TE Lvwg Erkenntnis 2022/11/26 LVwG-2021/17/2827-1

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Veröffentlicht am 26.11.2022
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Entscheidungsdatum

26.11.2022

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht
40/01 Verwaltungsverfahren

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in Luchner über die Beschwerde des AA, Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 28.09.2021, zur Zl ***,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG zur Einstellung gebracht.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Vorverfahren, Sachverhalt:

Mit Straferkenntnis vom 28.09.2021, zur Zl ***, wurde dem Beschuldigten spruchgemäß nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt:

„1. Datum/Zeit:          23.07.2021, 22:30 Uhr

Ort:                               **** Z, Adresse 2, Notschlafstelle

Sie sind als Fremder (§ 2 Abs. 4 Z1 FPG) aus von Ihnen zu vertretenden Gründen nicht unverzüglich Ihrer Pflicht zur Ausreise aus dem Bundesgebiet nachgekommen, nachdem eine gegen Sie erlassene Rückkehrentscheidung (§ 52) rechtskräftig und durchsetzbar geworden ist und Sie ein Rückkehrberatungsgespräch gern. § 52a Abs. 2 BFA-VG in Anspruch genommen haben, und haben sich daher am 24.07.2021, um 22:30 Uhr, in **** Z, Adresse 2 bei der dortigen Notschlafstelle unrechtmäßig aufgehalten haben.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1.   § 120 Abs. 1 b Fremdenpolizeigesetz i.V.m. §§ 52,52a Abs. 2 BFA-VG

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n)

verhängt:

Geldstrafe von

falls diese uneinbringlich ist,

Ersatzfreiheitsstrafe von

Freiheitsstrafe von

Gemäß

1. €1.000,00

2 Tage(n) 19 Stunde(n) 0 Minute(n)

 

§ 120 Abs. 1b Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 i.d.g.F.

Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 100,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

1.100,00“

Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte fristgerecht durch seine Rechtsvertreter, BB GmbH Beschwerde erhoben und in dieser ausgeführt wie folgt:

„Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Beschwerdefrist nach Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG 4 Wochen. Der Bescheid wurde am 28.09.2021 ausgestellt. Die Beschwerde ergeht somit allenfalls innerhalb der Rechtsmittelfrist

I)       Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (idF. BF) reiste im Jahr 2013 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf Internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (idF. BFA) vom 09,11,2015 wurde dem BF dahingehend stattgegeben, dass ihm gern. § 8(1) AsylG der Status des Subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und zugleich eine Aufenthaltsberechtigung gern, § 8 (4) AsylG erteilt wurde. Diese wurde bis zum 09.11.2018 verlängert. Im Zuge des neuerlichen Verlängerungsantrags wurde ein Aberkennungsverfahren aufgrund veränderter (verbesserter) Lage in Afghanistan eingeleitet. Mit Bescheid des BFA wurde der Status des Subsidiär Schutzberechtigten am 09.08.2018 aberkannt und eine Rückkehrentscheidung gern. §52 abs. 2 Z 4 FPG erlassen. Ein Einreiseverbot gern, § 52 (3) FPG wurde (entgegen der Angaben des bekämpften Bescheids der LPD) nicht erlassen. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde, welche jedoch mittels Erkenntnis des BVwG vom 27.05.2021 abgewiesen wurde.

Um gegen diese Entscheidung Revision beim Verwaltungsgerichtshof zu erheben, wurde ein Antrag auf Verfahrenshilfe gestellt, welchem am 23.07.2021 stattgegeben wurde. Der beigegebene Anwalt erhob sodann fristgerecht am 11.09.2021 Revision vor dem Verwaltungsgerichtshof, welche zum Zeitpunkt des Verfassens gegenständlicher Beschwerde noch anhängig ist.

Der BF wurde am 23.07.2021 durch Beamte der Polizeiinspektion Z Bahnhof kontrolliert und ein unrechtmäßiger Aufenthalt festgestellt. Am 28.09.2021 erging ein Straferkenntnis wegen Verletzung von § 120 (1b) FPG 2005.

