TE OGH 2017/11/28 2Ob73/17z

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Veröffentlicht am 28.11.2017
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A*****, 2. P*****, beide vertreten durch Dr. Peter Schaden und Mag. Werner Thurner, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. D***** GmbH, 2. E***** G*****, beide *****, beide vertreten durch Scherbaum Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, 3. W***** AG *****, vertreten durch Dr. Herbert Laimböck, Rechtsanwalt in Wien, 4. G***** B*****, vertreten durch Mag. Andrej Mlecka, Rechtsanwalt in Wien, sowie der Nebenintervenienten 1. auf Seiten der erstbeklagten Partei Ko***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Vinzenz Fröhlich und andere Rechtsanwälte in Graz, 2. auf Seiten der erst- und der zweitbeklagten Partei K.***** GmbH, *****, vertreten durch Weinrauch & Partner Rechtsanwälte OG in Graz, wegen 141.975,61 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die außerordentlichen Revisionen der erst- und der zweitbeklagten Partei, der drittbeklagten Partei und des Nebenintervenienten auf Seiten der erstbeklagten Partei gegen das Teil- und Teil-Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Graz vom 22. Februar 2017, GZ 4 R 117/16g-80, mit welchem das Teil- und Teil-Zwischenurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 7. März 2016, GZ 16 Cg 45/14v-72, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision der Nebenintervenientin auf Seiten der erstbeklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Der außerordentlichen Revision der drittbeklagten Partei wird Folge gegeben. Das wider sie ergangene Teil-Zwischenurteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts über das Leistungsbegehren wiederhergestellt wird.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt in beiden Fällen dem Erstgericht vorbehalten.

Die außerordentliche Revision der erst- und der zweitbeklagten Partei wird gemäß § 508 Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Haftung der Beklagten für die Folgen eines Arbeitsunfalls, bei dem K***** K*****, ein bei den klagenden Sozialversicherungsträgern versicherter Arbeitnehmer des erstbeklagten Bauunternehmens, schwer verletzt wurde. Strittig sind die Auslegung von § 335 Abs 1 ASVG, das Vorliegen grober Fahrlässigkeit und die Anwendung des KHVG auf einen Zweiwegebagger.

Der Unfall ereignete sich am 28. Juni 2011 beim Ausheben eines Kabelkanals bei einem Bauvorhaben der ÖBB Infrastruktur AG (im Folgenden: ÖBB). Die Bauherrin hatte eine ARGE mit Verkabelungs- und Tunneleinrichtungsarbeiten beauftragt, die aus einem Bauunternehmen und der Erstbeklagten bestand. Die Erstbeklagte gab ihren Teil des Auftrags an eine andere ARGE weiter, die aus ihr selbst und den beiden Nebenintervenienten bestand. Bauleiter der Erstbeklagten war der Zweitbeklagte.

Die Erstbeklagte ist ein auf den Kabelbau, insbesondere den Bahnkabelbau, spezialisiertes Unternehmen. Für die Aus- und Fortbildung ihrer Arbeitnehmer ist ihr Geschäftsführer zuständig. Der Zweitbeklagte ist seit 1999 bei der Erstbeklagten beschäftigt, seit zwölf Jahren ist er Bauleiter. Er war beim Projekt hauptsächlich für den administrativen Bereich (Abrechnungen, Baubesprechungen, Kommunikation mit den Auftraggebern, etc) und dafür verantwortlich, das erforderliche Personal anzufordern. Für die Durchführung der operativen Arbeiten waren ihm ein Polier und I***** J***** als angelernter Polier zur Seite gestellt. Der Zweitbeklagte führt im Allgemeinen selbst keine Schulungen von Mitarbeitern durch. Bei größeren Baustellen hat er jedoch zu evaluieren, ob es spezielle Anweisungen auszuarbeiten gibt, erforderlichenfalls eine Evaluierung vorzunehmen und die Evaluierungsunterlagen zu erstellen. Er war insofern gegenüber den auf der Baustelle tätigen Dienstnehmern der Erstbeklagten weisungsbefugt.

Wenn Arbeiten im Bereich von Bahngleisen durchgeführt werden, muss der Dienstgeber sicherstellen, dass alle eisenbahnrechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Er hat sich im Rahmen der Evaluierung über die Vorschriften und Sicherheitssysteme bei den ÖBB zu informieren und die Dienstnehmer in diesem Sinne zu unterweisen.

Das Gleis war zum Unfallszeitpunkt für den Bahnverkehr gesperrt. Die Grube für das Fundament wurde mit einem von der A***** GmbH samt Fahrer (idF Kleinwagenfahrer/KL-Fahrer) beigestellten Zweiwegebagger ausgehoben. Dieses bei der Drittbeklagten haftpflichtversicherte Fahrzeug kann als Zweiwegegerät sowohl auf der Straße als auch auf Eisenbahnschienen bewegt werden und ist sowohl für den öffentlichen Straßenverkehr nach dem KFG als auch für den Eisenbahnverkehr nach dem EisbG zugelassen. Das Schienenfahrwerk des Baggers ist an beiden Seiten des Unterwagens angebracht. Beim „Aufgleisen“ wird der Bagger auf die Schienen gestellt, und die kfz-technischen Anlagen wie Hupe und Licht werden deaktiviert. Als Sicherheitseinrichtung ist er mit einer Rückfahrkamera ausgestattet, die fix im Heck integriert und nicht schwenkbar ist. Die Linse der Kamera ist mit einem Breitwinkelobjektiv ausgestattet. Das Bild wird auf einen Monitor übertragen, der in der Fahrerkabine angebracht ist.

Da der Kleinwagenfahrer keine Berechtigung zum Führen eines Triebfahrzeugs besaß, musste für den Einsatz des Baggers nach den eisenbahnrechtlichen Vorschriften ein befugter Kleinwagenführer (KL-Führer) beigezogen werden. Den diesbezüglichen Auftrag erteilten die ÖBB mittelbar einem weiteren Unternehmen. Am Unfallstag war der dort beschäftigte Viertbeklagte als KL-Führer eingesetzt.

Dem Fahrer eines eingegleisten Zweiwegebaggers obliegt nur das Bedienen der Arbeitsmaschine, hingegen ist der KL-Führer für alle eisenbahnrechtlichen Belange verantwortlich. Er hat sicherzustellen, dass die eisenbahnrechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Er darf sich – je nachdem, von wo er die bessere Sicht auf die Fahrten hat – im Arbeitsgerät oder außerhalb des Arbeitsgeräts aufhalten. Arbeiter, die den Gefahrenbereich eines eingegleisten Zweiwegebaggers betreten wollen, müssen sich davor beim KL-Führer anmelden. Der Gefahrenbereich ist jener Bereich, in dem sich Personen so nah an den Gleisen oder bereits auf den Gleisen befinden, dass sie vom auf den Schienen fahrenden Fahrzeug erfasst werden können.

Im Zuge des Aushebens war die Grube laufend zu vermessen. Diese Arbeiten führten Arbeiter der Erstbeklagten (K*****, A***** und J*****) aus. Der später geschädigte K***** war vor dem Unfall 30 Jahre im Baugewerbe
– sowohl im Straßen- als auch im Gleisbau – tätig gewesen. Der Unfallstag war sein zweiter Arbeitstag auf der Baustelle. Er und A***** besprachen vor Aufnahme ihrer Arbeiten mit dem Fahrer, dass sie ihm im Bedarfsall das Betreten der Gleise mitteilen würden. Der Fahrer sollte sie beobachten und erst wieder losfahren, wenn sie die Gleise wieder verlassen hätten. Konkrete Zeichen für die Art der Verständigung wurden nicht vereinbart. Insbesondere wurde nicht vereinbart, dass der Fahrer vor dem Losfahren ein bestimmtes Zeichen der Arbeiter abwarten sollte. In der Folge nahmen die Arbeiter entweder verbal Kontakt mit dem Fahrer auf, oder einer hob die Hand, wenn sie messen wollten. Der Fahrer signalisierte dann durch Kopfnicken, dass er das gesehen habe, fuhr zu der Stelle, an der er den Aushub ablud, und wartete, bis die Arbeiter die Gleise wieder verlassen hatten.

Am Unfallstag war der Bagger eingegleist und als Schienenfahrzeug „registriert“. Er hatte sich im Zuge der Aushubarbeiten auf einer Strecke von 10 bis 20 m vorwärts und rückwärts zu bewegen, um das Aushubmaterial auf einen Güterwagen zu befördern. Aufgrund von Signalanlagen und Strommasten war es nicht möglich, den Oberwagen samt Schaufel um 180 Grad zu drehen, weshalb der Fahrer – anders als am Vortag – die Fahrt zum Güterwagen in Vorwärts- und jene zurück zur Grube in Rückwärtsfahrt durchführen musste. Vor Beginn der Arbeiten am Unfallstag war der Polier noch als Aufsichtsperson anwesend, er verließ die Baustelle dann aber und wies A***** an, dass er bis zu seiner Rückkehr für die Partie verantwortlich sei und schauen solle, dass alles funktioniere. Weitere Details über die Vornahme der Arbeiten wurden dabei nicht besprochen.

Der am Unfallstag erstmals als KL-Führer eingesetzte Viertbeklagte wusste nicht, dass Arbeiter die Baugrube während der Aushubarbeiten vom Gleis aus vermessen sollten. Auch die Arbeiter informierten den Viertbeklagten nicht darüber, dass sie die Gleise zur Vornahme von Messungen betreten müssten, weil sie keine Anweisungen hatten, sich beim KL-Führer anzumelden.

Zu Beginn der Aushubarbeiten befand sich der Viertbeklagte mit dem Fahrer im Bagger. Nach einiger Zeit stieg er aus, weil er der Meinung war, die Arbeiten von außen besser überblicken zu können. Er erlaubte dem Fahrer, zwischen der Grube und dem Güterwagen bis auf Widerruf hin- und herzufahren. Während sich der Bagger in Bewegung befand, beobachtete der Viertbeklagte ihn ständig. Er sah zwar, dass die Arbeiter neben der Gleisanlage im Bereich der auszuhebenden Grube standen, dachte aber, dass sie dort nicht im Gefahrenbereich des Baggers seien. Er sah auch, dass A***** und K***** mit dem Fahrer sprachen, hörte aber nicht, was gesprochen wurde.

Als die Arbeiter gegen 10 Uhr zum ersten Mal an diesem Tag messen wollten, ging K***** zum Bagger, öffnete die Tür und kündigte dem Fahrer das Messen an. Der Fahrer schloss die Tür, hob noch eine Schaufel Erde aus der Grube und bewegte den Bagger dann in Richtung des Abladewaggons. A***** hob die Hand, in der er einen Zollstab hielt, um zu signalisieren, dass auch er messen gehen werde. K***** und A***** traten dann auf die Gleise und gingen in Hockstellung, um zu messen. Als sie sich noch auf den Gleisen befanden, setzte der Fahrer den Bagger in Rückwärtsfahrt in Bewegung, um zurück zur Grube zu fahren. Er sah nicht, dass sich die Arbeiter noch auf dem Gleis befanden, obwohl es für ihn bei gehöriger Aufmerksamkeit in der Rückfahrkamera erkennbar gewesen wäre. Der Viertbeklagte wiederum wurde auf die Arbeiter erst aufmerksam, als sie sich schon auf den Gleisen befanden. Er versuchte noch, den Fahrer per Funk davon zu verständigen. Zu diesem Zeitpunkt konnte der Fahrer den Bagger aber nicht mehr rechtzeitig zum Stehen bringen. A***** hörte, dass sich der Bagger näherte, stieß K***** weg und sprang selbst von den Gleisen. Dennoch stieß der Bagger gegen K*****, wodurch dieser schwer verletzt wurde.

Der Unfall hätte vermieden werden können, wenn die Arbeiter angewiesen worden wären, sich vor dem Betreten der Gleise beim KL-Führer, also dem Viertbeklagten, anzumelden, und sie daher vor jedem Betreten der Gleise den Viertbeklagten informiert hätten. Dieser hätte dann den Fahrer anweisen können, keine Fahrbewegung durchzuführen. Hingegen ist die direkte Kommunikation von Bauarbeitern mit dem Baggerfahrer mittels Zeichen – ohne Einbeziehung eines KL-Führers – nicht geeignet, Kollisionen zwischen Bagger und auf den Gleisen befindlichen Personen zu verhindern, weil es dabei leicht zu Missverständnissen kommen kann. Um Missverständnisse auszuschließen, müsste im Vorfeld genau festgelegt werden, welche Handzeichen zu verwenden seien und insbesondere, dass jedes Handzeichen vom Empfänger durch ein unmissverständliches Handzeichen bestätigt werden müsse. Ein bloßes Kopfnicken wäre kein geeignetes Zeichen zur Bestätigung.

Zwar hatte die Erstbeklagte unter Beiziehung eines ÖBB-Experten schriftliche Anweisungen für die Arbeit mit Gleisbaggern erstellt. Diese Anweisungen hatten aber nur allgemeine Anordnungen enthalten, nicht hingegen die Kommunikation der Arbeiter mit dem KL-Fahrer oder den KL-Führer geregelt. Bei der Erstbeklagten ist es generell üblich, dass Arbeiter, die mit einem eingegleisten Zweiwegebagger zusammenarbeiten, direkt mit dem Fahrer vereinbaren, auf welche Weise sie ihm das Betreten der Gleise ankündigen.

Die klagenden Sozialversicherungsträger erbrachten dem Verletzten Leistungen und erheben nun folgende Begehren, wobei jenes gegen den Viertbeklagten bereits rechtskräftig abgewiesen ist:

Die Erstklägerin begehrt von allen Beklagten zur ungeteilten Hand 96.397,11 EUR und von der Erst- und dem Zweitbeklagten darüber hinaus zur ungeteilten Hand 3.216,25 EUR.

Die Zweitklägerin begehrt von allen Beklagten zur ungeteilten Hand 35.824,93 EUR und von der Erst- und dem Zweitbeklagten darüber hinaus zur ungeteilten Hand 6.437,32 EUR.

Beide Klägerinnen begehren weiters die Feststellung, dass die Beklagten zur ungeteilten Hand für sämtliche künftigen Pflichtleistungen hafteten, die sie aufgrund des Arbeitsunfalles an den Verletzten zu erbringen hätten, die Dritt- und der Viertbeklagte jedoch nur, soweit in den Ansprüchen des Verletzten ein sachlich und zeitlich kongruenter Deckungsfonds bestehe, die Drittbeklagte überdies nur im Rahmen der vereinbarten Versicherungssumme.

Den Anspruch gegen die Erst- und den Zweitbeklagten stützt die Klägerin auf § 334 ASVG. Die Erstbeklagte als Dienstgeberin und der Zweitbeklagte als Aufseher im Betrieb hätten es in grob fahrlässiger Weise unterlassen, den Arbeitsvorgang ausreichend zu evaluieren und für eine geeignete Kommunikation zwischen den Arbeitern und dem Baggerfahrer zu sorgen. Die Erstbeklagte hafte für das Verschulden des Zweitbeklagten als ihres Repräsentanten und auch als Mithalterin des Baggers, dessen sie sich zur Ausführung ihrer Arbeiten bedient habe. Gegen die Drittbeklagte bestehe ein Direktanspruch nach § 26 KHVG in Verbindung mit dem EKHG. Der Bagger sei ein Kraftfahrzeug mit Sonderausstattung. Die Drittbeklagte habe daher als Haftpflichtversicherer des Baggers für die Folgen des Unfalls, der sich beim Betrieb des Kraftfahrzeugs ereignet habe, einzustehen.

Die Erst- und der Zweitbeklagte wenden ein, sie hätten ausreichende Schutzmaßnahmen gesetzt und alle Arbeiter über die wesentlichen Gefahren und die zu beachtenden Vorschriften und Sicherheitsmaßnahmen informiert. Unfallursache sei kein schuldhaftes Verhalten ihrerseits, sondern ein „Augenblickversagen“ des Baggerfahrers gewesen. Die Arbeiter hätten sich bereits im Gefahrenbereich neben der Grube befunden, bevor sich der Unfall ereignet habe. Der Viertbeklagte habe gesehen, dass sie neben der Grube gestanden seien. Für die Arbeiter habe daher kein Erfordernis bestanden, dem KL-Führer das Betreten der Gleise zu melden. Die Arbeiter hätten sich ohnehin mit dem Baggerfahrer verständigt. Diese Vorgangsweise sei zulässig und gebräuchlich. Vor diesem Hintergrund seien weder der Erstbeklagten noch dem Zweitbeklagten Pflichtenverstöße anzulasten. Die Erstbeklagte sei nicht (Mit-)Halterin des eingesetzten Baggers gewesen. Dem Zweitbeklagten komme auch nicht die Stellung eines Aufsehers im Betrieb zu.

Die Drittbeklagte wendet ein, dass der Bagger im Unfallszeitpunkt als Schienenfahrzeug eingesetzt und als solches registriert gewesen sei. Er sei daher nicht als Kraftfahrzeug verwendet worden, weshalb keine Deckungspflicht aufgrund der Kraftfahrzeughaftpflicht-versicherung bestehe. Das Alleinverschulden am Unfall treffe den Geschädigten selbst. Auch ein allfälliges Verschulden des Baggerfahrers sei ihrer Versicherungsnehmerin nicht zuzurechnen, weil dieser als überlassener Arbeitnehmer zum Unfallszeitpunkt nicht deren Erfüllungsgehilfe gewesen sei.

Die Nebenintervenienten schlossen sich dem Vorbringen der Erst- und des Zweitbeklagten an. Der Erstnebenintervenient verwies insbesondere darauf, dass der Zweitbeklagte nicht Organ der Erstbeklagten gewesen sei, weswegen § 335 Abs 1 ASVG nicht anzuwenden sei.

Das Erstgericht sprach mit Teil-Zwischenurteil aus, dass die Leistungsbegehren hinsichtlich der Erst- und des Zweitbeklagten dem Grunde nach zu Recht bestünden. Die gegen die Drittbeklagte und den Viertbeklagten erhobenen Begehren auf Leistung und Feststellung wies es mit Teilurteil ab.

Die Erst- und der Zweitbeklagte hafteten als Dienstgeber bzw als Aufseher im Betrieb nach § 334 ASVG. Der Zweitbeklagte sei als Bauleiter für die Arbeitssicherheit verantwortlich gewesen. Er habe mit den Polieren nicht über die erforderlichen Maßnahmen bei Arbeiten mit dem Zweiwegebagger gesprochen, sondern ihnen nur eine umfangreiche Mappe mit Unterlagen zur Verfügung gestellt. Diese Unterlagen seien jedoch zu allgemein gehalten gewesen, um für die konkreten Arbeiten Relevanz zu haben. Darüber hinaus sei es Aufgabe des Zweitbeklagten gewesen, für eine Überwachung der von ihm ergriffenen Arbeitnehmerschutzmaßnahmen zu sorgen. Für den Fall, dass der als Aufsichtsperson vorgesehene Polier nicht ständig auf der Baustelle anwesend gewesen sei, hätte er einen Vertreter einsetzen müssen, was er unterlassen habe. Dieses Verhalten sei grob fahrlässig gewesen und begründe, da der Zweitbeklagte Aufseher im Betrieb gewesen sei, seine Haftung nach § 334 ASVG. Weiters sei der Zweitbeklagte in leitender und überwachender Funktion für die Erstbeklagte tätig und damit ihr Repräsentant gewesen. Sein grob fahrlässiges Verhalten sei daher analog § 335 ASVG auch dieser zuzurechnen. Hingegen bestehe der Anspruch gegen die Drittbeklagte nicht zu Recht, weil der Begriff „Verwendung“ in § 2 KHVG nicht den Fall erfasse, dass ein sowohl als Kraftfahrzeug als auch als Schienenfahrzeug verwendbares Fahrzeug unter Deaktivierung der kfz-technischen Anlagen als Schienenfahrzeug verwendet werde. Ein bei dieser Verwendung verursachter Schaden stehe in keinem Zusammenhang mit der für Kraftfahrzeuge typischen Gefahr. Den Viertbeklagten treffe kein grobes Verschulden.

Gegen das Teil-Zwischenurteil richteten sich Berufungen der Erst- und des Zweitbeklagten und des Erstnebenintervenienten, gegen das abweisende Teilurteil eine Berufung der Klägerinnen.

Das Berufungsgericht sprach mit Teil-Zwischenurteil aus, dass auch der Anspruch gegen die Drittbeklagte dem Grunde nach zu Recht bestehe, und hob die Entscheidung über das wider die Drittbeklagte erhobene Feststellungsbegehren auf. Im Übrigen bestätigte es die angefochtene Entscheidung. Die ordentliche Revision und den Rekurs ließ es nicht zu.

Inhaltlich teilte das Berufungsgericht die Auffassung des Erstgerichts, dass der Zweitbeklagte als Aufseher im Betrieb grob fahrlässig gehandelt habe und dass sein Verhalten analog § 335 Abs 1 ASVG der Erstbeklagten zuzurechnen sei. Zwar habe die Beklagte schriftliche Anweisungen für die Arbeit mit Gleisbaggern erstellt. Diese Anweisungen hätten aber nur allgemeine Anordnungen enthalten. Angesichts der besonderen Gefährlichkeit der Tätigkeit hätte der zweitbeklagte Bauleiter dafür sorgen müssen, dass die eisenbahnrechtlichen Vorschriften (Anmelden der Arbeiten beim KL-Führer) eingehalten würden, und er hätte die konkrete Durchführung der Kommunikation mit dem Baggerfahrer nicht den Polieren und Arbeitern überlassen dürfen. Die Drittbeklagte hafte, weil der Begriff der „Verwendung“ in § 2 Abs 1 KHVG weiter sei als jener des „Betriebs“ iSv § 1 EKHG; er erfasse insbesondere die Nutzung eines Kraftfahrzeugs als ortsgebundene Kraftquelle. Gleiches müsse auch für die Verwendung auf dem Baugleis gelten. Einen Haftungsausschluss iSv § 4 Abs 1 Z 4 KHVG habe die Drittbeklagte nicht behauptet.

Gegen diese Entscheidung richten sich außerordentliche Revisionen der Erstbeklagten und des Zweitbeklagten, der Erstnebenintervenientin und der Drittbeklagten. Sie streben eine Abweisung der jeweiligen Begehren an, hilfsweise stellen sie Aufhebungsanträge.

Der Senat stellte den Klägerinnen die Beantwortung der Revisionen der Erstnebenintervenientin und der Drittbeklagten frei. Die Klägerinnen beantragen, die Revisionen zurückzuweisen, hilfsweise ihnen nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

A. Zur Revision der Erstnebenintervenientin:

Die außerordentliche Revision der Erstnebenintervenienten ist zulässig, weil Rechtsprechung zur Anwendung von § 335 Abs 1 ASVG bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Verhalten einer Person fehlt, die zwar nicht dem Organ einer juristischen Person angehört, für deren Verhalten die juristische Person aber nach den Grundsätzen der Repräsentantenhaftung einzustehen hat. Die Revision ist allerdings nicht berechtigt.

1. § 335 Abs 1 ASVG ist analog anzuwenden, wenn der Schaden durch einen Repräsentanten einer juristischen Person grob fahrlässig verursacht wurde.

1.1. Der originäre Ersatzanspruch eines Sozialversicherungsträgers nach § 334 Abs 1 ASVG setzt nach ständiger Rechtsprechung grobes Verschulden des Dienstgebers selbst voraus; das Verhalten anderer Personen wird ihm grundsätzlich nicht nach § 1313a oder § 1315 ABGB zugerechnet (RIS-Justiz RS0085276; zuletzt etwa 9 ObA 4/14z EvBl 2014/78 [Ondreasova] und 2 Ob 61/15g). Nach  335 Abs 1 ASVG ist § 334 ASVG allerdings (ua) auch dann anzuwenden, wenn der Dienstgeber eine juristische Person ist und der Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig durch ein „Mitglied des geschäftsführenden Organes der juristischen Person […] verursacht worden ist“. Diese Regelung war schon in der ursprünglichen Fassung des ASVG enthalten (BGBl 1955/189).

1.2. § 335 Abs 1 ASVG ist nur eine scheinbare Ausnahme vom Grundsatz der Nichtzurechnung. Juristische Personen sind als solche nicht deliktsfähig. Daher kann sich ihre Haftung immer nur aus dem Verhalten von Personen ergeben, die in rechtlich relevanter Weise für sie handeln. Welches Handeln der juristischen Person zugerechnet wird, ergibt sich grundsätzlich aus dem allgemeinen Zivilrecht, wobei mangels ausdrücklicher Regelung die Rechtsprechung von entscheidender Bedeutung ist. Bei Erlassung des ASVG war diese Rechtsprechung restriktiv: Juristische Personen hatten im außervertraglichen Bereich – abgesehen von § 1315 ABGB – nur für das Verhalten der Mitglieder ihrer Organe einzustehen (Rv II 243/09 GlUNF 4568, Rv III 297/10 GlUNF 5251; 4 Ob 208/28 SZ 10/312; RIS-Justiz RS0009187, RS0009170; weitere Nachweise bei Aicher in Rummel/Lukas4 § 26 Rz 33). Auf dieser Grundlage ordnete § 335 Abs 1 ASVG nur an, was auch ohne diese Bestimmung rechtens gewesen wäre. Denn hätte es sie nicht gegeben, hätte zweifellos auf die allgemeine Rechtsprechung zur Begründung der Haftung juristischer Personen zurückgegriffen werden müssen. Die Bestimmung hatte daher von Anfang an jedenfalls im Kern nur klarstellenden Charakter (so zur derzeitigen Rechtslage Neumayr/Huber in Schwimann/Kodek4 § 335 ASVG Rz 1; Auer-Mayer in Mosler/Müller/Pfeil, SV-Komm § 335 ASVG Rz 5; Atria in Sonntag, ASVG6 § 335 Rz 28; 2 Ob 122/09v; 9 ObA 4/14z). Zwar könnte aus ihr im Weg eines Gegenschlusses abgeleitet werden, dass eine Gehilfenzurechnung im engeren Sinn (§§ 1313a, 1315 ABGB) nicht stattfindet. Davon zu trennen ist allerdings die grundsätzliche Frage, welches Verhalten leitender Personen der juristischen Person schon deswegen zuzurechnen ist, weil es ohne solche Zurechnung zu einer unsachlichen Verschiedenbehandlung von natürlichen und juristischen Personen käme.

1.3. Seit Erlassung des ASVG hat sich die Rechtsprechung zur deliktischen Haftung juristischer Personen grundlegend geändert. Dem Verschulden der Mitglieder des Organs steht nun das Verschulden von Personen gleich, die in der Organisation der juristischen Person eine leitende oder überwachende Stellung innehaben und dabei mit eigenverantwortlicher Entscheidungsbefugnis ausgestattet sind (1 Ob 625/78 SZ 51/80 = JBl 1980, 482 [Ostheim]; RIS-Justiz RS0009113; zuletzt etwa 1 Ob 90/17t mwN). Ein Wirkungskreis, der annähernd jenem eines Organs entspricht, ist dabei nicht erforderlich (2 Ob 107/98v mwN; RIS-Justiz RS0009113 [T12]). Entscheidend ist vielmehr, dass solche „Machthaber“ bzw „Repräsentanten“ wegen der im Interesse der juristischen Person liegenden Selbständigkeit ihrer Tätigkeit eine besondere Gefährdungsmöglichkeit haben (2 Ob 107/98v mwN; 3 Ob 180/03x; RIS-Justiz RS0009113 [T18]).

1.4. Durch diese Entwicklung der Rechtsprechung entstand in § 335 Abs 1 ASVG eine nachträgliche Regelungslücke: Wendete man diese Bestimmung unverändert an, hätte sie auch in ihrem Kernbereich nicht mehr bloß klarstellenden Charakter, sondern führte zu einer Einschränkung gegenüber dem allgemeinen Zivilrecht. Das wäre vom ursprünglichen Regelungszweck nicht gedeckt und entbehrte auch einer sachlichen Rechtfertigung. Der Zweck der Norm erfordert daher eine analoge Anwendung auf Fälle, in denen der Arbeitsunfall durch das grobe Verschulden einer Person verschuldet wurde, deren Handeln nach derzeitiger Rechtslage für die Begründung der Haftung einer juristischen Person dem Handeln eines Organmitglieds gleichwertig wäre (Auer-Mayer in Mosler/Müller/Pfeil, SV-Komm § 335 ASVG Rz 5; ebenso auch, wenngleich ohne nähere Begründung, 2 Ob 122/09v; offen gelassen in 9 ObA 4/14z; aA noch 1 Ob 45/83 und Krejci/Böhler in Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechts 3.3.2.2.4). Das gilt auch dann, wenn der Repräsentant zugleich – was im Regelfall zutreffen wird – auch Vertreter des Unternehmers oder Aufseher im Betrieb iSv § 333 Abs 4 iVm § 334 Abs 1 ASVG ist und daher jedenfalls selbst nach § 334 Abs 1 ASVG haftet (aA Neumayr/Huber in Schwimann/Kodek4 § 335 ASVG Rz 1, die eine Lücke für diesen Fall verneinen). Denn Grund für die Annahme einer Lücke ist nicht das Fehlen einer haftenden Person (so offenbar Neumayr/Huber), sondern die Änderung der Rechtslage im allgemeinen Zivilrecht, die sich aufgrund des insofern bloß klarstellenden Zwecks von § 335 Abs 1 ASVG auch im Sozialversicherungsrecht auswirken muss.

2. Der Zweitbeklagte war Repräsentant der Erstbeklagten. Er hat die Verletzung des Versicherungsnehmers der Klägerinnen grob fahrlässig verursacht. Dies begründet die Haftung der Erstbeklagten.

2.1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass auch ein Bauleiter oder Polier als Repräsentant einer juristischen Person angesehen werden kann (2 Ob 107/98v; 8 Ob 84/02i, 2 Ob 115/13w; vgl auch 2 Ob 162/08z [Baustellenkoordinator]). Das gilt jedenfalls im vorliegenden Fall: Der Zweitbeklagte hatte als Bauleiter die Gefahrensituation zu bewerten und die entsprechenden Unterlagen zu erstellen; er war jedenfalls insofern gegenüber den Arbeitern auf der Baustelle weisungsbefugt. Damit hatte er eine eigenständige Leitungs- und Kontrollbefugnis, die sich insbesondere auf die Vermeidung von Arbeitsunfällen bezog. An der Stellung des Zweitbeklagten als Repräsentant der Erstbeklagten besteht daher kein Zweifel.

2.2. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Zweitbeklagte grob fahrlässig gehandelt habe, trifft zu.

(a) Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein objektiv schwerwiegender Sorgfaltsverstoß bei Würdigung der Umstände des Einzelfalls auch subjektiv schwerstens vorwerfbar ist (RIS-Justiz RS0030272, RS0031127). Für die Beurteilung der Schwere des Sorgfaltsverstoßes kommt es insbesondere auf die Gefährlichkeit der Situation an (RIS-Justiz RS0022698). Der Schadenseintritt muss zudem als wahrscheinlich voraussehbar gewesen sein (RIS-Justiz RS0030359; RS0030477). Für das Vorliegen grober Fahrlässigkeit spricht, wenn der Arbeitgeber als Adressat von Arbeitnehmerschutzvorschriften bei objektiver Ex-ante-Betrachtung einfache und naheliegende Überlegungen nicht angestellt hat (10 ObS 145/07g = RIS-Justiz RS0085228 [T16]; RS0085228 [T19]); weiters das Zusammenfallen der Verletzung von Arbeitnehmerschutzvorschriften mit einer besonderen Gefahrensituation aufgrund schwieriger Bedingungen (RIS-Justiz RS0106718).

(b) Im konkreten Fall war die Tätigkeit auf der Baustelle aus mehreren Gründen gefährlich: Die Arbeiter mussten sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben in den Gefahrenbereich des Baggers begeben. Dabei mussten sie ihre Tätigkeit mit dem Baggerfahrer koordinieren, der beim Rückwärtsfahren nur eingeschränkte Sichtmöglichkeiten hatte. Übersah er sie, konnte ein Unfall schon wegen der Masse des Baggers schwerste Folgen haben. Zudem war auch die Verteilung der Verantwortung zwischen KL-Fahrer und KL-Führer (vgl dazu auch 2 Ob 306/04w) nicht ganz klar: Nach § 75 Abs 3 der im konkreten Fall anwendbaren Betriebsvorschrift V3 war zwar der KL-Führer für die Fahrt „allein“ verantwortlich; die Verantwortung für die „Beobachtung der Strecke“ trug allerdings nach § 75 Abs 4 Betriebsvorschrift V3 der KL-Fahrer. Unklare Verantwortungsbereiche erhöhen aber die Gefahr von Missverständnissen und Unfällen.

(c) Die Erstbeklagte hatte als Arbeitgeber diese Gefahren zu evaluieren und Maßnahmen zu deren Verhütung festzulegen (§ 4 Abs 1 und 3 ASchG). Dies erforderte im konkreten Fall klare Anweisungen über die Kommunikation zwischen den beteiligten Personen. Dabei hatte die Erstbeklagte auch die ebenfalls der Unfallverhütung dienenden eisenbahnrechtlichen Vorschriften zu beachten. Insbesondere hätte sie daher sicherstellen müssen, dass sich die Arbeiter vor Betreten des Gefahrenbereichs beim KL-Führer meldeten, da dieser die eisenbahnrechtliche Verantwortung für den Einsatz des Baggers trug.

(d) Diese Verpflichtung hat der dafür verantwortliche Zweitbeklagte nicht erfüllt. Vielmehr hat er sich offenkundig auf eine informelle Kommunikation zwischen den Beteiligten verlassen. Wegen der hohen Gefährlichkeit der Arbeiten ist das im konkreten Fall als grob fahrlässig zu werten. An dieser Beurteilung ändert nichts, dass die Erstbeklagte eine allgemeine Anweisung für das Arbeiten mit Gleisbaggern erstellt hatte. Denn darin war die Kommunikation zwischen den Beteiligten gerade nicht konkret geregelt. Nur eine solche konkrete Regelung konnte aber Missverständnisse – etwa die unrichtige Annahme, der Baggerfahrer hätte das beabsichtigte Betreten der Gleise durch ein „Kopfnicken“ zur Kenntnis genommen – ausschließen.

3. Das grob fahrlässige Verhalten des Zweitbeklagten begründet daher die Haftung der Erstbeklagten nach § 334 Abs 1 ASVG. Er selbst haftet wegen seiner Leitungsfunktion und der Weisungsbefugnis gegenüber den Dienstnehmern als Vertreter des Dienstgebers iSd §§ 334 Abs 1, 333 Abs 4 ASVG (2 Ob 33/13m mwN). Die Revision der Erstnebenintervenientin muss damit scheitern. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:

Ist der Dienstgeber eine juristische Person, so ist § 335 Abs 1 ASVG auch dann anzuwenden, wenn ein Arbeitsunfall zwar nicht durch das vorsätzliche oder grob fahrlässige Verhalten eines Mitglieds des geschäftsführenden Organs, wohl aber durch ein solches Verhalten eines Repräsentanten der juristischen Person verursacht wurde.

4. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 3 ZPO.

B. Zur Revision der Erst- und des Zweitbeklagten:

Die auf das Fehlen grober Fahrlässigkeit gestützte außerordentliche Revision der Erst- und des Zweitbeklagten ist aus den oben angeführten Gründen mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage als nicht zulässig zurückzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Ob der Zweitbeklagte (auch) Aufseher im Betrieb war, kann wegen seiner Eigenschaft als Vertreter des Dienstgebers (oben A.3.) offen bleiben.

C. Zur Revision der Drittbeklagten:

Die außerordentliche Revision der Drittbeklagten ist zulässig, weil Rechtsprechung zur Anwendung des KHVG auf Zweiwegefahrzeuge fehlt. Sie ist auch berechtigt.

1. Die Klägerinnen stützen ihren Direktanspruch gegen den drittbeklagten Haftpflichtversicherer auf § 26 KHVG. Dies setzt – abgesehen von der Haftung einer versicherten Person – die Anwendbarkeit des KHVG auf den Schienenbetrieb eines Zweiwegefahrzeugs voraus. Das Berufungsgericht hat diese Anwendbarkeit bejaht, weil das KHVG auch die Verwendung eines Kraftfahrzeugs als ortsgebundene Arbeitsmaschine decke und der Schienenbetrieb eines Zweiwegefahrzeugs einer solchen Verwendung gleichzuhalten sei.

2. Der Senat teilt diese Auffassung nicht.

2.1. Zwar sieht § 1 Abs 1 KHVG vor, dass dieses Gesetz ua für die Haftpflichtversicherung von Fahrzeugen gilt, die nach den Vorschriften des KFG zum Verkehr zugelassen sind. Das trifft nach den Feststellungen beim Bagger zu. Weiters ist richtig, dass der Begriff des „Verwendens“ eines Fahrzeugs (§ 2 Abs 1 KHVG) nach ständiger Rechtsprechung weiter ist als jener des „Betriebs“ iSv § 1 EKHG (RIS-Justiz RS0116494). Da der Bagger faktisch auf der Baustelle „verwendet“ wurde, deckt der Wortlaut der genannten Bestimmungen die Auffassung des Berufungsgerichts. Allerdings setzt auch die Haftung aus der Kfz-Haftpflichtversicherung voraus, dass der Schaden im Zusammenhang mit der für das Kraftfahrzeug typischen Gefahr steht (7 Ob 159/08w; 7 Ob 182/08b). Als solche typische Gefahr ist wegen § 4 Abs 1 Z 4 KHVG auch die Verwendung als ortsgebundene Kraftquelle anzusehen, da sonst der in dieser Bestimmung ermöglichte Haftungsausschluss keinen Anwendungsbereich hätte. Auf die Verwendung als Schienenfahrzeug lässt sich dieser Anwendungsbereich aber aus den nachstehend genannten Gründen nicht erstrecken.

2.2. Der Schaden wurde allerdings im konkreten Fall bei einer Verwendung als Schienenfahrzeug verursacht. Diese Verwendung unterlag dem Eisenbahnrecht. Zwar war nach § 36 Abs 1 Z 3 EisbG idF BGBl I 2010/25 (im Kern übereinstimmend mit § 36 Abs 1 Z 3 EisbG idgF) für die Inbetriebnahme von Kleinstfahrzeugen mit Schienenfahrwerk und Zweiwegefahrzeugen, die ausschließlich in Bereichen eingesetzt werden, die für den sonstigen Verkehr auf der Eisenbahn gesperrt sind, keine Bauartgenehmigung nach diesem Gesetz erforderlich; dies galt (und gilt) jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die Inbetriebnahme unter der Leitung einer im Verzeichnis nach § 40 EisbG geführten Person ausgeführt wird. Nach den Materialien (1422 BlgNR 22. GP zu § 36 EisbG) werden von dieser Bestimmung insbesondere „spurgeführte Arbeitsgeräte sowie Zweiwegefahrzeuge“ erfasst, also jedenfalls auch Zweiwegebagger. Schon daraus ergab (und ergibt) sich, dass solche Fahrzeuge grundsätzlich unter das Eisenbahnrecht fallen. Dass es sich dabei um Triebfahrzeuge handelt, folgte (und folgt) aus den Begriffsbestimmungen in § 2 Abs 2 Triebfahrzeugführer-Verordnung (BGBl II 1999/64) und in § 18 Abs 7 Eisenbahnbau- und -betriebsverordnung idF BGBl II 2008/398 (§ 70 Abs 7 Eisenbahnbau- und -betriebsverordnung idgF), die jeweils Zweiwegefahrzeuge nennen und (in der erstgenannten Bestimmung) an deren Einsatz auf der Schiene anknüpfen. Eine Ausnahme für die Verwendung bei Baumaßnahmen kann dem EisbG nicht entnommen werden; § 98 Eisenbahnbau- und -betriebsverordnung idgF enthält sogar ausdrückliche Regelungen zur Vornahme von Bauarbeiten im Gleisbereich.

2.3. Auf dieser Grundlage ist anzunehmen, dass der Bagger beim Betrieb einer Eisenbahn iSv § 1 EKHG eingesetzt wurde. Denn der Begriff der Eisenbahn ist nach § 2 Abs 1 EKHG (vorbehaltlich der in dieser Bestimmung genannten, hier nicht zutreffenden Ausnahmen) im Sinn des Eisenbahngesetzes (und des hier nicht in Betracht kommenden Seilbahngesetzes) auszulegen. Aus den eisenbahnrechtlichen Vorschriften ergibt sich aber, wie oben dargestellt, dass der Bagger ein danach zu beurteilendes Schienenfahrzeug war; eine Ausnahme für den Einsatz bei Baumaßnahmen ist nicht erkennbar. Eine Entscheidung des zuständigen Bundesministers nach § 11 EisbG ist zu dieser Frage nicht einzuholen, weil an der Anwendung des Eisenbahnrechts und damit an der Qualifikation als Eisenbahn keine Zweifel bestehen (Schauer in Schwimann/Kodek4 § 2 EKHG Rz 3; Edlbacher, Das neue Eisenbahn- und Kraftfahrhaftpflichtgesetz, ÖJZ 1959, 310 [312]). Wegen dieses Verweises auf das Eisenbahnrecht können Entscheidungen deutscher Oberlandesgerichte, die bei Schienenkränen und Zweiwegebaggern den Charakter als „Schienenbahn“ iSv § 1 dHPflG verneinten (OLG Düsseldorf 22 U 196/93 NZV 1995, 149; OLG Dresden 4 U 3588/97 NZV 1999, 244; vgl dazu Kaufmann in Geigel, Haftpflichtprozess27 [2015] Kap 26 Rz 4), nicht für die Auslegung des EKHG herangezogen werden.

2.4. Eine Gefährdungshaftung nach dem EKHG traf daher im konkreten Fall nicht den Halter, sondern den Betriebsunternehmer. Dabei musste es sich nicht zwingend um dieselbe Person handeln. Da der KL-Führer (über ein Drittunternehmen) von der ÖBB gestellt wurde, könnte durchaus erwogen werden, diese und nicht den Beisteller des Baggers als nach dem EKHG haftenden Betriebsunternehmer zu qualifizieren. Mitversicherte Person wäre dieser Betriebsunternehmer bei Anwendung des KHVG aber nicht (§ 2 Abs 2 KHVG). Diese Frage ist aber nicht weiter zu vertiefen, weil das KHVG hier – wie sogleich zu zeigen ist – ohnehin nicht anwendbar ist.

2.5. Die Anwendung des KHVG scheitert am Einsatz des Baggers als Schienenfahrzeug.

(a) Primärer Zweck der in diesem Gesetz geregelten Haftpflichtversicherung ist, wie sich aus der Anordnung der Versicherungspflicht in § 59 Abs 1 KFG iVm mit dem Zulassungserfordernis in § 36 lit a KFG ergibt, die Abdeckung der typischen Gefahren, die mit der Verwendung von Kraftfahrzeugen und Anhängern auf Straßen mit öffentlichen Verkehr verbunden sind. Zwar geht das KHVG über diese Zielsetzung hinaus: Einerseits erfasst es von vornherein jeden Betrieb iSv § 1 EKHG (RIS-Justiz RS0088978), andererseits lässt die Ermöglichung eines Haftungsausschlusses in § 4 Abs 1 Z 4 KHVG erkennen, dass grundsätzlich auch die nicht unter das EKHG fallende Nutzung als ortsgebundene Kraftquelle als solche Verwendung anzusehen ist (RIS-Justiz RS0116494). Insofern besteht aber noch immer ein Zusammenhang mit der typischen Gefahr eines Kraftfahrzeugs oder Anhängers. Bei einer Verwendung als Schienenfahrzeug gilt das nicht. Denn diese Verwendung begründet eine Gefahr, die – anders als die Verwendung als ortsgebundene Kraftquelle – betriebs- und haftungsrechtlich gesondert geregelt ist (EisbG; EKHG) und die nach den Wertungen des Kraftfahrrechts – das den Begriff des Kraftfahrzeugs gerade dadurch definiert, dass es nicht an Gleise gebunden ist (§ 2 Abs 1 Z 1 KFG) – jedenfalls nicht als Gefahr eines Kraftfahrzeugs anzusehen ist. Der Regelungszweck des KHVG kann eine solche Verwendung daher selbst bei weitestem Verständnis nicht mehr erfassen.

(b) Auch wenn das KHVG daher über den Betrieb eines Kraftfahrzeugs iSv § 1 EKHG hinaus anzuwenden ist, gilt das nicht mehr dann, wenn die konkrete Verwendung als Betrieb eines anderen Verkehrsmittels – hier einer Eisen-
bahn – zu qualifizieren ist. In diesem Fall verwirklichen sich nicht mehr die für ein Kraftfahrzeug typischen Gefahren. Eine Ähnlichkeit mit der Verwendung als ortsgebundene Kraftquelle (§ 4 Abs 1 Z 4 KHVG), die zur Anwendbarkeit des KHVG führte, liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn die Verwendung betriebs- und haftungsrechtlich nicht nur nicht unter das KFG und die Halterhaftung nach dem EKHG fällt, sondern wegen der andersartigen Gefährlichkeit überhaupt gesondert geregelt ist.

3. Aus diesen Gründen hat die Revision der Drittbeklagten Erfolg. Das angefochtene Urteil ist dahin abzuändern, dass die abweisende Entscheidung des Erstgerichts über das Leistungsbegehren wiederhergestellt wird. Die diesen Teil der Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:

Der Einsatz eines Zweiwegefahrzeugs auf der Schiene ist keine „Verwendung“ eines Fahrzeugs iSv § 2 Abs 1 KHVG.

4. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 3 ZPO.

Textnummer

E120128

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00073.17Z.1128.000

Im RIS seit

19.12.2017

Zuletzt aktualisiert am

15.10.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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