TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/26 E3 231596-0/2008

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Veröffentlicht am 26.11.2008
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Spruch

E3 231.596-0/2008-11E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. HERZOG-LIEBMINGER als Vorsitzende und den Richter Mag. HUBER-HUBER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Mittermayr über die Beschwerde des C.O., geb. 00.00.1980, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.09.2002, FZ. 02 01.231-BAL, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, idF BGBl. I Nr. 126/2002 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

I. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe, stellte am 14.01.2002 einen Antrag auf Gewährung von Asyl und wurde hiezu am 23.04.2002 von einem Organwalter des Bundesasylamtes niederschriftlich einvernommen. Der Verlauf dieser Einvernahme ist im angefochtenen Bescheid vollständig wieder gegeben, weshalb an dieser Stelle hierauf verwiesen wird.

 

Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates brachte er im Wesentlichen vor, dass Kurden in der Türkei generell benachteiligt werden würden und er keine Arbeit finden habe können. Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation sei er sodann ausgereist. Darüber hinaus brachte er befragt vor, dass er den Wehrdienst von 1999 bis November 2001 abgeleistet habe und habe er gesehen, dass die Kurden auch dort benachteiligt worden wären. Er sei auch als Reservist beim Militär vorgemerkt.

 

2. Mit angefochtenem Bescheid wies die Erstbehörde den Asylantrag des nunmehrigen Beschwerdeführers ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei für zulässig.

 

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass das Vorbringen glaubhaft sei und als zu beurteilender Sachverhalt dem Verfahren zu Grunde gelegt werde. In der rechtlichen Würdigung wurde begründend dargelegt, warum dem Vorbringen keine Asylrelevanz zukommen könne und warum dieses auch keinen Grund für die Unzulässigkeit der Abschiebung darstelle.

 

3. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist "Berufung" (nunmehr: "Beschwerde") erhoben. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen. In der Beschwerde wurde jedoch kein hinreichend substantiiertes Vorbringen erstattet welches geeignet wäre der Beweiswürdigung sowie der schlüssigen rechtlichen Würdigung der Erstbehörde entgegen zu treten.

 

4. Mit Einrichtung des Asylgerichtshofes wurde der gegenständliche Verfahrensakt der Gerichtsabteilung E3 zugeteilt.

 

5. Da die Erstbehörde ihrem Bescheid keine Feststellungen zur Lage in der Türke zu Grunde gelegt hat und der erstinstanzlichen Bescheid auch vor rund 8 Jahren erlassen wurde, wurde seitens des Asylgerichtshofes mit Schreiben vom 19.08.2008 gem. § 45 (3) AVG Beweis erhoben, dh. den Partein des Verfahrens Länderfeststellungen zur Türkei zugestellt und ihnen die Möglichkeit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eingeräumt; somit wurde aufgrund der vorliegenden aktuellen Feststellungen zur Türkei (Bericht des Auswärtigen Amtes zur Türkei vom Oktober 2007), (zu den Anforderungen an die Aktualität einer Quelle vgl. etwa Erk. d. VwGHs. vom 9. März 1999, Zl. 98/01/0287 und sinngemäß -im Zusammenhang mit Entscheidungen nach § 4 AsylG 1997- das E. vom 11.November 1998, 98/01/0284, bzw. auch E. vom 7. Juni 2000, Zl. 99/01/0210) Beweis erhoben (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise in diesem speziellen Fall einer sonst schlüssigen Beweiswürdigung und rechtlichen Würdigung des Bundesasylamtes siehe Erkenntnis des VwGH vom 17.10.2006, Zahl:

2005/20/0459-5, ebenso Beschluss des VwGH v. 20.6.2008, Zahl 2008/01/0286-6) .

 

6. Seitens des Beschwerdeführervertreters wurde zunächst mit Schreiben vom 05.09.2008 um Fristerstreckung zur Abgabe der Stellungnahme bis zum 01.10.2008 ersucht. In der Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme, datiert mit 23.09.2008, wurde nun ausgeführt, dass es sich beim Antragsteller um einen innerstaatlich Vertriebenen handle, welchem eine Rückkehr in seinen Heimatort, wie auch seinen Familienangehörigen, nicht mehr möglich sei. In Instanbul, wo er nach der Vertreibung aus dem Heimatdorf gelebt habe, habe er keine menschenwürdigen Bedingungen vorgefunden und auch weder Arbeit, noch soziale Absicherung gehabt und sei er auch nicht berechtigt gewesen die Schule zu besuchen. Ferner habe er durch den Auslandsaufenthalt einer neuerlichen Einberufung zum Militär nicht nachkommen können und werde er nun im Falle seiner Rückkehr einem militärstraf-gerichtlichen Verfahren unterzogen. Es werde daher ein entsprechendes Sachverständigengutachten beantragt, insbesondere mögen Erhebungen hinsichtlich des unentschuldigten Fernbleibens vom türkischen Wehrdienst (Einberufung als Reservist im Jahr 2007) gepflogen werden. Ferner werde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

 

Das Asylamt hat keine Stellungnahme zum Parteiengehör abgegeben.

 

7. Mit Schreiben des Asylgerichtshofes vom 02.10.2008 wurde der Beschwerdeführer im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters aufgefordert den Einberufungsbefehl zum Reservedienst binnen einer Frist von 2 Wochen ab Zustellung des gegenständlichen Schreibens in Vorlage zu bringen. Hiezu wurde seitens des Rechtsvertreters mit Schreiben vom 08.10.2008 mitgeteilt, dass sein Mandat versuche den Einberufungsbefehl aus der Türkei zu beschaffen und werde um Gewährung einer Frist bis Ende Oktober 2008 ersucht. Bis zur Ausfertigung gegenständlichen Erkenntnisses ist der Beschwerdeführer der Aufforderung zur Vorlage des Einberufungsbefehls nicht nachgekommen.

 

8. Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsakt unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Antragstellers vor der Erstbehörde, des bekämpften Bescheides, des Beschwerdeschriftsatzes, des ergänzenden Ermittlungsverfahrens sowie der Stellungnahme des Beschwerdeführervertreters.

 

II. DER ASYLGERICHTSHOF HAT ERWOGEN:

 

1. Am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof nach Maßgabe des § 75 AsylG 2005 idF. BGBl. I Nr. 4/2008 weiterzuführen.

 

Gemäß § 61 AsylG 2005 idgF entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes.

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (Art. 2 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge AsylG 2005) sind "[A]lle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt." Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylGNov. 2003 sind Verfahren über Asylanträge, die bis zum 30.4.2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des AsylG 1997 idF BGBl. I 126/2002 zu führen.

 

Der Beschwerdeführer hat seinen Asylantrag vor dem 1.5.2004 gestellt; das Verfahren war am 31.12.2005 anhängig; das Beschwerdeverfahren ist daher nach AsylG 1997 zu führen. Anzuwenden war sohin das AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76 in der Fassung BGBl. I Nr. 126/2002, die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 (im Folgenden: "AsylG 1997"), das AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung und das ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung.

 

Hinsichtlich des Verfahrens vor dem Asylgerichtshof waren die einschlägigen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100 in der geltenden Fassung (im Folgenden: "AsylG 2005") anzuwenden. Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 60 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die erkennende Behörde, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

2. Das erkennende Gericht ist berechtigt, näher bezeichnete Teile des angefochtenen Bescheides zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses zu erheben, ohne sie wiederholen zu müssen (vgl. z.B. das Erk. d. VwGH vom 4. 10. 1995, 95/01/0045; VwGH 24. 11. 1999, 99/01/0280; auch VwGH 8. 3. 1999, 98/01/0278), weshalb im gegenständlichen Fall im bereits genannten Umfang auf den erstinstanzlichen Bescheid verwiesen wird.

