TE Vwgh Erkenntnis 1999/10/21 99/20/0414

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Veröffentlicht am 21.10.1999
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AVG §45 Abs2;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des NN in S, geboren am 1. Juni 1965, vertreten durch Mory & Schellhorn OEG, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 22. Juli 1999, schriftlich ausgefertigt am 26. Juli 1999, Zl. 200.429/0-V/13/98, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundeskanzleramt) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, seinen Angaben nach ein Staatsangehöriger (damals) von Zaire, reiste am 30. Juni 1995 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 3. Juli 1995 Asyl. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt gab er an, er sei 1992 der Zivilgarde beigetreten und im Jänner 1995 für die "Hiboux", den "Geheimdienst des Präsidenten" Mobutu, ausgewählt worden. Am 4. Juni 1995 habe er den Auftrag erhalten, zusammen mit drei weiteren Mitgliedern der "Hiboux" den ehemaligen Generalsekretär der oppositionellen UDPS zu entführen. Dieser habe rechtzeitig fliehen können, woraufhin der Beschwerdeführer am 9. Juni 1995 unter dem Vorwurf, ihn gewarnt zu haben, verhaftet worden sei. Der Verdacht habe sich darauf gegründet, dass die Ehefrau des zu Entführenden eine Verwandte des Beschwerdeführers sei und aus der gleichen Region stamme. Bei der Festnahme habe der Beschwerdeführer den Mitgliedsausweis der UDPS und eine Einladung zu einer Veranstaltung der UDPS bei sich gehabt. Er sei seit 1985 Mitglied dieser Partei gewesen. Nach seiner Festnahme sei der Beschwerdeführer zehn Tage lang festgehalten, in näher beschriebener Weise misshandelt und am 17. Juni 1995 in seiner Zelle von drei Angehörigen der DSP, einer Mobutu unterstellten Spezialeinheit, vergewaltigt worden. Am 19. Juni 1995 sei er seinem Chef vorgeführt worden, der von ihm verlangt habe, das Versteck des ehemaligen Generalsekretärs der UDPS zu verraten und ihm gesagt habe, dies sei sein "letzter Tag". Der Beschwerdeführer habe auf einem Kasten Tränengas stehen gesehen, habe dieses seinem Chef in die Augen und in den Mund gesprüht und sei durch das Fenster geflüchtet, wobei er seinem Chef noch ein Bajonett entwendet habe, mit dem er in der Folge einen Taxifahrer gezwungen habe, ihn mitzunehmen. Er nehme an, dass man ihn auf jeden Fall getötet hätte, weil er ein Oppositioneller sei und alle Oppositionellen getötet würden.

Mit Bescheid vom 13. Juli 1995 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers im Wesentlichen deshalb ab, weil seine Angaben nicht glaubwürdig seien.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, die er im Laufe des Berufungsverfahrens durch weitere Eingaben und mit diesen vorgelegte Unterlagen ergänzte.

Die belangte Behörde veranlasste die Untersuchung des Beschwerdeführers durch zwei medizinische Sachverständige und führte eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer neuerlich vernommen wurde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab. Sie stützte diese Entscheidung wie die Behörde erster Instanz und unter teilweiser Übernahme der Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid auf die Ansicht, die Darstellung des Beschwerdeführers sei nicht glaubwürdig.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76, in der Fassung BGBl. I Nr. 4/1999, (im Folgenden: AsylG) hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, (im Folgenden: FlKonv) ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Im vorliegenden Fall gab der Beschwerdeführer als ursprünglichen Fluchtgrund an, er sei als Angehöriger der Spezialeinheit der "Hiboux" zu Unrecht verdächtigt worden, einen Oppositionspolitiker gewarnt zu haben. In Wahrheit habe er sich auftragsgemäß am Versuch der Entführung dieses Politikers beteiligt. In Stellungnahmen im Berufungsverfahren leitete der Beschwerdeführer die Gefahr, unter den geänderten Machtverhältnissen nach dem Sturz Mobutus im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland politischer Verfolgung ausgesetzt zu sein, vor allem daraus ab, dass er der erwähnten Spezialeinheit angehört habe.

