TE Vwgh Erkenntnis 1993/2/11 90/06/0110

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Veröffentlicht am 11.02.1993
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Index

L82000 Bauordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §14 Abs3;
AVG §15;
AVG §39 Abs2;
AVG §42 Abs1;
AVG §44;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde 1.) des AL und 2.) der RL in G, beide vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 18. Juni 1990, Zl. 03-12 La 62-90/8, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1) WP und 2) JP in G, beide vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in L, 3) Gemeinde G, vertreten durch den Bürgermeister),

Spruch

A. den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin sowie die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers, soweit er sich gegen Punkt II des angefochtenen Bescheides richtet, werden zurückgewiesen.

Die Zweitbeschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der erst- und zweitmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Punktes I des Spruches wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Am 13. Juni 1989 suchten die erst- und zweitmitbeteiligte Partei um Bewilligung für die Errichtung eines Zubaues zum Wohnhaus auf dem Baugrundstück Nr. nn, KG G, im Ausmaß von 8,62 m x 6,20 m, Höhe 2,70 m, mit einem überdachten Durchgang, der eine Eingangsstiege zum Wohnhaus beinhalte, an. Der Bau sollte direkt an die nordöstliche Hausfront des bestehenden Wohnhauses und an die Grundgrenze des Grundstückes Nr. nn/1, KG G, (Nachbargrundstück der Beschwerdeführer) gebaut werden. Zur Bauverhandlung am 15. Juni 1989 wurden die Beschwerdeführer unter Hinweis auf § 42 AVG geladen.

Nach der Niederschrift dieser Verhandlung erklärte der Erstbeschwerdeführer, daß er gegen die Errichtung des gegenständlichen Zubaues mit Gerätehütte "Einspruch" erhebe. Auf Befragung des Verhandlungsleiters gab er - nach der Aktenlage - an, daß er die Begründung für den "Einspruch" der nächsthöheren Instanz bekanntgeben werde.

Der Erstbeschwerdeführer entfernte sich jedoch vor Abfassung der Niederschrift. Nach deren Abfassung wurde er vom Verhandlungsleiter aufgesucht und zur Unterschriftsleistung auf dem Protokoll ersucht, was der Erstbeschwerdeführer nach Kenntnisnahme des Inhaltes der Niederschrift verweigerte. Trotzdem fertigte der Verhandlungsleiter die Niederschrift, ohne die Richtigkeit der schriftlichen Wiedergabe ausdrücklich zu bestätigen.

Nach der von der Baubehörde eingeholten Stellungnahme der "Planungsgemeinschaft für Raumordnung" wäre das Bauvorhaben zulässig, sofern mit Zustimmung des Nachbarn auch ihm ein Anbaurecht für das Grundstück Nr. nn/1, KG G, baulich und widmungsgemäß eingeräumt werden könne, oder aber ein Gemeinderatsbeschluß vorliege, wonach Grundstücksgrenzen mit Baugrenzlinien - sinngemäß - identisch anzusehen seien. Die Einbehaltung bzw. eine Beibehaltung der offenen Bauweise erfordere jedoch einen Mindestabstand von 1 m zur Nachbargrenze nn/1, KG G, der für Geräteraum/Garagenteil als zulässig anzusehen sei (keine Reichenbildung, Weglassung Durchgang).

Mit Bescheid vom 3. Oktober 1989 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde der erst- und der zweitmitbeteiligten Partei die Baubewilligung, ohne auf die wiedergegebene Stellungnahme der "Planungsgemeinschaft" einzugehen.

Am 19. Oktober 1989 erhob (nur) der Erstbeschwerdeführer "Einspruch" gegen das gegenständliche Bauvorhaben. Hiebei führte er aus, daß er sich gegen die "Verbauung an der Grundgrenze, Abstand von 3 m, sowie Einhaltung der Firstrichtung laut Widmung vom 12.5.1971 (d.h. Firstrichtung gleich wie beim Wohnhaus und Herunterziehen des Daches über den Zubau)" richte.

