TE OGH 2009/1/27 8Ob3/09p

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Veröffentlicht am 27.01.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Spenling und Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Glawischnig und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Beatrix P*****, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dkfm. Ottokar B*****, vertreten durch Dr. Martin Schober, Rechtsanwalt in Wr. Neustadt, wegen Unterfertigung einer Urkunde (Streitwert 20.000 EUR) über den Rekurs des Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. April 2008, GZ 14 R 225/07x-12, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Wr. Neustadt vom 23. Oktober 2007, GZ 14 Cg 117/07g-7, teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 1.187,28 EUR (darin 197,88 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist die Tochter des Beklagten. Mit Übergabsvertrag vom 21. 12. 2000 schenkte ihr der Beklagte eine Liegenschaft in Wr. N***** unter Vorbehalt des Fruchtgenussrechts. Die Klägerin betrieb bereits ab 1. 6. 1990 auf dieser Liegenschaft einen Reitsportfachhandel. Die Räumlichkeiten dafür hatte sie von ihrem Vater gemietet. Dieser Mietvertrag blieb auch nach der Übergabe des Grundstücks unter Fruchtgenussvorbehalt aufrecht.

Mit ihrer am 1. 6. 2007 eingelangten Klage begehrte die Klägerin mit der Begründung, dass das Fruchtgenussrecht erloschen sei, ua die Verurteilung des Beklagten zur Unterfertigung einer entsprechenden Löschungserklärung. Der Beklagte habe für Verbindlichkeiten ihres Reitsportunternehmens gegenüber der Sparkasse Wr. N***** (im Folgenden nur mehr: Sparkasse) gebürgt und sei im Jahre 2006 auch aus dieser Bürgschaft in Anspruch genommen worden. Nach Gesprächen innerhalb der Familie und mit der Sparkasse habe er ihr versprochen, auf sein Fruchtgenussrecht zu verzichten, wenn sie ihre unternehmerische Tätigkeit einstelle und ihr Unternehmen verkaufe, sodass ihm keine weitere Haftungsinanspruchnahme drohe bzw sie keine weiteren Verluste mit ihrer gewerblichen Tätigkeit einfahre. Am 23. 3. 2007 habe sie ihr Unternehmen veräußert, ihre Ware der Erwerberin übergeben und ihre unternehmerische Tätigkeit eingestellt. Damit sei die aufschiebende Bedingung für den Verzicht des Beklagten auf sein Fruchtgenussrecht eingetreten und der Fruchtgenuss erloschen. Dennoch verweigere der Beklagte die Unterfertigung der Löschungserklärung und stelle die vor Zeugen getroffene Vereinbarung in Abrede. Ein in dieser Klage ebenfalls erhobenes Feststellungsbegehren ist - infolge rechtskräftiger Abweisung durch die Vorinstanzen - für das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr von Relevanz.

Der Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte Klageabweisung und wendete ein, nie auf das Fruchtgenussrecht verzichtet zu haben. Im Übrigen handle es sich bei dem von der Klägerin behaupteten Verzicht auf das Fruchtgenussrecht um eine (bedingte) Schenkung ohne wirkliche Übergabe, die gemäß § 1 lit d NotAktG zu ihrer Rechtsgültigkeit eines Notariatsakts bedurft hätte.

Das Erstgericht wies auf der Grundlage der eingangs wiedergegebenen unstrittigen Feststellungen - ohne Durchführung eines Beweisverfahrens - das gesamte Klagebegehren ab; da der von der Klägerin behauptete Verzicht auf das Fruchtgenussrecht eine Schenkung ohne wirkliche Übergabe darstelle, sei hiefür die Errichtung eines Notariatsakts erforderlich. Ausgehend vom Klagebegehren komme auch eine Sanierung des Formmangels durch später hinzutretende wirkliche Übergabe nicht in Frage.

Das Berufungsgericht bestätigte über Berufung der Klägerin die Abweisung des Feststellungsbegehrens durch das Erstgericht als Teilurteil, hob im Übrigen das Ersturteil hinsichtlich des - allein noch gegenständlichen - Begehrens auf Unterfertigung auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss ließ das Berufungsgericht über Auftrag des Obersten Gerichtshofs (8 Ob 122/08m) mit der Begründung zu, dass zur Frage der Abgrenzung zwischen einer Schenkung unter aufschiebender Bedingung und einem entgeltlichen Rechtsgeschäft keine Judikatur des Obersten Gerichtshofs aufgefunden worden sei. Den zunächst fehlenden Bewertungsausspruch holte das Berufungsgericht über Auftrag des Obersten Gerichtshofs (8 Ob 122/08m) mit Beschluss vom 24. 11. 2008 nach und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige.

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Gemäß § 226 Abs 1 ZPO habe die Klage unter anderem ein bestimmtes Begehren und die Tatsachen zu enthalten, auf die sich der Anspruch des Klägers in Haupt- und Nebensachen gründet. Eine rechtliche Qualifikation der behaupteten Tatsachen sei nicht erforderlich; vielmehr habe das Gericht den Sachverhalt nach allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen, wenn sich der Kläger nicht auf einen bestimmten Rechtsgrund festgelegt habe. Das Berufungsgericht könne der rechtlichen Qualifikation des Klagsvorbringens durch das Erstgericht nicht beitreten. Nach dem Klagsvorbringen habe der Beklagte mit seinem Verzicht bezweckt, die Klägerin zur Aufgabe ihres Unternehmens zu motivieren, um nicht weiter für daraus entstehende Verbindlichkeiten einstehen zu müssen. Er habe also ein eminentes eigenes wirtschaftliches Interesse an der Aufgabe des Unternehmens gehabt, sodass dieses als eine die Unentgeltlichkeit und damit den Schenkungscharakter des Verzichts ausschließende Gegenleistung angesehen werden müsse. Eine solche könne nämlich unterschiedlichster Art sein und müsse auch keinen Vermögenswert haben; es genüge, dass wegen des Interesses an dem versprochenen Verhalten des Empfängers geleistet werde, dass also Leistung und Gegenleistung in einem Zusammenhang stehen. Das Vorbringen der Klägerin sei daher nicht im Sinn einer notariatsaktpflichtigen Schenkung, sondern eines entgeltlichen Rechtsgeschäfts zu beurteilen, weshalb die Klage hinsichtlich des Begehrens auf Unterfertigung der Löschungserklärung schlüssig sei. Da der Beklagte das Tatsachenvorbringen der Klägerin zum Großteil bestreite und eine Reihe von Einwendungen erhoben habe, werde das Erstgericht über das wechselseitige Vorbringen ein Beweisverfahren durchzuführen haben.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Beklagten wegen Aktenwidrigkeit sowie Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen; hilfsweise wird der Antrag gestellt, das „angefochtene Teilurteil" (erkennbar gemeint: den angefochtenen Aufhebungsbeschluss) im Umfang der Anfechtung aufzuheben und die Rechtssache - „mit anderer rechtlicher Begründung und daher anderer Anleitung und Bindungswirkung für das Erstgericht" - an dieses zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig (§ 526 Abs 2 ZPO).

Der Rechtsmittelwerber vermag eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO, deren Vorliegen auch nach § 519 Abs 2 ZPO gefordert wird, nicht aufzuzeigen.

Die für die Annahme einer Schenkung (zum Verzicht als Schenkung vgl §§ 939, 1381, 1444 ABGB; Neumayr in KBB2 § 1381 Rz 1; Binder in Schwimann ABGB3 § 939 Rz 2) erforderliche Unentgeltlichkeit bedeutet, dass nach dem Parteiwillen kein Entgelt erbracht wird. Sie wird durch jede synallagmatisch, konditional oder kausal verknüpfte Gegenleistung, die in einer Handlung oder Unterlassung bestehen kann und keinen Vermögenswert haben muss, ausgeschlossen (Bollenberger in KBB2 § 938 Rz 3 mwN). Es genügt, dass auf der Seite des Leistenden ein Interesse an einem bestimmten Verhalten des Empfängers der Leistung besteht (RIS-Justiz RS0018852; RS0018846; RS0017193 [T3, T4]; vgl auch RS0050235; SZ 41/173).

Fragen der Vertragsauslegung kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, sofern keine krasse Verkennung der Auslegungsgrundsätze vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (RIS-Justiz RS0112106; RS0042936; RS0042776 ua). Entgegen der vom Rechtsmittelwerber vertretenen Auffassung kann nicht bereits ausgehend von dem - hier (mangels abgeführten Beweisverfahrens und daraus getroffener Feststellungen) allein maßgeblichen - Klagevorbringen, dessen Schlüssigkeit das Berufungsgericht ja zu prüfen hatte, (zwingend) von der Unentgeltlichkeit und damit dem Schenkungscharakter des (behaupteten, jedoch beklagtenseits bestrittenen) Verzichts auf das Fruchtgenussrecht durch den Beklagten geschlossen werden. Die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsauffassung erweist sich somit (nach dem derzeitigen und maßgeblichen Aktenstand) jedenfalls als vertretbar. Ob bzw in welcher konkreten Ausgestaltung der von der Klägerin behauptete Verzicht des Beklagten auf das Fruchtgenussrecht (überhaupt) abgegeben wurde und bejahendenfalls ob dieser als entgeltlich oder unentgeltlich zu beurteilen sein wird, lässt sich aber erst auf der Grundlage zu treffender Feststellungen beantworten.

Der Rechtsmittelwerber weist zwar zutreffend darauf hin, dass Aktenwidrigkeit vorliege, wenn zwischen dem Akteninhalt und den Feststellungen ein Widerspruch bzw für eine Tatsachenfestellung überhaupt keine beweismäßige Grundlage besteht, rügt aber in der Folge unter diesem Rechtsmittelgrund, dass im gegenständlichen Verfahren kein Beweisverfahren abgeführt worden sei. Eine vom Berufungsgericht vorgenommene Wertung - wie hier die Beurteilung des Klagevorbringens als schlüssig - vermag aber eine Aktenwidrigkeit im Sinn des Gesetzes nie darzustellen (RIS-Justiz RS0043277). Darauf, dass die Klägerin bislang keine ausdrückliche Behauptung aufgestellt hat, dass ein entgeltliches (und damit nicht notariatsaktformbedürftiges) Rechtsgeschäft vorliege, kommt es nicht an, zumal die Beweislast für die Schenkungsabsicht derjenige trägt, der sich hierauf beruft (Bollenberger aaO Rz 5 mwN). Sonstige aufzugreifende Aktenwidrigkeiten bzw Mangelhaftigkeiten (§ 503 Z 2 und 3 ZPO) liegen, wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat, nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Eine weitergehende Überprüfung der Verfahrensergänzung im Sinn des berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschlusses steht dem Obersten Gerichtshof nicht zu (RIS-Justiz RS0043814; E. Kodek in Rechberger, ZPO3 § 519 Rz 26).

Da sich der Rekurs somit als unzulässig erweist und die Klägerin in ihrer Rekursbeantwortung auf diesen Umstand hingewiesen hat, sind ihr die Kosten für ihre Rechtsmittelbeantwortung gemäß §§ 41, 50 ZPO zuzusprechen (RIS-Justiz RS0123222; 8 Ob 91/08b).

Textnummer

E90011

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0080OB00003.09P.0127.000

Im RIS seit

26.02.2009

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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