Die belangte Behörde hat sich mit der möglichen Asylrelevanz dieser Behauptungen nicht auseinander gesetzt, weil sie das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht als glaubwürdig erachtete (vgl. zu derartigen Entscheidungen aus jüngerer Zeit etwa das Erkenntnis vom 6. November 1997, Zl. 97/20/0304, und - Abschiebungsschutz betreffend - vom 5. August 1998, Zl. 98/21/0198). Diese Beweiswürdigung stützt die belangte Behörde vor allem auf im Einzelnen dargestellte Widersprüche und Tatsachenwidrigkeiten in der Aussage des Beschwerdeführers.

Die Beschwerde begegnet dem zunächst mit Kritik an der Niederschrift über die mündliche Berufungsverhandlung. Die Dauer der Verhandlung lasse sich nicht bestimmen, weil zwar ihr Ende mit 11,35 Uhr angegeben sei, der Zeitpunkt ihres Beginnes aber nicht feststehe. Für die Beurteilung der Frage, inwiefern während der mündlichen Berufungsverhandlung auf die "psychische und physische Beschaffenheit des Beschwerdeführers Bedacht genommen worden" sei, sei die Dauer der Berufungsverhandlung aber von größter Bedeutung. Der Beschwerdeführer sei über einige seiner Antworten im Nachhinein selbst entsetzt gewesen und habe nur hinzufügen können, dass er sehr verwirrt gewesen sei. In der Verhandlungsschrift fehle "jeglicher Hinweis darauf, in welcher psychischen und physischen Beschaffenheit sich der Beschwerdeführer während der mündlichen Berufungsverhandlung" befunden habe. Andererseits wird vorgetragen, es fänden sich "zahlreiche Hinweise darauf", dass das angebliche Unwissen des Beschwerdeführers, auf das die belangte Behörde ihre Glaubwürdigkeit zur Entscheidung zu einem wesentlichen Teil gestützt habe, auf "eine Verwirrung während der Berufungsverhandlung zurückzuführen" sei. Schließlich wird auch in Bezug auf die Bescheidbegründung vorgebracht, sie müsse darüber Aufschluss geben, "in welcher psychischen und physischen Verfassung" der Beschwerdeführer während der Verhandlung gewesen sei. Dies "insbesondere, wenn es sich um einen nicht anwaltlich vertretenen" (gemeint: zur Verhandlung ohne seinen Anwalt erschienenen) "Staatsangehörigen der Demokratischen Republik Kongo und um eine Glaubwürdigkeitsentscheidung" handle.

Mit diesen Ausführungen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt. Zwar trifft es zu, dass der Zeitpunkt des Beginns der mündlichen Verhandlung in der Verhandlungsschrift nicht wiedergegeben ist. Den Ladungen ist allerdings zu entnehmen, dass die Verhandlung für 8,30 Uhr anberaumt war. Dass sie verspätet begonnen und daher nicht, wie aus der Aktenlage hervorzugehen scheint, etwa drei Stunden lang gedauert hätte, behauptet der Beschwerdeführer, der an der Verhandlung teilgenommen hat und es daher wissen müsste, nicht. Seiner Ansicht, seine "psychische und physische Verfassung" während der Verhandlung lasse sich wegen der fehlenden Angabe des Zeitpunkts ihres Beginns in der Verhandlungsschrift nicht ausreichend beurteilen, ist schon deshalb nicht zu folgen.

Den weiteren Ausführungen des Beschwerdeführers zu diesem Thema ist entgegenzuhalten, dass die Beurteilung der Frage, ob Widersprüche in den Angaben einer Partei auf deren "Verwirrung" zurückzuführen sind oder an ihrer Glaubwürdigkeit zweifeln lassen, in den Kernbereich der freien Beweiswürdigung fällt und es nicht der Rechtslage entspricht, dass der Glaubwürdigkeit einer Partei abträgliche Teile ihrer Aussage nur in Verbindung mit - laienhaft oder unter Beiziehung medizinischer Sachverständiger getroffenen - Feststellungen über ihre "psychische und physische Verfassung" verwertbar seien. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der detaillierten, in der Form einer wörtlichen Protokollierung abgefassten Verhandlungsschrift aber auch das sehr plastische Bild einer zumindest im Großen und Ganzen geduldigen Befragung des Beschwerdeführers, wobei auf bestimmte, für die Entscheidung wesentliche Punkte wiederholt zurückgekommen wurde und an keiner Stelle der Eindruck entsteht, die Vernehmungsfähigkeit des Beschwerdeführers sei nicht mehr gegeben gewesen. Konkrete gegenteilige Behauptungen enthält auch die Beschwerde nicht.

In den weiteren Beschwerdeausführungen wird versucht, unter inhaltlicher Auseinandersetzung mit einzelnen in der Beweiswürdigung der belangten Behörde hervorgehobenen Angaben des Beschwerdeführers den Eindruck zu widerlegen, den die belangte Behörde von der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers in der Berufungsverhandlung gewonnen hat. Dabei wird in einem in der Beschwerde besonders hervorgehobenen Zusammenhang - betreffend die Unfähigkeit des Beschwerdeführers, seine Stammeszugehörigkeit anzugeben - davon ausgegangen, dies sei "sicherlich nicht protokolliert worden" und es lasse sich "nicht nachvollziehen, auf welche Weise die belangte Behörde zu dieser Feststellung gelangen konnte". Dem ist entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer ganz zu Beginn seiner Vernehmung auf die Frage, welcher Volksgruppe er angehöre, erwiderte, er stamme "aus der Region Baszaire", und den darauf folgenden Vorhalt des Verhandlungsleiters, ob er nicht wisse, zu welchem Stamm er gehöre, damit beantwortete, er sei in Kinshasa geboren (Seite 3 der Verhandlungsschrift).

Im Übrigen gelingt es der Beschwerde - teils mehr, teils weniger überzeugend - darzustellen, dass die Antworten des Beschwerdeführers auf einzelne Fragen ihrem objektiven Inhalt nach und losgelöst vom persönlichen Eindruck als zusätzlicher Beurteilungsgrundlage jeweils auch eine andere Beweiswürdigung ermöglicht hätten. Es ist aber nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes, seine eigene Beurteilung dieser Frage an die Stellung der Anschauungen der belangten Behörde zu setzen. Durch § 41 Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof vielmehr auf eine Schlüssigkeitsprüfung der von der Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung beschränkt (vgl. dazu im Einzelnen die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 262 ff zu § 45 AVG, wiedergegebene ständige Rechtsprechung). Eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung vermag der Beschwerdeführer - vor allem angesichts seines immer wieder ausweichenden Aussageverhaltens und in Bezug auf das maßgebliche Beweisthema seiner angeblichen Zugehörigkeit zu den "Hiboux" - nicht aufzuzeigen.

Mit der Behauptung der Zugehörigkeit zu einer derartigen Spezialeinheit ist es auch nicht zu vereinbaren, wenn sich der Beschwerdeführer im Zuge der noch erhobenen Rüge einer Verletzung des Parteiengehörs durch unzureichende Offenlegung der herangezogenen Informationsquellen als "gewöhnlicher Staatsbürger" bezeichnet. Im Zusammenhang mit dieser Verfahrensrüge wird aber auch nicht konkret dargelegt, dass eine ins Einzelne gehende Erörterung der Berichte, auf die sich die während der Verhandlung an den Beschwerdeführer gerichteten Vorhalte stützten, zur Herbeiführung eines anderen Verfahrensergebnisses geeignet gewesen wäre.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 21. Oktober 1999

Schlagworte

Sachverhalt Beweiswürdigung freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999200414.X00

Im RIS seit

04.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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