TE OGH 2022/3/25 17Ob4/22w

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.03.2022
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätinnen Mag. Malesich und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. V* L*, als Masseverwalter im Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen der C* Z*, vertreten durch Gloß Pucher Leitner Gloß Enzenhofer, Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die beklagte Partei B* Aktiengesellschaft, *, vertreten durch die Dax Wutzlhofer & Partner Rechtsanwälte GmbH in Eisenstadt, wegen 5.944,85 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 6. Oktober 2021, GZ 21 R 150/21y-23, womit das Urteil des Bezirksgerichts Purkersdorf vom 25. Mai 2021, GZ 6 C 685/19i-19, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 912,41 EUR (darin enthalten 152,07 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 1.388,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR USt und 762 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1]       Der klagende Masseverwalter begehrt von der beklagten Bank mit Anfechtungsklage 5.944,85 EUR samt 4 % Zinsen seit 22. 8. 2019, wobei er sich insbesondere auf den Anfechtungstatbestand nach § 31 Abs 1 Z 2 Fall 1 IO stützt. Er brachte im Wesentlichen vor, der Beklagten sei der Klagebetrag im Zuge einer von ihr betriebenen Zwangsversteigerung eines PKW der Schuldnerin zugeflossen. Die Schuldnerin sei im Zeitpunkt des Erwerbs des exekutiven Pfandrechts und davor zahlungsunfähig gewesen. Der Beklagten hätte die Zahlungsunfähigkeit durch ihre vorherigen erfolglosen Exekutionsbemühungen zumindest bekannt sein müssen. Sie sei durch die Sicherstellung und Befriedigung gegenüber den anderen Insolvenzgläubigern begünstigt worden, weil diese mangels Masse keine Befriedigung erwarten könnten. Angefochtene Rechtshandlung sei die Überweisung und Annahme des eingeklagten Betrags am 24. 5. 2019.

[2]       Die Beklagte bestritt ihre Fahrlässigkeit an der Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit. Die Schuldnerin sei im Übrigen zum Zeitpunkt der Pfändung nicht zahlungsunfähig gewesen, habe sie doch in jenem Monat an den Gerichtsvollzieher zwei Teilzahlungen geleistet und seien mit dem Versteigerungserlös nicht bloß alle an diesem Exekutionsverfahren beteiligten Gläubiger vollständig befriedigt worden, sondern der Schuldnerin sogar eine Hyperocha in Höhe von 6.386,54 EUR zugeflossen. Das Insolvenzverfahren sei erst am 24. 4. 2019 und somit zehn Monate nach der Pfändung des PKW eröffnet worden.

[3]       Das Erstgericht gab der Klage im zweiten Rechtsgang statt. Es ging von folgenden – vom Obersten Gerichtshof (zulässigerweise – RIS-Justiz RS0121557 [T3]) aus den im Verfahren vorgelegten, ihrem Inhalt nach unstrittigen Urkunden ergänzten – Sachverhalt aus:

[4]       Die Beklagte erwirkte gegen die Schuldnerin am 21. 1. 2009 einen vollstreckbaren Zahlungsbefehl über eine Kapitalforderung in Höhe von 2.035,48 EUR samt Nebenforderung und Zinsen. Sie führte in den Jahren 2009 bis 2018 infolge des Zahlungsbefehls zahlreiche erfolglose Exekutionsversuche gegen die Schuldnerin durch, da diese über kein pfändbares Vermögen verfügte oder die Exekutionen nicht vollzogen werden konnten.

[5]       Auch im Jahr 2013 waren weder verwertbares Vermögen, noch ein pfändbares Einkommen, noch andere Zahlungsmittel vorhanden. Der Kontostand des Girokontos der Schuldnerin bei ihrer (von der Beklagten verschiedenen) Hausbank wies einen negativen Saldo in Höhe von 600 EUR auf. Am 28. 10. 2015 waren gegen die Schuldnerin 17 Exekutionsverfahren anhängig. In den drei darauffolgenden Jahren verbesserte sich ihre Vermögenslage nicht.