 

Ebenso ist das erkennende Gericht berechtigt, auf die außer Zweifel stehende Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) zu verweisen, weshalb auch hierauf im gegenständlichen Umfang verwiesen wird.

 

Hinsichtlich der Sachverhaltsfeststellungen, der Beweiswürdigung und der rechtlichen Würdigung wird sohin auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid verwiesen, zumal das Bundesasylamt ein mängelfreies und ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammengefasst hat (zur Zulässigkeit dieses Vorgehens vgl. VwGH 04.10.1995, Zahl 95/01/0045; VwGH 25.3.1999, Zahl 98/20/0559; VwGH 24.11.1999, Zahl 99/01/0280; VwGH 8.6.2000, Zahl 99/20/0366; VwGH 30.11.2000, Zahl 2000/20/0356; VwGH 22.2.2001, Zahl 2000/20/0557; VwGH 21.6.2001, Zahl 99/20/0460).

 

3. Zur Lage in der Türkei und insbesondere zur Situation der Kurden und zum Wehrdienst werden zusätzlich zu den im Erstverfahren herangezogenen noch folgende, - im Zuge der erfolgten Beweisaufnahme (siehe oben, Punkt 5) in das Verfahren eingeführte -, Länderfeststellungen dem Verfahren zugrunde gelegt:

 

AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei, 25.10.2007

 

Allgemeines:

 

Markante Fortschritte in der Menschenrechtslage konnten durch die Gesetzes- und Verfassungsänderungen der letzten Jahre sowie weitere Reformmaßnahmen (z.B. Justizreformen) erzielt werden; dadurch wurde ein Mentalitätswandel bei großen Teilen der Bevölkerung eingeleitet.

 

Nach Jahren relativer Stabilität erlebte die Türkei im Zusammenhang mit den gescheiterten Präsidentschaftswahlen im Mai 2007 eine Phase innenpolitischer Polarisierung. Nach den vorgezogenen Parlamentswahlen vom 22.07.2007 trat eine Beruhigung der Lage ein. Die anschließende erfolgreiche Wahl eines Präsidenten und die Regierungsbildung trugen zu einer weiteren Konsolidierung bei.

 

Im Osten und Südosten der Türkei kommt es weiterhin zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der terroristischen PKK und türkischen Sicherheitskräften; der Ruf nach einschneidenderen Maßnahmen zur Terrorbekämpfung wurde mit Wiedererstarken des PKK-Terrorismus lauter.

 

Kritische Entwicklungen sind bei der Ausübung des Rechts auf Meinungsfreiheit zu beobachten, gegen Journalisten, Menschenrechtsverteidiger u.a. wurden seitens der türkischen Justiz öffentlichkeitswirksame Strafverfahren geführt. Einzelne Verfahren dauern noch an, teilweise kam es auch zu Verurteilungen.

 

Die Verwirklichung der individuellen Glaubensfreiheit ist weitgehend gewährleistet, die Ausübung der Rechte religiöser Gemeinschaften ist mangels klarer Rechtsgrundlagen nur in begrenztem Umfang möglich; das Tragen des Kopftuchs bei offiziellen Anlässen und im "öffentlichen Raum", d.h. in staatlichen, öffentlichen Einrichtungen ist verboten.

 

Zahlreiche Reformen haben den Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau gestärkt; die gesellschaftliche Wirklichkeit hinkt jedoch in weiten Teilen der Türkei noch weit hinter der gesetzlichen Entwicklung hinterher.

 

In der Türkei gibt es neben dem staatlichen Gesundheitssystem, das eine medizinische Grundversorgung garantiert, mehr und mehr leistungsfähige private Gesundheitsein-richtungen, die in jeglicher Hinsicht EU-Standard entsprechen. Das türkische Gesundheits-system verbessert sich laufend.

 

Die Grundversorgung ist im wesentlichen gewährleistet.

 

Bei der Rückkehr abgeschobener Personen werden Routinekontrollen durchgeführt; Miss-handlung oder Folter allein aufgrund der Stellung eines Asylantrags kommt nicht vor.

 

Es gibt in der Türkei keine Personen oder Personengruppen, die alleine wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Rasse, Religion, Nationalität, sozialen Gruppe oder alleine wegen ihrer politischen Überzeugung staatlichen Repressionen ausgesetzt sind.

 

Situation der Kurden:

 

Ungefähr ein Fünftel der Gesamtbevölkerung der Türkei (72 Millionen) -also ca. 14 Millionen Menschen - ist zumindest teilweise kurdischstämmig. Im Westen der Türkei und an der Südküste lebt die Hälfte bis annähernd zwei Drittel dieser Kurden: ca. drei Millionen im Großraum Istanbul, zwei bis drei Millionen an der Südküste, eine Million an der Ägäis-Küste und eine Million in Zentralanatolien. Rund sechs Millionen kurdischstämmige Türken leben in der Ost- und Südost-Türkei, wo sie in einigen Gebieten die Bevölkerungsmehrheit bilden. Nur ein Teil der kurdischstämmigen Bevölkerung in der Türkei ist auch einer der kurdischen Sprachen mächtig.

 

Die meisten Kurden sind in die türkische Gesellschaft integriert, viele auch assimiliert. In Parlament, Regierung und Verwaltung sind Kurden ebenso vertreten wie in Stadtverwaltungen, Gerichten und Sicherheitskräften. Ähnlich sieht es in Industrie, Wissenschaft, Geistesleben und Militär aus.

 

Der Gebrauch des Kurdischen, d.h. der beiden in der Türkei vorwiegend gesprochenen kurdischen Sprachen Kurmanci und Zaza, ist in Wort und Schrift keinen Restriktionen ausgesetzt, allerdings im "öffentlichen Raum" noch eingeschränkt und im Schriftverkehr mit Behörden nicht erlaubt.

 

Kurdischunterricht und Unterricht in kurdischer Sprache an Schulen sind nach wie vor verboten. Kurdischkurse für Erwachsene an privaten Lehrinstituten sind seit 2004 zulässig, scheitern jedoch häufig an mangelnder Nachfrage/Fehlen finanzieller Mittel.

 

Allein aufgrund ihrer Abstammung sind und waren türkische Staatsbürger kurdischer und anderer Volkszugehörigkeit keinen staatlichen Repressionen unterworfen. Aus den Ausweispapieren, auch aus Vor- oder Nachnamen, geht in der Regel nicht hervor, ob ein türkischer Staatsbürger kurdischer Abstammung ist (Ausnahme: Kleinkindern dürfen seit 2003 kurdische Vornamen gegeben werden).

