TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/01 E9 300863-2/2008

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Veröffentlicht am 01.10.2008
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Spruch

E9 300.863-2/2008-9E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Reinhard Engel als Vorsitzenden und den Richter Mag. Hermann Leitner als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Mayer über die Beschwerde des K.F., geb. 00.00.1981 alias 00.00.1982 alias 00.00.1986, StA. Türkei (vertreten durch RA Mag. Astrid Wagner), gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.02.2007, FZ. 03 02.065-BAT, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 Abs 1 u. 2 AsylG 1997 BGBl I Nr. 76/1997 idF BGBl I Nr. I 129/2004 als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Der Beschwerdeführer (BF), seinen Angaben nach ein Staatsangehöriger der Türkei, stellte am 27.4.2003 beim Bundesasylamt (BAA) einen Asylantrag.

 

Als Begründung für das Verlassen seines Herkunftsstaates Türkei brachte er anlässlich seiner ersten Befragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am Flughafen Schwechat vor, dass sich sein Onkel der PKK angeschlossen habe. Danach sei seine Familie von den türk. Behörden verfolgt worden. Da sich die gesamte Familie eine Flucht nicht habe leisten können, habe sein Vater wollen, dass er flüchte".

 

Der BF ist folglich ca. eine Woche nach der Asylantragstellung in Österreich in die BRD zu seinem dort lebenden Bruder weiter gereist. Dort trat er unter einer anderen Identität als in Österreich auf. Am 25.1.2006 wurde er im Rahmen des Dublin- Übereinkommens von der BRD an Österreich rücküberstellt.

 

Im Rahmen der Ersteinvernahme beim BAA brachte er als Begründung für das Verlassen seines Herkunftsstaates im Jahr 2003 im Wesentlichen vor, dass ihm sein Bruder telefonisch über Misshandlungen beim Militär erzählt habe. Dieser habe ihm von Vorfällen während des Militärdienstes erzählt. Sein Bruder sei wegen Folterverletzungen im Militärkrankenhaus behandelt worden. Der BF habe befürchtet, dass er den selben Schwierigkeiten ausgesetzt sein könnte. Als seine Ladung zur Musterung nach S. gekommen sei habe er die Türkei deshalb verlassen. Bei einer Rückkehr müsste er nun zum Militärdienst. Was dort passieren würde, wisse er nicht.

 

Das BAA hat folglich den Asylantrag mit Bescheid vom 30.3.2005 gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 AsylG wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 8 Abs 2 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei verfügt (Spruchpunkt III.).

 

Der BF hat durch seine rechtsfreundliche Vertretung Berufung erhoben. Dieser wurde vom Unabhängigen Bundesasylsenat durch das damals zuständige Senatsmitglied Dr. Maurer-Kober stattgegeben und der Bescheid gem. § 66 Abs 2 AVG an das BAA zurückverwiesen.

 

Nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens hat das BAA mit Bescheid vom 28.2.2007 hinsichtlich der Spruchpunkte im Ergebnis gleich lautend entschieden.

 

Gegen diesen Bescheid hat der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Hinsichtlich des konkreten Inhaltes der Beschwerde, der bei den Erwägungen des Asylgerichtshof berücksichtigt wurde, wird auf den Akteninhalt verwiesen (VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).

 

Die im angefochtenen Bescheid bereits enthaltene Sachverhaltsdarstellung wird hiermit zum Inhalt dieser Entscheidung erklärt. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist das erkennende Gericht berechtigt, näher bezeichnete Teile des angefochtenen Bescheides zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses zu erheben, ohne sie wiederholen zu müssen (vgl. z.B. das Erk. d. VwGH vom 4. 10. 1995, 95/01/0045; VwGH 24. 11. 1999, 99/01/0280; auch VwGH 8. 3. 1999, 98/01/0278).

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes.

 

Die belangte Behörde legte im Rahmen der Beweiswürdigung (BAA Bescheid S 31 - 34) dar, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, seine dargelegten Ausreisemotive glaubhaft zu machen, da diese in wesentlichen Punkten widersprüchlich bzw. nicht plausibel waren.

 

Die vom BAA vorgenommene Beweiswürdigung ist im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig. Sie steht auch im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen kann, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).

 

Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".

 

Aus Sicht des Asylgerichtshofes ist unter Heranziehung dieser, von der höchstgerichtlichen Judikatur festgelegten, Prämissen für den Vorgang der freien Beweiswürdigung dem Bundesasylamt nicht entgegenzutreten, wenn es die dargelegten Ausreisemotive, die im Verfahren beider Instanzen trotz Vorhandensein anwaltlicher Unterstützung in Österreich und Kontakt zu seinem familiärem Netz in der Türkei auch unbescheinigt geblieben sind, im Ergebnis als nicht glaubhaft qualifiziert. Der Asylgerichtshof schließt sich daher diesen beweiswürdigenden Argumenten an und erklärt sie zum Inhalt dieser Entscheidung.

 

Im Übrigen wird die Beweiswürdigung des BAA in der Beschwerde auch nicht substantiiert bekämpft, weshalb der Asylgerichtshof nicht veranlasst war das Ermittlungsverfahren zu wiederholen bzw. zu ergänzen (vgl. zB. VwGH 20.1.1993, 92/01/0950; 14.12.1995, 95/19/1046; 30.1.2000, 2000/20/0356; 23.11.2006, 2005/20/0551 ua.).

