TE OGH 2018/3/13 11Os88/17a

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Veröffentlicht am 13.03.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat am 13. März 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Albu als Schriftführer in der Strafsache gegen Michael K***** und andere Angeklagte wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Michael K*****, Dr. Ernst J***** und Maria J***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3. Februar 2017, GZ 53 Hv 93/16g-64, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Michael K***** (I./A./ und B./), Dr. Ernst J***** (I./A und B./ sowie II./A./ und B./) und Maria J***** (II./A./ und B./) jeweils des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Demnach haben „in W***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, Nachgenannte durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die diese insgesamt in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag an ihrem Vermögen schädigten, und zwar

I./ Michael K***** und Dr. Ernst J***** die A***** GmbH (US 5: später B***** GmbH), vertreten durch Susanne M*****, durch die Vorgabe, einen Kredit in der Höhe von 360.000 Euro vermitteln zu können, zur Zahlung von zwei Geldbeträgen zur Erlangung dieses Kredits, wobei eine Kreditvermittlung nicht erfolgte, und zwar

A./ am 8. Juni 2010 zur Überweisung von 36.181,82 Euro auf das Bankkonto des Vereins C*****,

B./ am 12. April 2011 zur Übergabe von 10.000 Euro in bar;

II./ Dr. Ernst J***** und Maria J***** Andrea H***** und Dr. Bernhard H***** durch das Ersuchen, ihnen für kurze Zeit Geld in nachgenannter Höhe zu leihen, wobei sie angaben, sie können das Geld binnen kurzer Zeit zurückzahlen, wozu sie tatsächlich niemals im Stande waren, sowie (durch Täuschung) über den Zustand des Unternehmens und die finanzielle Lage von Dr. Ernst J***** zur Zahlung eines Geldbetrags von insgesamt 25.000 Euro als Privatkredit, und zwar

A./ am 5. September 2011 10.000 Euro,

B./ am 28. September 2011 15.000 Euro.“

Dagegen richten sich die von Michael K***** auf Z 5 und 9 lit a, von Dr. Ernst J***** auf Z 5, 9 lit a und 10a sowie von Maria J***** auf Z 9 lit a und 10a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Michael K*****:

Dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider haben die Tatrichter die Feststellungen zum Vorliegen des Täuschungs- und Schädigungsvorsatzes dieses Angeklagten zu I./A./ (US 6 f) aus dem äußeren Geschehensablauf (Täuschung über die geplante Verwendung des – unter dem Vorwand einer Kreditvermittlung – herausgelockten Betrages; US 18 [„dementsprechend“] iVm US 15 ff), aus der übereinstimmenden Einlassung der Angeklagten K***** und Dr. J*****, wonach sie die rund 36.000 Euro tatsächlich zur finanziellen Unterstützung der x***** GmbH und der S*****GmbH verwenden wollten (US 17), und aus dem sich aus den Aussagen des Angeklagten K***** und der Zeugin Susanne M***** ergebenden Eindruck, wonach von M***** letztlich mehr als der für die „Kapitalisierung“ der erwähnten Gesellschaften benötigte Betrag gefordert wurde, um deren und damit ihre eigene prekäre Lage (erkennbar: auf Kosten der Getäuschten) zu verbessern (US 18 iVm US 15 ff), ohne Verstoß gegen Kriterien logischen Denkens oder grundlegende Erfahrungssätze abgeleitet.

Ebensowenig ist die Begründung der Feststellungen zum bedingten Vorsatz der zuvor genannten Angeklagten zu I./B., (sich oder) den im Invest-Kreditvertrag angegebenen Kontoinhaber unrechtmäßig zu bereichern (US 10), mit dem äußeren Tatgeschehen (US 21 iVm US 8 ff, 18 ff) und dem Umstand, dass sie ihre Zweifel an der Seriosität des zu vermittelnden Kreditangebots vor W***** und M***** verbargen (US 21 iVm US 8 f, 18 f), unter dem Aspekt des § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO zu beanstanden (RIS-Justiz RS0098671).

Dass die Tatrichter aus den von der Beschwerde angesprochenen Beweisergebnissen nicht die vom Rechtsmittelwerber gewünschten Schlussfolgerungen gezogen haben, ist als Akt freier Beweiswürdigung mit Mängelrüge nicht bekämpfbar (RIS-Justiz RS0098400).

Mit der Behauptung, die Feststellungen brächten nicht zum Ausdruck, „ob und bei wem der Erstangeklagte durch die Täuschung einen Irrtum hervorgerufen habe“, verfehlt der Rechtsrüge (Z 9 lit a) den – im Urteilssachverhalt gelegenen – gesetzlichen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

Denn unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Entscheidungsgründe wurde zu I./A./ hinreichend deutlich festgestellt, dass der Plan der Angeklagten, W***** und M***** den inkriminierten Geldbetrag unter dem (wahrheitswidrigen) Vorwand der Verwendung als Eigenkapitalanteil zur Erlangung eines Kredits herauszulocken (US 6 f, 16 f), auch tatsächlich aufging (US 6, 15 f). Zu I./B./ wiederum wurde dargestellt, dass W***** und M***** über das mit dem Einsatz von weiteren 10.000 Euro tatsächlich verbundene Risiko getäuscht wurden, und Günter W***** das Geld bei Kenntnis der Möglichkeit eines Totalverlusts nicht übergeben hätte (US 9 f, 20 f).

Welcher weiterer Konstatierungen es in objektiver Hinsicht zur rechtsrichtigen Beurteilung dieses Sachverhalts bedurft hätte, erklärt die Beschwerde nicht.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dr. Ernst J*****:

Die Mängelrüge kritisiert, die Feststellung, wonach sich Michael K***** und der Beschwerdeführer dazu verabredet bzw beschlossen hätten, Susanne M***** und Günter W***** zu betrügen (US 6 ff), sei offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall).

Dem zuwider gelangte das Erstgericht – das ohnehin annahm, dass der Beschwerdeführer keinen direkten Kontakt zu M***** und W***** hatte (US 10) – zunächst aufgrund der Aussagen der Letztgenannten und einer entsprechenden Korrespondenz zur Überzeugung, dass diese zu I./A./ aufgrund der Täuschung durch K***** von der Vermittlung eines Kredits an ihr Unternehmen (und nicht von einer Investition ihrerseits) ausgegangen waren (US 15 ff). Ohne Verstoß gegen Grundsätze folgerichtigen Denkens und der allgemeinen Lebenserfahrung schloss es aus dem Fehlen von Vereinbarungen zu Modalitäten einer vom Beschwerdeführer behaupteten „Investition“ in vom Verein C***** unterstützte Unternehmen und aus der Aussage des Angeklagten K***** (vgl ON 38 S 14), wonach die (von Beginn an geplante) tatsächliche Verwendung (US 18) des überwiesenen Betrags für die im Macht- und Interessenbereich des Beschwerdeführers stehenden finanzschwachen x***** GmbH und S*****GmbH (US 5 f, 14 f) auf den Letztgenannten zurückging, auf ein doloses Zusammenwirken der beiden in finanziellen Schwierigkeiten befindlichen Angeklagten (US 17 f).

Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) ist auch der Schluss auf ein solches Zusammenwirken zu I./B./ aufgrund des vom Nichtigkeitswerber bestätigten Gesprächs (US 21) der beiden finanzschwachen Angeklagten (US 19 f) darüber, wie man den benötigten Betrag „aufstellen“ soll, obwohl sie selbst an der Seriosität des ihnen vorliegenden Kreditangebots zweifelten (US 18 f), nicht zu beanstanden.

Insgesamt versucht die Mängelrüge bloß, den Überlegungen des Schöffensenats eigene Beweiswerterwägungen entgegenzustellen, womit sie
– unzulässig – die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung bekämpft.

Dass die aus den Beweismitteln gezogenen Schlussfolgerungen des Erstgerichts nicht zwingende, sondern Wahrscheinlichkeitsschlüsse waren, stellt keinen Nichtigkeitsgrund dar, weil von einer unzureichenden Begründung im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO nur dann gesprochen werden kann, wenn sich der Schluss auf die zu begründende Tatsache überhaupt nicht ziehen lässt oder wenn der daraus gezogene Schluss so weit hergeholt erscheint, dass der logische Zusammenhang kaum noch erkennbar ist (RIS-Justiz RS0099455 [T8]).

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) gänzlich unsubstantiiert und pauschal Rechtsfehler mangels Feststellungen „zur objektiven/subjektiven Tatseite“ behauptet, ohne darzulegen, welcher Feststellungen es über die getroffenen hinaus bedurft hätte, vernachlässigt sie die prozessordnungskonforme Darstellung materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

Soweit die Beschwerde (offenbar zu I./A./ und I./B./; zu II./A./ und II./B./ vgl US 11 ff) das Fehlen von Konstatierungen „zur unmittelbaren Täterschaft“ des Angeklagten Dr. J***** moniert, legt sie nicht dar, weshalb dies angesichts der rechtlichen Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen nach § 12 StGB für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage von Bedeutung wäre (RIS-Justiz RS0117604 [T8]).

Die gesetzmäßige Ausführung einer Diversionsrüge (Z 10a) erfordert eine methodisch korrekte Argumentation auf Basis der Tatsachenfeststellungen unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen (RIS-Justiz RS0124801, RS0116823). Daran scheitert die Beschwerde, weil sie sich urteils- und aktenfremd auf eine Verantwortungsübernahme des Angeklagten Dr. J***** beruft (siehe hingegen zu I./A./ und I./B./: US 17, 21; ON 38 S 4, 56; ON 50 S 3, ON 63 S 3; Schroll, WK-StPO § 198 Rz 36/1, 36/2; RIS-Justiz RS0126734).

Abgesehen davon legt sie im Zusammenhang mit ihrer ausschließlich auf II./A./ und II./B./ (vgl ON 63 S 70 f; vgl dazu Schroll, WK-StPO § 198 Rz 36/4) rekurrierenden Argumentation nicht einmal dar, weshalb die angestrebte diversionelle Erledigung (bloß) eines Teils des Verfahrens trotz Tatmehrheit (I./ und II./) gesetzlich zulässig sein sollte (vgl hingegen Schroll, WK-StPO § 198 Rz 47 f).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Maria J*****:

Eine erfolgreiche Geltendmachung materiell-rechtlicher Nichtigkeit hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810). Diesen Erfordernissen wird die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht gerecht.

Denn sie vernachlässigt die aus der Gesamtheit der Entscheidungsgründe hinreichend deutlichen Urteilsannahmen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19), wonach (auch) die Beschwerdeführerin selbst Andrea H***** bei der Übernahme des Geldes durch ihr Gesamtverhalten (Schweigen über die tristen finanziellen Verhältnisse der Familie) – mit betrugsspezifischem Vorsatz – konkludent über ihre und ihres Mannes Rückzahlungsfähigkeit täuschte (US 12 f, 25 f, 27 f). Weshalb es darüber hinaus zur Annahme unmittelbarer Täterschaft nach §§ 146, 147 StGB auch Feststellungen in Richtung eines Betruges durch Unterlassung (§ 2 StGB) und zu einer „Garantenstellung“ oder „Aufklärungspflicht“ bedurft hätte, lässt die Beschwerde offen (vgl aber Kirchbacher in WK2 StGB § 146 Rz 20–22 und 134).

Zudem versäumt auch sie zu erklären (RIS-Justiz RS0116565), weshalb die Täterschaftsform für den Schuldspruch oder die Subsumtion relevant sein sollte (vgl dagegen RIS-Justiz RS0117604).

Die Darstellung der Diversionsrüge (Z 10a) ist
– unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens der Voraussetzungen nach § 198 StPO – auf der Basis der Urteilsfeststellungen methodisch korrekt zu entwickeln (RIS-Justiz RS0124801).

Demgegenüber stellt die Beschwerde bloß die Behauptung auf, die erstgerichtliche Konstatierung der Rückzahlung eines Teilbetrags der gewährten Privatkredite in Höhe von 1.000 Euro durch die Angeklagten J***** an das Ehepaar H***** in der Hauptverhandlung am 3. Februar 2017 (US 14) könne nur „als Verantwortungsübernahme unter gleichzeitig mit vollem Unrechtsbewusstsein erfolgender Schadenswiedergutmachung gedeutet werden“, weshalb spezialpräventive Diversionshindernisse nicht vorlägen. Dabei übergeht sie den in der Gesamtheit der Feststellungen gelegenen tatsächlichen Bezugspunkt (RIS-Justiz RS0119091), wonach es der Nichtigkeitswerberin im Verfahren trotz Anerkennung einer bestehenden Darlehensschuld an jeglichem Unrechtsbewusstsein (für strafrechtlich relevantes Fehlverhalten) mangelte (vgl US 13 f, 23 ff, 28 und ON 50 S 34, 55; ON 63 S 53; Schroll, WK-StPO § 198 Rz 36/1–36/3; RIS-Justiz RS0116299 [T1, T3]).

Ein weiteres Eingehen auf die – auf dem Fehlen spezialpräventiver Hindernisse aufbauende – Diversonsrüge erübrigt sich somit, weil sämtliche Diversionsvoraussetzungen stets kumulativ vorliegen müssen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht;

Textnummer

E121070

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0110OS00088.17A.0313.000

Im RIS seit

06.04.2018

Zuletzt aktualisiert am

06.04.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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