 

Militärdienst:

 

Der Wehrpflicht unterliegt jeder männliche türkische Staatsangehörige unabhängig von seiner

 

Volkszugehörigkeit. Der fünfzehnmonatige (für Universitätsabsolventen sechs- bzw. zwölfmonatige) Wehrdienst wird in den Streitkräften einschließlich der Jandarma abgeleistet. Das Höchstalter für die Ableistung des Wehrdienstes liegt bei 40 Jahren, kann aber unter bestimmten Voraussetzungen auch darüber hinausgehen. Ein Recht zur Verweigerung des Wehrdienstes oder der Ableistung eines Ersatzdienstes besteht nicht. Wehrdienstverweigerer und Fahnenflüchtige werden strafrechtlich verfolgt. Gem. Art. 63 des Militärstrafgesetzes beträgt die Strafe für Wehrdienstverweigerung, wenn die Person dem Musterungsbefehl nicht folgt und drei Monate nach Zustellung desselben gefasst wird, zwischen sechs Monaten und drei Jahren. Die Verjährungsfrist richtet sich nach Art. 66e tStGB und beträgt bei Gefängnisstrafen zwischen fünf und acht Jahren. Suchvermerke für Wehrdienstflüchtlinge werden seit Ende 2004 nicht mehr im Personenstandsregister eingetragen. Im Ausland lebende Wehrpflichtige haben die Möglichkeit, sich gegen Ableistung einer dreiwöchigen Grundausbildung und Bezahlung eines Betrages in Höhe von 5.112 Euro der Wehrpflicht freizukaufen. Ab einem Lebensalter von 39 Jahren beträgt die Freikaufsumme 7.668 Euro (ohne Grundausbildung). Bis 2004 kam es bei Wehrdienstentziehung auch zur Aberkennung der türkischen Staatsangehörigkeit (Art. 25. tStAG). Die gesetzliche Bestimmung existiert noch, wird aber aufgrund eines unveröffentlichten Erlasses des türkischen Innenministeriums nicht mehr angewandt. Seit dem 12.06.2003 können Personen, die u.a. wegen Art. 25 tStAG die türkische Staatsangehörigkeit verloren haben, unabhängig von ihrem Wohnsitz, erneut in die türkische Staatsangehörigkeit aufgenommen werden, sofern sie verbindlich erklären, den Wehrdienst ableisten zu wollen. Der Entwurf eines neuen Staatsangehörigkeitsgesetzes sieht vor, dass eine Ausbürgerung wegen Nichtableistung des Wehrdienstes nicht mehr möglich ist.

 

Kurdischstämmige Wehrdienstleistende sind keinen Nachteilen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit ausgesetzt. Sie können während ihres Wehrdienstes auch in ihrer Herkunftsregion eingesetzt werden. In der Regel erfolgt ein Einsatz für alle Wehrdienstleistenden aber in gewisser Entfernung vom Wohnort.

 

Im Falle der Rückkehr haben Wehrdienstflüchtige damit zu rechnen, gemustert und ggf. einberufen zu werden (u.U. nach Durchführung eines Strafverfahrens). Es sind mehrere Fälle bekannt geworden, in denen Suchvermerke zu früheren Straftaten oder über Wehrdienstentziehung von den zuständigen türkischen Behörden versehentlich nicht gelöscht worden waren, was bei den Betroffenen zur kurzzeitigen Ingewahrsamnahme bei Einreise führte. Aufgrund eines Runderlasses des Innenministeriums vom 18.12.2004 dürfen keine Suchvermerke mehr ins Personenstandsregister eingetragen werden. Angaben türkischer Behörden zufolge wurden Mitte Februar 2005 alle bestehenden Suchvermerke in den Personenstandsregistern gelöscht. Es besteht für das Auswärtige Amt somit keine Möglichkeit mehr, das Bestehen von Suchvermerken zu verifizieren, auch nicht über die bisher damit befassten Vertrauensanwälte.

 

4. Der erstinstanzliche Bescheid basiert, vorbehaltlich der getroffenen Ausführungen zum Fehlen von Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid, auf einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren und fasst in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammen. Die Erstbehörde hat sich mit dem individuellen Vorbringen auseinander gesetzt und in zutreffenden Zusammenhang mit der Situation des Beschwerdeführers gebracht. Auch die rechtliche Beurteilung begegnet keinen Bedenken.

 

Dem Bundeasylamt ist zuzustimmen, dass dem Vorbringen des Antragstellers kein asylrelevanter Sachverhalt zu entnehmen ist und dass Kurden allein wegen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit keiner asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt sind.

 

4.2. Auch wurde weder in der Beschwerde noch in der Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme ein hinreichend substantiiertes Vorbringen getätigt, durch welches der Asylgerichtshof zu einem anderen Verfahrensausgang gelangen könnte.

 

Der Beschwerdeführer konnte nämlich keine Umstände anführen, die die Annahme rechtfertigen würden, dass er in seinem Heimatstaat einer Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt sei. Wie die Erstbehörde richtig festgestellt hat, können die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Fluchtgründe nicht zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führen.

 

4.2.1. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach Kurden in der Türkei generell verfolgt werden würden, ist auszuführen, dass laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe allein kein Grund für die Asylanerkennung rechtfertigt, soferne nicht konkrete gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlungen glaubhaft gemacht werden. Darüber hinaus kann - wie bereits ausgeführt - auch der der Behörde vorliegenden Länderinformation nicht entnommen werden, dass Kurden allein aufgrund ihrer Abstammung verfolgt oder staatlichen Repressionen unterworfen werden. Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer der kurdischen Volksgruppe angehört, bewirkt sohin für sich allein nicht, dass ihm Asyl zu gewähren wäre, weil sich aus den unter Punkt 3 getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Angehörige seiner Volksgruppe schon alleine wegen dieser Zugehörigkeit Verfolgung im Sinne der GFK ausgesetzt wären. Es ist den unter Punkt 3 getroffenen Feststellungen eindeutig zu entnehmen, dass es keine gezielte Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe in der Türkei gibt.

 

4.2.2. Darüber hinaus handelt es sich bei den vom Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren vorgebrachten Problemen im Zusammenhang mit seiner Volksgruppenzu-gehörigkeit um Beeinträchtigungen, die nicht zu einer Asylgewährung führen können. Solche Benachteiligungen auf sozialem, wirtschaftlichem oder religiösem Gebiet sind nämlich für die Bejahung der Flüchtlingseigenschaft nur dann ausreichend, wenn sie eine solche Intensität erreichen, die einen weiteren Verbleib des Asylwerbers in seinem Heimatland unerträglich machen, wobei bei der Beurteilung dieser Frage ein objektiver Maßstab anzulegen ist (vgl. Erkenntnis d. VwGH vom 22.06.1994, Z. 93/01/0443). Die vom Beschwerdeführer erwähnten Schwierigkeiten erfüllen dieses Kriterium nicht. Die Nachteile, welche der Beschwerdeführer seinen Angaben zufolge wegen seiner Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe zu tragen hatten (gemäß seinen Angaben seien die Kurden unterdrückt und habe er keine Arbeit gefunden und auch nicht die Schule besuchen können), stellen keinen derart gravierenden Eingriff in seine Grundrechte dar, um dem in der Flüchtlingskonvention angesprochenen Sachverhalt zugrunde gelegt werden zu können.

 

4.2.3. Ferner ist zu den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Benachteiligungen im Zusammenhang mit der Schulausbildung sowie der Arbeitsaufnahme auszuführen, dass Schwierigkeiten am Arbeitsplatz, Benachteiligungen, mangelnde Aufstiegschancen sowie eingeschränkte Berufsmöglichkeiten - auch wenn sie aus politischen, weltanschaulichen oder religiösen Gründen resultieren - nicht zur Asylgewährung führen können, mangelt es solchen Problemen doch schon an der erforderlichen Intensität, zumal der Beschwerdeführer nicht dargetan hat, dadurch einer massiven Bedrohung der Lebensgrundlage ausgesetzt gewesen zu sein, wodurch ein Verbleib im Heimatland auch aus objektiver Sicht unerträglich geworden wäre - gerade darauf kommt es aber nach der Judikatur des VwGH an (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 19.05.1994, Zl. 94/19/0049). Auch stellen Schwierigkeiten der Kinder in der Schule, mangels ausreichender Intensität keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar (vgl. Erk. des VwGH v. 10.03.1994, Zl. 94/19/0277).