 

Soweit in der Beschwerde gerügt wird, dass das BAA sich mit dem medizinischen Sachverständigengutachten "nicht ernstlich auseinandergesetzt" habe, weil die Erörterung leidiglich dergestalt durchgeführt wurde, dass der Asylwerber befragt wurde ob er etwas zu dem Gutachten sagen möchte, ist dazu Folgendes anzumerken: Der gegenständlichen Niederschrift, die im übrigen in Anwesenheit der anwaltlichen Vertretung des BF durchgeführt wurde, ist zu entnehmen, dass das "psychiatrische Sachverständigengutachten von Dr. W.S. vom 15.1.2007 der Partei bzw. der Vertreterin zur Kenntnis gebracht wurde" und er dazu äußerte, dass er "dazu nichts zu sagen" habe. Seine rechsfreundliche Vertretung äußerte sich dahin gehend, dass ihrer Meinung nach dem Gutachten zu entnehmen sei, dass die Aussagen in Bezug auf die erlittenen Maßnahmen in der Türkei dadurch bestätigt werden würden. Der Niederschrift ist nicht zu entnehmen, dass die anwesende anwaltliche Vertretung gegenüber dem BAA ein nicht ordnungsgemäßes Parteiengehör gerügt hat. Ist die Partei der Meinung, dass derartiges vorliegen würde oder etwa die Ermittlungen unvollständig sind, muss sie - im Rahmen des ihr zu gewährenden Parteiengehörs - schon ein konkretes Vorbringen erstatten, was gegen die Ermittlungsergebnisse der Behörde spricht und allenfalls Gegenbeweise - zB ein Gegengutachten- vorlegen ( zB VwGH 14.12.1995, 95/19/1046) Unterlässt sie die erforderliche Mitwirkung, kann der Behörde aus der Unterlassung weiterer Ermittlungen kein Vorwurf gemacht werden (zB VwGH 20.9.1999, 98/21/0138) So kann die Untätigkeit der Partei im Rahmen ihrer freien Beweiswürdigung -idR zu Lasten der Partei - berücksichtigt werden (zB VwGH 26.2.2002, 2001/11/0220) (Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Auflage, S 172).

 

In der Beschwerde wird auch moniert, dass die belangte Behörde fälschlicher Weise - im Gegenteil zum fachärztlichen Attest - keinen kausalen Zusammenhang zwischen den von ihm erlebten Repressalien und dem jetzigen Krankheitsbild herstellen würde. Bei ausreichender Auseinandersetzung mit dem Gutachten hätte die Behörde zum Ergebnis gelangen müssen, dass die Ursache der Erkrankung sehr wohl auf Grund der erlebten Geschehnisse liege.

 

Dem gegenständlichen Gutachten ist in seiner zusammenfassenden Begründung zu entnehmen, dass "ein Zusammenhang mit der festgestellten psychischen Störung und den behaupteten fluchtauslösenden Ereignissen, insbesondere Schikanen und Misshandlungen durch die Polizei, plausibel wäre, wenngleich ein psychiatrisches Gutachten keineswegs angetan ist Behauptungen eines Antragstellers in Frage zu stellen oder zu bestätigen". Gerade aus dem letzten Halbsatz ergibt sich, dass es durch das Gutachten nicht erwiesen ist, ob diese beim Sachverständigen vorgetragenen Ereignisse bzw. Behauptungen nun wahr oder unwahr wären. Noch weniger ist dem Gutachten zu entnehmen, dass die vorgebrachten Ereignisse tatsächlich ursächlich für die Ausreise waren bzw. für die Rückkehrbefürchtung sind.

 

Vielmehr unterliegt die Beurteilung der Glaubwürdigkeit bzw. Glaubhaftmachung im Asylverfahren auch im gegenständlichen Fall der freien Beweiswürdigung des BAA bzw. Asylgerichtshofes (vgl zB die Judikatur des VwGH wonach die Beurteilung der Frage, ob Widersprüche in den Angaben einer Partei auf deren "Verwirrung" zurückzuführen sind oder an ihrer Glaubwürdigkeit zweifeln lassen, in den Kernbereich der freien Beweiswürdigung fällt und entspricht es nicht der Rechtslage, dass der Glaubwürdigkeit einer Partei abträgliche Teile ihrer Aussage nur in Verbindung mit -laienhaft oder unter Beiziehung medizinischer Sachverständiger getroffenen - Feststellungen über ihre "psychische und physische Verfassung" verwertbar seien [VwGH, 21.10.1999, 99/20/0414]). Im konkreten Fall liegen dem Asylgerichtshof - so wie auch schon der Erstbehörde - zu dieser Beurteilung umfassende Erkenntnisquellen, nämlich sämtliche Niederschriften und sonstigen Aktenteile zur Erkenntnisgewinnung vor. Im Gegensatz stützt sich die Beurteilung des Sachverständigen nur auf eine kurze Zusammenfassung der Erstbehörde und die einmalige Aussage des BF im Rahmen der Begutachtung.

 

Den vom Bundesasylamt herangezogenen Berichten zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers ist in der Beschwerde nicht konkret und substantiiert entgegen getreten worden. Eine maßgebliche Änderung der entscheidungsrelevanten Lage in der Türkei ist weder notorisch noch entspricht dies dem Amtswissen (vgl. zB. Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Türkei vom 25.10.2007; U.S. Departement of State- Country Reports on Human Rights Practices - 2007- vom 11.3.2008), weshalb die im angefochtenen Bescheid dargestellte Situation - sofern sie maßgeblich ist - noch als aktuell anzusehen ist.

 

Im Ergebnis ist es dem Beschwerdeführer mit dessen Beschwerde weder gelungen eine wesentliche Unschlüssigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung aufzuzeigen, noch ist er dieser im Rahmen der Anfechtungsbegründung in substantiierter Form entgegengetreten. Hiezu wäre es erforderlich gewesen, dass der Beschwerdeführer entweder in begründeter Form eine maßgebliche Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung dargetan oder Argumente vorgebracht hätte, die einerseits zu einer anderen Gewichtung oder Bewertung der verfahrensgegenständlichen Beweismittel führen würden oder aus denen andererseits im Rahmen der allgemeinen Denklogik eine Prävalenz des von ihm dargestellten Geschehnisablaufes gegenüber jenem von der Erstbehörde angenommenen hervorleuchtet, was im Ergebnis zu einer anders gelagerten Wahrscheinlichkeitsbeurteilung des der weiteren rechtlichen Würdigung zugrunde zu legenden historisch-empirischen Sachverhaltes führen würde.

 

Ergänzend ist anzuführen, dass es für den Asylgerichtshof unter Berücksichtigung der bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei feststeht, dass die vom BAA vorgebrachten Ausreisemotive nicht den Tatsachen entsprechen. Dies insbesondere auf Grund des Umstandes, dass der BF seine "Fluchtgründe" bzw. Rückkehrbefürchtungen im Laufe des Verfahrens auswechselte. War ursprünglich der Umstand, dass sich sein Onkel der PKK angeschlossen habe und seine Familie von den türkischen Behörden deshalb verfolgt worden sei, ausreisekausal (AS 3), so änderte er dies in weiterer Folge im Wesentlichen auf Angst vor Ableistung des Wehrdienstes bzw. den nachteiligen Auswirkungen einer Weigerung, das er bei der ersten Äußerung zu den Ausreisegründen nicht ansatzweise erwähnte.

 

Auch das Faktum, dass er gleich nach der Asylantragstellung wieder Österreich verließ und nach Deutschland reiste, wo er sich mehrere Jahre aufhielt, spricht nicht unbedingt für jemanden der Schutz vor Verfolgung sucht, sondern lässt eher auf eine Person schließen, die einen Aufenthalt aus anderen Motiven in dem von ihm gewünschten Staat anstrebt. Der BF hat dadurch auch seine Mitwirkungsverpflichtung im Asylverfahren gravierend verletzt. Auch die Mitwirkung im Verfahren ist bei der Glaubwürdigkeitsbeurteilung ein wesentlicher Bestandteil.

 

Die Zulässigkeit für den Asylgerichtshof über die Beweiswürdigung der Erstbehörde hinaus ergänzende Schlüsse aus den bisherigen Ermittlungen zu ziehen, ergibt sich aus § 41 Abs 7, 2. Fall, AsylG 2005, wonach von einer mündlichen Verhandlung auch dann abgesehen werden kann, wenn sich aus "den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht". Um der Begründungspflicht, resultierend aus § 60 AVG, wonach der Bescheid [das Erkenntnis] erkennen lassen muss, aus welchen Erwägungen die Behörde [der Asylgerichtshof] zu dieser Ansicht gelangt ist, zu entsprechen, bedarf es aber einer (nachvollziehbaren) Darstellung der dafür maßgeblichen gedanklichen Vorgänge.

 

Der Gesetzgeber verwendet hier mit "zweifelsfrei" eine andere Diktion wie im § 6 Abs 1 Z 4 AsylG 1997 idFd Asylgesetz-Novelle 2003, wonach ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzuweisen ist, wenn das "......Bedrohungsszenario offensichtlich den Tatsachen nicht entspricht". Schon aus dem anders gewählten Wortlaut leuchtet es ein, dass der Gesetzgeber hier im § 41 Abs 7 2. Fall AsylG 2005 idgF - womit eine Erweiterung der Möglichkeit der Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung geschaffen werden sollte - mit "zweifelsfrei" auf Grund des anderen Wortsinnes eine andere Wertung anlegen wollte, als mit der "Offensichtlichkeit", ansonsten es keiner Änderung der Diktion bedurft hätte. Daraus resultiert aber auch, dass sich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Offensichtlichkeit (vgl. Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 1997 Praxiskommentar, S 100ff mwN auf die Judikatur des VwGH) im zitierten § 6 AsylG 1997 nicht ohne weiteres auf diese neue Bestimmung übertragen lässt. Dem Wortsinn nach ist unter "zweifelsfrei" die "Freiheit von (innerer) Unsicherheit, Ungewissheit, mangelndem Glauben oder innerem Schwanken gegenüber einem (möglichen) Sachverhalt oder einer Behauptung" zu verstehen. Zu dieser Überzeugung hat der Richter (das Gericht) auf Basis der "bisherigen Ermittlungen" zu gelangen.

 

Hier ergeben sich derartige Fakten aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers. Der Asylgerichtshof ist nicht verhalten, den Asylwerber zu Widersprüchen in Ansehung seines Asylantrages zu befragen, weil keine Verpflichtung besteht, ihm im Wege eines behördlichen Vorhalts zur Kenntnis zu bringen, dass Widersprüche in seinen eigenen Aussagen vorhanden seien, die im Rahmen der gem § 45 Abs 2 AVG vorzunehmenden Beweiswürdigung zu seinem Nachteil von Bedeutung sein könnten, und ihm aus diesem Grunde eine Stellungnahme hiezu zu ermöglichen (VwGH 4.11.1992, 92/01/0560; vgl. ua. auch VwGH 27.6.1985, 85/18/0219; 3.4.1998, 95/19/1734; 30.1.1998, 95/19/1713 wonach keine Verpflichtung besteht, den vom Antragsteller selbst vorgebrachten Sachverhalt zu Gehör zu bringen [siehe auch Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 29 zu § 45 mwN]). Die Behörde bzw. das Gericht ist auch nicht verpflichtet, dem Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme hinsichtlich einer vorgenommenen Beweiswürdigung zu geben [Hinweis E 23. April 1982, 398/80] (VwGH25.11.2004, 2004/03/0139; Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 25 zu § 45 mwN). Wenn die Behörde bzw. das Gericht aufgrund der vorliegenden Widersprüche zur Auffassung gelangte, dass dem Asylwerber die Glaubhaftmachung (seiner Fluchtgründe) nicht gelungen ist, so handelt es sich um einen Akt der freien Beweiswürdigung (VwGH 4.11.1992, 92/01/0560).

 

2. Gemäß § 38 Abs 1 AsylG 1997 BGBl I Nr. 76/1997 idF BGBl I Nr. I 129/2004 entscheidet über Rechtsmittel gegen Bescheide des Bundesasylamtes der unabhängige Bundesasylsenat.

 

Gemäß § 75 Abs 7 AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

1. Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

2. Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

3. Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen."

 

Gemäß § 75 Abs 1 AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.

(....).

 

Soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof gem. § 23 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Zu Spruchpunkt I.:

 

Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist eine Person, die aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern, ob eine vernunftbegabte Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen aus Konventionsgründen wohlbegründete Furcht erleiden würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380). Dies trifft auch nur dann zu, wenn die Verfolgung von der Staatsgewalt im gesamten Staatsgebiet ausgeht oder wenn die Verfolgung zwar nur von einem Teil der Bevölkerung ausgeübt, aber durch die Behörden und Regierung gebilligt wird, oder wenn die Behörde oder Regierung außerstande ist, die Verfolgten zu schützen (VwGH 4.11.1992, 92/01/0555 ua.).

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müssen konkrete, den Asylwerber selbst betreffende Umstände behauptet und bescheinigt werden, aus denen die von der zitierten Konventionsbestimmung geforderte Furcht rechtlich ableitbar ist (vgl zB vom 8. 11. 1989, 89/01/0287 bis 0291 und vom 19. 9 1990, 90/01/0113). Der Hinweis eines Asylwerbers auf einen allgemeinen Bericht genügt dafür ebenso wenig wie der Hinweis auf die allgemeine Lage, zB. einer Volksgruppe, in seinem Herkunftsstaat (vgl VwGH 29. 11. 1989, 89/01/0362; 5. 12. 1990, 90/01/0202; 5. 6. 1991, 90/01/0198; 19. 9 1990, 90/01/0113).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

 

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Asylgerichtshofes die dargestellten Voraussetzungen für die Zuerkennung von Asyl, nämlich eine glaubhafte Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK angeführten Grund nicht gegeben.

 

Wie sich aus der Beweiswürdigung ergibt, ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen eine solche glaubhaft zu machen, weshalb die vorgetragenen ausreisekausalen Motive des Asylwerbers gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (vgl. VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380). Auch aus der allgemeinen Lage lässt sich konkret für den Beschwerdeführer kein Asyl ableiten.

 

Ergänzend ist auszuführen, dass das ausreisekausale Vorbringen seitens des BF im Verfahren beider Instanzen unbescheinigt blieb, obwohl dem BF - und damit auch seiner anwaltlichen Vertretung - schon aus der erstinstanzlichen Entscheidung bewusst sein musste, dass auf Basis des bisherigen unbescheinigten Vorbringens eine Glaubhaftmachung nicht gelungen ist. Dass es hier zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmales der "Glaubhaftmachung" (der Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt zu sein) quasi wegen der Offenkundigkeit einer Verfolgungsgefahr überhaupt keiner Bescheinigungsmittel bedurft hätte, bietet der gegenständliche Fall keinen Anhaltspunkt (vgl zB. auch VwGH 25.06.2003, Zahl 2000/04/0092). Zum gleichen Ergebnis gelangt man auch unter Berücksichtigung der in Art 4 Abs 5 der Richtlinie 2004/83 des Rates, dargelegten Grundsätze der Staatenpraxis, die lauten:

 

"Wenden die Mitgliedstaaten den in Absatz 1 Satz 1 genannten Grundsatz an, wonach der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz begründen muss, und fehlen für Aussagen des Antragstellers Unterlagen oder sonstige Beweise, so bedürfen diese Aussagen keines Nachweises, wenn

 

a) der Antragsteller sich offenkundig bemüht hat, seinen Antrag zu substanziieren;

 

b) alle dem Antragsteller verfügbaren Anhaltspunkte vorliegen und eine hinreichende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Anhaltspunkte gegeben wurde;

 

c) festgestellt wurde, dass die Aussagen des Antragstellers kohärent und plausibel sind und zu den für seinen Fall relevanten besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen;

 

d) der Antragsteller internationalen Schutz zum frühest möglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war;

 

e) die generelle Glaubwürdigkeit des Antragstellers festgestellt worden ist."

 

Im gegenständlichen Fall hat sich der Berufungswerber nach der Asylantragstellung in Österreich durch Ausreise dem Verfahren entzogen und damit über Jahre hinweg den Antrag nicht substantiiert. Die Aussagen waren in vielen Bereichen widersprüchlich, nicht kohärent und unplausibel. Die generelle Glaubwürdigkeit konnte auf Grund seines Verhaltens, insbesondere wegen seiner mangelnden Mitwirkung, nicht festgestellt werden. Somit hätten seine entscheidungsrelevanten Aussagen auch nach der leg cit eines "Nachweises" zur Glaubhaftmachung bedurft, der weder im erstinstanzlichen Verfahren noch bis zur gegenständlichen Entscheidung erbracht wurde. Dies trotz des Umstandes, dass er über anwaltliche Unterstützung in Österreich verfügt und er auch Kontakt zum Heimatland pflegt.

 

Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht kein Asyl zu gewähren, die Entscheidung des BAA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt I. abzuweisen.

 

Zu Spruchpunkt II.:

 

Gem. § 8 Abs 1 AsylG 1997 hat die Behörde im Falle einer Abweisung eines Asylantrages von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat zulässig ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

§ 8 AsylG 1997 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Gemäß § 1 Z 4 leg cit ist Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines gewöhnlichen Aufenthaltes. Dies ist dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen ist, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300).