[6]       Nachdem zuletzt am 4. 4. 2018 ein Exekutionsversuch mangels pfändbaren Vermögens gescheitert war, brachte die Beklagte am 24. 5. 2018 einen Antrag auf neuerlichen Exekutionsvollzug ein. Im Rahmen dieses Antrags kam es am 8. 6. 2018 im Wege des Gerichtsvollziehers zu einer Teilzahlung der Schuldnerin in Höhe von 565,02 EUR, am 27. 6. 2018 zur Pfändung des PKW und am 29. 6. 2018 schließlich zu einer weiteren Teilzahlung in Höhe von 1.000 EUR. Die Teilzahlungen wurden in Höhe von 547,54 EUR und 988,83 EUR an die Beklagte überwiesen. Der PKW wurde am 22. 8. 2018 mit einem Erlös von 18.910 EUR versteigert. Im Rahmen der Versteigerung wurden die Beklagte und zwei weitere Gläubiger befriedigt. Mit Verteilungsbeschluss vom 3. 4. 2019 wurde der Beklagten ein Betrag von 5.944,85 EUR (Klagebetrag) zugesprochen und in weiterer Folge überwiesen. Die Hyperocha in der Höhe von 6.386,54 EUR wurde der Schuldnerin zugewiesen.

[7]       Anfang Juni 2018 bezog die Schuldnerin eine Pension von monatlich etwa 1.000 EUR, dies vierzehnmal im Jahr. Abgesehen von Bargeld in Höhe von 100 EUR, einem Girokonto mit Kontostand 200 EUR und dem PKW verfügte sie über kein pfändbares Vermögen. Sie war für drei minderjährige Kinder unterhaltspflichtig.

[8]       Mit strafgerichtlichem Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 19. 3. 2019 wurde die Schuldnerin schuldig erkannt, der Privatbeteiligten – ihrer Hausbank – einen Betrag von 1.123.400 EUR binnen 14 Tagen zu bezahlen.

[9]       Über das Vermögen der Schuldnerin wurde mit noch am selben Tag in der Insolvenzdatei bekannt gemachtem insolvenzgerichtlichen Beschluss vom 24. 4. 2019 das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 23. 5. 2019 wurde der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Im Schuldenregulierungsverfahren meldeten zahlreiche Gläubiger Forderungen an, welche bereits vor Pfändung des PKW fällig waren.

[10]     Ein exakter Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin kann nicht festgestellt werden. Jedenfalls lag Zahlungsunfähigkeit spätestens ab dem Jahr 2013 bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 24. 4. 2019 vor.

[11]     Das Vermögensverzeichnis der Schuldnerin aus dem Jahr 2013 – danach war die Schuldnerin eine für zwei (heute drei) minderjährige Kinder unterhaltspflichtige Pensionistin mit einer Pension von monatlich netto 950 EUR zuzüglich Pflegegeld der Stufe 1, die keinerlei verwertbares Vermögen besaß – und die Vollzugsberichte der erfolglosen Exekutionen – am 28. 10. 2013, 28. 6. 2016 und 4. 4. 2018 konnten keine pfändbaren Gegenstände vorgefunden werden; weitere Exekutionsversuche scheiterten aus anderen Gründen – wurden der Beklagten zugestellt. Diese bediente sich zur Betreibung der Forderung gegen die Schuldnerin eines Inkassodienstes. Ob die Beklagte selbst Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zum Zeitpunkt der Pfändung hatte, kann nicht festgestellt werden. Die Beklagte veranlasste trotz der über lange Zeit erfolglosen Betreibungsversuche keine weiteren Erhebungen in Bezug auf eine mögliche Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Sie hatte zu ihr keine aufrechte Geschäftsbeziehung.

[12]     Rechtlich führte das Erstgericht aus, die Schuldnerin sei seit 2013 zahlungsunfähig gewesen. Aus den Vermögensverzeichnissen hätten sich weder liquide Zahlungsmittel noch leicht verwertbares Vermögen ergeben. Die mehrfach erfolglosen Exekutionsversuche der Beklagten und die zahlreichen weiteren Exekutionsverfahren legten den Schluss nahe, dass die Schuldnerin nicht in der Lage gewesen sei, ihre fälligen Schulden zu begleichen oder sich alsbald Zahlungsmittel zu verschaffen. Dass einzelne Zahlungen in Form von Teilzahlungen geleistet worden seien stehe der Annahme der Zahlungsunfähigkeit ebensowenig entgegen wie der Umstand, dass der Schuldnerin aus der Zwangsversteigerung eine Hyperocha zufloss. Es seien zudem alle übrigen objektiven, subjektiven wie auch zeitlichen Voraussetzungen des vom Kläger primär angezogenen Anfechtungstatbestands nach § 31 Abs 1 Z 2 Fall 1 IO erfüllt. Im Falle der vorliegenden Befriedigung aus der Verwertung eines exekutiven Pfandrechts sei die Beklagte dann als „Insolvenzgläubigerin“ im Sinne der genannten Vorschrift zu qualifizieren, wenn bereits der Erhalt des – später durch seine Liquidierung erloschenen – Pfandrechts hypothetisch anfechtbar gewesen wäre. Dies sei hier der Fall, weil es sich beim Erwerb eines exekutiven Pfandrechts nach der Rechtsprechung um eine inkongruente Deckung iSd § 30 Abs 1 Z 1 IO handle und die Schuldnerin bereits im Zeitpunkt der Pfandrechtsbegründung zahlungsunfähig gewesen sei. Auch sei die Frist für eine hypothetische Anfechtung des Pfandrechts nach Abs 2 dieser Bestimmung zur Zeit der Insolvenzeröffnung noch nicht abgelaufen gewesen. Daher stehe dem Kläger die Anfechtung der Zahlung nach § 31 Abs 1 Z 2 Fall 1 IO offen.

