TE OGH 2018/1/30 9Ob76/17t

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Veröffentlicht am 30.01.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. H***** M*****, 2. H***** M*****, vertreten durch Mag. Andrea Rinderer, Rechtsanwältin in Bürs, gegen die beklagte Partei P***** S*****, vertreten durch Pitschmann & Santner Anwaltspartnerschaft in Feldkirch, wegen Beseitigung und Unterlassung (Gesamtstreitwert: 6.000 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 11. Juli 2017, GZ 3 R 158/17h-18, mit dem der Berufung der klagenden Parteien gegen das Urteil des Bezirksgerichts Feldkirch vom 23. Mai 2017, GZ 7 C 829/16x-15, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der klagenden Parteien wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 946,32 EUR (darin 157,72 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Kläger ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts unzulässig. Die Begründung kann sich auf die Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Kläger pflanzten in den Jahren 1970 bis 1973 auf ihrem (in Vorarlberg gelegenen) Grundstück im Abstand von 40 cm zur Grenze des nun im Alleineigentum des Beklagten stehenden Nachbargrundstücks eine Buchenhecke. Der Erstkläger nahm die Pflege der Hecke stets auch vom Nachbargrundstück aus vor (zwei Mal jährlich Heckenschnitt; einmal wöchentlich Entfernung des Unkrauts unterhalb der Hecke mit dem Rasenmäher). Das Nachbargrundstück ist Teil einer Liegenschaft, die die Mutter des Beklagten mit Kaufvertrag vom 14. 5. 1998 erworben hatte. Im Jahr 2010 schenkte sie dem Beklagten und seinen Brüdern jeweils einen 1/3-Anteil an der Liegenschaft. Im Jahr 2014 kaufte der Beklagte den Brüdern deren Anteile ab. Im März/April 2016 errichtete er auf seinem Grundstück 10 cm von der Grundstücksgrenze entfernt über die gesamte Länge einen nahezu blickdichten Holzzaun. Aufgrund des Zaunes ist es dem Erstkläger nicht mehr möglich, die Hecke an der dem Nachbargrundstück zugewandten Seite zu beschneiden und das Unkraut unterhalb der Hecke mit dem Rasenmäher auszumähen.

Die Kläger begehrten, den Beklagten dazu zu verpflichten, den Holzzaun samt Maschendrahtgeflecht wieder zu entfernen und es zu unterlassen, in einer Breite von einem Meter jedwede Art von Zäunen zu errichten oder ähnliche Hindernisse zu schaffen, abzustellen oder zu pflanzen, wodurch das ungehinderte Ausmähen, das ungehinderte Zurückschneiden und der Lichteinfall auf die Buchenhecke be- und verhindert werde, solange dort Heckenpflanzen gleich den heutigen stünden.

Die Vorinstanzen wiesen das Begehren ab. Die Revision wurde vom Berufungsgericht nachträglich zur Frage zugelassen, ob im Hinblick auf § 1500 ABGB bei teilweise entgeltlichem, teilweise unentgeltlichem Erwerb einer Liegenschaft der Vertrauensschutz auf das Grundbuch zu bejahen sei.

Die dagegen gerichtete Revision der Kläger zeigt keine entscheidungsrelevante Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

1. Die Kläger berufen sich für die angestrebte Rechtsausübung auf eine vertragliche Grundlage.

Ein Dienstbarkeitsvertrag kann auch durch schlüssiges Verhalten iSd § 863 ABGB zustandekommen. Ein schlüssiger Dienstbarkeitsvertrag kommt aber nicht schon durch die bloße Duldung eines bestimmten Gebrauchs des dienenden Guts, sondern erst dann zustande, wenn zusätzliche Sachverhaltselemente den Schluss erlauben, der aus einem bestimmten Verhalten abzuleitende rechtsgeschäftliche Wille des (jeweils) Belasteten habe sich auf die Einräumung eines dinglichen Rechts bezogen (RIS-Justiz RS0111562). An schlüssige Servitutsbegründungen sind daher grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen (RIS-Justiz RS0114010 [T6]; ausführlich auch 10 Ob 10/13p). Die bloße Duldung einer Benutzung längere Zeit hindurch reicht dafür noch nicht hin (vgl RIS-Justiz RS0011661). Dabei kommt es wesentlich auf die Umstände des Einzelfalls an, sodass die Beurteilung, ob schlüssig eine Dienstbarkeit eingeräumt wurde oder nur eine nachbarschaftliche Gefälligkeitshandlung vorliegt, regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft (10 Ob 13/16h mwN).

Zur von den Klägern thematisierten Bedeutung der Duldung der Errichtung einer kostspieligen Anlage ist auf die Entscheidung 10 Ob 10/13p zu verweisen, in der ausgesprochen wurde, dass aus dem Einverständnis mit der Errichtung einer kostspieligen Anlage auf dem (herrschenden) Nachbargrundstück selbst nicht der Schluss gezogen werden dürfe, damit sei zugleich eine zu deren Nutzung erforderliche Wegedienstbarkeit eingeräumt worden (ähnlich auch 7 Ob 188/15w). Diese Erwägung ist auch auf den vorliegenden Fall, in dem die Buchenhecke auf dem Grundstück der Kläger gepflanzt wurde, übertragbar. Im Übrigen verneinte schon das Erstgericht eine konkludente vertragliche Servitutseinräumung und ging nur von einer nachbarschaftlichen Gefälligkeit aus, weil es lebensfern sei, dass jemand lediglich aufgrund eines guten nachbarschaftlichen Verhältnisses eine Beschränkung des eigenen Eigentumsrechts in Kauf nehme, damit der Nachbar zur Heckenpflege auf das eigene Grundstück gelangen könne. Dies ist vertretbar und nicht weiter korrekturbedürftig. Auf Fragen der „Kostspieligkeit“ wird hier nicht weiter eingegangen werden.

2. Im Hinblick auf eine Ersitzung der Kläger hat sich der Beklagte auch auf einen gutgläubigen lastenfreien Erwerb der Liegenschaft (§ 1500 ABGB) durch seine Mutter im Jahr 1998 berufen.

Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass es sich hier um einen Fall von „als Felddienstbarkeiten sich darstellenden Wege-, Wasserleitungs- und Holzriesenservituten“ iSd RGBl 1905/33 handelte, stünde dies entgegen den Zweifeln der Kläger der Anwendbarkeit des § 1500 ABGB nicht entgegen:

Art I Abs 3 dieses Gesetzes ordnete bezüglich solcher Dienstbarkeiten eine eingeschränkte Geltung jener Bestimmungen an, welche sich auf den Schutz des Vertrauens in die öffentlichen Bücher beziehen. Das RGBl 1905/33 wurde mit Wirkung zum 1. April 1997 aufgehoben (Art V Abs 1 iVm Art VI § 1 Abs 1 HS 2 des BGBl I 1997/30). Nach der Übergangsbestimmung des Art V Abs 2 BGBl I 1997/30 ist Art I Abs 3 des RGBl 1905/33 auf Felddienstbarkeiten des aufgehobenen Gesetzes, die vor dem 1. April 1997 erworben worden sind, weiter anzuwenden (s auch Perner in Klete?ka/Schauer ABGB-ON1.03 § 1500 Rz 6). Im Umkehrschluss unterliegen bis dahin noch nicht erworbene Felddienstbarkeiten daher nicht der Weitergeltung jener Bestimmung. Da der Liegenschaftserwerb durch die Mutter des Beklagten zu einem Zeitpunkt (1998) stattfand, zu dem die Kläger – selbst unter der Annahme einer laufenden Ersitzung – das begehrte Recht noch nicht erworben (ersessen) haben konnten, ist kein Grund für eine Einschränkung der Möglichkeit eines lastenfreien Erwerbs iSd § 1500 ABGB durch die Mutter des Beklagten erkennbar. Dass sich ein solcher lastenfreier Erwerb nicht nur auf eine vollendete, sondern auch auf eine laufende Ersitzung beziehen kann, entspricht der ständigen Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0034754).

3. Weitere Voraussetzung für die

Ersitzung ist zudem, dass die Leistung oder Duldung durch den Grundeigentümer erkennbar wie die Erfüllung einer Schuldigkeit geschieht, als hätte derjenige, dem geleistet wird oder dessen Handlungen geduldet werden, ein Recht darauf (RIS-Justiz RS0009762; s auch RS0033018). Die Besitzausübung muss beim Rechtsbesitz also so beschaffen sein, dass derjenige, in dessen Besitz eingegriffen wird, erkennen kann, dass ein individuelles Recht ausgeübt wird (RIS-Justiz RS0010135). Das ist etwa dann zu verneinen, wenn der vermeintliche Ersitzer den Eigentümer des dienenden Grundstücks vorher um Erlaubnis gefragt hat (8 Ob 59/17k mwN).

Bedenkt man, dass den Klägern die Benützung des Nachbargrundstücks zur Heckenpflege lediglich aus nachbarschaftlicher Gefälligkeit gestattet worden war und der Erstkläger der Voreigentümerin in der Regel zuvor auch mitteilte, wenn er beabsichtigte, die Hecke von ihrem Grundstück aus zu schneiden bzw das Unkraut zu entfernen, wäre hier auch eine dem Belasteten erkennbare Ausübung eines individuellen Rechts der Kläger zu verneinen.

4. Auf die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage der Anwendbarkeit des § 1500 ABGB auf teilweise unentgeltlich, teilweise entgeltlich erworbene Liegenschaftsanteile (zur Unteilbarkeit von Servituten s zB RIS-Justiz RS0013190; RS0101793) kommt es danach nicht weiter an.

5. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision der Kläger daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E120836

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0090OB00076.17T.0130.000

Im RIS seit

12.03.2018

Zuletzt aktualisiert am

25.06.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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