TE OGH 1979/2/26 9Os145/78 (9Os146/78, 9Os147/78, 9Os148/78)

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.02.1979
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Februar 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Faseth, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schmelcher als Schriftführer in der Strafsache gegen Reinhard A und andere wegen des Vergehens nach § 9 SGG und eines anderen Deliktes über die von der Generalprokuratur gegen die Verfügungen des Untersuchungsrichters des Landesgerichtes Linz vom 14.11. und 13.12.1977 sowie vom 3.1.1978, AZ 26 E Vr 2583/77, 17 Ur 271/77 erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

I. Der Untersuchungsrichter beim Landesgericht Linz leitete mit Beschluß vom 12. November 1977 (zunächst nur) gegen den am 2. Juli 1959 geborenen beschäftigungslosen Reinhard A und gegen den am 19. Jänner 1959 geborenen beschäftigungslosen Johann B die Voruntersuchung wegen des Vergehens nach dem § 9 SuchtgiftG ein und verhängte über die Genannten die Untersuchungshaft gemäß dem § 180 Abs. 2 Z 2 und 3 StPO In der Folge wurde am 3. Jänner 1978 vom Untersuchungsrichter auch über den am 5. März 1957 geborenen beschäftigungslosen Klaus C vorerst die Verwahrungshaft gemäß dem § 175 Abs. 1 Z 3 StPO und am 6. Jänner 1978 die Untersuchungshaft gemäß dem § 180

(Abs. 1 und) Abs. 2 Z 2 und 3 StPO verhängt, nachdem am 5.1.1978 gegen ihn die Voruntersuchung wegen § 299 StGB, 9 SuchtgiftG eingeleitet worden war. Bei Reinhard A und Johann B wurde die Untersuchungshaft zwar am 23. November 1977 gemäß dem § 180 Abs. 5 Z 3 StPO aufgehoben (Band I S. 85 d. A), über die Genannten, und zwar über Johann B am 8. Dezember 1977 (Band I S. 75 a d. A) und über Reinhard A am 11. Februar 1978 (Band I S. 73 b d. A), neuerlich die Untersuchungshaft verhängt. Schließlich wurden Johann B am 25. Jänner 1978 (Band I S. 75 h d. A), Klaus C am 18. April 1978 (Band I S. 325 d. A) und Reinhard Hackl am 26. Mai 1978 (Band I S. 73 e und 375 d. A) abermals aus der Untersuchungshaft entlassen.

Jeweils nach Verhängung der Untersuchungshaft über die drei genannten Beschuldigten - ausgenommen bei der über Reinhard A nach Wiedereinlieferung am 11. Februar 1978 verhängten Untersuchungshaft - wurde dem Untersuchungsrichter vom landesgerichtlichen Gefangenenhaus in Linz das 'Intern. Form. Nr. 149 a' übermittelt, in welchem (wörtlich:) 'um Beantwortung folgender Fragen ersucht wird':

'1.

Aktenzahl:

2.

Wird Rasier- und Haarschneidebewilligung erteilt? (wegen allf. Gegenüberstellung)

3.

Ist Anhaltung in Einzelhaft erforderlich?

4.

Wird er (sie) zum Kirchgang zugelassen?

5.

Kann er (sie) zur Arbeit eingeteilt werden?

(Innenarbeit)

6.

Darf er (sie) eine Tageszeitung abonnieren?

7.

Wird Lern- und Schreiberlaubnis erteilt?

8.

Wäsche- und Kleidertausch von außen durch Angehörige?

9.

Darf er (sie) am Rundfunk- und Fernsehempfang teilnehmen?'

Dieses Formblatt füllte der Untersuchungsrichter jeweils, und zwar bezüglich Reinhard A am 14. November 1977 (vgl. Band I, S. 65 d. A), bezüglich Johann B am 14. November 1977 und am 13. Dezember 1977 (vgl. Band I, S. 71 und 95 d. A) und bezüglich Klaus C am 3. Jänner 1978 (vgl. Band I S. 133 d. A) durch Bejahung oder Verneinung der gestellten Fragen aus, wobei er insbesondere in allen in Rede stehenden Fällen die Frage 6. verneinte; überdies ergänzte er das Formblatt handschriftlich dahin, daß er angab, von welchen Komplizen der Untersuchungshäftling abgesondert werden solle. Weiters teilte er dem Gefangenenhaus mit den Worten '1 Brief pro Woche hinaus' (in einem Fall '1 Brief pro Woche') mit, daß er lediglich einen Brief des Häftlings pro Woche zu zensurieren gedenke.