[13]     Das Berufungsgericht wies die Klage ab. Es trat in Hinsicht auf die objektiven und zeitlichen Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 31 Abs 1 Z 2 IO erkennbar der Beurteilung des Erstgerichts bei, verneinte anders als dieses aber das Vorliegen des subjektiven Tatbestands. Bei einem „außenstehenden“ Gläubiger sei hier Zurückhaltung angebracht, da diesem in der Regel nur seine eigenen Eintreibungsschritte bekannt seien und weitere Nachforschungen üblicherweise mangels geeigneter Informationsmöglichkeiten wenig Aussicht auf Erfolg hätten. Selbst bekannte Exekutionsmaßnahmen gegen den Schuldner verpflichteten nicht generell zu Nachforschungen. Die Beklagte sei nicht die Hausbank der Schuldnerin gewesen und habe zu ihr keine aufrechte Geschäftsbeziehung gehabt. In diesem Sinne sei ihr keine qualifizierte Bonitätsüberwachung offengestanden. Ihr sei zudem zugute zu halten, dass sich die von ihr betriebene Forderung in keinem exorbitant hohen Rahmen bewegt habe, dass ihr möglich gewesen sei, im Zuge des Exekutionsverfahrens zwei Teilzahlungen zu erlangen, und dass im Rahmen der Versteigerung sogar eine Hyperocha von 6.386,54 EUR verblieben sei. Die vom Erstgericht festgestellten Umstände rechtfertigten noch nicht den Schluss, der Beklagten habe im verfahrensrelevanten Zeitraum die Zahlungsunfähigkeit der späteren Schuldnerin bekannt sein müssen.

[14]     Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nachträglich zu, weil seine Beurteilung in Widerspruch zur Rechtsprechung stehen könnte, wonach Zahlungsunfähigkeit schon dann angenommen werden könne, wenn der Schuldner mit mehreren Exekutionen zur Befriedigung verfolgt werde, selbst wenn diese bisweilen Erfolg hätten, da man in der Regel annehmen dürfe, dass kein Schuldner die gerichtliche Zwangsvollstreckung ohne Not an sich herankommen lasse.

[15]     Gegen das Berufungsurteil richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit einem auf Wiederherstellung des Ersturteils gerichteten Abänderungsantrag.

[16]     Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

[17]     Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist auch berechtigt.

[18]     1. Es ist zunächst auf das Erlöschen des Pfandrechts einzugehen:

[19]     Nach § 469 Satz 1 ABGB hört das Pfandrecht durch die Tilgung der Schuld auf. „Tilgung“ erfasst jede Form des Erlöschens iSd §§ 1411 ff ABGB, unter anderem die Zahlung iSv § 1412 ABGB (statt vieler Fidler in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 469 ABGB Rz 2 mwN).

[20]     An die Stelle einer freiwilligen Zahlung tritt im Falle der zwangsweisen Hereinbringung die Zuweisung aus dem Erlös der im Zuge des Exekutionsverfahrens verwerteten Vermögenswerte des Verpflichteten (so 4 Ob 518/96 = RS0102901) bzw ist die Zuweisung aufgrund eines Verteilungsbeschlusses der Zahlung des Verpflichteten gleichzuhalten (so 6 Ob 131/71 [verst Senat] = RS0003845; 3 Ob 131/85). Beides führt zum selben Ergebnis (vgl Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1412 Rz 11). In zeitlicher Hinsicht ist auf die Fassung des Verteilungsbeschlusses (nach dessen Rechtskraft die Auszahlung an den Gläubiger erst wirklich erfolgt) abzustellen (6 Ob 131/71 [verst Senat] = RS0003845; Markowetz in Deixler-Hübner, EO [30. Lfg Mai 2020] § 229 Rz 12).

[21]     Im vorliegenden Fall wurde – was aus dem dem Prozessakt angeschlossenen Exekutionsakt des Bezirksgerichts Amstetten 22 E 1163/16k ersichtlich ist – der Verteilungsbeschluss vom 3. 4. 2019 den an diesem Zwangsvollstreckungsverfahren beteiligten Gläubigern – darunter die Beklagte – am 9. 4. 2019, der Schuldnerin – dort verpflichtete Partei – aber erst am 12. 4. 2019 zugestellt. Bei Eintritt der Wirksamkeit der Insolvenzeröffnung mit Beginn des 25. 4. 2019 war die Frist der Schuldnerin für einen Rekurs gegen den Verteilungsbeschluss somit noch nicht abgelaufen. Die Bestimmung des § 7 IO über die Unterbrechung anhängiger Rechtsstreitigkeiten ist – ungeachtet der von § 78 EO (in der hier noch anzuwendenden Fassung vor der GREx) angeordneten subsidiären Anwendung bestimmter Vorschriften der ZPO und des in § 159 ZPO enthaltenen Verweises auf die IO betreffend die Verfahrensunterbrechung bei Insolvenzeröffnung – im Exekutionsverfahren jedoch nicht anzuwenden, weil hiefür in den §§ 10 bis 12a IO Sonderregelungen bestehen (5 Ob 260/07g [Pkt 2]; Schubert in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 7 KO Rz 14; Jelinek in KLS § 7 IO Rz 15; bereits zu § 78 nF EO Fucik in Deixler-Hübner, EO [33. Lfg Dezember 2021] § 78 Rz 43). Der Meistbotsverteilungsbeschluss wurde demnach mangels Erhebung eines Rekurses mit Ablauf des 26. 4. 2019 rechtskräftig. Daher erlosch das exekutive Pfandrecht am PKW nach § 469 ABGB am 3. 4. 2019 (Beschlussfassung).

[22]     2. Ein bereits erloschenes Pfandrecht kann nicht mehr angefochten werden (vgl 4 Ob 1506/89; 6 Ob 280/00w). Der Kläger hat daher zutreffend als angefochtene Rechtshandlung nicht die Erlangung des exekutiven Pfandrechts, sondern die aus seiner Verwertung von der Beklagten erhaltene Zahlung angeführt. Dass die Zahlung durch Exekution bewirkt wurde, steht ihrer Anfechtung nicht entgegen (§ 35 IO).

[23]     3. Wäre der Erwerb des – durch die Zahlung nach § 469 ABGB erloschenen – Pfändungspfandrechts hypothetisch wegen Inkongruenz nach § 30 Abs 1 Z 1 IO anfechtbar gewesen, so ist der Anfechtungsgegner nicht als Absonderungs-, sondern als gewöhnlicher Insolvenzgläubiger zu behandeln. Es kann daher die exekutive Befriedigung aus dem Pfand nach § 31 Abs 1 Z 2 Fall 1 IO angefochten werden (hA, zB 6 Ob 280/00w; 3 Ob 55/10z [Pkt 4.]; RS0112654; Bollenberger in KLS § 30 IO Rz 30, § 31 IO Rz 3; König/Trenker, Anfechtung6 Rz 10.123).

[24]     Weil selbst eine titulierte Forderung dem Gläubiger keinen Anspruch auf Sicherstellung einräumt, ist der Erwerb eines exekutiven Pfandrechts in der Regel iSv § 30 Abs 1 Z 1 IO inkongruent (RS0003845; Rebernig in Konecny, Insolvenzgesetze § 30 IO Rz 150 und 166 mwN). Das Pfändungspfandrecht wurde hier nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit erworben. Hinsichtlich deren Bejahung genügt es auf die insoweit zutreffenden – von der hA ausgehenden (vgl zB RS0064528; RS0065106; RS0064682) – Ausführungen des Erstgerichts zu verweisen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO analog; vgl 2 Ob 101/07b). Zumal das Pfändungspfandrecht auch nicht früher als ein Jahr vor der Insolvenzeröffnung erworben wurde, hätten – wie bereits von den Vorinstanzen erkannt – alle Voraussetzungen für seine erfolgreiche Anfechtung nach § 30 Abs 1 Z 1 IO vorgelegen, wäre es nicht nach § 469 Satz 1 ABGB erloschen.

[25]     Die Beklagte wurde daher von den Vorinstanzen zutreffend nicht als Absonderungsgläubigerin, sondern als Insolvenzgläubigerin iSd § 31 Abs 1 Z 2 Fall 1 IO behandelt.

[26]           4. Es verbleibt auf die von den Vorinstanzen uneinheitlich beantwortete Frage einzugehen, ob der Beklagten die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bekannt war oder bekannt sein musste (§ 31 Abs 1 Z 2 aE IO).

[27]           Der Oberste Gerichtshof hat bereits in mehreren Entscheidungen ausgesprochen, dass der Umstand, dass ein Schuldner mit Befriedigungsexekutionen verfolgt wird, selbst wenn diese bisweilen Erfolg haben den Schluss auf Zahlungsunfähigkeit nahelegen muss, weil ein Schuldner in der Regel die gerichtliche Zwangsvollstreckung nicht ohne Not an sich herankommen lässt (RS0064682 [T1 und T2]). Andererseits wurde entschieden, dass häufige Exekutionen auch ein Anzeichen einer schlechten Zahlungsmoral des Schuldners sein könnten, damit also nicht unbedingt ein Anzeichen für das Fehlen liquider Mittel sein müssten (vgl RS0064682 [T3 und T11]).

[28]           Worauf bei (zumindest bisweilen) erfolgreichen häufigen Exekutionen zu schließen ist, braucht für den vorliegenden Fall keiner Vertiefung. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, dass eine Gläubigerin über viele Jahre erfolglos Exekution führte, bis ihr eine Pfändung gelang. Wiederholte Exekutionsvollzüge, die am Fehlen pfändbarer Vermögensobjekte gescheitert sind, sind ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit (8 Ob 57/16i [Pkt 5.]; Schumacher in KLS § 66 IO Rz 37; Übertsroider in Konecny, Insolvenzgesetze § 70 IO Rz 53; vgl auch 5 Ob 1/62 = SZ 35/20 und 8 ObS 36/01d).

[29]           Nach den Feststellungen ging der Beklagten das Vermögensverzeichnis der Schuldnerin aus dem Jahr 2013 zu, aus dem sich – geht man von seiner strafbewehrten Richtigkeit aus – ihre Vermögenslosigkeit und eine Pension von (nur) monatlich netto 950 EUR bei bestehender Unterhaltspflicht für zwei minderjährige Kinder für die nächsten Jahre ergab. Ihr gingen ferner Vollzugsberichte zu, wonach am 28. 10. 2013, 28. 6. 2016 und 4. 4. 2018 keine pfändbaren Gegenstände vorgefunden werden konnten. Dass die Beklagte Grund zur Annahme gehabt hätte, die Schuldnerin wäre lediglich zahlungsunwillig gewesen, ist aus diesem Sachverhalt nicht abzuleiten. Damit waren der Beklagten – der auch das Wissen ihrer mit der Einbringung betrauten gewillkürten Vertreter und Gehilfen (mit der Exekution beauftragte anwaltliche Vertretung und Inkassobüro) zuzurechnen ist (König/Trenker, Anfechtung6 Rz 11.21 und 11.22 mwN) – Umstände bekannt, die bereits für sich – auch ohne Kenntnis der Existenz anderer exekutiv andrängender Gläubiger und ohne weitere Erhebungen – nur den Schluss nahelegen konnten, dass bei der Schuldnerin ein nicht bloß vorübergehender Mangel an Zahlungsmitteln und damit Zahlungsunfähigkeit vorlag. Zutreffend hat daher das Erstgericht die Rechtsfrage (RS0043687) bejaht, ob der Beklagten zumindest leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist (vgl RS0064379 [T5]).

[30]           Wegen Erfüllung aller objektiven, subjektiven und zeitlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Anfechtungsanspruch ist das der Klage stattgebende Ersturteil samt Kostenentscheidung wiederherzustellen. Die Höhe des Klagebegehrens einschließlich Zinsenlauf war unstrittig. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten zweiter und dritter Instanz gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E134670

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0170OB00004.22W.0325.000

Im RIS seit

09.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

09.05.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten