TE OGH 2022/2/15 4R212/21i

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Veröffentlicht am 15.02.2022
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Das Oberlandesgericht Innsbruck als Rekursgericht hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoffmann als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Huber und die Richterin Dr. Prantl als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Anton Tschann, Rechtsanwalt in 6700 Bludenz, und dem auf Seiten der klagenden Partei beigetretenen Nebenintervenienten G*****, vertreten durch Dr. Serpil Dogan, Rechtsanwältin in 6800 Feldkirch, wider die beklagte Partei H*****, vertreten durch Battlogg Rechtsanwalts GmbH in 6780 Schruns, wegen Feststellung (Streitwert EUR 30.000,-- s.A.), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 26.11.2021, 29 Cg 105/21d-22, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird k e i n e Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihres Vertreters binnen 14 Tagen die mit EUR 1.569,60 (darin EUR 261,60 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls u n z u l ä s s i g .

Text

begründung:

Rekursgegenständlich ist die Frage der Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs.

Zum besseren Verständnis sind folgende Eckdaten voranzustellen, wobei sich diese aus Einsicht des Rekursgerichts in den Scheidungsakt 27 C ***** des BG ***** und die Trennungsvereinbarung (Beilage ./A) ergeben und ohne Beweisergänzung oder Beweiswiederholung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden können (vgl. RS0121557):

Die Streitteile schlossen am 25.9.1992 die Ehe.

Am 27.5.2020 brachte die Klägerin beim Bezirksgericht ***** die Scheidungsklage ein. Im Scheidungsverfahren wurde in der Tagsatzung am 15.6.2021 wegen der Klärung der hier streitgegenständlichen Trennungsvereinbarung Ruhen des Verfahrens vereinbart. Die Streitteile sind daher nach wie vor in aufrechter Ehe verheiratet.

Am 28.2.2019 schlossen die Streitteile eine Trennungsvereinbarung in Form eines Notariatsakts. Die Trennungsvereinbarung weist unter anderem folgenden Inhalt auf:

„…

2.

Nach gemeinsamer Ansicht von [dem Beklagten] und [der Klägerin] befindet sich ihre Ehe derzeit in einer Krise und wünschen sie deshalb eine zeitlich mit einem Jahr befristete Trennung.

Demgemäß vereinbaren [der Beklagte] und [die Klägerin], dass [der Beklagte] innerhalb der nächsten Tage aus der Ehewohnung auszieht und gesondert Wohnung nimmt. …

3.

[Der Beklagte] und [die Klägerin] sind je zur Hälfte Miteigentümer der Liegenschaften in EZ ***** GB ***** … mit hierauf errichteter Doppelgarage .. sowie in EZ ***** GB***** … mit hierauf errichtetem Wohnhaus *****

Die Liegenschaft in EZ***** … ist ... mit einem Pfandrecht von EUR 125.000,-- s.A. … und … mit einem Pfandrecht im Höchstbetrag von EUR 30.000,-- … belastet.

Das Darlehen der … AG haftet per 31.12.2018 mit dem Betrag von EUR 110.102,73 aus.

Das Darlehen bei der … Bank haftet per 6.2.2018 mit EUR 24.531,03 aus.

Die gesamte offene Darlehenssumme beträgt daher EUR 134.000,--.

[Die Klägerin] verpflichtet sich, diese Darlehen zukünftig zu bezahlen und hierauf [den Beklagten] schad- und klaglos zu halten.

[Der Beklagte] verzichtet im Gegenzug auf die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens bzw wird er hinsichtlich des Liegenschaftsvermögens keine Ansprüche an [die Klägerin] stellen. …

Für den Fall, dass die Ehe zwischen [der Klägerin] und [dem Beklagten] nach einer einjährigen Trennung geschieden wird, erhält [der Beklagte] eine einmalige Abfindungszahlung in Höhe von EUR 50.000,--, und zwar innerhalb einer Frist von einem Monat ab rechtskräftiger Scheidung. Sollte die Ehe erst später geschieden werden, ist dieser Abfindungsbetrag wertgesichert nach dem Verbraucherpreisindex 2015 zu bezahlen. …

6.

[Die Klägerin] und [der Beklagte] verzichten hiermit ausdrücklich auf eine Anfechtung dieser Vereinbarung aus welchem Grund auch immer, insbesondere wegen Irrtums und Sittenwidrigkeit.

Beide halten abschließend fest, dass sie mit dieser Vereinbarung die Aufteilung des ehelichen Vermögens endgültig und unwiderruflich geregelt haben.“

Mit der am 22.7.2021 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin (nach Modifikation), gegenüber dem Beklagten festzustellen, dass dieser im Fall der Scheidung verpflichtet sei, seine Hälfteanteile an den Liegenschaften in EZ***** und EZ***** Zug um Zug gegen Bezahlung des vereinbarten Abfindungsbetrags in das Eigentum der Klägerin zu übertragen (Hauptbegehren).

Das erste und das zweite Eventualbegehren sind auf dieselbe Feststellung gerichtet, nennen als Rechtsgrund aber einmal ausdrücklich die Trennungsvereinbarung vom 28.2.2019, Notariatsakt GZ *****, und das andere Mal eine von den Parteien mündlich abgeschlossene Vereinbarung gemäß § 97 EheG.

Das dritte Eventualbegehren ist als Leistungsklage auf Einwilligung des Beklagten in die grundbücherliche Übertragung der Liegenschaften Zug um Zug gegen Zahlung von EUR 50.000,-- im Fall der Scheidung gerichtet.

Zusammengefasst brachte die Klägerin dazu vor, dass sich der Beklagte im Frühjahr 2018 einer anderen Frau zugewandt habe. Im März 2020 sei er aus dem Ehehaus ausgezogen und lebe seither mit dieser Frau. Die Klägerin habe die feste Absicht gehabt, sich scheiden zu lassen, habe aber nicht die Kraft aufgebracht, die Scheidung sofort durchzuziehen, weshalb eine Trennungsvereinbarung abgeschlossen worden sei, um spätere belastende Auseinandersetzungen zu vermeiden. Auch wenn die Trennungsvereinbarung keine ausdrückliche Übereignungsverpflichtung des Beklagten hinsichtlich seiner Hälfteanteile enthalte, sei der Vertrag von beiden Parteien so verstanden worden, dass der Beklagte im Fall der Scheidung zur Übereignung seiner Liegenschaftshälfteanteile an die Klägerin verpflichtet sei. Der Beklagte habe seine Übertragungspflicht nie bestritten. Er habe sich nur darüber beschwert, dass die Abfindungszahlung von EUR 50.000,-- zu gering sei. Er habe die Anfechtung der Trennungsvereinbarung wegen angeblicher Irreführung durch den Vertragsverfasser, den Nebenintervenienten, angedroht.

Erst bei der Scheidungsverhandlung am 12.2.2021 habe der Beklagte erstmals behauptet, nicht verpflichtet zu sein, seine Liegenschaftsanteile an die Klägerin zu übertragen. Die Übereignungsverpflichtung des Beklagten werde auf die Trennungsvereinbarung vom 28.2.2019 aber auch auf eine mündlich getroffene Vereinbarung gestützt. Letztere stelle eine Vorausvereinbarung gemäß § 97 Abs 5 EheG dar, die formfrei abgeschlossen und durch den Außerstreitrichter nachträglich nicht mehr korrigiert werden könne, weil sie in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren geschlossen worden sei. Aufgrund der Bestreitung der Übereignungsverpflichtung durch den Beklagten habe die Klägerin ein rechtliches Interesse an der eingeklagten Feststellung nach § 228 ZPO.

Der Beklagte erhob den Einwand der Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs. Zusammengefasst brachte er vor, dass das Hauptbegehren auf Feststellung nach ständiger Rechtsprechung im Außerstreitverfahren zu klären sei. Erst nach dort erfolgter Klärung, ob einzelne Gegenstände nicht in die Aufteilung fielen, könnten Rechtsstreitigkeiten von (geschiedenen) Ehegatten untereinander im streitigen Rechtsweg geführt werden. Damit solle verhindert werden, dass es zu widersprechenden Entscheidungen im Streit- bzw Außerstreitverfahren komme. Der streitige Rechtsweg sei auch deshalb unzulässig, da Vorausvereinbarungen - insbesondere nach § 92 Abs 2 EheG (wohl gemeint § 97 Abs 2 EheG) - im Wege des Aufteilungsverfahrens nachträglich angepasst werden könnten. Die gegenständliche Vereinbarung falle nicht unter § 97 Abs 5 EheG, es handle sich um eine Trennungsvereinbarung, die in keinem Zusammenhang mit einem Scheidungsverfahren stehe.

Mit dem angefochtenen Beschluss verwarf das Erstgericht die Einrede der Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs. Begründend führte es aus, dass die Frage, ob die Rechtssache im streitigen oder im außerstreitigen Verfahren zu erledigen sei, nach ständiger Rechtsprechung ausschließlich anhand des Vorbringens der Klägerin zu beurteilen sei. Vereinbarungen nach § 97 EheG aF seien nach gesicherter Rechtsprechung im streitigen Rechtsweg durchzusetzen gewesen. Für die Rechtslage nach dem FamRÄG 2009 sei von einer Spaltung des Rechtswegs zwischen Vorausvereinbarungen im Sinn des § 97 Abs 1 EheG und Vereinbarungen im Zusammenhang mit einem Eheauflösungsverfahren im Sinn des § 97 Abs 5 EheG auszugehen. Nach 1 Ob 144/12 habe die Nachkontrolle einer Vorausvereinbarung im Sinn des § 97 Abs 1 EheG im Außerstreitverfahren vor dem Aufteilungsgericht stattzufinden. Zu 5 Ob 108/13p habe der Oberste Gerichtshof die Durchsetzung einer Scheidungsvereinbarung im streitigen Verfahren gebilligt. Nach der Entscheidung 1 Ob 201/16f sei das Außerstreitgericht im Aufteilungsverfahren verpflichtet, Vorfragen, die ansonsten im streitigen Rechtsweg zu lösen wären, selbst zu lösen, wie etwa die Frage der Rechtswirksamkeit oder Rechtsunwirksamkeit von Vereinbarungen nach § 97 EheG. Mit einer Vorausvereinbarung nach § 97 Abs 1 EheG komme man nur mehr auf den streitigen Rechtsweg, wenn noch kein Verfahren nach §§ 81 ff EheG (Aufteilungsverfahren) oder zur Durchsetzung der Vereinbarung eingeleitet worden sei. Nach 1 Ob 225/19y scheide bei Vereinbarungen nach § 97 Abs 5 EheG, also jenen die in einem ursächlichen Zusammenhang mit einem Scheidungsverfahren geschlossen worden seien, eine Nachkontrolle und Korrektur im Aufteilungsverfahren nach § 97 Abs 2 oder 3 EheG aus. Die Durchsetzung und Bekämpfung einer Vereinbarung im Sinn des § 97 Abs 5 EheG habe daher im streitigen Verfahren zu geschehen. Ein Aufteilungsverfahren komme nur dann in Frage, wenn sich die Ehegatten nicht einigen hätten können (§ 85 EheG). Eine Anrufung des Außerstreitgerichts sei unzulässig, wenn die Ehegatten die Aufteilung in zulässiger Weise vertraglich geregelt hätten. Ausgehend von dieser Rechtsprechung habe die Klägerin ihr Begehren auf Feststellung einer Vorausvereinbarung nach § 97 Abs 1 EheG bzw § 97 Abs 5 EheG zutreffend im streitigen Verfahren geltend gemacht.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der rechtzeitige Rekurs des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, der in den Antrag mündet, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass der streitige Rechtsweg für unzulässig erklärt, die Klage zurückgewiesen und das bisherige Verfahren für nichtig erklärt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

In ihrer Rekursbeantwortung beantragt die Klägerin, dem Rechtsmittel der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Der Beklagte führt in seinem Rechtsmittel zusammengefasst aus, dass er sich weder mündlich noch schriftlich zur Übereignung der Liegenschaftsanteile verpflichtet habe. Selbst wenn man die Trennungsvereinbarung als Vorwegvereinbarung im Sinn des § 97 Abs 1 EheG verstehen würde, hätte die von der Klägerin angestrebte Übereignungspflicht in Form eines Notariatsakts festgehalten werden müssen. Dies sei nicht der Fall gewesen. Wenn man von einer formgültigen Vorwegvereinbarung ausgehe, bestehe im außerstreitigen Verfahren die Möglichkeit der Vertragsanpassung nach § 97 Abs 2, 3 und 4 EheG. Aus der Trennungsvereinbarung vom 28.2.2019 sei erkennbar, dass keine Scheidungsabsicht bestanden habe. Bis zum Einbringen der Scheidungsklage seien 15 Monate vergangen, was das Erstgericht feststellen hätte müssen (sekundärer Feststellungsmangel). § 97 Abs 5 EheG komme daher nicht zur Anwendung. Die vom Erstgericht zur Begründung herangezogene Judikatur sei einerseits nicht einschlägig, andererseits ergebe sich daraus gerade nicht die Zulässigkeit des streitigen, sondern des außerstreitigen Rechtswegs. Es sei verfahrensökonomischer und systemgerechter, die Durchsetzung von Vorwegvereinbarungen nach § 97 Abs 1 EheG dem Aufteilungsverfahren vorzubehalten. Da bis heute noch nicht feststehe, dass die Ehe geschieden werde, sei auch gar kein Feststellungsinteresse gegeben. Teile des Liegenschaftsvermögens seien zugekauft worden, sodass eine Form der ehelichen Ersparnisse vorliege. Auch dazu hätte das Erstgericht Feststellungen treffen müssen (sekundärer Feststellungsmangel).

Dazu hat das Rekursgericht erwogen:

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 81 Abs 1 EheG sind das eheliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse unter den Ehegatten aufzuteilen, wenn die Ehe geschieden, aufgehoben oder für nichtig erklärt wird. Nach § 95 EheG erlischt der Aufteilungsanspruch, wenn er nicht binnen einem Jahr nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht wird. Das Aufteilungsverfahren setzt die Rechtskraft der eheauflösenden Entscheidung voraus (Kathrein Eherecht³ § 85 EheG [Stand 1.4.2014, rdb.at] Rz 3). Nach § 83 Abs 1 EheG ist die Aufteilung nach Billigkeit vorzunehmen. § 85 EheG bestimmt, dass das Gericht über Antrag zu entscheiden hat, soweit sich die Ehegatten über die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse nicht einigen. Daraus ergibt sich, dass das Gesetz der einvernehmlichen Regelung der Aufteilung gegenüber der gerichtlichen Entscheidung den Vorzug gibt (Kathrein Eherecht³ § 85 EheG [Stand 1.4.2014, rdb.at] Rz 1).

2. Die hier anzuwendende Fassung des § 97 EheG (Art 18 Abs 3 FamRÄG 2009) lautet wie folgt:

„(1) Vereinbarungen, die im Voraus die Aufteilung ehelicher Ersparnisse oder die Aufteilung der Ehewohnung regeln, bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Form eines Notariatsakts. Vereinbarungen, die im Voraus die Aufteilung des übrigen ehelichen Gebrauchsvermögens regeln, bedürfen der Schriftform.

(2) Von einer im Voraus geschlossenen Vereinbarung über die Aufteilung der ehelichen Ersparnisse und des ehelichen Gebrauchsvermögens mit Ausnahme der Ehewohnung kann das Gericht bei der Aufteilung nur abweichen, soweit die Vereinbarung in einer Gesamtbetrachtung des in die Aufteilung einzubeziehenden Vermögens im Zeitpunkt der Aufteilungsentscheidung einen Teil unbillig benachteiligt, sodass ihm die Zuhaltung unzumutbar ist.

(3) Von einer im Voraus geschlossenen Vereinbarung über die Nutzung der Ehewohnung durch einen Ehegatten kann das Gericht bei der Aufteilung nur abweichen, soweit der andere Ehegatte oder ein gemeinsames Kind seine Lebensbedürfnisse nicht hinreichend decken kann oder eine deutliche Verschlechterung seiner Lebensverhältnisse hinnehmen müsste.

(4) Weicht das Gericht von einer im Voraus geschlossenen Vereinbarung ab, ist insbesondere auf die Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse, die Dauer der Ehe sowie darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit der Vereinbarung eine rechtliche Beratung vorangegangen ist und in welcher Form sie geschlossen wurde.

(5) Die Abs 1 bis 4 gelten nicht für solche Vereinbarungen, die die Ehegatten im Zusammenhang mit dem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe geschlossen haben.“

3. Nach § 228 ZPO kann eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechtes erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass jenes Rechtsverhältnis oder Recht durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Neben den allgemeinen Prozessvoraussetzungen müssen nach § 228 ZPO für die Zulässigkeit der Feststellungsklage zwei besondere Prozessvoraussetzungen gegeben sein:

-

Die Feststellungsfähigkeit des Rechtsverhältnisses und

-

das rechtliche Interesse des Klägers an der alsbaldigen Feststellung (Rechberger/Klicka in Rechberger5, § 228 ZPO Rz 2).

Bedingte Rechte oder Rechtsverhältnisse können dann festgestellt werden, wenn der gesamte übrige rechtserzeugende Sachverhalt feststeht und nur die bereits genau und bestimmt festgesetzte Bedingung noch nicht eingetreten ist (RS0039125). Das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung ist dann gegeben, wenn ein aktueller Anlass zur präventiven Klärung des strittigen Rechtsverhältnisses besteht. Dieser Anlass ist dann zu bejahen, wenn das Rechtsverhältnis durch eine ernsthafte Unsicherheit gefährdet erscheint, zB wenn der Beklagte ein Recht des Klägers hartnäckig bestreitet (Rechberger/Klicka5 § 228 ZPO Rz 7). Ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung kann dort als vorhanden angenommen werden, wo das Feststellungsurteil für den Kläger von rechtlich praktischer Bedeutung ist (RS0039265).

Das behauptete Recht auf Übereignung der Liegenschaftsanteile aus der Trennungsvereinbarung vom 28.2.2019 stellt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis nach § 228 ZPO dar. Der behauptete Anspruch ist zwar bedingt, die Bedingung ist jedoch genau bestimmt (für den Fall der Scheidung). Nachdem der Beklagte diesen Übereignungsanspruch Zug um Zug gegen Zahlung der vereinbarten Ausgleichszahlung bestreitet, liegt die von der Rechtsprechung geforderte Rechtsunsicherheit vor. Dass die Klärung der Reichweite und Bedeutung der Trennungsvereinbarung für die Klägerin von rechtlich-praktischem Interesse ist, zeigt sich schon daran, dass im Scheidungsverfahren bis zur Klärung dieser Frage Ruhen des Verfahrens eingetreten ist. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der Klägerin bereits jetzt das rechtliche Interesse zur Einbringung einer Feststellungsklage nach § 228 ZPO zusteht.

4. Wie das Erstgericht zutreffend festgehalten hat, bestimmt sich die Abgrenzung zwischen streitigem und außerstreitigem Rechtsweg nach dem Wortlaut des Entscheidungsbegehrens und den zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen (RS0013639; RS0005861). Ausschlaggebend ist daher allein das Vorbringen der Klägerin.

5. Das Erstgericht hat die höchstgerichtliche Judikatur zutreffend wiedergegeben.

Zu 1 Ob 144/12a hatte der Oberste Gerichtshof die Zulässigkeit des (außer)streitigen Rechtswegs betreffend einer Vorausvereinbarung nach § 97 Abs 1 EheG zu beurteilen, wobei dort die Ehegatten geschieden waren und bereits ein Aufteilungsverfahren behing. Der Oberste Gerichtshof sprach aus, dass die Reichweite und Auslegung einer Vorausvereinbarung nach §§ 914 f ABGB im außerstreitigen Aufteilungsverfahren zu prüfen sei.

Zu 5 Ob 108/13p war die nachträgliche Durchsetzung einer Aufteilungsvereinbarung, die im Rahmen der Scheidung getroffen worden war, zu beurteilen. Hier wurde von der Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs ausgegangen.

Zu 3 Ob 168/15z sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass es gerechtfertigt sei, die Durchsetzung von Vorwegvereinbarungen nach § 97 Abs 1 EheG in das Außerstreitverfahren zu verweisen. Dies wurde mit dem Vorrang des Aufteilungsverfahrens (RS0111605) begründet. Die Wirksamkeit der Vereinbarung nach § 97 Abs 1 EheG sei vom Außerstreitrichter als Vorfrage zu prüfen, wobei – anders als hier vorliegend – im dortigen Verfahren die Ehegatten bereits geschieden waren und ein Aufteilungsverfahren bereits anhängig war.

Auch zu 1 Ob 221/16f war die Ehe bereits geschieden und war bereits ein Aufteilungsverfahren anhängig. Zu beurteilen war ein nach der Ehescheidung getroffener Vertrag, mit dem Liegenschaftsanteile der Ehegatten an die Söhne geschenkt bzw verkauft wurden. Gegenstand des Aufteilungsverfahrens war sodann nur noch die Liegenschaft mit der ehemaligen Ehewohnung. Der Oberste Gerichtshof sprach aus, dass die Beurteilung der Wirksamkeit des Kauf- und Schenkungsvertrags als Vorfrage im außerstreitigen Aufteilungsverfahren zu klären sei. Er stellte allerdings auch Überlegungen an, wonach nach § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG das Außerstreitverfahren unterbrochen werden könnte, wenn über eine Vorfrage als Hauptfrage bereits ein anderes Verfahren anhängig sei, was dort nicht der Fall war.

Zu 1 Ob 225/19y hatte der Oberste Gerichtshof eine Vereinbarung nach § 97 Abs 5 EheG zu beurteilen. Die Ehegatten waren bereits geschieden, das Aufteilungsverfahren war bereits anhängig, als die geschiedene Ehegattin ihre Ansprüche aus einer schriftlichen Vereinbarung über die Aufteilung des Großteils des ehelichen Vermögens im streitigen Rechtsweg mit Klage geltend gemachte. Der Oberste Gerichtshof bejahte in diesem Fall die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs unter Hinweis auf § 85 EheG, wonach eine Einigung der Ehegatten Vorrang gegenüber dem Aufteilungsverfahren hat. Auch stellte er klar, dass eine Vereinbarung nach § 97 Abs 5 EheG vom Außerstreitrichter mit den Mitteln des außerstreitigen Verfahrens (§ 97 Abs 2, 3 und 4 EheG) nicht mehr an geänderte Verhältnisse angepasst werden könne (siehe dazu Glosse von Gitschthaler, EF-Z 2020/23).

6. Der hier zu beurteilende Fall unterscheidet sich von den zuvor genannten dadurch, dass die Eheleute noch nicht geschieden sind und ein Aufteilungsverfahren nach §§ 81 ff EheG daher noch gar nicht anhängig gemacht werden kann. Vor diesem Hintergrund hat das Erstgericht die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs zutreffend bejaht und zwar unabhängig davon, ob man eine Vereinbarung nach § 97 Abs 1 oder Abs 5 EheG unterstellt.

Geht man davon aus, dass die Trennungsvereinbarung und die ebenfalls behauptete mündliche Vereinbarung Vereinbarungen nach § 97 Abs 5 EheG seien, ist nach der jüngsten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs jedenfalls der streitige Rechtsweg zu beschreiten (1 Ob 225/19y).

Geht man davon aus, dass (nur) eine Vereinbarung nach § 97 Abs. 1 EheG vorliegt, würde man der Klägerin den aktuell zustehenden Anspruch auf Feststellung nach § 228 ZPO versagen, wenn man sie auf das Außerstreitverfahren verwiese. Ein Außerstreitverfahren, in dem der Feststellungsanspruch als Vorfrage geprüft werden könnte, behängt noch nicht, sodass der Hinweis des Rechtsmittelwerbers auf die diesbezügliche Rechtsprechung (3 Ob 168/15z; 1 Ob 221/16f) ins Leere geht. Dem Vorrang des Aufteilungsverfahrens (RS0111605) ist nämlich der Subsidiaritätsgedanke des § 85 EheG entgegenzuhalten, wonach eine Einigung der Parteien einem gerichtlichen Verfahren vorgeht. Anhand der vorliegenden Feststellungsklage wird durch Auslegung zu klären sein, ob eine abschließende oder zumindest teilweise Einigung der Parteien über die Aufteilung der Liegenschaften vorliegt oder nicht. Sollte sich mit den Mitteln der Vertragsauslegung nach §§ 914 ff ABGB herausstellen, dass eine rechtswirksame und vom Willen der Parteien getragene Vereinbarung zustande gekommen ist, würde sich diesbezüglich ein Aufteilungsverfahren – vorbehaltlich einer allenfalls nachfolgenden Anpassung nach § 97 Abs 2, 3 und 4 EheG – erübrigen. Genau darauf zielt die gegenständliche Klage. Die angefochtene Entscheidung war daher zu bestätigen.

7. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO. Der Beklagte hat der Klägerin die richtig verzeichneten Kosten ihrer Rekursbeantwortung zu ersetzen.

8. Die absolute Unzulässigkeit des Revisionsrekurses ergibt sich aus § 528 Abs 2 Z 2 ZPO (Konformatsentscheidung), zumal der dort normierte Ausnahmetatbestand nicht vorliegt. Einer Bewertung des Streitgegenstands bedarf es daher nicht.

Textnummer

EI0100094

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0819:2022:00400R00212.21I.0215.000

Im RIS seit

04.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

04.05.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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