 

4.2.4. Zu einer allfällig existenziellen Gefährdung des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr ist auszuführen, dass unter Berücksichtigung der getroffenen Länderfeststellungen, jedenfalls keine existentiellen Gefährdungen von Angehörigen der Volksgruppe der Kurden festgestellt werden kann. Darüber hinaus stünde es dem Beschwerdeführer offen, sich in einem anderen Landesteil der Türkei, insbesondere in den Großstädten Istanbul (wie er dies auch vor seiner Ausreise schon getan hat) oder Ankara, niederzulassen, wo eine Arbeitsaufnahme unter Umständen einfacher zu gewärtigen sein mag als in einer ländlichen Gegend, und ist aus den getroffenen Länderfeststellungen weder ersichtlich, dass er dort einer existentielle Gefährdung noch einer anderweitigen Gefährdung ausgesetzt wäre, noch asylrelevante Gefährdung zu befürchten hätte; dies insbesondere auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beschwerdeführer zu keiner Zeit ins Blickfeld der türkischen Behörden geraten ist.

 

Im Ergebnis ist daher ebenfalls der hilfsweisen Argumentation zum Bestehen einer innerstaatlichen Flucht- respektive Schutzalternative beizupflichten:

 

Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte innerstaatliche Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.03.1999, Zl. 98/01/0352). Nach der Rechtsprechung des VwGHs muss sich die Verfolgungsgefahr auf das gesamte Staatsgebiet beziehen. Nach einer in der ältren Rechtssprechung verwendeten Formulierung darf in keinem Teil des Herkunftsstaates Verfolgungssicherheit bestehen (VwGH 10.3.1993, Zl. 03/01/002). Nach der jüngeren Rechtsprechung ist mit dieser Formulierung jedoch nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, die Formulierung sei dahingehend zu verstehen, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen -mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeiten innerhalb des Herkunftsstaates- im gesamten Herkunftsstaat auswirken müsse (VwGH 9.11.2004, Zl 2003/01/0534; VwGH 24.11.2005, 2003/20/0109).

 

Nur im Hinblick auf nichtstaatliche Verfolgung ist das Bestehen einer innerstaatliche Fluchtalternative in Betracht zu ziehen und ist von der Behörde stets zu prüfen, ob die verfolgende Organisation als mächtig eingestuft werden könne beziehungsweise ob eine lokale Begrenztheit des Wirkungskreises dieser Organisation angenommen werden könne (VwGH 15.05.2003, 2002/01/0560).

 

Um vom Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, müssen die Asylbehörden über Ermittlungsergebnisse verfügen, die die Sicherheit der Asylwerber dartun (vgl. etwa VwGH 8.9.1999, Zl. 99/01/0126; VwGH 16.2.2000, Zl 99/01/0149). Es muss konkret ausgeführt werden, wo der Beschwerdeführer tatsächlich Schutz vor der von ihm geltend gemachten Bedrohung finden könnte. Entsprechend dem "Ausschlusscharakter" der internen Schutzalternative müsse es Sache der Behörde sein, die Existenz einer internen Schutzalternative aufzuzeigen und nicht umgekehrt Sache des Asylwerbers, die Annahme einer theoretisch möglichen derartigen Alternative zu widerlegen und nimmt der Verwaltungsgerichtshof mit dieser Rechtsprechung jedenfalls eine Beweislast der Asylbehörden an (VwGH 09.09.2003, 2002/01/0497 und 08.04.2003, 2002/01/0318 sowie zur Ermittlungspflicht VfGH 02.10.2001, B 2136/00).

 

Aufgrund des sich Versteckthaltens kann noch nicht von einer innerstaatlichen Fluchtalternative gesprochen werden (etwa VwGH 18.4.1996, Zl.95/20/0295; VwGH 20.3.1997, Zl 95/20/0606; in diesem Sinne ebenfalls VwGH 29.10.1998, Zl. 96/20/0069).

 

Ebenso darf der Betroffene im sicheren Landesteil nicht in eine aussichtslos Lage gelangen und jeglicher Existenzgrundlage beraubt werden. Solcherart wird dem Kriterium der Zumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative Beachtung geschenkt (VwGH 8.9.1999, Zl. 98/01/0614, VwGH 6.10.1999, Zl. 98/01/0535, VwGH 8.6.2000, 99/20/0597; VwGH 19.10.2006, Zl. 2006/0297-6; VwGH 30.04.1997, 95/01/0529; VwGH 29.03.2001, 2000/20/0539; VwGH 24.1.2008, Zl. 2006/19/0985-10). Auch wirtschaftliche Benach-teiligungen können asylrelevant sein (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614; VwGH 30.04.1997, 95/01/0529; VwGH 29.03.2001, 2000/20/0539; VwGH 08.11.2007, 2006/19/0341). Dem gegenüber seien gemäß ständiger Rechtsprechung allfällige aus der Situation des Asylwerbers ableitbare wirtschaftliche beziehungsweise soziale Benachteiligungen nicht geeignet, zu einer Verneinung der inländischen Fluchtalternative zu führen, zumal alleine in allgemeinen schlechten wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen keine staatliche Verfolgung gesehen werden könne (VwGH 08.09.1999, 98/01/0620; VwGH 24.10.1996, 95/20/0321; VwGH 10.12.1996, 06/20/0753).

 

Maßgebliche Faktoren zur persönlichen Zumutbarkeit können das Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, die familiäre Situation und Verwandtschaftsverhältnisse, soziale und andere Schwächen, ethnische, kulturelle oder religiöse Überlegungen, politische und soziale Verbindungen und Vereinbarkeiten, Sprachkenntnisse, Bildungs-, Berufs- und Arbeitshintergrund und -möglichkeiten, sowie gegebenenfalls bereits erlittene Verfolgung und deren psychische Auswirkungen sein. Es wird jedoch die Ansicht vertreten, dass schlechte soziale und wirtschaftliche Bedingungen in dem betreffenden Landesteil die innerstaatliche Fluchtalternative nicht grundsätzliche ausschließen (siehe VwGH 8.9.1999, 98/01/0620; VwGH 26.6.1996, 95/20/0427) Ein bloßes Absinken des Lebensstandards durch die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative, welches jedoch noch über dem Niveau der aussichtslosen Lage ist daher bei Bestehen einer Existenzgrundlage hinzunehmen.

 

In der Regel wird eine innerstaatliche Fluchtalternative für unbegleitete Minderjährige zu verneinen sein, weil es vielfach nicht legal möglich ist oder zumutbar wäre, ohne Eltern und gesetzlichen Vertreter in einem Teil des Landes den Wohnsitz zu nehmen, in dem der Minderjährige einer individuellen Verfolgung nicht ausgesetzt gewesen wäre (VwGH 26.06.1996, 95/20/0427). Im Falle der Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative müsse aber jedenfalls auf das Zumutbarkeitskalkül besonders Bedacht genommen werden und seien konkrete Feststellungen über die im Fall eines solchen Ortswechsels zu erwartende konkrete Lage des Minderjährigen zu treffen. (VwGH 19.10.2006, 2006/19/0297).

 

Zu den bereits getroffenen Ausführungen kommt noch hinzu, dass das verfolgungssichere Gebiet eine gewisse Beständigkeit in dem Sinne aufweisen muss, dass der Betroffene nicht damit rechnen muss, jederzeit auch in diesem Gebiet wieder die Verfolgung, vor der er flüchtete, erwarten zu müssen (VwGH 21.3.2002, Zl. 99/20/0401, in diesem Sinne auch VwGH 19.2.2004, Zl. 2002/20/0075; VwGH 24.6.2004, Zl. 2001/20/0420).

 

Ebenso muss das sichere Gebiet für den Betroffenen erreichbar sein, ohne jenes Gebiet betreten zu müssen, in welchem er Verfolgung befürchtet bzw. muss im Rahmen der Refoulementprüfung feststehen, dass eine Abschiebung in dieses sichere Gebiet möglich ist (VwGH 26.6.1997, Zl.95/21/0294; in diesem Sinne auch VwGH 11.6.1997, Zl. 95/21/0908, 6.11.1998, Zl. 95/21/1121; VwGH 21.11.2002, 2000/20/0185; VwGH 10.6.1999, 95/21/0945, ähnlich VwGH 17.2.2000, 9718/0562).

 

Darüber hinaus muss es dem Asylsuchenden auch möglich sein müsse, seine politischen oder religiösen Überzeugungen, sowie seine geschützten Merkmale beizubehalten (VwGH 19.12.2001, 98/20/0299).

 

Zum Wesen und den Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative siehe weiters: UNHCR, Richtlinie zum internationalen Schutz: "Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative" im Zusammenhang mit Artikel 1 A (2) des Abkommens von 1951 bzw. des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 23.07.2003, HCR/GIP/03/04; Artikel 8 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, Amtsblatt der Europäischen Union L 304 vom 30.09.2004 (Qualifikations- oder Statusrichtlinie) und § 11 AsylG 2005 (bei der Prüfung des "internen Schutzes" geht es nicht mehr um die Frage, ob im Zeitpunkt der Flucht innerhalb des Herkunftsstaates interne Schutzzonen als Alternative zur Flucht bestanden haben, sondern darum, ob im Zeitpunkt der Entscheidung (vgl. Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a) der Richtlinie) derartige Zonen, also interne Schutzzonen, nicht mehr als Alternative zur Flucht, sondern als Alternative zum internationalen Schutz bestehen), sowie Herzog-Liebminger, Die innerstaatliche Fluchtalternative, 69 bis

114.

 

Speziell zur Türkei führte der VwGH aus, dass für Kurden aus dem Osten der Türkei z. B. in Istanbul eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehen kann (vgl. z. B. VwGH 5.6.1996, Z. 95/20/0394, 24.10.1996, 95/20/0560, 19.6.1997, 95/20/0782, siehe aber auch VwGH 21.11.1996, 95/20/0577).

 

Aus den oa. Ausführungen ergibt sich im gegenständlichen Fall Folgendes: Beim BF handelt es sich um einen jungen, gesunden, mobilen, arbeitsfähigen, in der Türkei sozialisierten männlichen Türken, welcher bereits in der Vergangenheit mehrere Jahre außerhalb seines Heimatortes lebte und grundsätzlich in der Lage war, außerhalb seines Heimatortes sein Leben zu meistern. Auch geht aus dem Akteninhalt hervor, dass der BF mehrere Jahre z. B. in Istanbul lebte, ohne dort irgendwelchen asylrelevanten Übergriffen ausgesetzt gewesen zu sein. Weder aus dem Vorbringen noch aus den sonstigen Ermittlungen ergeben sich irgendwelche Hinweise, dass sich der BF beispielsweise in Istanbul nicht dauerhaft niederlassen könnte. Weder stellt der BF dort eine besonders exponierte Persönlichkeit dar, noch liegen Hinweise vor, dass dem BF ein Leben dort nicht zumutbar wäre. Es wird nicht verkannt, dass sich eine Arbeitsaufnahme in seinem Heimatland unter Umständen schwieriger gestalten wird als in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, dennoch ist aus schwierigen Bedingungen im Zusammenhang mit der Arbeitsaufnahme bzw. der Ausbildung noch keine Asylrelevanz ableitbar; insbesondere unter Beachtung des Umstandes, dass auch seinen engen Familienangehörigen (Eltern, drei Geschwister) ein Leben in Istanbul offensichtlich möglich und zumutbar ist.

 

4.2.5. Dem Umstand, dass der BF und seine Familie im Jahr 1993 aus ihrem Heimatdorf vertrieben wurden, kann zum Entscheidungszeitpunkt schon mangels Aktualität keine Asylrelevanz mehr zukommen. Darüber hinaus steht es - wie bereits ausgeführt - dem BF offen sich in einem anderen Landesteil der Türkei niederzulassen und ist er dem auch bereits vor seiner Ausreise nachgekommen.

 

4.2.6. Der Beschwerdeführervertreter beantragt in der Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme eine mündliche Verhandlung ohne aber die Gründe für die Notwendigkeit der Abhaltung einer solchen darzulegen. Im Beschwerdeschriftsatz vom 23.09.2002 wird die Einvernahme durch die Berufungsbehörde mit dem Hinweis, sich weitere Vorbringen ausdrücklich vorzubehalten, beantragt. Sollte der Beschwerdeführer bzw. dessen Vertreter mit letzterer Formulierung beabsichtigt haben, dass er seine Fluchtgründe nur unter der Bedingung (Vorbehalt) kund tut, wenn er persönlich einvernommen wird, ist anzumerken, dass er schon in der Beschwerde darzutun hat, was er noch an Sachverhalt vorbringen will und inwieweit dieser für seinen Antrag relevant ist. (zB. VwGH 4.7.1994, 94/19/0337). Weder in der Beschwerde noch in der Stellungnahme wird angeführt, was hierbei an entscheidungsrelevantem und zu berücksichtigendem Sachverhalt noch hervorkommen könnte. Wird dies unterlassen, so besteht keine Verpflichtung zur neuerlichen Einvernahme, da damit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung bzw. rechtlichen Würdigung, der sich der Asylgerichtshof anschließt, nicht substantiiert entgegen getreten wird.

 

4.2.7. Der Beschwerdeführer war in der Vergangenheit auch keinen wie immer gearteten eingriffsintensiven Verfolgungshandlungen ausgesetzt und ist er überdies vor seiner Ausreise aus der Türkei nicht aus politischen oder ethnischen, rassischen oder religiösen Gründen ins Blickfeld der Behörden geraten ist. Dass der Antragsteller auf Grund seiner Volksgruppenzugehörigkeit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu befürchten hat, hat er nicht hinreichend dargetan bzw. ist dies auch nicht durch nachvollziehbares Dokumentationsmaterial indiziert.

 

4.2.8. Zum Entscheidungszeitpunkt sind auch keine Umstände notorisch sind, aus denen sich eine ernste Verschlechterung der allgemeinen Lage sowie der Lage der Kurden oder der wirtschaftlich-sozialen Lage in der Türkei ergeben würde. Ferner ist auszuführen, dass sich auch im nunmehr aktuellen Bericht des Auswärtigen Amtes vom 11.09.2008 keine Verschlechterung der allgemeinen Lage sowie der Lage der Kurden oder der wirtschaftlich-sozialen Lage in der Türkei ergibt.

 

4.2.9. Auch das Vorliegen eines Nachfluchtgrundes ist im gegenständlichen Fall zu verneinen. Nach den getroffenen Feststellungen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass türkische Staatsangehörige kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit die aus dem Ausland in ihre Heimat zurückkehren, nunmehr asylrelevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt wären.

 

4.2.10. Ferner wird noch darauf hingewiesen, dass - auch unter Berücksichtigung des zur Zeit wieder verschärften Vorgehens des türkischen Staates gegen militante Kurden - derzeit keine aktuellen Berichte über die Lage der Kurden in der Türkei und damit keine von Amts wegen aufzugreifenden Anhaltspunkte dafür existieren, dass gegenwärtig Personen kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit in der Türkei generell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit einer asylrelevanten - sohin auch einer maßgeblichen Intensität erreichenden - Verfolgung ausgesetzt bzw. staatlichen Repressionen unterworfen würden. Ein systematisches, flächendeckendes Vorgehen gegen Kurden, welches dieser Personengruppe einen Verbleib in der Türkei unerträglich machen würde, ist sohin nicht feststellbar.

 

4.2.10. Auch das nun erstmalig und neu erstattete Vorbringen des Beschwerdeführervertreters in der Stellungnahme zum Ermittlungsergebnis gemäß § 45 Absatz 3 AVG, dass der BF nämlich als Reservist im letzten Jahr wieder eingezogen werden hätte sollen, er vom türkischen Militär zur Fahndung ausgeschrieben worden wäre und er im Falle seiner Rückkehr einem strafgerichtlichen Verfahren unterzogen werden würde, kann zu keinem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis führen; dies aus folgenden nachstehenden Gründen:

 

4.2.7.1. Zum einen ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer seit seiner Asylantragstellung im Jänner 2002 bis zur erfolgten Aufforderung gemäß § 45 Absatz 3 AVG kein ergänzendes Beschwerdevorbringen in diese Richtung erstattet hat. Dem Vorbringen in der Stellungnahme vom 23.09.2008, dass der Beschwerdeführer im letzen Jahr, folglich im Jahr 2007, eine Einberufung als Reservist erhalten habe und für den Fall seiner Rückkehr nun ein militärstrafgerichtliches Verfahren zu gewärtigen hätte, kann unter diesem Hintergrund als wenig glaubhaft gewertete werden. Hätte der Beschwerdeführer nämlich tatsächlich in Erfahrung gebracht, dass er im Jahr 2007 zum Reservedienst einberufen worden wäre, so könnte doch erwartet werden, dass der Beschwerdeführer diese relevante Neuerung hinsichtlich seines Asylantrages im Wege eines ergänzenden Beschwerdevorbringens der für sein Asylverfahren zuständigen Behörde zur Kenntnis gebracht hätte. Aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer seiner Mitwirkungspflicht im Rahmen des Asylverfahrens nicht nachgekommen ist, wozu auch die stete Unterrichtung der zuständigen Behörde von wesentlichen verfahrensrelevanten Neuerungen zählt, kann diesem Vorbringen wenig Glaubwürdigkeit zugebilligt werden. Zum anderen gelang es dem Beschwerdeführer auch nicht ein Beweismittel, wie etwa eine Ladung der Militärbehörde, bis zur Ausfertigung gegenständlichen Erkenntnisses in Vorlage zu bringen, was wohl bei tatsächlichem Zutreffen seines Vorbringens erwartet werden könnte, wurde in der Stellungnahme doch ausgeführt, dass er sich bemühen würde ein Dokument beizuschaffen und wurde auch die Frist zur Vorlage eines solchen Dokumentes von ursprünglich 2 Wochen auf 8 Wochen erstreckt.

 

Gemäß der Judikatur des VwGH besteht eine "erhöhte Mitwirkungspflicht" (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279) wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (bB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle (vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78).

 

Ein solcher der Partei zugehöriger Umstand ist wohl bei der Vorlage eines Einberufungsbefehles, welcher nur dem BF oder in Vertretung an dessen enge Familienmitglieder zugestellt werden kann, anzunehmen.

 

Ferner ist auszuführen, dass soweit einzelne Sachverhaltselemente ihre Wurzel im Ausland haben, die Mitwirkungspflicht der Partei in dem Maß höher, als die Pflicht der Behörde zu amtswegigen Erhebungen wegen des Fehlens entsprechender Möglichkeiten geringer ist (vgl VsSlg 6511 F/1990). Die Behörde ist hingegen nur im Rahmen ihrer rechtlichen (zB auf Grund von Rechtshilfeabkommen bestehenden) und tatsächlichen Möglichkeiten zur Durchführung von Erhebungen verhalten (Hengstschläger-Leeb, AVG Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, § 39, Rz 10)

 

Aus diesen näheren Erwägungen war dem Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich der Einberufung zum Reservedienst durch die türkische Militärbehörde die Glaubwürdigkeit zu versagen.

 

4.2.7.2. Mangels Glaubwürdigkeit des in der Stellungnahme vom 23.09.2008 erstatteten Vorbringens, kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer, der sich bereits seit dem Jahr 2002 nicht mehr in der Türkei aufhält, derzeit in der Türkei wegen der Nichtbefolgung hinsichtlich der Einberufung zum Reservedienst gesucht wird.

 

Aber selbst wenn man hypothetisch davon ausginge, dass der Beschwerdeführer in der Türkei zum Reservedienst eingezogen werden würde, wären die Voraussetzungen der Asylgewährung aus folgenden Gründen nicht gegeben:

 

Weder aus den getroffenen Feststellungen noch aus dem Vorbringen des BF ergibt sich nämlich ein hinreichender Anhaltspunkt dafür, dass der Beschwerdeführer bei der Ableistung des Reservedienstes aufgrund seiner kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit systematischen Diskriminierungen ausgesetzt wäre. Der Beschwerdeführer hat gemäß seinem erstinstanzlichen Vorbringen seinen Militärdienst bereits in den Jahren 1999 bis 2001 abgeleistet und hat nicht behauptet, dass er im Zuge seiner Wehrdienstleistung diskriminierender bzw. menschenunwürdiger Behandlung ausgesetzt gewesen wäre. Beim Beschwerdeführer handelt es sich auch nicht um eine Person welche als Gegner des türkischen Staates ins Blickfeld der türkischen Behörden geraten ist, noch um eine Person, welcher eine gewisse Nähe zur PKK unterstellt wird. Dem Beschwerdeführer gelang es somit jedenfalls nicht darzutun, warum er gezielt gegen seine Person gerichtete Verfolgungsmaßnahmen bei einer Einberufung zum Reservedienst zu befürchten habe.