 

Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten. Am 1.1.2006 ist gemäß § 126 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge: FPG) das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Demnach ist die Verweisung des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechende Bestimmung" des FPG zu beziehen und das ist nun § 50 FPG. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - unmittelbar oder mittelbar - auf § 57 FrG bezieht, lässt sich insoweit auch auf § 50 FPG übertragen.

 

Die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat ist demnach unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung) oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre (§ 8 Abs 1 AsylG 1997 iVm § 50 Abs. 1 FPG) bzw. dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der GFK iVm § 50 Abs. 2 FPG und § 8 Abs 1 AsylG 1997), es sei denn, es bestehe eine inländische Fluchtalternative.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). So auch der EGMR in stRsp, welcher anführt, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt - so weit als möglich - Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( zB EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

 

Im gegenständlichen Fall ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen seine vorgebrachte Bedrohung bzw. Verfolgungsgefahr im Sinne des § 50 Abs. 2 FPG iVm § 8 Abs 1 AsylG 1997 im dargestellten Ausmaß glaubhaft zu machen, weshalb sich daraus auch kein zu berücksichtigender Sachverhalt ergibt, der gemäß § 50 Abs 1 iVm § 8 Abs 1 AsylG 1997 zur Unzulässigkeit der Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in den Herkunftsstaat führen könnte.

 

Im Gutachten vom 15.1.2007 kommt der medizinische Sachverständige zum Ergebnis, dass der BF eine psychischen Störung von Krankheitswert hat, dh. er ist in seinem Allgemeinbefinden beeinträchtigt und er bedarf einer Behandlung. Konkret hat er eine "Anpassungsstörung mit Beeinträchtigung sonstiger Gefühle". Hierbei handle es sich um eine Störung mit subjektivem Leid und emotionaler Beeinträchtigung, die angetan ist, soziale Funktonen und Leistungen zu behindern. Dies geschieht in Folgung eines Anpassungsprozesses nach einer entscheidenden Lebensveränderung. Die Symptome betreffen verschiedene affektive Qualitäten wie Angst, Depression, Sorgen und Anspannung.

 

Weder im Rahmen des Parteiengehörs zum Gutachten noch in der Beschwerde wurde seitens des BF bzw. seiner anwaltlichen Vertretung die Befürchtung geäußert, dass er durch die Krankheit im Falle der Rückkehr entscheidungsrelevante Probleme erwarten würde. Es wurde nicht dargetan, dass etwa die Krankheit in der Türkei nicht behandelbar wäre oder er dort keinen Zugang zu notwendigen Therapien hätte, was auch weder notorisch ist, noch dem Amtswissen (vgl. zB. Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei vom 25.10.2007) entspricht. Der dem Asylverfahren zu Grunde liegende Maßstab der "Glaubhaftmachung" findet auch in Bezug auf Gründe für die Geltendmachung von subsidiärem Schutz Anwendung (VwGH 26.6.1997, 95/18/1293; 17.7.1997, 97/18/0336; siehe auch: Putzer/Rohrböck, Asylrecht Leitfaden zur neuen Rechtslage nach dem AsylG 2005, Rz 154 mwN). Aus dem Wesen der Glaubhaftmachung ergibt sich auch, dass die Ermittlungspflicht der Behörde durch die vorgebrachten Tatsachen und angebotenen Beweise eingeschränkt ist (VwGH 29.3.1990, 89/17/0136; 25.4.1990, 90/08/0067). Da seitens des BF bzw. seiner Vertretung diesbezüglich kein substantiiertes Vorbringen erstattet wurde und eine in Bezug auf seine Krankheit schlechte Versorgungslage, die in den Anwendungsbereich des Art 3 EMRK fallen könnte, weder notorisch ist, noch dem Amtswissen entspricht, war auch der Asylgerichtshof nicht verhalten dazu ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durchzuführen.

 

Obwohl es sich bei der Judikatur des EGMR um reine Einzelfallentscheidungen handelt, so lassen sich doch Judikaturlinien nachzeichnen, welche die maßgeblichen Entscheidungsdeterminanten für eine Art 3 EMRK-konforme Abschiebungsentscheidung im Falle von psychischen Erkrankungen der Betroffenen verdeutlichen. Folgende Aspekte haben daher bei psychischen Erkrankungen wie zB schweren Depressionen und PTBS mit suizidaler Einengung in die Abschiebungsentscheidung einzufließen:

 

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Zunächst lässt sich ein Anspruch auf Verbleib im Vertragsstaat prinzipiell nicht mit dem Hinweis begründen, eine solcher sei notwendig, um weiterhin medizinische, soziale oder andere Formen von Unterstützung durch den Abschiebestaat zu erhalten.

 

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Von diesem Grundsatz ist ausnahmsweise abzuweichen, wenn es sich um eine lebensbedrohende, bereits ein tödliches Stadium erreichende Erkrankung handelt und die Aussicht auf medizinische Hilfe oder familiäre Unterstützung im Herkunftsstaat fehlt.

 

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Schwere psychische Erkrankungen erreichen solange nicht die erforderliche Gravität, als es nicht zumindest einmal zu einer Zwangseinweisung in eine geschlossene Psychiatrie gekommen ist. Sollte diese allerdings schon länger als ein Jahr zurückliegen und in der Zwischenzeit nichts Nennenswertes passiert sein, dürfte von keiner akuten Gefährdung mehr auszugehen sein. Die lediglich fallweise oder aber auch regelmäßige Inanspruchnahme von psychiatrischen oder psychotherapeutischen Leistungen einschließlich freiwilliger Aufenthalte in offenen Bereichen psychiatrischer Kliniken indizieren eine fehlende Gravität der Erkrankung.

