfolgt, dass die am 29.12.2010 ausgestellte „Garantieerklärung“ von den Klägerinnen nicht binnen 14 Tagen retourniert worden sei.

Die Verträge seien von der A***** Schweiz auf die A***** Österreich geändert/erweitert worden, indem eine Garantieerklärung nach dem ULSG mit Ausstellungsdatum 30.11.2011 an die Klägerinnen ausgefertigt worden und zudem eine Prolongation der Garantie bis zum 30.11.2013 erfolgt sei. Die Verträge seien zustande gekommen, indem die Klägerinnen die Garantieerklärungen noch im Jahr 2011 empfangen und nicht retourniert hätten. Mit 27.3.2013 sei es bei ansonsten unverändertem Vertragsinhalt zu einer nochmaligen Prolongierung der Haftung bis zum Ablauf des 1.4.2015 gekommen. Zum 16.9.2013 hätten zwischen den Klägerinnen und der Beklagten rechtswirksame Haftungsverträge nach § 4 ULSG bestanden.

Die Haftungen der Beklagten seien als echte dreipersonale Garantien zu qualifizieren, aus denen der Beklagten keine Einwendungen aus dem Deckungs- und dem Valutaverhältnis zustünden. Nach Punkt 12.2 Fall 3 ULSG-RL sei mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Kreditnehmer der Haftungsfall eingetreten. Der Abruf der Garantie erfolge nach Punkt 12 ULSG-RL durch schriftlichen Antrag samt den erforderlichen Urkunden. Die Klägerinnen hätten schriftlich den Garantiefall der Insolvenzeröffnung geltend gemacht und entsprechend der ULSG-RL die Abtretung der Forderungen in Höhe der anerkannten Haftungsbeträge angeboten; zum Nachweis des Garantiefalls hätten sie auf die Insolvenzdatei verwiesen. Weitere Unterlagen seien nicht erforderlich gewesen. Damit hätten die Klägerinnen sämtliche Handlungen gesetzt, um den Garantiefall wirksam abzurufen.

Aufgrund des Vorliegens einer dreipersonalen Garantie sei die Anerkennung des Haftungsfalls auf den Empfang und die Kenntnisnahme der Anträge beschränkt. Dies sei mit E-Mail der OeKB vom 29.7.2013, spätestens mit den nachfolgenden Schreiben der OeKB vom 6.8. und 13.8.2013 („Annahme des Antrags auf Anerkennung des Haftungsfalls“) erfolgt. Nach Punkt 14.1 und 14.2 ULSG-RL seien die Haftungsbeträge im Fall der Insolvenz sofort fällig.

Eine Nichtigkeit der Haftungsverträge wegen Verletzung von Unionsrecht liege nicht vor, weil die Europäische Kommission das ULSG genehmigt habe und mit den Haftungsverträgen die auf diesem Gesetz basierenden ULSG-RL vereinbart worden seien.

Die Beklagte könne sich nicht auf die in den Materialien zum ULSG angeführten Kriterien zur Beurteilung der gesunden wirtschaftlichen Basis stützen, weil sie diese Kriterien weder in die ULSG-RL noch in die Haftungsverträge aufgenommen habe.

Selbst unter Heranziehung dieser Kriterien könnten die Haftungsverträge den Pflichtenkreis der Klägerinnen nicht über den Inhalt des ULSG und der ULSG-Richtlinien hinaus ausweiten. Die Klägerinnen hätten nicht prüfen müssen, ob ein nach dem ULSG garantiefähiger Kreditvertrag vorgelegen sei; sie hätten nur Unterlagen dazu vorlegen müssen. Die Prüfpflicht habe ausschließlich die Beklagte getroffen.

Die Klägerinnen hätten aber allgemeine Schutz-, Aufklärungs- und Informationspflichten getroffen. Diese beträfen Umstände, von denen die Klägerinnen Kenntnis hätten und die im Zusammenhang mit der Haftung von Bedeutung seien. Ein solches Wissen habe die Beklagte aber weder dargestellt noch bewiesen. Die Klägerinnen hätten ihre Verpflichtungen gegenüber der Beklagten daher mit der Vorlage der Unterlagen erfüllt. Die bloße Übermittlung von Unterlagen könne einen Irrtum nicht in adäquater Weise veranlassen. Die Einwendungen der Beklagten gegen den Garantiefall würden daher versagen.

Es liege zwar kein konstitutives Anerkenntnis vor, weil bis zum „Anerkennungsschreiben“ der OeKB vom 13.8.2013 keine Zweifel über den Haftungsfall bestanden hätten. Die Beklagte habe aber mit der „Annahme des Antrags auf Anerkennung des Haftungsfalls“ und der Annahme der Forderungsabtretungen den Klägerinnen die Erfüllung aus den Garantien vorbehaltlos zugesagt.

Die Ansprüche der Klägerinnen bestünden daher sowohl aus der rechtswirksam abgerufenen und iSd ULSG-RL „anerkannten“ Garantie, als auch aus der durch die Annahme der Anträge auf Anerkennung des Haftungsfalls zusätzlich zustande gekommenen Vereinbarungen zu Recht.

Nach Eintritt des Haftungsfalls hätten die Klägerinnen keine Informationspflichten mehr getroffen; daher könne sich die Beklagte nicht auf deren Verletzung stützen. Die Fälligkeit der Forderungen sei mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten aus den Gründen der Nichtigkeit, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil im klageabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise stellt die Beklagte einen Aufhebungsantrag. Weiters bekämpft die Beklagte die Kostenentscheidung des Erstgerichts.

Die Klägerinnen beantragen, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

I.3. Zur Berufung wegen Nichtigkeit

Die Beklagte sieht eine Nichtigkeit nach § 477 ZPO darin, dass das Erstgericht die Klagestattgebung in Überschreitung von § 405 ZPO auf einen nicht geltend gemachten Klagegrund gestützt habe, indem es den Abschluss zusätzlicher Vereinbarungen durch die Ausstellung der „Annahme des Antrags auf Anerkennung des Haftungsfalls“ durch die OeKB angenommen habe. Die Klägerinnen hätten das Zustandekommen solcher Vereinbarungen nicht behauptet, sondern sich neben der Haftungsübernahme nur auf ein konstitutives Anerkenntnis gestützt.

Der Fall, dass das Gericht einen anderen Klagegrund als den vom Kläger vorgebrachten zur Urteilsgrundlage nimmt, kann einem Verstoß gegen § 405 ZPO gleichkommen (RIS-Justiz RS0037713); ein solcher begründet aber nach ständiger Rechtsprechung keine Nichtigkeit, sondern (bloß) eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens (RIS-Justiz RS0041089; RS0041240; 4 Ob 16/17g). Schon aus diesem Grund ist die Berufung wegen Nichtigkeit zu verwerfen.

II. Zu den übrigen Berufungsgründen

1. Zur Mangelhaftigkeit des Verfahrens

Die beanstandete Überschreitung des § 405 ZPO begründet auch keinen Verfahrensmangel.

Nach § 405 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. „Antrag“ iSd § 405 ZPO meint nicht nur das Klagebegehren allein; es ist auch der übrige Inhalt der Klage zu beachten (RIS-Justiz RS0041078; RS0025188 [T1]; Rechberger in Rechberger, ZPO4 § 405 Rz 2).

Das Tatsachenvorbringen ist vom Gericht allerdings nach allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Nur dann, wenn das Klagebegehren ausdrücklich und ausschließlich auf einen bestimmten Rechtsgrund beschränkt ist, ist es dem Gericht verwehrt, dem Begehren aus anderen Gründen stattzugeben (RIS-Justiz RS0037610 [T43]; RS0058348 [T1]). Das ist nur der Fall, wenn dem Klagevorbringen unzweifelhaft entnommen werden kann, dass der Kläger eine andere rechtliche Beurteilung ausschließen wollte (RIS-Justiz RS0037610 [T12]; Rechberger aaO § 405 Rz 6); im Zweifel ist eine Beschränkung auf einen von mehreren nach dem Sachvortrag in Betracht kommenden Rechtsgründen nicht anzunehmen (RIS-Justiz RS0037610 [T36]).

Im vorliegenden Fall haben die Klägerinnen stets klargestellt, dass sie die Zahlungspflicht der Beklagten auch aus den Schreiben der OeKB vom 29.7. und vom 13.8.2013 ableiten. Ihr Vorbringen, dabei handle es sich um ein konstitutives Anerkenntnis, unterzieht dieses Schreiben einer rechtlichen Würdigung. Es kann aber nicht dahin verstanden werden, dass die Klägerinnen eine andere mit diesen Schreiben zustande gekommene Verpflichtung als Anspruchsgrundlage ausschließen wollten. Der behauptete Verstoß gegen § 405 ZPO liegt schon deshalb nicht vor.

Im Übrigen wird auf die Behandlung der Rechtsrüge betreffend die vom Erstgericht angenommenen Vereinbarungen zwischen der Beklagten und den Kreditgeberinnen verwiesen (unten 3.3.2.). Demnach sind durch die Schreiben der OeKB vom 29.7. und vom 13.8.2013 mangels eines auf einen Vertragsabschluss gerichteten objektiven Erklärungswerts dieser Schreiben keine Vereinbarungen zustande gekommen.

Aus diesem Grund liegt darin, dass das Erstgericht die Frage eines Vertragsabschlusses durch die Erklärung der OeKB vom 29.7.2013 und vom 13.8.2013 mit den Parteien nicht erörterte, auch kein wesentlicher Verfahrensmangel.

         3. Zur Rechtsrüge

3.1. Dass die Beklagte mit den Klägerinnen Sicherungsverträge abgeschlossen hat, ist unstrittig. Das Erstgericht beurteilte diese Verträge als wirksam und bejahte die geltend gemachten Ansprüche auf Grund eines wirksamen Abrufs der Garantien sowie aufgrund von nachträglich zustande gekommenen Vereinbarungen über die Leistungspflicht der Beklagten.

3.2.1. Die Rechtsrüge wendet sich zunächst (Punkt 2.1 der Berufung) gegen die Beurteilung, dass die Klägerinnen die strittigen Garantien wirksam abgerufen hätten. Sie hält dieser Beurteilung entgegen, die strittigen Sicherheiten seien nicht als Garantien zu qualifizieren, weshalb eine Zahlungspflicht der Beklagten nicht durch bloßen Abruf ausgelöst werde. Ein solcher Abruf sei auch im ULSG nicht vorgesehen.

3.2.2. Für die Rechtsnatur eines Vertrags ist nicht dessen Bezeichnung durch die Parteien, sondern die Absicht der Vertragschließenden hinsichtlich der Wirkungen des Vertrags maßgebend (RIS-Justiz RS0017762). Allein die gewählte Bezeichnung ist für die Abgrenzung unterschiedlicher Sicherungsgeschäfte voneinander nicht ausschlaggebend (P. Bydlinski in KBB5 § 1346 Rz 5 mwN).

Die Beurteilung, ob es sich bei den strittigen Sicherungsgeschäften um Garantieverträge handelt, ist daher nach den Regeln der Vertragsauslegung vorzunehmen (P. Bydlinski aaO § 1344 Rz 2).

Wesentlicher Unterschied zwischen der Bürgschaft und der Garantie liegt in der Akzessorietät der Bürgschaft. Aus diesem Grundsatz folgt, dass der Bürge niemals strenger haftet als der Hauptschuldner selbst. Könnte sich der Hauptschuldner gegen die Inanspruchnahme wehren, etwa weil die Hauptschuld niemals entstanden oder bereits beseitigt ist, kann dies auch der Bürge. Hingegen ist die Verpflichtung des Garanten aus der Garantie von der des Schuldners weitestgehend unabhängig, also nicht akzessorisch. Charakteristisch ist die vom Valutaverhältnis – dem Verhältnis zwischen dem Dritten und dem Garantiebegünstigten – unabhängige Leistungspflicht des Garanten (P. Bydlinski aaO § 1344 Rz 2). Der Garant muss regelmäßig bereits aufgrund der Behauptung des Begünstigten, der Garantiefall sei eingetreten, zahlen. Daher wird typischer Weise bei der Inanspruchnahme die formelle Garantiestrenge sehr ernst genommen, das heißt, dass sich der Garantieabruf präzise an den dafür vorgesehenen Vereinbarungen zu orientieren hat (P. Bydlinski aaO § 880a Rz 4).

3.2.3. Für die Beurteilung, ob im vorliegenden Fall die außergerichtliche Geltendmachung des Haftungsfalls in der nach den Sicherungsverträgen erforderlichen Art und Weise vorgenommen wurde, ist die Frage der Qualifikation der Verträge als Garantien nicht entscheidend.

Der Haftungsfall liegt nach der Sicherungsabrede unter anderem dann vor, wenn über den Kreditnehmer ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde.

Eine Regelung der Geltendmachung der Zahlungspflicht der Beklagten ergibt sich zwar nicht aus dem festgestellten Wortlaut der Garantieerklärung. Die Geltendmachung ist aber in Punkten 12.1 und 17 ULSG-RL geregelt. Die ULSG-RL definieren rechtsgeschäftliche Rahmenbedingungen im Sinn von allgemeinen Geschäftsbedingungen und entfalten gegenüber den Antragstellern – den Kreditgeberinnen – erst über die mit ihnen abzuschließenden Haftungsverträge Wirkung (8 Ob 10/14z).

Die Kreditgeberinnen haben in ihrem Antrag auf Haftungsübernahme vom 9.11.2010 ausdrücklich zur Kenntnis genommen, dass die ULSG-RL einen Bestandteil der Garantieerklärung der Beklagten bilden; die vertragliche Einbeziehung der ULSG-RL wird von den Parteien daher zutreffend nicht in Zweifel gezogen.

Nach Punkt 12 ULSG-RL („Haftungsfall“) ist schriftlich ein Antrag auf Anerkennung des Haftungsfalls bei der OeKB zu stellen; die zur Beurteilung des Antrags erforderlichen Urkunden sind beizuschließen. Nach Punkt 17.1 ULSG-RL muss dieser Antrag bei sonstigem Rechtsverlust innerhalb von sechs Monaten ab Eintritt des Haftungsfalls eingebracht werden. Wenn der Bund über den Antrag nicht antragsgemäß entschieden hat, sind die Ansprüche bei sonstigem Rechtsverlust binnen drei Monaten ab dem Datum des Schreibens, mit dem dem Haftungsnehmer die Entscheidung mitgeteilt wurde, gerichtlich geltend zu machen (Punkt 17.2 ULSG-RL).

3.2.4. Über die A*****, die zuletzt Kreditnehmerin sämtlicher hier gegenständlicher Kredite war, wurde mit Wirkung ab dem 20.6.2013 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Eintritt des vertraglich vorgesehenen Haftungsfalls ist damit nicht zweifelhaft.

Nach den Feststellungen haben alle Kreditnehmerinnen fristgerecht innerhalb von drei Monaten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Antrag auf Anerkennung des Haftungsfalls unter Übermittlung eines Auszugs aus der Insolvenzdatei gestellt, worauf durch das BMF eine Zustimmung der Beklagten zu den von den Klägerinnen eingebrachten Anträgen auf Zustimmung zum Haftungsfall erfolgte.

Ein Schreiben, das eine Obliegenheit der Kreditgeberinnen zur gerichtlichen Geltendmachung ihrer Ansprüche innerhalb von drei Monaten gemäß Punkt 17.2 ULSG-RL ausgelöst hätte – also ein Schreiben, mit dem ihnen eine nicht antragsgemäße Entscheidung der Beklagten mitgeteilt worden wäre -, liegt nach den Feststellungen nicht vor.

Damit haben die Kreditgeberinnen sämtliche formellen Voraussetzungen der Geltendmachung der Haftung der Beklagten eingehalten. Dass der Haftungsfall materiell eingetreten ist, ist unzweifelhaft.

Das Berufungsvorbringen zu Punkt 2.1 der Berufung, wonach das Klagebegehren deshalb abzuweisen sei, weil ein Abruf der Leistung der Beklagten nicht vorgesehen sei, sodass die Anträge auf Haftungsübernahme keine Rechtswirkungen entfalten könnten, überzeugt daher nicht.

3.3.1. Zu Punkt 2.2. und 3.5. der Berufung wendet sich die Beklagte gegen die Beurteilung des Erstgerichts, dass durch die Annahme der Anträge auf Anerkennung des Haftungsfalls Vereinbarungen zwischen den Kreditgeberinnen und der Beklagten zustande gekommen seien, die zwar nicht als konstitutive Anerkenntnisse zu werten seien, aber dennoch eine eigene vertragliche Grundlage für die Zahlungspflicht der Beklagten bildeten.

3.3.2. Das konstitutive Anerkenntnis ist ein Feststellungsvertrag, in dem eine Partei durch einseitiges Nachgeben das von ihr bezweifelte Recht in vollem Umfang zugesteht (RIS-Justiz RS0032818). Es muss als Feststellungsvertrag auf einer Willensübereinstimmung zwischen dem Anerkennenden und dem Begünstigten beruhen (RIS-Justiz RS0032818 [T7]). Da nach österreichischem Recht abstrakte Geschäfte grundsätzlich unzulässig sind, ist ein konstitutives Anerkenntnis nur wirksam, wenn dadurch ein Streit oder Zweifel über das Bestehen eines bestimmten Rechts bereinigt werden soll. Vom echten, konstitutiven Anerkenntnis unterscheidet sich das unechte oder deklarative Anerkenntnis dadurch, dass es eine bloße Wissenserklärung ist und keinen neuen Verpflichtungsgrund schafft; der Schuldner gibt nur bekannt, dass das Recht des Gläubigers seines Wissens besteht (RIS-Justiz RS0114623).

Für die Abgrenzung einer Willens- von einer bloßen Wissenserklärung kommt es darauf an, wie sie der Empfänger nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs unter Berücksichtigung aller Umstände verstehen durfte; es kommt also auf den objektiven Erklärungswert und nicht auf den Willen des Erklärenden oder die subjektive Auslegung durch den Erklärungsempfänger an (RIS-Justiz RS0014160; RS0014205; 1 Ob 137/03h).

Das Erstgericht hat zutreffend berücksichtigt, dass zwischen den Parteien zum Zeitpunkt der Erklärungen der OeKB vom 29.7. und vom 13.8.2013 kein konkreter Streit oder Zweifel hinsichtlich der Zahlungspflicht der Beklagten entstanden war. Die Mitteilungen der OeKB darüber, dass das BMF seine Zustimmung zum Antrag auf Anerkennung des Haftungsfalls erteilt habe, konnte daher von den Kreditgeberinnen nur als Tatsachenmitteilung des Inhalts aufgefasst werden, dass das BMF zur Ansicht gelangt sei, dass der Haftungsfall eingetreten sei.

Hingegen konnte ein redlicher, verständiger Erklärungsempfänger in der Situation der Klägerinnen diesen Schreiben nicht den Inhalt zumessen, dass die Beklagte dadurch unabhängig von der Berechtigung ihrer Inanspruchnahme einen neuen Verpflichtungsgrund für Leistungen der Republik schaffen wollte.

Damit fehlt es aber an einer der Beklagten zurechenbaren rechtsgeschäftlichen Willenserklärung, die zur Begründung einer neuen rechtsgeschäftlichen Verpflichtung der Beklagten führen könnte. Die vom Erstgericht angenommene eigenständige vertragliche Grundlage für die Klagestattgebung durch Abschluss einer Vereinbarung nach Eintritt des Haftungsfalls liegt daher nicht vor.

3.4.1. Die Rechtsrüge beanstandet weiter (Punkt 3. der Berufung), die Sicherungsgeschäfte zwischen den Parteien seien nicht wirksam zustande gekommen, weil die von § 2 Abs 1 Z 5 ULSG geforderten Voraussetzungen - dass das begünstigte Unternehmen vor dem 1.7.2008 eine gesunde wirtschaftliche Basis aufgewiesen habe und dass aufgrund von Vorschauen zu erwarten gewesen sei, es werde die garantierten Verbindlichkeiten vereinbarungsgemäß erfüllen – nicht vorgelegen seien. Dies führe zur Unwirksamkeit der Sicherungsgeschäfte nach § 879 Abs 1 ABGB, weil die genannten Voraussetzungen unionsrechtliche Vorgaben umsetzten, sodass die übernommenen Haftungen wegen des Nicht-Vorliegens dieser Vorgaben unionsrechtswidrig seien. Das Erstgericht habe es zu Unrecht unterlassen, zum Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs 1 Z 5 ULSG Feststellungen zu treffen; dies begründe einen sekundären Verfahrensmangel.

Zum unionsrechtlichen Beihilfeverbot

3.4.2. Nach Art 107 Abs 1 AEUV (vormals Art 87 Abs 1 EG) sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

Art 108 Abs 3 AEUV (vormals Art 88 Abs 3 EG) sieht eine Notifikationspflicht der Mitgliedstaaten hinsichtlich staatlicher Beihilfen vor.

Nach dieser Bestimmung ist die Kommission von jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen so rechtzeitig zu unterrichten, dass sie sich dazu äußern kann. Ist sie der Auffassung, dass ein derartiges Vorhaben nach Art 107 AEUV mit dem Binnenmarkt unvereinbar ist, so leitet sie unverzüglich das in Art 108 Abs 2 AEUV vorgesehene Verfahren ein. Der betreffende Mitgliedstaat darf die beabsichtigte Maßnahme nicht durchführen, bevor die Kommission einen abschließenden Beschluss erlassen hat.

Art 108 AEUV begründet eine umfassende Kompetenz der Kommission im Bereich der unionalen Beihilfenaufsicht (Bungenberg in Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches Beihilfenrecht [2013], Kapitel 2 Rz 10). Die der Kommission in Art 108 AEUV übertragene Aufgabe, bestehende Beihilfen zu überwachen (Abs 1) und neue Beihilfenvorhaben zu kontrollieren (Abs 3) werden durch die Beihilfenverfahrenverordnung (VVO; VO [EG] 659/1999 des Rates vom 22.3.1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags, ABl L 83 vom 27.3.1999; nunmehr VO [EU] 2015/1589 des Rates vom 13.7.2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl L 248 vom 24.9.2015, in Kraft getreten am 14.10.2015 [6 Ob 235/16a]) konkretisiert (Bungenberg aaO Kapitel 2 Rz 12).

Die präventive Kontrolle neuer Beihilfen ist in Art 108 Abs 3 AEUV geregelt: Im Fall neuer Beihilfen sowie der Änderung bereits bestehender Beihilfen und Beihilferegelungen besteht die Pflicht der Mitgliedstaaten zu deren Notifizierung an die Kommission (Bungenberg aaO Kapitel 2 Rz 51).

Der Mitgliedstaat darf die Maßnahme nicht durchführen, bevor die Kommission nicht eine abschließende Entscheidung erlassen hat (Durchführungsverbot; Art 108 Abs 3 S. 3 AEUV; Art 3 VVO). Das Durchführungsverbot dient der Sicherung der Notifizierungspflicht und des Entscheidungsmonopols der Kommission (Bungenberg aaO Kapitel 2 Rz 59). Es ist unmittelbar anwendbar; daher obliegt den nationalen Gerichten der Schutz der Rechte des Einzelnen gegen eine mögliche Verletzung der Anmeldepflicht und des Durchführungsverbots (Bungenberg aaO Kapitel 2 Rz 59, 138; Kodek/Wutscher, Praxisfragen der Rückforderung unionsrechtswidrigen Beihilfen, ÖJZ 2017/143, 1042). Zeitlich reicht das Durchführungsverbot bis zur verfahrensabschließenden Genehmigung der Beihilfe durch die Kommission (Bungenberg aaO Kapitel 2 Rz 61).

Unter „neuen Beihilfen“, die der Notifizierungspflicht unterliegen, sind sowohl Beihilferegelungen – das sind, soweit hier relevant, generell-abstrakte Regelungen, auf deren Grundlage Beihilfemaßnahmen gewährt werden können (vgl Art 1 lit d VVO) – als auch Einzelbeihilfen zu verstehen, die keine bestehenden Beihilfen sind (Art 1 lit c VVO).

Neue Einzelbeihilfen aufgrund einer bereits genehmigten Beihilferegelung sind hingegen nicht anmeldepflichtig (Bungenberg aaO Kapitel 2 Rz 53; außer die Beihilferegelung schreibt für bestimmte Arten von Beihilfen selbst eine Einzelanmeldung vor, vgl Bekanntmachung der Kommission über die Durchsetzung des Beihilferechts durch die einzelstaatlichen Gerichte, ABl C 85 vom 9.4.2009, Abschnitt 2.1.2 Abs 15 lit b Fn 30; idF: Bekanntmachung 2009/C 85/01). Für Beihilfen im Rahmen einer von der Kommission zuvor genehmigten Beihilferegelung gilt das Durchführungsverbot nicht (Bekanntmachung 2009/C 85/01, Abschnitt 2.1.2 Abs 15 lit b).

Wird die Kommission mit einer individuellen Beihilfe befasst, die angeblich aufgrund einer zuvor genehmigten Regelung gewährt wurde, hat sie die Einzelbeihilfe auf ihre Vereinbarkeit mit der Beihilferegelung, nicht unmittelbar an 108 AEUV, zu prüfen (Bungenberg aaO Kapitel 2 Rz 53; EuGH C-321/99 P vom 16.5.2002, ARAP). Dies deshalb, weil ansonsten eine bereits erteilte Genehmigung einer Beihilferegelung de facto rückgängig gemacht werden könnte.

Eine Beihilfe, die eine strikte und vorhersehbare Anwendung der Bedingungen darstellt, die in der Entscheidung über die Genehmigung der allgemeinen Regelung festgelegt sind, ist als bestehende Beihilfe anzusehen, die nicht der Notifikationspflicht unterliegt (EuGH Rs ARAP Rz 83). Hingegen sind Beihilfemaßnahmen, die zwar im nationalen Recht auf die Beihilferegelung gestützt werden sollen, aber nicht vom entsprechenden Genehmigungsbeschluss der Kommission erfasst sind, etwa, weil bestimmte Voraussetzungen und Bedingungen nicht eingehalten wurden, neue und damit anmeldepflichtige Beihilfen (von Wallenberg/Schütte in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 62. EL [2017], Art 108 AEUV Rz 13).

Von der Überprüfung neuer Beihilfen ist das Aufsichtsverfahren zur Prüfung rechtswidriger Beihilfen zu unterscheiden (vgl Bungenberg aaO Kapitel 2 Rz 68).

Nach Art 24 Abs 2 VVO kann jeder Beteiligte der Kommission eine mutmaßlich rechtswidrige oder missbräuchlich angewendete Beihilfe mitteilen, was gegebenenfalls die Durchführung eines Aufsichtsverfahrens der Kommission zur Folge hat (vgl Bungenberg aaO Rz 80 f). Bei rechtswidrigen Beihilfen ist seitens der Kommission anzuordnen, dass der Mitgliedstaat die Beihilfe nebst Zinsen zurückzufordern hat, wobei sich die Rückabwicklung nach dem Verfahrensrecht der Mitgliedstaaten richtet (Bungenberg aaO Kapitel 2 Rz 33; Art 16 VVO).