 

4.2.7.3. Ferner ist wie folgt auszuführen:

 

Im Zusammenhang mit Wehrdienstverweigerung und Desertion kommt dem Umstand, dass die Heranziehung zur Militärdienstleistung in einem "grundsätzlichen Recht eines souveränen Staates Deckung findet", Bedeutung zu. Die Überschreitung der Grenzen, die diesem Recht in Bezug auf die Verwendung der Militärdienstleistenden insbesondere durch Vorschriften des Völkerrechtes gesetzt sind, ist bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft im Einzelfall zu berücksichtigen. Nach der älteren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war Furcht vor Verfolgung im Fall der Wehrdienstverweigerung oder Desertion nur dann als asylrechtlich relevant anzusehen, wenn der Asylwerber hinsichtlich seiner Behandlung oder seines Einsatzes während dieses Militärdienstes im Vergleich zu Angehörigen anderer Volksgruppen in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichenderweise benachteiligt würde oder davon auszugehen sei, dass dem Asylwerber eine im Vergleich zu anderen Staatsbürgern härtere Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung drohte (Verstärkter Senat vom 29.06.1994, Slg Nr. 14.089/A; VwGH vom 21.08.2001, 98/01/0600). Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch in seiner jüngeren Rechtsprechung, insbesondere im Erkenntnis vom 21.12.2000, 2000/01/0072 ausgeführt, dass verschärfte Strafdrohungen gegen Wehrdienstverweigerer in Kriegszeiten dann eine Verfolgung im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK darstellen können, wenn diese im Wesentlichen dazu dienen, dass Einberufene erhöhtem Druck zu Teilnahme an Handlungen ausgesetzt sind, die sich gegen die

 

Ziele und Prinzipien der Vereinten Nationen richten (vgl. Art. 1 Abschnitt F), und dem Wehrdienstverweigerer zumindest eine gegen den Staat gerichtete politische Gesinnung unterstellt wird. In den Erkenntnissen vom 21.03.2002, 99/20/0401 und vom 16.04.2002, 99/20/0604 brachte der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck, dass auch die Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung ua. dann zur Asylgewährung führen kann, wenn das Verhalten des Betroffenen im Einzelfall auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht und den Sanktionen - wie etwa bei Anwendung der Folter - jede Verhältnismäßigkeit fehlt.

 

Der gegenständliche Fall ist nun dadurch gekennzeichnet, dass sich der Beschwerdeführer bereits seit Jänner 2002 in Österreich aufhält und gemäß seinen eigenen Angaben den Wehrdienst von 1999 bis November 2001 abgeleistet hat. Dass er im Zuge der Ableistung seines Wehrdienstes irgendwelchen Übergriffen oder asylrelevanter Diskriminierung bzw. Benachteiligung ausgesetzt gewesen wäre, hat er zu keiner Zeit seines Verfahrens vorgebracht. Auch wird den Ausführungen in der Stellungnahme vom 23.09.2008 hinsichtlich der Einberufung zum Reservedienst mit obiger näherer Begründung die Glaubwürdigkeit versagt. Selbst wenn sich der Beschwerdeführer nun auf eine Bestrafung wegen der Nichtbefolgung zur Teilnahme am Reservedienst beruft, so können die diesbzgl. Befürchtungen keine Deckung in den getroffenen Feststellungen zur Situation der Wehrdienstpflichtigen in der Türkei finden, da eine systematische Diskriminierung von Kurden nicht festgestellt werden kann. Auch konnten keine Hinweise darauf gefunden werden, dass die Sanktionen gegen Wehrdienstverweigerer aus Gründen, die in der GFK liegen differieren, oder dass die Sanktionen grundsätzlich jeder Verhältnismäßigkeit entbehren. Es wird nicht verkannt, dass sich die getroffenen Feststellungen vorwiegend auf den Wehrdienst und die Konsequenzen bei einem erfolgten Wehrdienstentzug beziehen, somit keine Feststellungen hinsichtlich der Situation von Personen welche dem Reservedienst keine Folge leisten getroffen wurden, doch erübrigen sich solche schon allein aufgrund des Umstandes, dass im allgemeinen selbst die Weigerung der Militärdienstleistung keinen Asylgrund darstellt und muss dies daher im Sinne eines Analogieschlusses umsomehr für die Nichtbefolgung der Einberufung zum Reservedienst gelten (bei hypothetischer Glaubhaftunterstellung des Vorbringens hinsichtlich der Einberufung zum Reservedienst).

 

4.2.7.4. Desweiteren ist noch wie folgt auszuführen:

 

Aus den getroffenen Länderfeststellungen ergibt sich, dass für Personen welche den Wehrdienst unentschuldigt nicht abgeleistet haben, die Möglichkeit besteht, dass diese im Falle einer Rückkehr in die Türkei mit einem Verfahren vor einem türkischen Militärgericht nach Art. 63 des türkischen Militärstrafrechts zu rechnen haben, und ihnen in diesem Verfahren eine Gefängnisstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren drohen könnte. Nachdem diese Personen ihre Haftstrafe abgebüßt haben, werden sie den Wehrdienst ableisten müssen, ein Recht auf Wehrdienstverweigerung gibt es nicht. Dies alles ergibt sich aus den getroffenen Länderfeststellungen sowie dem Amtswissen. Dass eine solche Haftstrafe in Vollstreckung einer (auch real drohenden) Haft zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führt, ist nicht zu erkennen, da sich dies aus den Länderberichten nicht hinreichend ergibt. Der Asylgerichtshof verkennt dabei nicht, dass es in der Türkei während der Ableistung des Wehrdienstes zu Menschenrechtsverletzungen kommen kann (vgl. etwa EGMR Ulke v Turkey), es ergibt sich jedoch aus den getroffenen Länderfeststellungen und dem Amtswissen, dass nur dann ein reales Risiko einer Verletzung von Art. 3 EMRK besteht, wenn bestimmte Faktoren in einer Gesamtbetrachtung für eine solche Verletzung sprechen. Dies wären eine (gegen die Streitkräfte gerichtet) oppositionelle Tätigkeit - etwa bei einer Friedensbewegung -, die öffentliche Vernichtung des Einberufungsbefehls oder eine andere vergleichbare Handlung, mehrere strafrechtliche Verfolgungen (soweit der Betreffende in dieser Zeit in der Türkei war) und daraus resultierend mehrere Bestrafungen, sich wiederholende und aufeinanderfolgende gleichartige Bestrafungen.

 

Der gegenständliche Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass der Beschwerdeführer seinen Wehrdienst bereits abgeleistet hat und es im Rahmen dieser Ableistung zu keinen Übergriffen oder Diskriminierungen gekommen ist. Selbst wenn der Beschwerdeführer nun tatsächlich eine Einberufung zum Reservedienst erhalten hätte und er dieser nicht Folge geleistet hat, so könnte daraus zweifelsfrei keine strengere Bestrafung als bei der Nichtbefolgung zur Einberufung zum Militärdienst resultieren und sind die og. Ausführungen auch sinngemäß für den gegenständlichen Fall anzuwenden, nur dass eine allfällige Bestrafung wegen der Weigerung zur Einberufung zum Reservedienst zweifelsfrei geringer ausfallen wird als im Falle der Weigerung zur Einberufung des Militärdienstes; dies vor allem unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beschwerdeführer seinen Wehrdienst von 1999 bis November 2001 abgeleistet hat, ohne Opfer von Übergriffen oder Diskriminierung geworden zu sein.

