TE OGH 2009/3/25 2Ob9/09a

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Veröffentlicht am 25.03.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gisela G*****, vertreten durch Dr. Gerhard Hackenberger und Mag. Jürgen Greilberger, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. Sandra P*****, 2. G***** Versicherung Aktiengesellschaft, *****, beide vertreten durch Dr. Jörg Herzog, Rechtsanwalt in Graz, wegen 30.227,30 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 22. Oktober 2008, GZ 4 R 107/08z-73, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Am 25. 1. 2005 ereignete sich bei Dunkelheit in Judendorf-Straßengel auf der L 302 (Gratweinerstraße) auf Höhe des Straßenkilometers 2,785 ein Verkehrsunfall, an dem die Erstbeklagte als Lenkerin und Halterin eines bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten Pkw und der Ehemann der Klägerin Helmut G***** als Fußgänger beteiligt waren. Dieser wurde vom Pkw der Erstbeklagten erfasst und dabei getötet.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin in ihrer außerordentlichen Revision relevierten Rechtsfragen sind nicht erheblich im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO.

1. Ob eine bestimmte Verschuldensteilung durch die Vorinstanzen angemessen ist, ist eine bloße Ermessensentscheidung, bei der im Allgemeinen, von einer krassen Verkennung der Rechtslage abgesehen, eine erhebliche Rechtsfrage nicht zu lösen ist (RIS-Justiz RS0042405 [T15]).

Das Berufungsgericht lastete dem getöteten Fußgänger als Verschulden an, er habe die Fahrbahn in einer Entfernung von 23 m zum Schutzweg überquert und dadurch gegen § 76 Abs 6 StVO verstoßen. Diese Norm diene in erster Linie dem Schutz des Fußgängers. Der Klägerin sei der ihr oblegene Nachweis, dass der Schaden auch im Fall vorschriftsgemäßen Verhaltens des Getöteten eingetreten wäre, nicht gelungen. Aufgrund seiner krankheitsbedingt verlangsamten Überquerungsgeschwindigkeit hätte er sich beim Erreichen der Fahrbahnmitte vergewissern müssen, ob sich nicht von der rechten Seite her ein Fahrzeug nähere. Ein Fußgänger müsse stehen bleiben, wenn ein Fahrzeug schon so nahe sei, dass er die Fahrbahn nicht mehr vor diesem gefahrlos überschreiten könne. Auch dieser Verpflichtung habe der Getötete nicht entsprochen. Er habe seine langsame Gehgeschwindigkeit von nur 0,75 m/sek beibehalten, obwohl der für ihn wahrnehmbare Pkw der Erstbeklagten nur mehr 39 m von seiner Querungslinie entfernt gewesen sei und es ihm möglich und zumutbar gewesen wäre, seine Gehgeschwindigkeit kurzfristig zu erhöhen. Der Erstbeklagten sei eine Reaktionsverspätung von 1,3 Sekunden anzulasten. Es wäre ihr bei rechtzeitiger Reaktion möglich gewesen, durch Gaswegnahme und eine geringe Verlangsamung des Fahrzeugs den Unfall zu verhindern.

Das Berufungsgericht ging von einem annähernd gleich schwer wiegenden Verschulden der Unfallbeteiligten im Verhältnis von 1 : 1 aus. Jene Entscheidungen, die die Klägerin in der Revision für ihren Rechtsstandpunkt, es treffe die Erstbeklagte das Alleinverschulden, ins Treffen führt, sind mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht hinreichend vergleichbar:

Der Entscheidung 2 Ob 24/02x (Aufhebung) ist keine Verschuldensteilung zu entnehmen.

In der Entscheidung 8 Ob 48/84 fuhr der dort Erstbeklagte mit einer (absolut und relativ überhöhten) Geschwindigkeit von 70 km/h im Ortsgebiet, reagierte verspätet und wies einen Blutalkoholgehalt von 1,25 %o auf, während dem klagenden, die Fahrbahn überquerenden Fußgänger nur ein Beobachtungsfehler angelastet wurde. In der Entscheidung 2 Ob 195/02v reagierte die Lenkerin 2 Sekunden verspätet, während der klagenden Fußgängerin als einziges Mitverschulden vorgeworfen wurde, 2,5 m neben dem Schutzweg die Fahrbahnmitte überquert zu haben.

In der vom Berufungsgericht vorgenommenen Verschuldensteilung kann somit eine krasse Fehlbeurteilung, die vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen wäre, nicht erkannt werden.

2. Zu Unrecht wirft die Revisionswerberin dem Berufungsgericht vor, es habe für die Witwenpension (als sachlich kongruente Leistung für den entgangenen Unterhalt gemäß § 1327 ABGB) kein „Steueräquivalent" zugesprochen.

Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Frage des Schadenersatzes als schadenserhöhend zu berücksichtigen, wenn der Geschädigte für eine vom Schädiger oder einem Dritten aus dem Schadensereignis bezogene Schadenersatzleistung Steuern und Abgaben, zB Einkommensteuer, zu bezahlen hat (RIS-Justiz RS0028339). Die vom Anspruchsberechtigten zu zahlenden Steuern stellen einen erstattungspflichtigen Teil des zu leistenden Schadenersatzes dar (RIS-Justiz RS0031597 [T1]; RS0031017). Umgekehrt soll der Hinterbliebene aber auch nicht besser gestellt werden, als er ohne Tötung des Unterhaltspflichtigen stünde (RIS-Justiz RS0031391 [T4]; Reischauer in Rummel3 § 1327 Rz 21 mwN).

Das Berufungsgericht ist von diesen Grundsätzen nicht abgewichen. Für die Zeit vom Unfall bis zur Pensionierung der Klägerin (1. 4. 2007) hat das Berufungsgericht beim Ersatz des Unterhaltsentgangs die mutmaßlich anfallende Einkommensteuer ohnehin als schadenserhöhend berücksichtigt (vgl hiezu auch 2 Ob 228/08f). Für die Zeit ab 1. 4. 2007 ging es davon aus, dass die von der Klägerin monatlich netto bezogene Witwenpension, die sachlich kongruent zu Unterhaltsleistungen nach § 1327 ABGB ist, mindestens so hoch wie der der Klägerin angesichts des Mitverschuldens des Getöteten zustehende Anspruch aus Beistandsentgang ist, weshalb der Klägerin insoweit kein Anspruch gegen die Beklagten zusteht. Das Berufungsgericht hat also, der zitierten Judikatur entsprechend, dadurch (unter Berücksichtigung des Mitverschuldens des Getöteten) die Klägerin nicht schlechter gestellt, als wenn der Unfall unterblieben wäre.

3. Das Berufungsgericht hat „zum gegenwärtigen Zeitpunkt" (womit offensichtlich gemeint ist, dass ein entsprechender Abgabenbescheid noch nicht vorliegt) die Zuerkennung von Einkommensteuer für die zuerkannten Dienstleistungsansprüche als Schadenersatz abgelehnt:

Aufgrund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 7. 12. 2006, B 242/06 = ZVR 2007/75, mit dem der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen hatte, Mehrbedarfsrenten einer verletzungsbedingt behinderten Person seien mangels eines Zuwachses an Leistungsfähigkeit von der Besteuerung nach dem EStG 1988 ausgenommen, sei unsicher, ob Dienstleistungsrenten für entgangene Beistandsleistungen einkommensteuerpflichtig seien. Dazu existiere keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs. Ob die Abgabenbehörden ungeachtet der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs Dienstleistungsrenten weiterhin als einkommensteuerpflichtig einstufen würden, sei somit höchst ungewiss. Dass, wie die Revisionswerberin behauptet, die Finanzbehörden „zweifellos" noch von der Steuerbarkeit einer Dienstleistungsrente ausgehen, steht nicht fest.

Es trifft zwar zu, dass bereits eine noch nicht fällige Abgabenschuld (RIS-Justiz RS0022568 [T1]), aufgrund eines noch nicht rechtskräftigen Abgabenbescheids (2 Ob 210/07g = RIS-Justiz RS0123388) einen Schaden darstellt. Dass im vorliegenden Fall bereits ein derartiger Bescheid bestünde, steht nicht fest und hat die Revisionswerberin gar nicht behauptet. Angesichts der vom Berufungsgericht im Anschluss an 2 Ob 210/07g zutreffend dargestellten Unsicherheit, ob eine Dienstleistungsrente einkommensteuerpflichtig ist, ist seine Rechtsansicht, es liege noch kein ersatzfähiger Schaden vor (vgl RIS-Justiz RS0022464), vertretbar und somit vom Obersten Gerichtshof nicht aufzugreifen (vgl auch 4 Ob 7/08w; 4 Ob 94/06m).

Anmerkung

E905962Ob9.09a

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0020OB00009.09A.0325.000

Zuletzt aktualisiert am

22.05.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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