Gegen dieses Erkenntnis erhebt der BF durch seine Rechtsvertretung Beschwerde gern. Art 130 (1) Z 1 B-VG und stellt die

II)      ANTRÄGE

das Landesverwaltungsgericht möge

-    gemäß § 44 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchführen

und sodann

-    das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos beheben

-    den angefochtenen Bescheid in Anwendung des § 28 abs 3. VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen in eventu

-    die verhängte Strafe mildern

Die Anträge werden im Einzelnen begründet wie folgt:

III)   Beschwerdebegründung

- Verletzung von Verfahrensvorschriften - Mangelhaftes Ermittlungsverfahren

Die belangte Behörde führt begründend aus (S2), dass der BF in Österreich einen Asylantrag gestellt habe, welcher am 14.10.2015 negativ beschieden worden sei. Am 18.06.2021 sei eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot erlassen worden. Diese Feststellungen der LPD Z sind schlichtweg falsch. Dem BF kam von 09.11.2015 bis 27.05.2021 die Subsidiäre Schutzberechtigung gern. § 8 AsylG zu, er war somit Aufenthaltsberechtigt gern. § 8 (4) AsylG, ein Einreiseverbot wurde nie erlassen.

Gegen die Abweisung der Beschwerde gegen die Aberkennung der Subsidiären Schutzberechtigung durch das BVwG vom 27.05.2021 zur Zahl *** wurde bereits Revision vor dem Verwaltungsgerichtshof erhoben, sowie ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebende Wirkung gestellt. Dies wurde durch die Kanzlei CC im Zuge der Verfahrenshilfe erledigt (siehe Anlage A/Außerordentliche Revision vom 11.09.2021). Es sei darauf hingewiesen, dass dem Antrag auf Verfahrenshilfe kurz zu begründen ist, warum die Revision für zulässig erachtet wird, d.h. warum die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Dies wurde durch den Antragsteller ausgeführt und daraufhin der Antrag bewilligt (siehe Anlage B/Beschluss Verwaltungsgerichtshof vom 23.Juli 2021). Dies bedeutet, dass der VwGH in der Schnellprüfung auf das Ergebnis gekommen ist, dass das Erkenntnis des BVwG vom 27.05.2021 zur Zahl *** einem relevanten Verfahrensmangel unterliegen könnte.

Zur Sicherheitslage in Afghanistan am 23.07.2021

Des Weiteren sei auf die zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung bereits

bestehende prekäre Sicherheitslage in Afghanistan hingewiesen.

-     DD, EE-Stiftung Afghanistan, in der FF am 18.07.2021 (Zugriff unter: https://*** , Zugriff am 19.07.2021):

Gibt es noch langfristig sichere Orte in Afghanistan?

Davon kann man eigentlich zur Zeit überhaupt nicht sprechen, denn die Strategie der Taliban hat schon sehr viele überrascht. Die ersten Orte, wo die Taliban jetzt wirklich auch gewaltsam vorgegangen sind, sind eigentlich die, von denen wir geglaubt haben, dass sie länger sicher wären, weil dort eben die traditionellen Gegner der Taliban stark verwurzelt sind. [...] Die Fronten verschieben sich derzeit so stark und so unvorhersehbar, dass es eigentlich nicht möglich ist, einen Ort, der uns heute vielleicht als sicher erscheinen kann, ihn auch morgen als solchen zu bezeichnen.

-     GG: Landesweiter Taleban-Vormarsch (Zugriff unter: https://***, Zugriff am 08.07.2021), auszugsweise:

Von den Provinzhauptstädten sind einige extrem bedroht. Die US-Terrorismus-Monitoring-Seite JJ nannte Mitte Mai fünf Städte, die von den Taleban umzingelt seien: X (Baghlan) und W im Norden, V, U (Urusgan) und T (Helmand) im Süden. Insgesamt seien 17 von Afghanistans 34 Provinzzentren „unter direkter Taleban-Bedrohung“: neben den fünf genannten: S (Farjab), R, Q (Balch), P (Samangan), O (Tachar) und N (Badachschan) im Norden; M, L (Logar), K (Maidan Wardak) und J (Laghman) im Osten und Südosten; G und F (Badghis) im Westen. KK nannte am 21. Juni fünf Provinzhauptstädte im Norden: S in Farjab, O in Tachar, X in Baghlan, R und W. In X wurde schon im Stadtgebiet gekämpft. Mit dem Distrikt E (Baghlan) wird auch die Verbindungsstraße Adresse 3 bzw Adresse 4 unmittelbar nördlich des LLpasses bedroht. Dazu kommen zumindest noch D (Sabul) im Süden und C (jetzt Firoskoh, Ghor) im Westen. “

-     „Taliban nehmen wichtigen Bezirk nahe B ein“, der am 12.05.2021 in MM (Zugriff unter https://*** , Zugriff am 14.05.2021), auszugsweise:

„Die militant-islamistischen Taliban haben in Afghanistan einen strategisch wichtigen Bezirk unweit der Stadt B erobert. Das Zentrum von A in der zentralen Provinz Wardak sei am späten Dienstagnachmittag (Ortszeit) an die Islamisten gefallen, sagten zwei Provinzräte am Mittwoch. Der Bezirk ist nur 26 Kilometer von B entfernt, ihn durchqueren wichtige Überlandstraßen. Laut lokalen Behördenvertretern hielten die Islamisten bereits davor einen großen Teil des Bezirks. Rund eine Woche hätten sie auch das Bezirkszentrum belagert. Die Sicherheitskräfte in A hätten in B um Unterstützung angefragt, aber niemand sei zu Hilfe gekommen, hieß es weiter. (...). Der Provinzrat NN sagte, die militärischen Fortschritte der Taliban in A könnten eine ernsthafte Bedrohung für die Provinz Wardak und für B darstellen. Erst Anfang Mai war der Bezirk Burka im nördlichen Baghlan an die Taliban gefallen, Anfang März der Bezirk Almar im nördlichen Fariab. Seit Beginn des offiziellen Abzugs der US-Truppen und ihrer westlichen Verbündeten aus Afghanistan am 1. Mai haben die Taliban mehrere Offensiven im Land begonnen. Sie greifen die Sicherheitsringe rund um mehrere Provinzhauptstädte an, aber auch mittelgroße Militärbasen. Dutzende Sicherheitskräfte sind seither getötet worden.

-     OO Bericht vom 6.7.2021 [07.07.2021], Afghanistan: Taliban nach Bundeswehr-Abzug auf dem Vormarsch (abrufbar unter: Afghanistan: Taliban nach Bundeswehr-Abzug auf dem Vormarsch - OO):

Eine Woche nach Abzug der Bundeswehr steht Q kurz vor der Eroberung durch die Taliban. Die afghanische Armee droht überrannt zu werden. [...] Mein Kollege PP beschreibt die Lage vor Ort: „Auf dem Landweg kommt man nicht mehr heraus aus Q überall auf den Straßen rund um die Stadt wird schwer gekämpft. Alle rechnen damit, dass die Taliban heute Abend, spätestens morgen die Stadt einnehmen. “

Taliban bringen schnell Bezirke unter Kontrolle

Auch einige unserer Gesprächspartner, die wir noch vor kurzem in Q getroffen haben, mussten die Stadt verlassen. QQ, Projektleiter im Auftrag der deutschen RR hatte Hoffnung gehabt, seine Arbeit auch nach dem Abzug der Bundeswehr fortsetzen zu können.

[...] Dass es so schnell gehen würde, damit hatten nur wenige gerechnet. Doch die Taliban haben die Lage genutzt, das Machtvakuum, das durch den Abzug der USA und ihrer Verbündeten entstanden ist. Es eröffnet den Kämpfern den Weg zur Macht, mit Gewalt. Ein Viertel der Bezirke im Land haben die Taliban seit Beginn des Abzugs der internationalen Truppen Anfang Mai erobert. Allein am Wochenende nahmen sie nach Behördenangaben mindestens 28 Bezirke in mindestens acht Provinzen ein. [...] Die Situation ist brandgefährlich: Denn je mehr Milizen und bewaffnete Bürger in den Kampf ziehen, desto mehr verliert die Regierung von Präsident SS die Kontrolle. Eine Situation, die an die dunklen Jahre erinnert, die auf den Abzug der sowjetischen Truppen folgte - ein Bürgerkrieg, der Hunderttausende Afghanen das Leben kostete.

-     TT, Taliban sweep through Herat province as Afghan advance continues, Fears grow for B government after militant group seizes two key border crossings, vom

09.07.2021 (Zugriff unter: https://*** , Zugriff am 15.07.2021):

The Taliban has sw epi through Western Herat province, seizing two key border crossings to Iran and Turkmenistan, and much of the countryside beyond city limits. It was the tatest part of Afghanistan to collapse in the face of a rapid militant advance, during which they have taken control of areas far beyond their original Southern strongholds. Their speed has fuelled fears the government in B could fall within months. [...] Yet the group has driven civilians from their homes and looted and burned property in northern Afghanistan, in apparent retaliation for cooperating with the government, Human Rights Watch warned in a new report. [...] The attacks are an “ominous warning about the risk of future atrocities, ” said UU, the associate Asia director of Human Rights Watch. “The Taliban leadership has the power to stop these abuses by their forces but haven ’t shown that they are willing to do so.

Gern. § 6 VStG ist eine Verwaltungsübertretung nicht strafbar, wenn sie durch Notstand

entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.

Der VwGH nimmt einen entschuldigenden Notstand uA. dann an, wenn der Täter eine strafbare Handlung setzt, um von sich oder einem Dritten eine unmittelbare schwere Gefahr für Leben, Freiheit oder Vermögen droht. Die strafbare Handlung muss hierbei die einzige Möglichkeit darstellen, diese Gefahr abzuwenden; insbesondere muss ein rechtmäßiges Verhalten für den Täter unzumutbar sein1.

Aufgrund der bereits bestehenden prekären Sicherheitslage in Afghanistan, sowie seines aktuellen Verfahrensstands war es für den BF nicht möglich und zumutbar der Ausreiseverpflichtung Folge zu leisten ohne eine unmittelbare schwere Gefahr für sein Leben zu riskieren. Bei rechtstreuem Verhalten hätte sich der BF in eine lebensgefährliche Situation begeben.

Somit liegt aus Sicht der Rechtsvertretung ein entschuldigender Notstand gern. § 6 VStG vor; folgend ist der BF ist nicht strafbar.

Es wird nicht verkannt, dass dem BF eine Aufforderung zur Rechtfertigung übermittelt wurde (zugestellt am 17.08.2021), diese jedoch unbeantwortet blieb. Aufgrund rechtsvertreterischer Vorsicht sei diesbezüglich in Hinblick auf die aufenthaltsrechtliche Situation des BF, sowie der aktuellen Situation in Afghanistan ausdrücklich auf die Ausführungen des § 39 AVG verwiesen.

Dieser sieht neben einer Mitwirkungspflicht eine Pflicht der amtswegigen Ermittlung durch die Behörden vor.

Nach st. Rspr. des VwGH beginnt die Mitwirkungspflicht der Parteien dann, wenn der amtswegigen behördlichen Ermittlung faktische Grenzen gesetzt sind (VwGH 13. 12. 2000, 2000/04/0128; 18. 11. 2003, 2002/03/0150; 26. 4. 2011, 2010/03/0186; Wiederin, Untersuchungsgrundsatz 129), die Behörde also nicht (mehr) in der Lage ist, von sich aus (VwGH 3. 9. 2002, 2001/09/0018) und ohne Mitwirkung der Partei tätig zu werden (VwGH 7. 6. 2000, 96/03/0340; 24. 4. 2007, 2004/05/0285; 19. 7. 2011, 2010/02/0299; vgl auch VwGH 18. 2. 2015, Ra 2015/03/0011) bzw sich relevante Daten amtswegig zu verschaffen (VwGH 11. 12. 2002, 2000/03/0190; 25. 2. 2004, 2002/03/0273; 22. 10. 2013, 2012/10/0150; vgl auch VwGH 17. 10. 1984, 83/11/0182; 30. 6. 2016, 2013/07/0095; 27. 2. 2018, Ro 2016/05/0009; Balthasar, Beteiligung 160 f), bzw wenn die im Hinblick auf den gesetzlichen Tatbestand erforderlichen Feststellungen ein entsprechendes Vorbringen und „Bescheinigungsanbieten“ der Partei voraussetzen (VwGH 15. 9. 1999, 99/04/0092; 5. 7. 2000, 2000/03/0157; 26. 4. 2011, 2010/03/0186)2.

Aufgrund der großen medialen Aufmerksamkeit der aktuellen Situation in Afghanistan, sowie der vermehrten Folgeantragstellung von afghanischen Staatsangehörigen wird davon ausgegangen, dass es der LPD ein leichtes gewesen wäre, von der Situation des BF Kenntnis zu gelangen.

Aus diesen Gründen wird ersucht antragsgemäß zu entscheiden.“

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt.

II.      Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer wurde im Juli 2021, an einem Abend um 22:30 Uhr, Adresse 2, in **** Z, AA während eines „VV-Schwerpunktes“ kontrolliert, wobei festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer trotz einer rechtskräftig erlassenen Rückkehrentscheidung, die auch durchsetzbar geworden war, sich unrechtmäßig in Z aufgehalten hat.

Als Tatzeit ist in der Anzeige zunächst der 23.07.2021 um 22:30 Uhr angeführt, bei „Texte/Mitteilungen“ ist festgehalten, dass die Streife „WW“ im Zuge eines VV-Schwerpunktes in **** Z, Adresse 2, am 24.07.2021 um 22:30 Uhr bei der dortigen Notschafstelle, mehrere Personenkontrollen durchgeführt hat. Dabei sei der Angezeigte angetroffen und kontrolliert und via Ekis und IZR prioriert worden.

Sowohl in der Aufforderung zur Rechtfertigung als auch im Straferkenntnis sind der 23.07. als Datum/Zeit und im Spruch dann der 24.07.2021 als weitere Tatzeit angeführt, obwohl es nur eine Tatzeit gegeben hat.

Die Zeiten sind widersprüchlich, der Beschwerdeführer konnte nur an einem der beiden Tage kontrolliert werden.

III.     Rechtliche Bestimmungen:

Verwaltungsstrafgesetz 1991–VStG BGBl. Nr. 52/1991 in der Fassung :

㤠44a

Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3. die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

4. den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;

5. im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten.“

IV.      Rechtliche Erwägungen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof in einer Vielzahl von Entscheidungen festgehalten hat, ist ein Verstoß gegen § 44a lit a VStG 1950 grundsätzlich gegeben, wenn der Spruch des Straferkenntnisses keine oder unrichtige Angaben über den Zeitpunkt und den Ort der Begehung der Tat enthält. Ein solcher Verstoß belastet den Bescheid inhaltlich der Rechtswidrigkeit. Enthält die Anzeige (irrtümlicherweise) zwei verschiedene Tatzeitangaben und werden diese nicht innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist korrigiert so ist das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG zur Einstellung zu bringen.

Ob der Tatzeitpunkt der 23.07. oder der 24.07.2021 gewesen ist, konnte dem erstinstanzlichen Akt nicht entnommen werden. Da die Behörde erster Instanz binnen einer Frist von einem Jahr keine gültige Verfolgungshandlung gegen in Beschwerdeführer gesetzt hat, ist Verfolgungsverjährung eingetreten, weshalb das Verwaltungsstrafverfahren zur Einstellung zu bringen war.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr.in Luchner

(Richterin)

Schlagworte

Spruch
Spruchinhalt
Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2021.17.2827.1.

Zuletzt aktualisiert am

23.12.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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