TE OGH 2009/11/24 5Ob130/09t

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Veröffentlicht am 24.11.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé und Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Günter H*****, vertreten durch die Dr. Gustav Teicht und Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte Kommandit-Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei W***** R*****-Club „P*****", *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Wiedner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung der Unwirksamkeit eines Vereinsausschlusses (Streitwert 20.000 EUR), über die Rekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. April 2009, GZ 14 R 223/08d-44, mit dem infolge Berufung des Beklagten das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 17. Oktober 2008, GZ 18 Cg 43/04g-40, sowie das diesem vorangegangene Verfahren ab Zustellung der Klage als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs des Klägers (ON 40) wird nicht Folge gegeben. Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit 1.189,44 EUR (darin 198,22 EUR USt) bestimmten Kosten seiner Rekursbeantwortung (ON 49) zu ersetzen.

Der Rekurs des Beklagten (ON 47) wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die Kosten seiner Rekursbeantwortung (ON 48) selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Kläger war im Jahre 1962 dem beklagten Verein beigetreten. Er war dort von 1968 bis 1972 Jugendwart, im Jahr 1990 Kassier, von 1991 bis 1995 Präsident und seither einfaches Mitglied.

Die Statuten des Beklagten lauten auszugsweise wie folgt:

„...

6. Beendigung der Mitgliedschaft:

...

6.4. Der Ausschluß eines Mitgliedes aus dem Verein kann vom Vorstand wegen grober Verletzung der Mitgliedspflichten und wegen unehrenhaften Verhaltens verfügt werden. Gegen den Ausschluß ist die schriftliche Berufung an die Generalversammlung innerhalb von einer Frist von einem Monat ab der Verständigung vom Vereinsausschluss zulässig, bis zu deren Entscheidung die Mitgliedsrechte ruhen.

...

6.6. Gründe für den Ausschluß eines Mitgliedes oder die Aberkennung der Ehrenmitgliedschaft sind insbesondere

- grobe Verstöße gegen die Satzung, die Fahr- oder Hausordnung oder gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, welche den Wasserverkehr regeln;

- Verstöße gegen die Interessen des Vereins, welchen diesen wirtschaftlich oder dessen Ansehen in der Öffentlichkeit schädigen;

- vorsätzliche oder grob fahrlässige Beschädigung von Vereinseigentum;

- Nichtbeachtung der Beschlüsse der Hauptversammlung oder des Vereinsvorstandes.

...

7. Rechte und Pflichten der Mitglieder:

...

7.2. Das Stimmrecht in der Generalversammlung sowie das aktive und passive Wahlrecht steht den ordentlichen Mitgliedern, welche das 18. Lebensjahr vollendet haben, und den Ehrenmitgliedern zu. Vorstandsmitglieder sind in jedem Fall stimmberechtigt.

...

8. Die Generalversammlung:

8.1. Die ordentliche Generalversammlung findet alljährlich innerhalb von vier Monaten nach Beginn des Kalenderjahres statt.

8.2. Eine außerordentliche Generalversammlung hat auf Beschluss des Vorstandes oder der ordentlichen Generalversammlung oder auf schriftlich begründeten Antrag von mindestens 20 % der Mitglieder oder auf einstimmiges Verlangen der Rechnungsprüfer stattzufinden.

In den vorgenannten Fällen hat die außerordentliche Generalversammlung längstens zwei Monate nach Einlangen des Antrages auf Einberufung beim Vorstand bzw Beschlussfassung stattzufinden.

8.3. Sowohl zu den ordentlichen wie auch zu den außerordentlichen Generalversammlungen sind alle Mitglieder mindestens vierzehn Tage vor dem Termin schriftlich einzuladen. Die Anberaumung der Generalversammlung hat unter Angabe der Tagesordnung zu erfolgen. Die Einberufung erfolgt durch den Vorstand.

8.4. Anträge zu Tagesordnungspunkten sind mindestens einen Monat vor dem Termin der Generalversammlung beim Vorstand schriftlich einzureichen.