Der Gemeinderat wies am 2. April 1990 die Berufung des Erstbeschwerdeführers als unbegründet ab, da der "Einspruch" trotz Aufforderung durch den Verhandlungsleiter nicht näher konkretisiert worden sei. Eine von der Baubehörde zu beachtende Einwendung sei nicht vorgebracht worden, da ein Vorbringen, das die Behauptung der Verletzung eines subjektiven Rechtes durch den Gegenstand des Bewilligungsverfahren beinhalte, nicht dargetan worden sei. Insofern sei der jetzige Erstbeschwerdeführer gemäß § 42 Abs. 1 AVG als zustimmend anzusehen.

Mit Schreiben vom 17. April 1990 erhoben BEIDE Beschwerdeführer einen "Einspruch" gegen den Bescheid des Gemeinderates vom 2. April 1990. Es sei unrichtig, daß sie ihr Begehren anläßlich der örtlichen Verhandlung nicht vorgetragen hätten. Ihr Vorbringen sei im Protokoll nicht festgehalten worden, weshalb auch der Erstbeschwerdeführer die Unterschrift verweigert habe. Die Beschwerdeführer hätten sich von vornherein gegen den geplanten Zubau der erst- und zweitmitbeteiligten Partei ausgesprochen, insbesondere gegen eine Verbauung bis zur Grundgrenze ihres Grundstückes, wodurch die Abstandsvorschriften der Stmk. Bauordnung (Stmk. BO) nicht eingehalten würden. Auch die geplante Gebäudehöhe hätte bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Bauvorhabens entsprechende Beachtung finden müssen. Außerdem sei von der Baubehörde ein Sachverständiger zugezogen worden, der auch Planverfasser des in Frage stehenden Zubaues sei, weshalb ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliege.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung des Erstbeschwerdeführers im Spruch I als unbegründet ab, die Vorstellung der Zweitbeschwerdeführerin im Spruch II als unzulässig zurück. Nach Wiedergabe der Verfahrens- und Rechtslage führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, daß rechtzeitige Einwendungen von seiten des Erstbeschwerdeführers nicht vorgebracht wurden. Auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG sei in der Ladung zur Bauverhandlung hingewiesen worden. Einwendungen im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter Hinweis auf das Erkenntnis in der VwSlg. Nr. 4966/A seien nicht rechtzeitig vorgebracht worden. Erst in der Vorstellungsschrift habe der Erstbeschwerdeführer ausgeführt, daß das Protokoll hinsichtlich seines Begehrens lückenhaft sei. Zweifel an der Richtigkeit des Protokolles anläßlich der Ortsverhandlung seien von seiten der Vorstellungsbehörde nicht gegeben. Dem Erstbeschwerdeführer sei es bei einem lückenhaften Protokoll ohne weiteres möglich gewesen, bereits in der Berufungsschrift auf eine seiner Meinung nach unvollständige Protokollierung hinzuweisen, zumal im erstinstanzlichen Bescheid in vollständiger Weise auf den diesbezüglichen Protokollierungsvorgang anläßlich der Ortsverhandlung hingewiesen wurde. Auf Grund der Berufung hätte dann ein Beweisverfahren über die Richtigkeit des Protokolles durchgeführt werden können. Bei der jetzigen Sach- und Rechtslage sei jedoch von einer formgerecht errichteten Verhandlungsschrift im Sinne des § 14 AVG auszugehen. Infolge der eingetretenen Präklusion wäre die Vorstellung demnach als unbegründet abzuweisen gewesen.

Zur Vorstellung der Zweitbeschwerdeführerin führt die belangte Behörde aus, daß nach der Aktenlage der Instanzenzug der Gemeindebehörden nicht ausgeschöpft worden sei. Berufungswerber sei nur der Erstbeschwerdeführer gewesen, so daß in sinngemäßer Anwendung des § 66 Abs. 4 AVG die Vorstellung unzulässig gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer eine gemeinsam ausgeführte Beschwerde - offenbar wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes -, wobei sie sich ausdrücklich (nur) in ihrem Recht als Anrainer verletzt erachteten, daß nicht bis zu ihrer Grundgrenze gebaut werden dürfe und den Bescheid "seinem ganzen Inhalt nach" anfochten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligten Parteien - eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

A.