Inzwischen wurden die Angeklagten Reinhard A, Johann B und Klaus C mit dem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 27. Juni 1978, GZ 26 E Vr 2583/77-67, unter Anrechnung der erlittenen Vorhaftzeiten rechtskräftig verurteilt.

II. Wegen dieser Vorgänge, in denen sie Verletzungen des Gesetzes, und zwar 1.) durch die Beschränkung der Schreiberlaubnis für die genannten Untersuchungshäftlinge auf einen Brief pro Woche in der Bestimmung des § 187 Abs. 2 StPO, 2.) durch die Untersagung, eine Tageszeitung zu abonnieren, in der Bestimmung des § 186 Abs. 6 StPO und 3.) durch die (nach dem Gesetz dem Anstaltsleiter oder den von diesem dazu bestellten Vollzugsbediensteten zustehenden) Anordnungen und Entscheidungen laut den Punkten 2., 4. (hinsichtlich des Gottesdienstbesuches an sich), 6., 7. (hinsichtlich der Erteilung der Lernerlaubnis) und 9. des internen Formblattes Nr. 149 a in den Bestimmungen des § 188 Abs. 1 und Abs. 3 StPO erblickt, brachte die Generalprokuratur gemäß § 33 Abs. 2 StPO eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ein, in der sie wie folgt ausführt:

Rechtliche Beurteilung

'1.) Gemäß dem § 187 Abs. 2 StPO unterliegt der Briefverkehr eines Untersuchungshäftlings keinen Beschränkungen, es sei denn, daß durch den außerordentlichen Umfang des Briefverkehrs eines Untersuchungshäftlings (im Einzelfall) die überwachung beeinträchtigt wird. In diesem Fall sind vom Untersuchungsrichter diejenigen Beschränkungen anzuordnen, die für eine einwandfreie überwachung notwendig sind. Eine generelle Beschränkung der Schreiberlaubnis, etwa auf einen Brief pro Woche, wie sie der Untersuchungsrichter in Ansehung der Beschuldigten A, B und C verfügte, oder gar eine Verweigerung derselben - eine solche wurde vorliegend zwar nicht angeordnet, nach dem Wortlaut der Frage Punkt 7. des internen Formulars Nr. 149 a jedoch vom Landesgericht Linz ersichtlich für an sich zulässig erachtet - widerspricht daher dem klaren Wortlaut des Gesetzes. Daß durch den außerordentlichen Umfang des Briefverkehrs eines der genannten Untersuchungshäftlinge die überwachung des Briefverkehrs beeinträchtigt gewesen wäre, ist - abgesehen davon, daß die betreffenden Verfügungen einen entsprechenden Hinweis auf das Vorliegen dieser Voraussetzungen gar nicht enthält -

schon deshalb auszuschließen, weil die erwähnten Beschränkungen der Schreiberlaubnis bereits jeweils kurz nach Einlieferung der Untersuchungshäftlinge angeordnet wurden, in welchem Zeitpunkt deren Briefverkehr keinen Maßnahmen im Sinne des § 187 Abs. 2 StPO rechtfertigenden Umfang erreicht haben konnte.

2.) Nach § 186 Abs. 6 StPO dürfen Einzelnummern oder Teile von Zeitungen und Zeitschriften einem Untersuchungshäftling dann nicht zugänglich gemacht werden, wenn von ihnen Nachteile für die Untersuchung oder eine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt zu besorgen sind. Ein generelles Verbot, eine Tageszeitung - in Einzelnummern oder im Abonnement - zu beziehen, ist demnach gleichfalls nicht im Gesetz gedeckt. Daß in den bezeichneten Fällen vom Bezug einer Zeitung konkrete Nachteile für die Untersuchung oder eine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt zu befürchten gewesen wären, wird weder in den betreffenden Anordnungen dargetan, noch ergeben sich hiefür aus der Aktenlage irgendwelche Hinweise.

Soweit der Untersuchungsrichter daher durch Verneinung der Frage 6. des internen Formulars Nr. 149 a die Verfügung traf, daß den Untersuchungshäftlingen A, B und C nicht gestattet sei, eine Tageszeitung zu abonnieren, verstößt seine Anordnung materiell gegen die Bestimmung des § 186 Abs. 6 StPO 3.) Nach dem § 188 StPO stehen Entscheidungen und Anordnungen hinsichtlich der Anhaltung in Untersuchungshaft dem Untersuchungsrichter nur in den im Abs. 1 bezeichneten Fällen, der Ratskammer gemäß dem Abs. 2 in den Fällen des § 16 Abs. 2 Z 2, 4 und 5 StVG (vgl. RZ 1977/7), im übrigen aber (Abs. 3) dem Anstaltsleiter oder den von diesem dazu bestellten Vollzugsbediensteten zu. Demnach ist der Untersuchungsrichter außer für die überwachung des Briefverkehrs (vgl. EvBl. 1978/49 = LSK 1977/383, 384) und der Besuche nur für jene Anordnungen und Entscheidungen, die sich auf den Verkehr des Untersuchungshäftlings mit der Außenwelt beziehen - ausgenommen die (dem Anstaltsleiter zukommende) überwachung der Paketsendungen - zuständig. Unter den Begriff 'Verkehr mit der Außenwelt' fallen im wesentlichen die in den § 86