8.5. Gültige Beschlüsse - ausgenommen solche über einen Antrag auf Einberufung einer außerordentlichen Generalversammlung - können nur zu Tagesordnungspunkten gefaßt werden.

8.6. Bei der Generalversammlung sind alle Mitglieder teilnahmeberechtigt. Das Stimm- bzw Wahlrecht richtet sich nach 7.2. der Statuten. Jedes stimmberechtigte Mitglied hat eine Stimme. Die Übertragung des Stimmrechtes auf ein anderes Mitglied im Wege einer schriftlichen Bevollmächtigung ist nicht zulässig. Die Generalversammlung ist bei Anwesenheit der Hälfte aller stimmberechtigten Mitglieder beschlußfähig.

...

8.7. Die Wahlen und Beschlußfassungen in der Generalversammlung erfolgen in der Regel mit einfacher Stimmenmehrheit.

...

Bei Stimmengleicheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

8.8. Den Vorsitz in der Generalversammlung führt der Präsident, in dessen Verhinderung der an Lebensjahren älteste Vizepräsident. Wenn auch ein solcher verhindert ist, so führt das an Lebensjahren älteste anwesende Vorstandsmitglied den Vorsitz.

...

9. Aufgabenkreis der Generalversammlung:

9.1. Der Generalversammlung sind folgende Aufgaben vorbehalten:

...

9.7. Entscheidung über Berufungen gegen Ausschlüsse von der Mitgliedschaft,

...

10. Der Vorstand:

10.1. Der Vorstand besteht aus

a) dem Präsidenten und zwei Vizepräsidenten,

c) dem Generalsekretär,

c) dem Schriftführer,

d) dem Kassier,

e) dem Stellvertreter des Schriftführers und des Kassiers, sowie höchstens

e) jeweils einem Hauswart für jedes vom Verein unterhaltene Bootshaus,

f) jeweils einem Zeugwart für jedes vom Verein unterhaltene Bootshaus,

g) einem Jugendwart,

h) einem Oberbootsmann für den Bereich der Wanderfahrt.

...

10.4. Der Vorstand wird vom Präsidenten bzw einem Vizepräsidenten oder dem Generalsekretär schriftlich oder mündlich einberufen.

...

10.6. Der Vorstand fasst seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

...

11. Aufgabenkreis des Vorstandes:

11.1. Dem Vorstand obliegt die Leitung des Vereines. Ihm kommen alle Aufgaben zu, die nicht durch die Statuten einem anderen Vereinsorgan zugewiesen sind.

11.2. In seinen Wirkungsbereich fallen insbesondere folgende Angelegenheiten:

...

d) Aufnahme, Ausschluß und Streichung von Vereinsmitgliedern,

...

14. Das Schiedsgericht:

14.1. In allen aus dem Vereinsverhältnis entstehenden Streitigkeiten entscheidet das Schiedsgericht.

14.2. Das Schiedsgericht setzt sich aus fünf ordentlichen Mitgliedern zusammen. Es wird derart gebildet, daß jeder Streitteil innerhalb von zwei Wochen dem Vorstand zwei ordentliche Mitglieder als Schiedsrichter namhaft macht. Die so namhaft gemachten Schiedsrichter wählen mit Stimmenmehrheit ein fünftes ordentliches Mitglied zum Vorsitzenden des Schiedsgerichtes. Bei Stimmengleichheit entscheidet unter den Vorgeschlagenen das Los.

14.3. Das Schiedsgericht fällt seine Entscheidungen bei Anwesenheit aller seiner Mitglieder mit einfacher Stimmenmehrheit. Es entscheidet nach bestem Wissen und Gewissen. Seine Entscheidungen sind vereinsintern endgültig.

...".

Mit Schreiben vom 30. 6. 2003 teilte der Beklagte dem Kläger mit eingeschriebenem Brief auszugsweise Folgendes mit:

„...