Durch die Zurückweisung der Vorstellung der Zweitbeschwerdeführerin kann diese nur in ihrem Recht auf meritorische Entscheidung verletzt sein. In dem von ihr geltend gemachten Beschwerdepunkt, in ihrem Recht als Anrainerin verletzt zu sein, daß nicht bis zu ihrer Grundgrenze gebaut werden dürfe, kann die Zweitbeschwerdeführerin nicht verletzt sein, sodaß ihre Beschwerde gemäß § 34 VwGG zurückzuweisen war.

Dasselbe gilt für den Erstbeschwerdeführer, soweit er ebenfalls die Zurückweisung der Vorstellung der Zweitbeschwerdeführerin (mit)bekämpft.

Der Vollständigkeit halber wird aber darauf hingewiesen, daß die Zurückweisung der Vorstellung der Zweitbeschwerdeführerin mangels Ausschöpfung des Instanzenzuges innerhalb der Gemeinde der Rechtslage entspricht.

B.

§ 4 Abs. 1 und 2 der Stmk. Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 143 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 14/1989 (BO), lautet:

"§ 4

Abstände

(1) Gebäude müssen entweder unmittelbar aneinander gebaut werden oder voneinander einen ausreichenden Abstand haben. Werden zwei Gebäude nicht unmittelbar aneinander gebaut, muß ihr Abstand mindestens so viele Meter betragen, wie die Summe der beiderseitigen Geschoßanzahl, vermehrt um 4, ergibt. Eine Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrundgrenze errichtet wird, muß von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, als die Anzahl der Geschosse, vermehrt um 2, ergibt. Bei Gebäuden ohne die übliche Geschoßeinteilung errechnet sich die Geschoßanzahl aus der Gebäudehöhe in metern, geteilt durch 3.

(2) Die Baubehörde kann bei Gebäuden auf einem und demselben Bauplatz auch geringere Abstände der Gebäude voneinander festsetzen. Bei kleineren, ebenerdigen, unbewohnten Bauten von untergeordneter Bedeutung, wie z.B. bei Geräteschuppen, Kleingaragen, Waschküchen, Holzlagen u.dgl., können geringere Abstände von den Nachbargrundgrenzen und Nachbargebäuden festgesetzt werden. Reichen, das sind Gebäudeabstände von weniger als 2 m, sind verboten."

Gemäß § 5 BO hat die Baubehörde die Gebäudehöhe festzusetzen. Als Gebäudehöhe gilt das Maß von der Verschneidung mit dem tiefsten Geländepunkt bis zur Dachtraufe.

§ 13a des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) bestimmt:

"Rechtsbelehrung

§ 13a

Die Behörde hat Personen, die nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten sind, die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen in der Regel mündlich zu geben und sie über die mit diesen Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen zu belehren."

§ 14 Abs. 1 und 3 AVG lauten:

"§ 14

(1) Mündliche Anbringen von Beteiligten sind erforderlichenfalls ihrem wesentlichen Inhalt nach in einer Niederschrift festzuhalten. Niederschriften über Verhandlungen (Verhandlungsschriften) sind derart abzufassen, daß bei Weglassung alles nicht zur Sache Gehörigen der Verlauf und Inhalt der Verhandlung richtig und verständlich wiedergegeben wird.

....

(3) Jede Niederschrift ist den vernommenen oder sonst beigezogenen Personen, wenn sie nicht darauf verzichten, vorzulesen und von ihnen durch Beisetzung ihrer eigenhändigen Unterschrift zu bestätigen. Kann eine Person nicht oder nur mittels Handzeichens fertigen, hat sie die Fertigung verweigert oder sich vor Abschluß der Niederschrift oder des ihre Aussage enthaltenden Teiles der Niederschrift entfernt, so ist unter Angabe des Grundes, aus dem die Fertigung nicht erfolgte, die Richtigkeit der schriftlichen Wiedergabe von dem die Amtshandlung leitenden Organ ausdrücklich zu bestätigen."

§ 15 AVG lautet:

"§ 15

Soweit nicht Einwendungen erhoben wurden, liefert eine gemäß den Bestimmungen des § 14 aufgenommene Niederschrift über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung vollen Beweis. Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges bleibt zulässig."

§ 42 Abs. 1 AVG bestimmt:

"§ 42

(1) Wurde eine mündliche Verhandlung durch Anschlag in der Gemeinde oder auch durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen im Lande bestimmten Zeitung bekanntgemacht, so hat dies zur Folge, daß Einwendungen, die nicht spätestens am Tage vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht werden, keine Berücksichtigung finden und die Beteiligten dem Parteiantrag, dem Vorahben oder der Maßnahme, die den Gegenstand der Verhandlung bilden, als zustimmend angesehen werden."

Den Nachbarn steht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im baubehördlichen Bewilligungsverfahren nach den einzelnen Bauordnungen nur ein beschränktes Mitspracherecht, und zwar insoweit zu, als seine Rechtssphäre bei Bewilligung des Bauvorhabens beeinträchtigt werden könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A). Dieses beschränkte Mitspracherecht wird weiter durch eine eingetretene Präklusion (§ 42 AVG) beschränkt. Die Beschwerdeführer wurden gemäß § 41 AVG persönlich und mit ausdrücklichem Hinweis auf § 42 AVG geladen. Die Baupläne für das streitgegenständliche Bauvorhaben wurden bis zum Tage vor der örtlichen Erhebung zur Einsicht ausgelegt. Die Rechtsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG sind nicht nur von den Behörden aller Instanzen, sondern auch von der Aufsichtsbehörde im Vorstellungsverfahren und auch vom Verwaltungsgerichtshof zu beachten, sodaß nur jene Einwendungen des Nachbarn berücksichtigt werden können, die bis zum Abschluß der Verhandlung vorgebracht worden sind (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. September 1987, Zl. 87/05/0117, BauSlg. Nr. 969, vom 9. Dezember 1986, Zl. 86/05/0126).

Die vom Erstbeschwerdeführer im Rahmen seines Vorbringens zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptete Verletzung der Manuduktionspflicht (§ 13a AVG) durch den Verhandlungsleiter, wurde bereits in der Vorstellungsschrift geltend gemacht. Soweit der Erstbeschwerdeführer ausführt, daß der bloße Hinweis in der Kundmachung zur Bauverhandlung auf § 42 AVG nicht genüge und eine Belehrung erforderlich sei, daß Einwendungen zu konkretisieren sind und insbesondere eine Pflicht der Behörde besteht, unvertretene Parteien bekanntzugeben, welche Rechte sie haben, und daß sie ein konkretes Vorbringen zu erstatten haben, vermag der Verwaltungsgerichtshof diesen Ausführungen nicht zu folgen.

Wie bereits im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Oktober 1987, Zl. 87/06/0025, BauSlg. Nr. 984, dargelegt, geht auch die Anleitungspflicht nach § 13a AVG auch nicht so weit, daß eine Person, die unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen gemäß § 42 AVG zu einer mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen worden ist, vom Verhandlungsleiter ausdrücklich zur Erhebung von Einwendungen und deren inhaltlicher Ausgestaltung angeleitet werden müßte (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 18. Juni 1991, Zl. 91/05/0097, vom 27. November 1990, Zl. 90/05/0122), abgesehen davon, daß der Erstbeschwerdeführer nach dem Inhalt der Niederschrift ohnehin - wenn auch vergeblich - zu einer Begründung aufgefordert worden ist. Die Manuduktionspflicht umfaßt vielmehr lediglich Anleitungen betreffend das Verfahrensrecht. Es ist Sache der Partei, sich die für das Verständnis des Bauprojekts nötige Sachkunde zu verschaffen oder sich sachkundig vertreten zu lassen (vgl. die

hg. Erkenntnisse vom 19. September 1991, Zl. 89/06/0159, vom 13. November 1984, Zl. 84/07/0057, vom 15. Oktober 1987, Zl. 87/06/0025, m.w.N.).