Unter rechtswidrigen Beihilfen sind nach Art 1 lit f VVO neue Beihilfen zu verstehen, die unter Verstoß gegen Art 108 Abs 3 AEUV eingeführt werden. Rechtswidrige Beihilfen sind demnach Beihilfen, die ohne Durchführung einer Notifikation oder nach der Notifikation, aber noch vor dem Genehmigungsbeschluss der Kommission durchgeführt wurden (Bungenberg aaO Kapitel 2 Rz 68), Beihilfen, die entgegen einem Negativbeschluss der Kommission gewährt wurden oder Beihilfen, die auf der Grundlage einer bestehenden und genehmigten Beihilferegelung eingeführt werden, aber deren Voraussetzungen nicht erfüllen (Bungenberg aaO Kapitel 2 Rz 182).

3.4.3. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs obliegt die Durchführung des Systems der Kontrolle staatlicher Beihilfen nach Art 108 AEUV zum einen der Kommission und zum anderen den nationalen Gerichten. Während für die Beurteilung der Vereinbarkeit von Beihilfemaßnahmen mit dem gemeinsamen Markt ausschließlich die Kommission zuständig ist, die dabei der Kontrolle der Unionsgerichte unterliegt, wachen die nationalen Gerichte über die Wahrung der Rechte des Einzelnen bei Verstößen gegen die Verpflichtung nach Art 108 Abs 3 AEUV, staatliche Beihilfen der Kommission im Voraus zu melden (EuGH C-275/10 vom 8.12.2011, Residex, Rz 25-27 mwN; C-368/04 vom 5.10.2006, Transalpine Ölleitung in Österreich, Rz 36-38).

Die Kompetenzen der nationalen Gerichte im Zusammenhang mit der Durchsetzung des Durchführungsverbots werden in der Bekanntmachung der Kommission 2009/C 85/01 dargestellt. Demnach können auch einzelstaatliche Gerichtsverfahren die Anwendbarkeit einer genehmigten Beihilferegelung zum Gegenstand haben. In diesem Fall muss sich das Gericht auf die Prüfung der Frage beschränken, ob alle Voraussetzungen der Entscheidung erfüllt sind, mit der die Regelung ursprünglich genehmigt wurde (Abschnitt 2.1.2 Abs 17 der Bekanntmachung 2009/C 85/01). Ist Letzteres nicht der Fall, so darf es sich nicht zur Vereinbarkeit der Beihilfemaßnahme mit dem Gemeinsamen Markt äußern, da für die Beurteilung dieser Frage ausschließlich die Kommission zuständig ist (Abschnitt 2.1.2. Abs 16 der Bekanntmachung 2009/C 85/01).

Hat das einzelstaatliche Gericht Zweifel an der Anwendbarkeit einer bestehenden oder genehmigten Beihilferegelung, so kann es die Kommission um eine Stellungnahme ersuchen (Abschnitt 2.1.2. Abs 18 der Bekanntmachung 2009/C 85/01). Gefragt werden kann insbesondere, ob eine bestimmte Beihilfemaßnahme unter eine Beihilferegelung fällt, die bei der Kommission angemeldet und von ihr genehmigt wurde (Abschnitt 3.2 Rz 91 lit c der Bekanntmachung 2009/C 85/01).

3.4.4. Grundsätzlich ist nicht ausgeschlossen, dass eine Gebietskörperschaft, die eine rechtswidrige Beihilfe zugesagt hat, sich selbst gegenüber dem Beihilfeempfänger auf die Unionsrechtswidrigkeit berufen und die Auszahlung der Beihilfe verweigern kann. Die Einrede des venire contra factum proprium

Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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