bis 100 StVG (vgl. die überschrift zum achten Unterabschnitt des zweiten Abschnittes im dritten Teil des StVG und die Bezugnahme des § 183 Abs. 1 StPO auf dieses Gesetz) genannten Kontakte zu Personen oder Behörden außerhalb des Gefangenenhauses, nicht aber dem Unterricht, der Fortbildung oder der Beschäftigung des Gefangenen (in der Freizeit) dienende Tätigkeiten, wie insbesondere der Bezug von Zeitungen (vgl. § 60 Abs. 2 StVG) oder die Teilnahme am Rundfunk- und Fernsehempfang (vgl. § 58 StVG); insoweit unterliegen die im Interesse der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt und zur Gewährleistung des Haftzwecks gebotenen Maßnahmen daher dem Anstaltsleiter bzw. den von diesem dazu bestellten Vollzugsbediensteten.

Aus all dem folgt, daß sämtliche Anordnungen der im internen Formular Nr. 149 a des Landesgerichtes Linz angeführten Maßnahmen, ausgenommen die Beschränkung der Schreiberlaubnis (nach Maßgabe des § 187 Abs. 2 StPO) sowie (im Einzelfall zur Verhinderung von Verdunklungshandlungen allenfalls) notwendige Beschränkungen, sofern in bezug auf die Vorgänge laut den Punkten 4. und 8. des Formulars ein Kontakt mit der Außenwelt stattfindet, nicht dem Untersuchungsrichter, sondern dem Anstaltsleiter bzw. dem Vollzugspersonal obliegen, welche allerdings berechtigt und in den im zweiten Satz des § 188 Abs. 3 StPO bezeichneten Fällen sogar ex lege verpflichtet sind, eine Äußerung des Untersuchungsrichters einzuholen, um zu gewährleisten, daß auch bei den der Anstaltsleitung obliegenden Anordnungen und Entscheidungen stets auf die Verhinderung von die Untersuchung beeinträchtigenden Verhaltensweisen von Gefangenen Bedacht genommen werden kann. Soweit demnach die von der Anstaltsleitung an den Untersuchungsrichter gestellten Fragen ihrem Wortlaut und Sinne nach als Ersuchen um eine Äußerung zu verstehen sind, wie dies auf die Punkte 3., 5. und 8. des genannten Formulars zutrifft, erscheint eine Beantwortung durch den Untersuchungsrichter jedenfalls unbedenklich. Gleiches gilt für den Hinweis des Untersuchungsrichters auf die Notwendigkeit einer Absonderung des Untersuchungshäftlings von Komplizen. Soferne im übrigen aber der Bejahung oder Verneinung der gestellten Fragen durch den Untersuchungsrichter die Bedeutung der Erteilung oder Versagung einer Bewilligung zukommt - wie in Ansehung der Punkte 2., 4. (hinsichtlich des Gottesdienstbesuches an sich), 6., 7. (hinsichtlich der Erteilung der Lernerlaubnis) und 9. des internen Formblattes 149 a - widersprechen die so getroffenen Anordnungen mangels Zuständigkeit des Untersuchungsrichters den Bestimmungen des § 188 Abs. 1 und 3 StPO' III. Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Gemäß § 183 Abs. 1 StPO sind auf die Anhaltung in Untersuchungshaft die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit ein Jahr nicht übersteigt, dem Sinne nach anzuwenden, es sei denn, daß in der Strafprozeßordnung etwas Besonderes bestimmt ist. Vom Strafvollzugsgesetz abweichende Vorschriften hat der Gesetzgeber in Berücksichtigung der Tatsache, daß die Zwecke der Verwahrungs- und Untersuchungshaft in verschiedenen Belangen eine andere, als die auf den Zweck des Strafvollzuges abgestimmte Regelung des Strafvollzugsgesetzes notwendig machen, insbesondere in den § 184 bis 189 StPO, erlassen. Unter anderem nahm er - abweichend vom Strafvollzugsgesetz, das der Vollzugsbehörde (also dem Anstaltsleiter oder den von ihm hiezu ermächtigten Vollzugsbeamten) fast alle Anordnungen und Entscheidungen betreffend den Strafvollzug überläßt und nur bei wenigen Entscheidungen die Kompetenz des Vollzugsgerichtes vorsieht - eine Aufteilung der Zuständigkeit zur Erlassung von Anordnungen und Entscheidungen hinsichtlich der Anhaltung in Untersuchungshaft zwischen dem Untersuchungsrichter, der Ratskammer und dem Anstaltsleiter (bzw. dem von diesem bestellten Vollzugsbediensteten) vor.

überdies ordnet er an, daß der Anstaltsleiter in den im § 188 Abs. 3 StPO angeführten Fällen vor seiner Entscheidung eine Äußerung des Untersuchungsrichters einzuholen und diesem über alle die Haftzwecke möglicherweise beeinträchtigenden Vorfälle Mitteilung zu machen hat. Ziel dieser gesetzlichen Regelung ist die Sicherung der Haftzwecke; eines der Mittel hiezu ist die Harmonisierung der Tätigkeiten des Gerichtes und des - nach dem Grundsatz der Gewaltentrennung unabhängig von ihm agierenden - Anstaltsleiters durch Institutionalisierung von Anhörungsrechten und Verständigungspflichten (siehe dazu die Erläuternden Bemerkungen zu § 184 und 188 der RV zur Strafprozeßnovelle 1972, BGBl. Nr. 143/1972). Dabei wird dem Anstaltsleiter im Gesetz die Einholung einer Stellungnahme des Untersuchungsrichters zwar nur in bestimmten Fällen zur Pflicht gemacht, ihm dadurch jedoch keineswegs untersagt, die Meinung des Untersuchungsrichters zu sonstigen (im § 188 Abs. 3 StPO nicht angeführten) Haftzwecke berührenden Umständen zu erfragen, die nach dem Gesetz (§ 188 Abs. 3 StPO) Gegenstand einer von ihm (dem Anstaltsleiter) hinsichtlich der Anhaltung in Untersuchungshaft zu treffenden Entscheidung sind. Auch wird der Anstaltsleiter nicht dazu verpflichtet, eine der Äußerung des Untersuchungsrichters entsprechende Entscheidung zu treffen, weshalb dessen nicht in Form eines gerichtlichen Erkenntnisses ergehende Mitteilung - rechtlich - als eine den Anstaltsleiter nicht verpflichtende Empfehlung zu werten ist, die sohin keinerlei Bindungswirkung hat.

Mit Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes anfechtbar sind gemäß § 33 StPO Urteile der Strafgerichte, die auf einer Verletzung oder unrichtigen Anwendung des Gesetzes beruhen, sowie gesetzwidrige Beschlüsse oder Vorgänge eines Strafgerichtes. Der nachprüfenden Kontrolle auf ihre Gesetzlichkeit unterliegt sohin die gesamte richterliche Tätigkeit (vgl. Estl, Österr. Rechtsmittel zur Wahrung der Gesetzmäßigkeit und der materiellen Wahrheit, GS. Band 112 S. 222 ff., insbesondere 226, sowie Ullmann, Lehrbuch des österreichischen Strafprozesses, 2. Auflage, S. 783); dies allerdings nur insoweit, als sich der Oberste Gerichtshof in der Regel auf die Prüfung der Frage zu beschränken hat, ob der Richter im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens handelte.

Ermessensentscheidungen können nämlich im allgemeinen im Verfahren über eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nicht überprüft werden (Estl, a.a.O.; Pallin in 'Hundert Jahre österreichische Strafprozeßordnung, 1873 - 1973' S. 175; Gebert-Pallin-Pfeiffer, Nr. 3 ff, zu § 292 StPO).

Unter diesem Blickwinkel betrachtet kann in dem vom Untersuchungsrichter eingehaltenen Vorgang - der Beantwortung der vom Anstaltsleiter gestellten Fragen - eine der Prüfung durch den Obersten Gerichtshof zugängliche Gesetzesverletzung nicht erblickt werden. Die Stellungnahme des Untersuchungsrichters zur Frage 5 (des Formblattes) war, wie die Beschwerde in anderem Zusammenhang selbst einräumt, geradezu geboten, weil diese Frage einen der im § 188 Abs. 3 (§ 186 Abs. 5) erster Satz StPO angeführten Fälle betrifft, bezüglich deren der Anstaltsleiter den Untersuchungsrichter vor seiner Entscheidung zu hören hat.