 

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Im Falle einer diagnostizierten PTBS, die auf traumatische Erlebnisse im Herkunftsstaat zu- rückzuführen ist, wird diese umso unbeachtlicher respektive unglaubwürdiger, je später im Verfahren die dieser Erkrankung behauptetermaßen zugrunde liegenden Erlebnisse vorgebracht werden. Nach Ansicht des EGMR kann zwar die Erkrankung erst nach Jahren ausbrechen bzw erkannt werden, vom Asylwerber kann aber er- wartet werden, dass er den traumakausalen Sachverhalt bereits in einem frühen Verfahrens- stadium erstmals erwähnt.

 

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Mentaler Stress, der durch eine Abschiebungsentscheidung hervorgerufen wird, rechtfertigt nicht die Abstandnahme von der Effektuierung dieser Entscheidung.

 

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Auch wenn eine akute Suizidalität besteht, ist ein Vertragsstaat nicht dazu verpflichtet, von der Durchführung der Abschiebung Abstand zu nehmen, wenn konkrete Maßnahmen getroffen werden, um einen Selbstmord zu verhindern. Die Zusicherung von Garan- tien, welche von der die Abschiebung durchführenden Polizei zu beachten sind (zB die Charterung eines eigenen, mit einer ärztlichen Team ausgestatteten Flugzeuges), reichen hiezu aus. Dies gilt auch für den Fall bereits mehrer vorangegangener Suizidversuche.

 

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Auch wenn es sich um eine sehr ernste und schwere Erkrankung handelt, steht diese einer Abschiebung in den Herkunftsstaat nicht entgegen, wenn dort eine adäquate Behandlungsmöglichkeit besteht. Der Umstand, dass die Verhältnisse für den Betroffenen in diesem Zusammenhang im Zielstaat ungünstiger sein mögen, als jene, die er in dem jeweiligen Aufenthaltsstaat genießen konnte, ist in Hinblick auf Art 3 EMRK nicht relevant. Selbst erhebliche Kosten für die Inanspruchnahme erforderlicher medizinischer Hilfe und Medikamente sowie Therapien im Zielstaat sind unbeachtlich, wenn die betroffene Person dort über familiäre oder anderweitige Unterstützung verfügt.

 

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Keinesfalls handelt es sich bei schweren psychischen Erkrankungen um von vornherein unbeachtliche Faktoren, sondern haben die Auswirkungen einer Abschiebung auf den Gesundheitszustand des Betroffenen in die Erwägungen miteinzufließen. Zu diesem Zweck sind der aktuelle Stand der Erkrankung einerseits und jener der medizini-schen Versorgungslage sowie die persönliche Situation des Betroffenen im Ziel staat andererseits zu erheben, um eine hinreichend genaue "real-risk"-Einschätzung vornehmen zu können.

 

Diese zweifellos hohen Anforderungen, die der EGMR an die Abschiebeschutzrelevanz von psychischen Erkrankungen stellt, mögen angesichts dessen prinzipieller Öffnung von Art 3 EMRK für eine Verantwortung der Vertragsstaaten an einem lediglich mittelbaren Abschiebefolgeschaden zunächst verwundern. Immerhin führen diese Kautelen dazu, dass bis dato - soweit ersichtlich - noch kein BF mit der Behauptung, seine schwere psychische Erkrankung stünde einer Abschiebung in seinen Herkunftsstaat entgegen, durchgedrungen ist. Womöglich liegt aber gerade in der Eröffnung einer nahezu uferlosen Weite des Anwendungsbereiches von Art 3 EMRK durch die Rsp des EGMR in den 80er und 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts die Ursache für diese Restriktionen. Angesichts der vielen Beschwerden in jüngster Vergangenheit, die sich zumindest inter alia auf den schlechten psychischen Zustand des BF stützten, dürfte sich der Gerichtshof dazu veranlasst gesehen haben, sich gegen zu inflationäre Tendenzen im Zusammenhang mit der Auslegung des Schutzbereiches von Art 3 EMRK zu stemmen. Er tut dies bei genauerem Hinsehen allerdings nicht durch eine vordergründig abstrakte Einschränkung des Schutzgehaltes dieser Norm, sondern betont in verstärktem Maße den hohen Eingriffsschwellenwert, den diese fundamentale Grundrechtsverbürgung in Anbetracht ihrer Absolutheit erfordert. Vor dem Hintergrund der Vorbehaltslosigkeit der Garantien von Art 3 EMRK, wodurch den Vertragsstaaten an sich keine Berechtigung zur Schrankensetzung zukommt, versucht der Gerichtshof wohl auch die legitimen Allgemeininteressen, die an der Beendigung eines unrechtmäßigen Aufenthaltes von Fremden bestehen, in seine Erwägungen zumindest implizit miteinzubeziehen. Möglicherweise sieht der EGMR diese Allgemeininteressen gerade in Fällen, in denen eine Außerlandesschaffung mit dem Hinweis auf den schlechten psychischen Zustand eines Fremden verhindert werden soll, einer besonders großen Gefährdung ausgesetzt, zumal die gesicherte Diagnostizierung solcher Krankheiten naturgemäß mit viel größeren Unschärfen verbunden ist, als dies bei physischen Erkrankungen der Fall ist, wodurch die Möglichkeit einer missbräuchlichen Instrumentalisierung solcher Erkrankung in fremden- und asylrechtlichen Verfahren potentiell höher ist (Premissl in Migralex, Abschiebeschutz bei Traumatisierung, mwN auf die Judkatur des EGMR; siehe auch VfGH B 2400/07-9).

 

Unter Zugrundelegung dieser Judikaturlinien auf diesen konkreten Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Erkrankung von hinreichender Gravität wäre um in den Einzugsbereich von Art 3 EMRK zu gelangen. Es kam weder hervor, dass es in Österreich zu Zwangseinweisungen in eine geschlossene Psychiatrie gekommen ist, noch ist dem Gutachten zu entnehmen, dass es sich hier um eine lebensbedrohende, bereits ein tödliches Stadium erreichende Erkrankung handelt und keine Aussicht auf medizinische Hilfe oder familiäre Unterstützung im Herkunftsstaat bestünde. Durch diese Erkrankung sind folglich die Vorraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz nicht erfüllt.

 

Unter Berücksichtigung der allgemeinen Lage und der individuellen Situation des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass auf Grund der Lebensbedingungen von einer lebensbedrohenden Notlage in seinem Herkunftsstaat, welche bei einer Rückkehr eine über die bloße Möglichkeit hinausgehende "reale Gefahr" ("das ist. eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat"; vgl zB VwGH 19.2.2004, 99/20/0573 mwN) einer unmenschlichen Behandlung des Beschwerdeführers iSd Art 3 EMRK indizieren würde, aus Sicht des Asylgerichtshofes nicht gesprochen werden kann.

 

Der Beschwerdeführer ist erwachsen und verfügt im Herkunftsstaat über ein familiäres Netz. Der BF wird auch durch seinen in Deutschland aufhältigen Bruder finanziell unterstützt. Er brachte nicht vor, dass er bei einer Rückkehr auf Grund der Lebensbedingungen in eine aussichtslose Lage geraten könnte.

 

Ergänzend ist anzuführen, dass gemäß § 40a AsylG 1997 zB. auch eine finanzielle Rückkehrhilfe (über diese wird im erstinstanzlichen Verfahren schon informiert) als Startkapital für die Fortsetzung des bisherigen Lebens in der Türkei gewährt werden kann. Durch das vom Europäischen Flüchtlingsfonds und Bundesministerium für Inneres kofinanzierte System wird der Neubeginn zu Hause erleichtert. Es wird zu Hilfsorganisationen im Heimatland vermittelt, finanzielle Unterstützung gewährt, und beim Zugang zu Wohn-, Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten im Herkunftsstaat unterstützt. (http://www.caritas.at/hilfe-einrichtungen/fluechtlinge/beratung-und-vertretung/rueckkehrhilfe/).

 

Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ergibt sich somit kein "reales Risiko", dass es derzeit durch die Rückführung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.

 

Es kam im Verfahren nicht hervor, dass konkret für den Beschwerdeführer im Falle einer Rückverbringung in seinen Herkunftsstaat die reale Gefahr bestünde, als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt zu sein.

 

Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht kein subsidiärer Schutz zu gewähren, die Entscheidung des BAA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt II. abzuweisen.

 

Zu Spruchpunkt III.:

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG hat die Behörde den Bescheid mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Asylantrag abgewiesen wird und die Überprüfung gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ergeben hat, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat zulässig ist.

 

Der Gesetzgeber wollte durch diese - im Gegensatz zur fremdenpolizeilichen Ausweisung keinem Ermessen zugängliche - zwingende asylrechtliche Ausweisung eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Asylwerber, die bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung sich im Bundesgebiet aufhalten durften, verhindern (vgl. VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479).

 

Der gegenständliche Asylantrag war abzuweisen (Spruchpunkt I.) und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat für zulässig zu erklären (Spruchpunkt II.). Es liegt daher bei Erlassung dieses Bescheides - mangels anderweitigen Aufenthaltstitels für Österreich - kein rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet mehr vor.

 

Bei Erlassung einer Ausweisung kann ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und/oder Familienleben vorliegen (Art. 8 Abs 1 EMRK). Ein unverhältnismäßiger Eingriff würde eine Ausweisung unzulässig machen.

 

Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00).

 

Der Begriff des Familienlebens ist jedoch nicht nur auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere "de facto Beziehungen" ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua).

 

Nach der Rechtssprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u. a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993). Beim Privatleben spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da idR erst nach einigen Jahren eine Integration im Aufenthaltsstaat anzunehmen sein wird, die von Art 8 EMRK geschützt ist (Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 857 mwN; vlg. zB VwGH vom 26.6.2007, 2007/01/0479-7).

 

Der Beschwerdeführer hat seinen eigenen Angaben im erstinstanzlichen Verfahren nach in Österreich keine familiären Anknüpfungspunkte die zur Annahme eines relevanten Familienlebens gereichen würden. Auch in der Beschwerde wurde eine solcher Sachverhalt nicht dargetan. Die Ausweisung greift daher - mangels relevantem Familienleben - nicht in dieses Grundrecht ein.

 

Der BF ist unter Berücksichtigung seines mehrjährigen Aufenthaltes in der BRD nach Antragstellung in Österreich inzwischen rund 2 Jahre im Bundesgebiet aufhältig. Grundsätzlich kann unter Berücksichtigung aller Umstände von privaten Anknüpfungspunkten in Österreich ausgegangen werden.

 

Ob ein Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Privatleben durch die asylrechtliche Ausweisung iSd Art 8 Abs 2 EMRK notwendig ist, bedarf einer Abwägung der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden.

 

Art 8 Abs 2 EMRK lautet:

 

"Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."

 

Hinsichtlich der Abwägung der öffentlichen Interessen mit jenen des Beschwerdeführers ist der Verfassungsgerichtshof der Auffassung, dass Asylwerber und sonstige Fremde nicht schlechthin gleichzusetzen sind. Asylwerber hätten idR ohne Geltendmachung von Asylgründen keine rechtliche Möglichkeit, legal nach Österreich einzureisen. Soweit die Einreise nicht ohnehin unter Umgehung der Grenzkontrolle oder mit einem Touristenvisum stattgefunden hat, ist Asylwerbern der Aufenthalt bloß erlaubt, weil sie einen Asylantrag gestellt und Asylgründe geltend gemacht haben. Sie dürfen zwar bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung weder zurückgewiesen, zurückgeschoben noch abgeschoben werden, ein über diesen faktischen Abschiebeschutz hinausgehendes Aufenthaltsrecht erlangen Asylwerber jedoch lediglich bei Zulassung ihres Asylverfahrens sowie bis zum rechtskräftigen Abschluss oder bis zur Einstellung des Verfahrens. Der Gesetzgeber beabsichtigt durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern. Es kann dem Gesetzgeber nicht entgegen getreten werden, wenn er auf Grund dieser Besonderheit Asylwerber und andere Fremde unterschiedlich behandelt (VfGH 17. 3. 2005, G 78/04 ua).

 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat fallbezogen unterschiedliche Kriterien (vgl. dazu insbesondere VfGH B 328/07) herausgearbeitet, die bei einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

 

Er hat etwa die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.9.2004, Fall Ghiban, Appl. 11.103/03, NVwZ 2005, 1046), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.5.1985, Fall Abdulaziz ua., Appl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567;

20.6.2002, Fall Al-Nashif, Appl. 50.963/99, ÖJZ 2003, 344;

22.4.1997, Fall X, Y und Z, Appl. 21.830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 2.8.2001, Fall Boultif, Appl. 54.273/00), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124;

11.10.2005, 2002/21/0124), die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 11.4.2006, Fall Useinov, Appl. 61.292/00) für maßgeblich erachtet.

 

Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten - was bei einem bloß vorläufigen Aufenthaltsrecht während des Asylverfahrens jedenfalls als gegeben angenommen werden kann (vgl. Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 857 mwN ) -, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 5.9.2000, Fall Solomon, Appl. 44.328/98; 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562). Der Asylwerber kann während seines Asylverfahrens nicht darauf vertrauen, dass ein in dieser Zeit entstehendes Privat- bzw. Familienleben auch nach der Erledigung seines Asylantrages fortgesetzt werden kann. Die Rechte aus der GFK dürfen nicht dazu dienen, die Einwanderungsregeln zu umgehen (ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 857 mwN).

 

Das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration ist weiters dann gemindert, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf einen unberechtigten Asylantrag zurückzuführen ist (VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479 mwN). Beruht der bisherige Aufenthalt auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten (insbesondere bei Vortäuschung eines Asylgrundes [vgl VwGH 2.10.1996, 95/21/0169]), relativiert dies die ableitbaren Interessen des Asylwerbers wesentlich [vgl. die Erkenntnisse vom 28. Juni 2007, Zl. 2006/21/0114, und vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0246] (VwGH 20.12.2007, 2006/21/0168).

 

Bei der Abwägung der Interessen ist auch zu berücksichtigen, dass es dem BF bei der asylrechtlichen Ausweisung nicht verwehrt ist, bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des FPG bzw. NAG wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren (vgl. ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 861, mwN). Es wird dadurch nur jener Zustand hergestellt der bestünde, wenn er sich rechtmäßig (hinsichtlich der Zuwanderung) verhalten hätte und wird dadurch lediglich anderen Fremden gleichgestellt, welche ebenfalls gemäß dem Auslandsantragsstellungsgrundsatz ihren Antrag gem. FPG bzw. NAG vom Ausland aus stellen müssen und die Entscheidung der zuständigen österreichischen Behörde dort abzuwarten haben.

 

Im vorliegenden Fall ist der Eingriff in das Recht auf Privatleben gesetzlich vorgesehen und verfolgt gem. Art 8 Abs 2 EMRK legitime Ziele, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - worunter auch die geschriebene Rechtsordnung zu subsumieren ist -, sowie das wirtschaftliche Wohl des Landes. Zu prüfen ist, ob der Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist.

 

Nach dem Urteil des EGMR im Fall Moustaquim ist eine Maßnahme dann in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, wenn sie einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht und zum verfolgten legitimen Ziel verhältnismäßig ist. Das bedeutet, dass die Interessen des Staates, insbesondere unter Berücksichtung der Souveränität hinsichtlich der Einwanderungs- und Niederlassungspolitik, gegen jene des Beschwerdeführers abzuwägen sind.

 

Der EGMR geht davon aus, dass die Konvention kein Recht auf Aufenthalt in einem bestimmten Staat garantiert. Der EGMR erkennt in stRsp weiters, dass die Konventionsstaaten nach völkerrechtlichen Bestimmungen berechtigt sind, Einreise, Ausweisung und Aufenthalt von Fremden ihrer Kontrolle zu unterwerfen, soweit ihre vertraglichen Verpflichtungen dem nicht entgegenstehen (vgl. uva. zB. Urteil Vilvarajah/GB, A/215 § 102 = NL 92/1/07 und NL 92/1/27f.). Die Schaffung eines Ordnungssystems mit dem die Einreise und der Aufenthalt von Fremden geregelt wird, ist auch im Lichte der Entwicklungen auf europäischer Ebene notwendig. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) daher ein hoher Stellenwert zu (VfGH 29.9.2007, B 328/07, VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251 uva.). Die öffentliche Ordnung, hier va. das Interesse an einer geordneten Zuwanderung, erfordert es daher, dass Fremde, die nach Österreich einwandern wollen, die dabei zu beachtenden Vorschriften einhalten. Die öffentliche Ordnung wird zB. schwerwiegend beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die Ausweisung kann in solchen Fällen trotz eines vielleicht damit verbundenen Eingriffs in das Privatleben und Familienleben erforderl

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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