 

Der Beschwerdeführer hat somit nicht vorgebracht, dass ein möglicher Dienst an der Waffe mit seinen Moralvorstellungen nicht vereinbar sei, da er seinen Dienst doch bereits abgeleistet hat. Darüber hinaus hat er eine negative Einstellung gegen das Militär in keiner Art und Weise nach außen getragen und handelt es sich bei ihm auch nicht um eine Person welche oppositionelle Tätigkeiten durchführt und hat er weder den Einberufungsbefehl zum Reservedienst (bei hypothetischer Glaubhaftunterstellung des Vorbringens) öffentlich vernichtet, noch war er während seines Aufenthaltes in der Türkei dort vermehrt strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt. Insoweit ist dem Auswärtigen Amt zu folgen, dass kein reales Risiko einer relevanten Menschenrechtsverletzung im Zusammenhang mit der Ableistung des Wehrdienstes gegeben ist und muss dies umsomehr für die Ableistung des Reservedienstes Geltung haben. Es wird nicht verkannt, dass Personen welchen aus Sicht des Militärs eine oppositionelle Gesinnung vorzuwerfen ist - etwa weil sie bei oppositionellen Gruppen tätig waren oder nicht hinreichend türkisch sprechen - dass diese durchaus in Gefahr schweben können, unmenschlich und erniedrigend behandelt zu werden; eine allgemeine Gefahr - als ein auch den Beschwerdeführer treffendes reales Risiko einer relevanten Verletzung der Rechte nach Art. 2 und 3 EMRK unterworfen zu werden - ist aber im gegebenen Fall nicht zu sehen. Bei Würdigung sämtlicher Umstände ist sohin ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten Rechte während einer wohl drohenden Haft wegen der Verweigerung des Reservedienstes oder während der Ableistung des Reservedienstes im vorliegenden Fall nicht zu erkennen; das ergibt sich sowohl aus dem Amtswissen und den Länderdokumenten zum Wehrdienst, welche im Sinne eines Analogieschlusses grundsätzlich auch für den Reservedienst gelten müssen, denen der Beschwerdeführer respektive sein Vertreter nicht hinreichend entgegengetreten ist.

 

4.2.7.5. Die hier getroffene Würdigung zum Militärdienst in der Türkei entspricht auch der überwiegenden jüngsten Entscheidungspraxis, respektive Rechtsprechung in Deutschland und der Schweiz (angesichts des notorischen Prozesses der Vergemeinschaftung des Asylrechts können solche Umstände jedenfalls nicht (mehr) als für die österreichische Rechtsordnung gänzlich unbeachtlich angesehen werden) und steht auch nicht mit der bekannten österreichischen höchstgerichtlichen Judikatur in Widerspruch.

 

Zur deutschen Rechtsprechung:

 

So führt das Verwaltungsgericht Ansbach beispielsweise in seinem

Urteil vom 28.11.2007, Az: AN 1 K 06.30930 mit Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes wie folgt aus:

 

"Sollte der Kläger tatsächlich bei einer Rückkehr in die Türkei dort seinen Wehrdienst ableisten müssen, hätte jedoch ein damit begründetes Vorgehen der türkischen Behörden gegen den Kläger einen reinen strafrechtlichen und keinen politisch motivierten Hintergrund, da nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 10. September 1999, 9 B 7/99) die zwangsweise Heranziehung zum Wehrdienst und die damit zusammenhängenden Sanktionen, selbst wenn sie von weltanschaulich totalitären Staaten ausgehen, nicht schlechthin eine politische Verfolgung darstellen. Dahin schlagen derartige Maßnahmen nur dann um, wenn sie zielgerichtet gegenüber bestimmten Personen eingesetzt werden, die dadurch gerade wegen ihrer Religion, ihrer politischen Überzeugung oder eines sonstigen asylerheblichen persönlichen Merkmals getroffen werden sollen. Dies trifft jedoch nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 25. Oktober 2007 für türkische Staatsangehörige, die sich durch Aufenthalt im Ausland der Einberufung zum Wehrdienst entzogen haben, ersichtlich nicht zu."

 

Auch das Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder führt in seinem Urteil vom 10.07.2007, Az: 3 K 815/01.A zum Wehrdienst in der Türkei und Asylrelevanz wie folgt aus:

 

"(..)der Kläger kann auch mit Blick auf den Wehrdienst in der Türkei keinen Abschiebungsschutz beanspruchen. Eine Verurteilung wegen Wehrdienstentziehung würde erst dann in eine politische Verfolgung umschlagen, wenn sie nicht zur Durchsetzung einer gesetzlich allgemein festgelegten staatsbürgerlichen Pflicht und Sicherung der Wehrfähigkeit diente, sondern zielgerichtet gegenüber bestimmten Personen eingesetzt werden würde, die durch diese Maßnahmen gerade wegen ihrer Religion, ihrer politischen Überzeugung oder eines sonstigen asylerheblichen persönlichen Merkmals getroffen werden sollen (BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 1988 - 9 C 22.88 -, InfAuslR 1989, 169; Urteil vom 31. März 1992 - 9 C 57.91 -, NVwZ 1993, 193 [194]). Hiervon kann bei dem Kläger nicht die Rede sein. Der Kläger muss auch während der Ableistung seines Wehrdienstes aufgrund seiner kurdischen Volkszugehörigkeit keine ausgrenzende Behandlung im Hinblick auf asylerhebliche Merkmale befürchten. So gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass Soldaten kurdischer Herkunft etwa gezielt in Kampfgebieten oder bei besonders gefährlichen Einsätzen eingesetzt würden (Oberdiek vom 2. April 1997 an OVG Mecklenburg-Vorpommern; Auswärtiges Amt vom 13. Oktober 1997 an VG Wiesbaden; vgl. zum Ganzen auch VG Berlin, Urteil vom 17. Mai 2001 - VG 36 X 682.95 -, S. 8 f.)."

 

Ferner ist auf das Urteil des Verwaltungsgerichtes Düsseldorf vom 18.06.2007, Az: 4 K 840/07.A zu verweisen in welchem ausgeführt wird, dass der Kläger auch keine politische Verfolgung wegen seiner Desertierung vom Wehrdienst zu befürchten habe. Kurden drohe nämlich im Allgemeinen weder bei Erfüllung der Wehrpflicht noch im Zusammenhang mit einer etwaigen Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung oder Fahnenflucht politische Verfolgung in der Türkei (vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. April 2005 - 8 A 273/04.A -, S. 74 ff.).

 

Auch das Oberverwaltungsgericht Hamburg kommt in seinem Beschluss vom 16.04.2007, Az: 4 Bf 241/00.A zum Ergebnis, dass der Kläger als kurdischer Volkszugehöriger hinreichend sicher vor asylrelevanten Verfolgungsmaßnahmen während des von ihm in der Türkei wahrscheinlich noch abzuleistenden Militärdienstes oder weil er sich während seines langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet dem türkischen Wehrdienst entzogen hat, ist. Dies entspräche der ständigen Rechtsprechung des Senats (zuletzt Urt. v. 3.5.2006, 4 Bf 3/92.A, UA Seite 26).

 

Letztendlich ist noch auf das Urteil der Verwaltungsgerichtes Berlin vom 23.06.2006, Az: VG 36 X 393.97, zu verweisen, in welchem dieses wie folgt ausführt:

 

"Der Kläger, der die Türkei im Alter von 13 Jahren verließ, kann auch nicht als Asylberechtigter anerkannt werden, weil er seinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet hat.

 

Da der Kläger bisher nicht gemustert worden ist und seinen Militärdienst bislang nicht angetreten hat, ohne davon befreit oder zumindest vorübergehend zurückgestellt worden zu sein, muss er im Falle seiner Rückkehr in die Türkei daher damit rechnen, dass seine Militärdienstsituation im Rahmen der Einreisekontrolle überprüft und er daraufhin sofort der Militärdienstbehörde überstellt und zu seiner Einheit beordert wird (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 12. August 2003, S. 53). Zugleich mag ihm womöglich ein Strafverfahren wegen Wehrdienstentziehung drohen. Dies allein ist nach ständiger Rechtsprechung der Kammer und der obergerichtlichen Rechtsprechung als asylrechtlich unbeachtlich anzusehen, da die Heranziehung zum Wehrdienst und deren staatliche San

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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