Die Vereinsleitung ... hat ihr Verhalten in den letzten Monaten überprüft und ist zum Schluss gekommen, dass Gründe für ihren Ausschluss aus dem Verein vorliegen. Diese werden vor allem aus folgenden Verhalten abgeleitet:

a) Vorbereitung und Beteiligung an der Gründung des ARC A*****, Eintritt in deren Vereinsleitung als Vizepräsident, da dies den Interessen des WRC-P***** grob widerspricht und wirtschaftlich schädigt (Rekrutierung der Mitglieder des ARC A***** sind [gemeint: im] Kreise der Vereinsmitglieder des WRC-P*****, Abwerbung von Rennsportlern für den Wettbewerb für die ARC A***** usw);

b) Einflussnahme auf Vereinsmitglieder im Zusammenhang mit rechts-, insbesondere satzungswidrigen Entzug von Vereinsmitteln.

c) Versuchte Entziehung von Vereinsvermögen, insbesondere des Bierkühlers sowie Ankündigung der Entnahme der Espresso-Maschine.

d) Eine schriftliche Stellungnahme können sie bis zum 31. 7. 2003 (einlangend) beim P***** zu Handen des Schriftführers einbringen.

...".

Mit Schreiben vom 9. 7. 2003 gab der Klagevertreter namens seines Mandanten dem Beklagten bekannt, dass nach Auffassung des Klägers kein Grund vorliege, diesen aus dem Verein auszuschließen.

Mit Vorstandsbeschluss vom 4. 8. 2003 erfolgte der Vereinsausschluss des Klägers aus den im Schreiben vom 30. 6. 2003 genannten Gründen. Die Mitteilung des Vereinsausschlusses erhielt der Kläger mit Schreiben des Beklagten vom 6. 8. 2003. Der gegen den Vereinsausschluss erhobenen Berufung des Klägers gab die Generalversammlung des Beklagten mit Mehrheitsbeschluss vom 17. 1. 2004 nicht statt.

Der Kläger begehrte mit seiner am 8. März 2004 beim Erstgericht eingelangten Klage die Feststellung, dass seine Mitgliedschaft zum Beklagten ungeachtet des mit Schreiben vom 6. 8. 2003 erklärten Vereinsausschlusses nach wie vor mit allen statutenmäßigen Rechten und Pflichten aufrecht sei, weil die vom Beklagten geltend gemachten Ausschlussgründe allesamt nicht vorlägen.

Der streitige Rechtsweg stehe ihm offen, weil er in der Zeit bis 6 Monate vor Klageerhebung wiederholt mündlich und schriftlich das Vereinsschiedsgericht angerufen und auch zwei Schiedsrichter namhaft gemacht habe, während der Beklagte ein solches Vereinsschiedsgericht verweigert habe. Im Übrigen würden die Vereinsstatuten einen Instanzenzug an die Generalversammlung vorsehen, weshalb die zusätzliche Anrufung eines Schiedsgerichts nicht erforderlich sei. Der Einwand der Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs verstoße auch gegen Treu und Glauben, weil der Beklagte den Kläger immer wieder darauf verwiesen habe, dass ein Vereinsschiedsgericht nicht eingerichtet werden könne.

Der Beklagte begehrte Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, der Vereinsausschluss des Beklagten sei zu Recht erfolgt. Der Kläger habe sich zunehmend bei der Organisation und Vertretung von Partikularinteressen profiliert, insbesondere jenen der im „Strombootshaus" rudernden Mitglieder und der sogenannten „Aktiven", einem Teil der jüngeren Ruderer des Vereins. Der Kläger habe die Gründung eines Teilvereins oder einer Vereinsabspaltung betrieben und die übrigen Vereinsmitglieder als Freizeitsenioren und Saunisten bezeichnet. Nach der Niederlage des Klägers und der von ihm geleiteten Gruppe bei einer Kampfabstimmung habe der Kläger alles unternommen, die neu gewählte Clubleitung zu diffamieren und deren Arbeit zu erschweren. Schließlich habe der Kläger die Gründung eines neuen Rudervereins betrieben, der sich ausschließlich aus ehemaligen Vereinsmitgliedern des Beklagten rekrutiere, und er habe dort auch eine Leitungsfunktion übernommen, welche mit der Mitgliedschaft beim Beklagten unvereinbar sei.

Zur Mittelbeschaffung des Vereins trage ua die Veranstaltung von Vereinsfesten bei, zu deren Durchführung sich zunehmend die sogenannten „Aktiven" angeboten hätten. Die dabei erzielten Erträge seien auf einem sogenannten „Aktivenkonto" gesammelt, dann über Initative des Klägers dem Zugriff des Vereins entzogen und erst nach Einleitung rechtlicher Schritte wieder zurückgestellt worden.

Im Sommer 2003 habe der Kläger ohne jede Absprache oder auch nur Informationen des Vorstandes im Eigentum des Vereins gestandene Einrichtungsgegenständen, nämlich eine Espressomaschine, einen Bierkühler, eine Laterne und mehrere Bilder, welche der Kläger Jahre zuvor dem Verein als Spende zur Verfügung gestellt habe, aus der Vereinskantine entfernt.

Überdies sei, wie der Beklagte im zweiten Rechtsgang vorbrachte, der streitige Rechtsweg unzulässig, weil der Kläger vor Klageerhebung das Vereinsschiedsgericht anrufen hätte müssen.

Das Erstgericht traf über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus Feststellungen zu den vom Beklagten behaupteten Ausschlussgründen und verneinte diese in seiner rechtlichen Beurteilung. Zur (von den Parteien erst im zweiten Rechtsgang relevierten) Frage der Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs führte das Erstgericht aus, es sei nicht anzunehmen, den bereits befassten Instanzen sei die Unzulässigkeit des Rechtswegs entgangen. Der Kläger habe auch nach Mitteilung des geplanten Vereinsauschlusses die Errichtung eines Schiedsgerichts verlangt. Warum dem Kläger nach Ausschöpfung des statutenmäßigen Instanzenzugs und Nichteinrichtung eines Schiedsgerichts durch den Beklagten der ordentliche Rechtsweg nicht offenstehen solle, könne der Beklagte nicht begründen. Dem Klagebegehren sei daher stattzugeben.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten wegen Nichtigkeit Folge, hob das angefochtene Urteil sowie das diesem vorangegangene Verfahren ab Zustellung der Klage als nichtig auf, wies die Klage zurück und hob die Verfahrenskosten gegenseitig auf. Gemäß § 8 Abs 1 VerG 2002 müssten die Statuten vorsehen, dass Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis vor einer Schlichtungseinrichtung auszutragen sind. Sofern das Verfahren vor der Schlichtungseinrichtung nicht früher beendet sei, stehe für Rechtsstreitigkeiten nach Ablauf von 6 Monaten ab Anrufung der Schlichtungseinrichtung der ordentliche Rechtsweg offen. Werde eine Klage in einer Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis nach § 8 Abs 1 VerG 2002 vor dem Verstreichen von 6 Monaten seit Anrufung der vereinsinternen Schlichtungseinrichtung eingebracht, so stehe ihr nach nunmehr ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0122426) - außer das Schlichtungsverfahren endete bereits vor der Klagseinbringung - das gemäß § 42 Abs 1 JN in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmende Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegen. Dabei beginne in jenen Fällen, in denen die Schlichtungseinrichtung nach den Vereinsstatuten erst im Anlassfall von den Streitparteien zu konstituieren sei, die 6-monatige Frist erst zu laufen, wenn die anrufende Partei die erforderliche Mitwirkung an der Konstituierung dieser Einrichtung geleistet habe. Die bloße Anrufung des im Anlassfall einzurichtenden Schiedsgerichts ohne statutengemäße Benennung der Mitglieder der Schlichtungseinrichtung könne die 6-monatige Frist des § 8 Abs 1 VerG 2002 noch nicht auslösen (8 Ob 78/06p). Auch Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses eines Mitglieds aus dem Verein fielen unter das zwingende vereinsinterne Schlichtungsverfahren (RIS-Justiz RS0122427).

Das urkundlich vorgewiesene Begehren des Klägers auf Einrichtung eines Schiedsgerichts sei schon mangels Namhaftmachung von zwei ordentlichen Mitgliedern als Schiedsrichter nicht geeignet gewesen, die 6-monatige Frist des § 8 Abs 1 VerG 2002 in Gang zu setzen und für seine Klage den Rechtsweg zu eröffnen. Daran könne auch der Umstand nichts ändern, dass Punkt 6.4. der Statuten gegen den vom Vorstand verfügten Ausschluss aus dem Verein die Berufung an die Generalversammlung vorsehe. Allenfalls könnte diese Bestimmung in einem Spannungsverhältnis zu Punkt 14. der Statuten stehen, wonach das Schiedsgericht „in allen aus dem Vereinsverhältnis entstehenden Streitigkeiten" - somit auch im Fall eines Ausschlusses - zu entscheiden habe. Unklare oder verschiedene Deutungen zulassende Bestimmungen in Vereinsstatuten seien in vernünftiger und billiger Weise so auszulegen, dass ihre Anwendung im Einzelfall brauchbare und vernünftige Ergebnisse zeitige (7 Ob 274/07f). Bedenke man, dass der Gesetzgeber mit § 8 VerG 2002 die ordentlichen Gerichte in Vereinssachen durch zwingend vorgeschaltete Schlichtungsverfahren möglichst entlasten habe wollen (4 Ob 146/07k mwN) und dass die Generalversammlung eines Vereins nach allgemeinem Verständnis nicht als „Schlichtungseinrichtung" angesehen werden könne, so könnten die besagten Regelungen nur so ausgelegt werden, dass bei einem Vereinsausschluss gegen die Entscheidung der Generalversammlung noch das Schiedsgericht anzurufen sei, ehe der ordentliche Rechtsweg beschritten werden könne.

Die dargestellte Judikatur sei mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 4. 9. 2007, 4 Ob 146/07k, eingeleitet worden und habe daher unter Berücksichtigung der üblichen Ausfertigungs- und Veröffentlichungsfristen dem Berufungsgericht noch nicht bekannt sein können, als es im ersten Rechtsgang seinen Aufhebungsbeschluss gefasst habe. Umso weniger habe der befasste Senat des Obersten Gerichtshofs im noch davor gefassten Aufhebungsbeschluss die Judikaturänderung absehen können. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts könne daher aus der bislang unterbliebenen amtswegigen Wahrnehmung der Nichtigkeit durch die Rechtsmittelinstanzen im ersten Rechtsgang nicht darauf geschlossen werden, dass der Rechtsweg (auch jetzt noch) zulässig sei. Nach der älteren, jetzt überholten Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0119982) hätte die Nichtanrufung des Schiedsgerichts dem Beklagten nur die Einrede der mangelnden materiellen Klagbarkeit eröffnet, während nunmehr die Unzulässigkeit des Rechtswegs von Amts wegen wahrzunehmen sei und zur Zurückweisung der Klage führen müsse.

Da die Parteien weder an der Judikaturänderung noch daran, dass das Erstgericht im zweiten Rechtsgang noch nicht auf diese Bedacht genommen habe, ein Verschulden treffe, seien die Kosten des Verfahrens gemäß § 51 Abs 2 ZPO gegenseitig aufzuheben gewesen.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richten sich die Rekurse beider Parteien. Der Kläger macht Mangelhaftigkeit/Aktenwidrigkeit des Berufungsverfahrens sowie unrichtige rechtliche Beurteilung durch das Gericht zweiter Instanz geltend. Er beantragt, den Beschluss des Berufungsgerichts aufzuheben und diesem die Entscheidung in der Sache aufzutragen.

Der Beklagte bekämpft den Beschluss des Berufungsgerichts im Kostenpunkt und begehrt insoweit dessen Abänderung dahin, dass dem Kläger der Ersatz sämtlicher Verfahrenskosten auferlegt werde.

Beide Parteien erstatteten eine Rekursbeantwortung jeweils mit dem Antrag, dem Rechtsmittel des Gegners nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers ist nicht berechtigt, jener des Beklagten ist unzulässig.

I. Zum Rekurs des Klägers:

Unter dem Titel der „Mangelhaftigkeit des Verfahrens/Aktenwidrigkeit" macht der Kläger geltend, er habe in der Streitverhandlung am 21. 4. 2008 vorgebracht, auch mündlich mehrmals und nach dem 2. 7. 2003 und 6 Monate vor Klagseinbringung ein Schiedsgericht beantragt und dazu seine Tochter sowie seinen Schwiegersohn, zwei ordentliche Mitglieder des beklagten Vereins, als Schiedsrichter benannt zu haben. Zum Beweis für dieses Vorbringen habe er seine ergänzende Einvernahme beantragt. Das Erstgericht habe - ausgehend von der Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs - auf die ergänzende Einvernahme des Klägers verzichtet. Angesichts der gegenteiligen Rechtsansicht des Berufungsgerichts hätte dieses die begehrte Beweisaufnahme veranlassen und die Rechtssache zu diesem Zweck an das Erstgericht zurückverweisen müssen.

Unter dem Gesichtspunkt der unrichtigen rechtlichen Beurteilung führt der Kläger aus, die vom Berufungsgericht bezogene Entscheidung 8 Ob 78/06p sei mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, weil er, was vom Berufungsgericht zu prüfen gewesen wäre, Schiedsrichter namhaft gemacht und der Beklagte seinerseits erklärt habe, dass kein Schiedsgericht eingerichtet werde, weil als vereinsinterner Instanzenzug die Anrufung der Generalversammlung (und nicht des Schiedsgerichts) vorgesehen sei, weshalb der nunmehrige Einwand der Unzulässigkeit des Rechtswegs gegen Treu und Glauben verstoße. Von einer beabsichtigten Umgehung der Schlichtungseinrichtung durch den Kläger könne daher nicht gesprochen werden. Nach dem Zweck des § 8 VerG 2002 komme es auch nur darauf an, dass der vereinsinterne Instanzenzug ausgeschöpft werde und dies sei mit der Anrufung der Generalversammlung geschehen. Punkt 6.4. der Statuten sei außerdem gegenüber Punkt 14.1. die speziellere Norm, weshalb nur die Berufung an die Generalversammlung zulässig und keine Anrufung des Schiedsgerichts vorgesehen gewesen sei. Davon sei auch der Beklagte nach seinem Prozessvorbringen im ersten Rechtsgang ausgegangen, weshalb zumindest eine konkludente Vereinbarung der Streitteile dahin bestanden habe, dass der ordentliche Rechtsweg direkt beschritten werden dürfe.

Zu den Rechtsmittelausführungen des Klägers ist Folgendes zu erwägen:

1. Für den Fall, dass das Berufungsgericht - wie hier - unter Nichtigerklärung des erstinstanzlichen Verfahrens und des Urteils die Klage zurückweist, ist sein Beschluss nach § 519 Abs 1 ZPO jedenfalls, also unabhängig vom Streitwert und vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage, anfechtbar (RIS-Justiz RS0043886; RS0043861; Kodek in Rechberger³ § 519 ZPO Rz 8).

2.1. Nach § 8 Abs 1 Satz 1 VerG 2002 haben die Statuten vorzusehen, dass Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis vor einer Schlichtungseinrichtung auszutragen sind. Sofern das Verfahren vor der Schlichtungseinrichtung nicht früher beendet ist, steht für Rechtsstreitigkeiten nach Ablauf von 6 Monaten ab Anrufung der Schlichtungseinrichtung der ordentliche Rechtsweg offen.

2.2. Strittig ist hier, ob der mit Vorstandsbeschluss vom 4. 8. 2003 erfolgte und mit Mehrheitsbeschluss der Generalversammlung des Beklagten vom 17. 1. 2004 bestätigte Vereinsausschluss des Klägers recte, also aus einem der in 6.6. der Satzung genannten Ausschlussgründe erfolgte. Dieser Streit hängt unmittelbar mit dem Vereinsverhältnis zusammen, sodass an seiner Qualität als „Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis" iSd § 8 Abs 1 VerG 2002 nicht zu zweifeln ist (vgl 4 Ob 146/07k = EvBl 2008/13, 71 = JBl 2008, 51; RIS-Justiz RS0122427; Fessler/Keller, Vereins- und Versammlungsrecht², 112).

2.3. Nach Punkt 11.2.d) der Satzung des Beklagten gehört die Entscheidung über den Ausschluss eines Vereinsmitglieds zum Aufgabenkreis seines Vorstands. Gegen diese Entscheidung sehen die Statuten allerdings einen Instanzenzug vor (s dazu auch Fessler/Keller, Vereins- und Versammlungsrecht², 85). Nach Punkt 9.1. der Satzung fällt nämlich die Entscheidung über Berufungen gegen Ausschlüsse von der Mitgliedschaft in den Aufgabenkreis der Generalversammlung. Schließlich bestimmt Punkt 14.1. der Satzung, dass in allen aus dem Vereinsverhältnis entstehenden Streitigkeiten das Schiedsgericht entscheidet. Nach Punkt 14.3. sind dessen Entscheidungen vereinsintern endgültig. Der Kläger vertritt in diesem Zusammenhang die Ansicht, nach dem Zweck des § 8 VerG 2002 komme es nur darauf an, dass der vereinsinterne Instanzenzug ausgeschöpft werde und dies sei mit der Anrufung der Generalversammlung geschehen. Punkt 6.4. der Statuten sei gegenüber Punkt 14.1. die speziellere Norm, weshalb im vorliegenden Zusammenhang nur die Berufung an die Generalversammlung zulässig und keine Anrufung des Schiedsgerichts vorgesehen sei. Diese Auslegung der Vereinsstatuten des Beklagten vermag der erkennende Senat nicht zu teilen:

2.4. Vereinsstatuten sind nach ständiger Rechtsprechung nach den §§ 6 und 7 ABGB auszulegen (RIS-Justiz RS0008813, RS0008834 und RS0108891; Höhne/Jöchl/Lummerstorfer, Das Recht der Vereine², 38 f; Fessler/Keller, Vereins- und Versammlungsrecht², 72). Maßgebend ist der objektive Sinn statutarischer Bestimmungen. Die Auslegung hat sich am Vereinszweck und den berechtigten Interessen der Mitglieder zu orientieren. Unklare oder eine mehrfache Deutung zulassende Bestimmungen sind in vernünftiger und billiger Weise so auszulegen, dass ihre Anwendung im Einzelfall brauchbare und vernünftige Ergebnisse zeitigt (RIS-Justiz RS0008813; RS0008816).

Nach diesen Auslegungskriterien sind besagte statutarische Regelungen so aufzufassen, dass der Ausschluss eines Mitglieds (erst) dann rechtswirksam angeordnet ist, wenn im Fall einer - wie hier vom Kläger erhobenen - Berufung an die Generalversammlung das Rechtsmittel erfolglos geblieben ist. Danach steht dann allerdings (noch) die Anrufung des Schiedsgerichts offen, weil dessen Zuständigkeit für alle aus dem Vereinsverhältnis entstehenden Streitigkeiten als umfassende Kompetenzbestimmung aufzufassen ist (vgl 7 Ob 139/07b4 Ob 146/07k). Genau dieses Schiedsgericht ist auch als die Schlichtungseinrichtung iSd § 8 Abs 1 VerG 2002 zu verstehen, weil dessen statutarisch vorgesehene Zusammensetzung geradezu typisch den Anforderungen von Parität und Äquidistanz entspricht (allgemein dazu etwa 6 Ob 280/08g; Höhne/Jöchl/Lummerstorfer, Das Recht der Vereine², 162 f; Fessler/Keller, Vereins- und Versammlungsrecht², 109 f), die für eine solche Schlichtungseinrichtung iSd § 8 Abs 1 VerG 2002 typisch ist bzw sein sollte.

Aus dem hier statutarisch vorgesehenen Konzept eines vereinsinternen Instanzenzug folgt sachlogisch, dass die Anrufung des Schiedsgerichts selbstverständlich erst dann Sinn macht, wenn der Ausschluss des Mitglieds durch abweisliche Beurteilung seiner Berufung durch die Generalversammlung feststeht.

Nach den eigenen Behauptungen in seiner Revision will der Kläger jedenfalls 6 Monate vor der Klageerhebung am 8. März 2004 die Einrichtung des Schiedsgerichts verlangt und auch zwei Schiedsrichter nahmhaft gemacht haben. Daraus folgt aber - ohne die Notwendigkeit der Klärung der vom Kläger angesprochenen Tatfragen -, dass dieser gar keine Behauptung dahin aufstellte, nach der dafür maßgeblichen Beschlussfassung der Generalversammlung am 17. 1. 2004 sein Begehren nach Einrichtung des Schiedsgerichts unter Bekanntgabe zweier Schiedsrichter erneuert zu haben, und, selbst wenn man ein allfälliges früheres Verlangen nach Einrichtung des Schiedsgerichts weiterwirken lassen wollte, dann hat der Kläger den Zeitraum von 6 Monaten nach Beschlussfassung der Generalversammlung nicht abgewartet. Demnach ist der Klage mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 8 Abs 1 VerG 2002 der ordentliche Rechtsweg verschlossen.

3.1. Wird eine Klage in einer Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis nach § 8 Abs 1 VerG 2002 (überhaupt ohne Anrufung der vereinsinternen Schlichtungseinrichtung oder) vor dem Verstreichen von 6 Monaten seit Anrufung der vereinsinternen Schlichtungseinrichtung eingebracht, so steht ihr - außer das Schlichtungsverfahren endete bereits vor der Klagseinbringung - nach neuer, inzwischen bereits gefestiger Rechtsprechung das Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegen (RIS-Justiz RS0122426).

3.2. Die Unzulässigkeit des Rechtswegs ist in jeder Lage des Verfahrens - auch noch im Rechtsmittelverfahren - von Amts wegen wahrzunehmen (vgl RIS-Justiz RS0046249 [insb T4]; RS0046861; Mayr in Rechberger³, § 42 JN Rz 1; Ballon in Fasching² § 42 JN Rz 4 und 8). Das Berufungsgericht konnte und musste demnach diese Prozessvoraussetzung aufgreifen, wiewohl sie der Beklagte erst im zweiten Rechtsgang erstmals und nach Ansicht des Klägers treuwidrig angesprochen hat. Eine den Obersten Gerichtshof bindende, weil von beiden Vorinstanzen übereinstimmend ausdrücklich (zumindest) in den Entscheidungsgründen vorgenommene Bejahung der Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs ist hier nicht erfolgt (vgl RIS-Justiz RS0046249).

3.3. Fragen der Rechtswegzulässigkeit, sind der Parteiendisposition entzogen (vgl RIS-Justiz RS0045469; RS0098758; Ballon in Fasching² § 1 JN Rz 78 mwN), weshalb auch eine allfällige, vom Kläger relevierte konkludente Vereinbarung der Streitteile im Sinn der Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs unbeachtlich wäre.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich damit als rechtsrichtig, weshalb dem Rekurs des Klägers ein Erfolg versagt bleiben muss.

Die Kostenentscheidung beruht insoweit auf §§ 50, 41 ZPO.

II. Zum Rekurs des Beklagten:

Das Rechtsmittel des Beklagten richtet sich ausschließlich gegen die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts. Rekurse gegen die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz über den Kostenpunkt, sind aber grundsätzlich und ausnahmslos unzulässig (RIS-Justiz RS0044233; RS0110033; RS0053407), was zu dessen Zurückweisung führen muss. Der Kläger hat die Kosten seiner Rekursbeantwortung gemäß §§ 50, 40 ZPO selbst zu tragen, weil er auf die Unzulässigkeit des Kostenrekurses des Beklagten nicht hingewiesen hat.

Textnummer

E93080

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0050OB00130.09T.1124.000

Im RIS seit

24.12.2009

Zuletzt aktualisiert am

13.01.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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