Eine Äußerung des Letztgenannten zu den (nicht gerade glücklich formulierten) Fragen 2 bis 4 und 6 bis 9

(des Formulars) war, wiewohl der Anstaltsleiter diesbezüglich selbst Anordnungen und Entscheidungen zu treffen hat, nach dem oben Gesagten jedenfalls zulässig, weil sich diese Fragen durchwegs auf Umstände bzw. Geschehen beziehen, die zu einer Beeinträchtigung der Haftzwecke führen können.

Desgleichen war der Untersuchungsrichter auch dazu berechtigt, dem Anstaltsleiter ohne darauf bezügliche Anfragen bekanntzugeben, daß er den Briefverkehr der genannten Häftlinge (gegebenenfalls) auf einen Brief pro Woche zu beschränken gedenke. Eine für die Untersuchungsgefangenen (oder den Anstaltsleiter) verbindliche Anordnung oder Entscheidung stellt diese formlose, lediglich an das Gefangenenhaus adressierte Mitteilung, wie bereits eingangs erwähnt, nicht dar, zumal sie den für gerichtliche Anordnungen oder Entscheidungen geltenden Formerfordernissen nicht entspricht und den Untersuchungsgefangenen nach der Aktenlage auch nicht als gerichtliche Verfügung bekanntzumachen (§ 77 StPO) war. Von einem Eingriff des Gerichtes in einen fremden Machtbereich - der zur Aufhebung der vom Gericht getroffenen Entscheidung führen müßte (EvBl. 1946, 113) - kann bei einer Wertung der mehrfach erwähnten Schreiben des Untersuchungsrichters als bloße Fragebeantwortung keine Rede sein. Eine inhaltliche Prüfung der gegebenen Antworten auf ihre Gesetzmäßigkeit durch den Obersten Gerichtshof ist unzulässig, weil der Untersuchungsrichter bei der Erledigung der vorliegenden Anfragen (zwar in Ausübung eines Rechtes bzw. einer Pflicht gehandelt, aber) Recht nicht in einer Weise angewendet hat, die unmittelbar zu einer Verletzung des Gesetzes führte. Der Vollständigkeit halber sei noch darauf verwiesen, daß vorliegend der Untersuchungsrichter nur zu der vom Anstaltsleiter nach den für ihn maßgeblichen Vorschriften zu entscheidenden Frage Stellung genommen hat, ob den Untersuchungsgefangenen das Abonnement von Zeitungen durch Vermittlung der Anstalt (§ 60 Abs. 2 StVG) gestattet werden solle (oder ob aus der Sicht des Untersuchungsrichters hiegegen Bedenken bestünden). Der Hinweis der Beschwerde auf die (§ 60 Abs. 1 StVG bloß in Ansehung von Zeitungen und Zeitschriften ersetzende) Bestimmung des § 186 Abs. 6 StPO, die lediglich das Verbot des Zugänglichmachens von Einzelnummern oder Teilen von Zeitungen und Zeitschriften wegen drohender Nachteile für die Untersuchung oder Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt (und keine Zuständigkeitsregelung) enthält, ist daher von vornherein verfehlt.

Zu den Ausführungen der Beschwerde über die Zulässigkeit einer Beschränkung des Briefverkehrs ist zunächst zu bemerken, daß sich die Frage 7 (des Formblattes) ersichtlich nicht auf das Schreiben von Briefen bezieht, sondern auf schriftliche Arbeiten (§ 62 StVG), wie sie sich im Zuge eines Lernprozesses gelegentlich ergeben. Im übrigen kann bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Beschränkung des Briefverkehrs die Anzahl der vom Gefangenen abgesendeten oder empfangenen Briefe nicht das allein maßgebliche Kriterium sein. Es ist diesbezüglich vielmehr auch auf die sonstige Belastung des Untersuchungsrichters mit Agenden der Rechtspflege Bedacht zu nehmen, die unter Umständen schon bei einem verhältnismäßig kleinen Umfang des Briefverkehrs eine (ordentliche) überwachung der Häftlingspost äußerst schwierig macht. Insgesamt aber stellt sich die Beantwortung der Frage, ob die für eine einwandfreie überwachung (§ 187 Abs. 2 StPO) des Briefverkehrs erforderlichen Voraussetzungen in tatsächlicher Hinsicht gegeben sind, als Ermessensentscheidung dar, die der Untersuchungsrichter im Rahmen des Gesetzes trifft. Sie kann daher in der Regel (vgl. dazu Pallin, a.a.O., 171, 175, sowie die dort zitierte Judikatur) nicht mit Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes angefochten werden.

Aus den angeführten Gründen war der Beschwerde ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E01802

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0090OS00145.78.0226.000

Dokumentnummer

JJT_19790226_OGH0002_0090OS00145_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten