TE OGH 2011/9/1 1Ob138/11t

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Veröffentlicht am 01.09.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache des Antragstellers Ing. Robert S*****, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger, Dr. Peter Mardetschläger und Mag. August Schulz, Rechtsanwälte in Wien, gegen die Antragsgegnerin Karin Z*****, vertreten durch Dr. Raimund Hora, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 10. Mai 2011, GZ 48 R 69/11v-133, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 27. Jänner 2011, GZ 29 C 99/05k-123, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Oberster Grundsatz bei der Aufteilung der Vermögenswerte nach den §§ 81 ff EheG ist die Billigkeit (RIS-Justiz RS0079235 [T1]; Deixler-Hübner in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR [2011] § 84 EheG Rz 1). Die Aufteilung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0113732). Bei der Bemessung einer Ausgleichszahlung ist eine strenge rechnerische Feststellung nicht erforderlich, vielmehr müssen unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit zu bemessende Pauschalzahlungen festgesetzt werden (RIS-Justiz RS0057596). Dabei sind sogar eine unrichtig angewendete Ermittlungsart oder eine unrichtige Gewichtung einzelner Bemessungselemente so lange zu vernachlässigen, als sich der ausgemittelte Ausgleichsbetrag innerhalb des Ermessensspielraums bewegt (RIS-Justiz RS0115637 [T1]). Das vom Rekursgericht in diesem Fall erzielte Ergebnis, der Antragsgegnerin eine Ausgleichszahlung von 120.000 EUR zuzusprechen, ist keine vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende Fehlbeurteilung.

2. Mit seinen Ausführungen zu dem in die Ehe eingebrachten Vermögen und zum Umfang der Leistungen seines Vaters beim „Hausbau“ geht der Antragsteller nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und versucht die Feststellungen der Tatsacheninstanzen zu bekämpfen, was in dritter Instanz nicht zulässig ist (RIS-Justiz RS0007236). Der vom Rekursgericht bereits verneinte Mangel des Verfahrens erster Instanz kann im Revisionsrekursverfahren nicht geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0030748).

3. Der Antragsteller hält die 50%ige Aufteilungsquote, welche die Vorinstanzen der Aufteilung zu Grunde legten, für nicht gerechtfertigt. Bei Beurteilung der Berufstätigkeit der Antragsgegnerin, die zusätzlich alleine den Haushalt führte und die Kinder betreute, geht er nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Die einzelfallbezogene (Deixler-Hübner aaO Rz 23 mwN) Festsetzung einer Aufteilungsquote von 1 : 1 ist im konkreten Fall zumindest vertretbar, wird sie doch in der höchstgerichtlichen Judikatur sogar auf Fälle der sogenannten Hausfrauenehe (also ohne Mehrfachbelastung des Ehegatten, der neben seiner Erwerbstätigkeit Haushalt und Kinder betreut) angewendet (RIS-Justiz RS0057654 [T2]; wN bei Deixler-Hübner aaO).

4. Verbindlichkeiten eines oder beider Ehegatten, die zur Herstellung, Anschaffung, Instandhaltung oder Verbesserung von der Aufteilung unterliegenden Gegenstände des Gebrauchsvermögens oder der ehelichen Ersparnisse eingegangen wurden („konnexe Schulden“), mindern nach § 81 Abs 1 Satz 2 EheG die Aufteilungsmasse (Koch in KBB³ § 81 EheG Rz 8 mwN). Für die Errichtung des Hauses, in dem sich (auch) die Ehewohnung befindet, erhielten die Parteien eine Wohnbauförderung von 350.000 S. Es handelt sich um einen nicht zurückzuzahlenden Förderbetrag, der deshalb mit einem Pfandrecht zu Gunsten des Landes Wien sichergestellt ist, damit die Liegenschaft nicht an eine „nicht wohnbauförderungsfähige“ Person verkauft wird. Das Pfandrecht wird nach 20 bis 25 Jahren gelöscht.

5. Die Beurteilung des Rekursgerichts, dieses Wohnbaudarlehen nicht als die Aufteilungsmasse mindernde Verbindlichkeit zu werten, ist vertretbar: Nur zum Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft vorhandene Passiva mindern die Aufteilungsmasse (Koch aaO mwN). Eine Verbindlichkeit der Darlehensnehmer, also eine Rückzahlungsverpflichtung bestand zu diesem Zeitpunkt aber nicht, sie entsteht eben erst im (hier nicht verwirklichten) Fall des Verkaufs an eine „nicht wohnbauförderungsfähige“ Person.

6. Die Parteien zogen im Jahr 1993 in ein den Eltern des Antragstellers gehöriges Haus in Wien. Am 22. 11. 1993 schenkten diese ihm die Liegenschaft. Kurz darauf schenkte er der Antragsgegnerin einen Hälfteanteil, weil die Parteien ansonsten keine Wohnbauförderung erhalten hätten. Im Jahr 1996 wurde nach Abtragung des alten Hauses ein Neubau errichtet, in den die Parteien im Jahr 1999 einzogen. Die Errichtung der Substanz (Fundament, Wände, Zwischendecke und Ähnliches) wurde von den Parteien und durch Schenkungen der Eltern des Antragstellers (insgesamt 145.345 EUR) finanziert. Der den geschenkten Beträgen entsprechende, „in der Substanz des Neubaus aufgegangene“ Wert betrug im Mai 2003 noch rund 135.500 EUR. Der Vater des Antragstellers bezahlte auch Rechnungen über rund 4.500 EUR. Die beiden führten viele Arbeiten am Haus gemeinsam durch. Der Wert der Eigenleistungen beträgt 109.000 EUR, davon entfallen zwei Drittel (73.000 EUR) auf den Vater des Antragstellers. Im Gebäude befinden sich die vom Antragsteller betriebene Kfz-Werkstätte, Sozialräume für seine Angestellten, Garagen sowie die (frühere) Ehewohnung und ein Arbeitszimmer. Die Ehewohnung samt der gesamten Wohnungseinrichtung verblieb dem Antragssteller.

7. Der vom Erstgericht in die Aufteilung einbezogene (Gebäude-)Wert von 436.000 EUR beruht auf einem Sachverständigengutachten, dessen Abgrenzung des Werts der betrieblich genützten und daher von der Aufteilung ausgenommenen Räumlichkeiten von jenem der Wohnräumlichkeiten nicht revisible Fragen der Beweiswürdigung betrifft (vgl 1 Ob 91/11f mwN). Auch im Außerstreitverfahren ist der Oberste Gerichtshof nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz (RIS-Justiz RS0006737). Der Revisionsrekurswerber akzeptiert diesen der Aufteilung zugrundegelegten Wert selbst, indem er bei seiner „Berechnung“ der Ausgleichszahlung von 436.000 EUR ausgeht. Der eingangs seines Rechtsmittels angesprochene Abzug von 6.719 EUR (für die Nutzung eines Arbeitszimmers) wirkt sich schon nach dessen Größenordnung nicht wesentlich auf das Ergebnis aus.

8. Hauptsächlicher Kritikpunkt des Revisionsrekurses ist die Beantwortung der Frage, inwieweit die Schenkungen der Eltern des Antragstellers bei der Aufteilungsmasse zu berücksichtigen sind. Das Rekursgericht ordnete den geschenkten Betrag von 145.345 EUR (und nicht den verbleibenden Substanzwert von 135.500 EUR), ausschließlich dem betrieblich genutzten Teil zu und lehnte deshalb die vom Antragsteller gewünschte Berücksichtigung der geschenkten Beträge ab.

9. Dem Revisionsrekurswerber ist einzuräumen, dass sich dafür keine tragfähige Grundlage im festgestellten Sachverhalt findet. Es steht weder fest, dass die geschenkten Beträge ausschließlich in die betrieblich genützten Teile des Gebäudes geflossen sind, noch dass die Geschenkgeber sie ausschließlich für diese Verwendung widmeten. Dies wirkt sich aber im Ergebnis nicht zu Gunsten des Antragstellers aus.

10. Werden von 436.000 EUR die Schenkungen der Eltern des Antragstellers sowie die Arbeits- und Geldleistungen seines Vaters abgezogen, verbleibt ein Betrag von rund 213. 000 EUR. Dieser Abzug der Schenkungen und der Leistungen des Vaters entspricht den Vorstellungen des Revisonsrekurswerbers, wenn er auch höhere (durch den Sachverhalt nicht gedeckte) Beträge ansetzt. In die Aufteilungsmasse fallen Sparguthaben von 151.000 EUR, welche den Wert der Masse wiederum erhöhen. Bei einer 50%igen Aufteilungsquote sowie bei Berücksichtigung der der Antragsgegnerin bereits zugeflossenen Vermögenswerte von 61.000 EUR ist die Festsetzung einer Ausgleichszahlung von 120.000 EUR nicht als aufzugreifende Überschreitung des Ermessensspielraums (zu Lasten des Antragstellers) zu werten.

Schlagworte

Familienrecht

Textnummer

E98273

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0010OB00138.11T.0901.000

Im RIS seit

22.09.2011

Zuletzt aktualisiert am

12.03.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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