Nach dem Wortlaut der Niederschrift anläßlich der Bauverhandlung vom 15. Juni 1989, zu welcher die Beschwerdeführer unter Hinweis auf die erwähnten Präklusionsfolgen geladen worden sind, hat der Erstbeschwerdeführer eine inhaltliche Ausgestaltung des geäußerten "Einspruchs" trotz Befragung durch den Verhandlungsleiter nicht vorgenommen. - Die Erklärung, "Einspruch" gegen das Bauvorhaben zu erheben und die Begründung der nächsthöheren Instanz bekanntzugeben, stellt keine Einwendung im Sinne des Gesetzes dar, weil damit nicht in der erforderlichen Konkretheit die Verletzung eines subjektiven Rechtes des Erstbeschwerdeführers behauptet wird. - Der Erstbeschwerdeführer ist in seiner gegen den erstinstanzlichen Bescheid gerichteten Berufung der im Bescheid erwähnten Sachverhaltsannahme der Behörde hinsichtlich des seiner Meinung nach geäußerten inhaltlichen Vorbringens nicht entgegengetreten. Einwendungen gegen die Niederschrift erfolgten erst in der Vorstellung gegen den Berufungsbescheid des Gemeinderates.

Die belangte Behörde verkennt jedoch in diesem Zusammenhang, daß als Folge der Verweigerung der Fertigung der Niederschrift durch den Erstbeschwerdeführer die Vorschrift des § 14 Abs. 3 AVG durch den Verhandlungsleiter nicht eingehalten wurde. § 14 Abs. 3 AVG bestimmt, daß unter Angabe des Grundes, aus dem die Fertigung nicht erfolgte, die Richtigkeit der schriftlichen Wiedergabe von dem die Amtshandlung leitenden Organ AUSDRÜCKLICH zu bestätigen ist. Letztere Bestätigung ist unterblieben, sodaß die volle Beweiskraft der Niederschrift nach Maßgabe des § 15 AVG nicht gegeben ist, wenngleich gegen die Niederschrift nicht bereits schon im Berufungsverfahren Einwendungen (im Sinn einer Protokollrüge) erhoben wurden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. November 1975, Zl. 1320/75, Slg. Nr. 8931/A). Insoweit weist die Niederschrift Mängel auf, sodaß die Richtigkeit des bezeugten Vorganges von Amts wegen zu ermitteln war. Der Inhalt der Niederschrift unterliegt in einem solchen Fall der freien Beweiswürdigung gemäß § 45 Abs. 2 AVG (vgl. Erkenntnis vom 14. November 1986, Zl. 86/05/0035, BauSlg. Nr. 799). Keinesfalls durfte von einem im Sinne des § 14 AVG "formgerechten" Protokoll ausgegangen werden. Auf Grund des Vorbringens des Erstbeschwerdeführers in der Vorstellungsschrift, bestimmte - nicht protokollierte - Einwendungen erhoben zu haben, wäre vielmehr in Ermangelung voller Beweiskraft der Niederschrift ein ergänzendes Ermittlungsverfahren über deren Vollständigkeit durchzuführen gewesen. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid im Punkt I des Spruches mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, sodaß er in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Aus verfahrensökonomischen Gründen wird jedoch auf folgendes hingewiesen:

Ergibt sich im fortgesetzten Verfahren, daß der Erstbeschwerdeführer in Wahrheit keine Einwendungen erhoben hat, so werden die Behörden im Hinblick auf die eingetretene Präklusion wieder zur Abweisung der Berufung kommen müssen (vgl. Erkenntnis vom 23. Juni 1988, Zl. 88/06/0049, BauSlg. Nr. 1141). Hat der Erstbeschwerdeführer hingegen rechtzeitig die Mißachtung von Abstandsvorschriften geltend gemacht, so werden sich die Behörden mit dem Widerspruch in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides insoferne auseinanderzusetzen haben, als die darin wiedergegebene Stellungnahme der Planungsgesellschaft für Raumordnung vom 26. September 1989 hinsichtlich der Beachtung des § 4 Stmk. BO einen Mindestabstand von 1 m zum Nachbargrundstück Nr. nn/1, KG G, unter Weglassung des beantragten, überdachten Durchganges empfiehlt, ohne jegliche Begründung geblieben ist. Soweit der Erstbeschwerdeführer entgegen der Aktenlage eine Identität des zugezogenen Sachverständigen und des maßgeblichen Planverfassers behauptet, wäre der Erstbeschwerdeführer aufzufordern, dies zu konkretisieren, bevor daraus Konsequenzen gezogen werden könnten.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Beweismittel fehlerhafte Niederschriftfreie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1990060110.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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