TE OGH 2021/12/22 6Ob157/21p

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Veröffentlicht am 22.12.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Firmenbuchsache der S* GmbH, FN *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Geschäftsführer 1. Ing. J* B*, 2. R* S*, und der Gesellschaft, alle vertreten durch Dr. Michael Umfahrer, öffentlicher Notar in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 15. Juli 2021, GZ 6 R 79/21p-6, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1]            Am 18. 2. 2021 waren bei der Gesellschaft im Firmenbuch zu FN * mehrere Rechtstatsachen eingetragen, darunter als Rechtstatsachen 002 und 003 jeweils Generalversammlungsbeschlüsse vom 11. 7. 2002 (002) bzw vom 13. 12. 2006 (003) betreffend die Änderung des Gesellschaftsvertrags im Punkt Erstens (002) bzw Sechstens (003). Als Rechtstatsache 005 waren ein Generalversammlungsbeschluss vom 23. 12. 2009, eine Kapitalerhöhung und die Neufassung des Gesellschaftsvertrags eingetragen.

[2]       Mit in Rechtskraft erwachsenem Beschluss vom 25. 2. 2021 nahm das Erstgericht über Antrag der Geschäftsführer der Gesellschaft die Eintragung des aktuellen Firmenwortlauts sowie der Rechtstatsache, dass mit Generalversammlungsbeschluss vom 10. 2. 2021 eine Änderung des Gesellschaftsvertrags in Punkt Erstens und Viertens erfolgt sei, vor. Mit demselben Beschluss löschte es die erwähnten Rechtstatsachen 002 und 003 und begründete dies mit dem Beisatz, nicht mehr aktuelle Rechtstatsachen würden zwecks Übersichtlichkeit des Firmenbuchs von Amts wegen gelöscht, blieben aber in der historischen Datenbank des Firmenbuchs weiterhin abfragbar.

[3]       Am 19. 4. 2021 beantragten die Geschäftsführer beim Erstgericht die „Herstellung gelöschter Eintragungen“, nämlich der vom Erstgericht mit Beschluss vom 25. 2. 2021 gelöschten Rechtstatsachen 002 und 003. Gemäß § 3 Z 16 FBG iVm § 49 Abs 2 GmbHG seien Satzungsänderungen bei der GmbH im Firmenbuch einzutragen. Eine Löschung dieser Eintragung sei in diesen Bestimmungen nicht vorgesehen, darüber hinausgehende Überlegungen des Firmenbuchgerichts ließen sich aus seiner Begründung nicht ableiten.

[4]            Das Erstgericht wies diesen Antrag ab.

[5]       Das Rekursgericht wies den dagegen erhobenen Rekurs zurück und ließ den Revisionsrekurs nicht zu. Die mit Beschluss des Erstgerichts vom 25. 2. 2021 verfügten Firmenbucheintragungen könnten nur unter den Voraussetzungen des § 10 Abs 2 FBG wieder beseitigt werden. Inhaltlich stelle sich der nunmehrige Antrag daher als Anregung zum amtswegigen Vorgehen nach § 10 Abs 2 FBG dar. Sowohl Betroffene iSd § 18 FBG als auch Dritte könnten amtswegige Löschungen nach § 10 Abs 2 FBG aber nur anregen, sie hätten keinen Erledigungsanspruch. Werde eine Anregung zur amtswegigen Löschung nicht aufgegriffen, so habe der Anreger dagegen kein Rekursrecht.

[6]       Der außerordentliche Revisionsrekurs der Geschäftsführer und der Gesellschaft ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[7]       1. Die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts entspricht ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung (RS0006902 [T1, T2, T3]; RS0124480).

[8]            2.1. Das Rechtsmittel argumentiert, beim nunmehrigen Eintragungsantrag handle es sich nicht um ein Amtslöschungsverfahren nach § 10 (Abs 2) FBG, sondern darum, dass die (neuerliche) Eintragung von Rechtstatsachen begehrt werde, was § 3 Abs 1 Z 16 FBG zu unterstellen sei. Nach der zuletzt genannten Bestimmung sind bei allen Rechtsträgern sonstige Eintragungen, die gesetzlich vorgesehen sind, einzutragen.

[9]            2.2. Da die Eintragung von Generalversammlungsbeschlüssen einer GmbH, womit der Gesellschaftsvertrag geändert wird, weder in § 3 FBG (allgemeine Eintragungen) noch in § 5 FBG (besondere Eintragungen bei Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung), sondern vielmehr in § 49 Abs 2, § 51 GmbHG normiert wird, wird zwar nach herrschender Ansicht dieser Eintragungstatbestand dem § 3 Abs 1 Z 16 FBG unterstellt (Zib in Zib/Dellinger, Großkomm UGB § 3 FBG Rz 83; Pilgerstorfer in Artmann, UGB3 § 3 FBG Rz 23; Jennewein, FBG § 3 Rz 114 jeweils mwN).

[10]           Dies ändert aber nichts daran, dass es hier nicht um die (erstmalige) Eintragung von Satzungsänderungen einer GmbH geht, sondern um die Korrektur der nach Ansicht der Rechtsmittelwerber zu Unrecht erfolgten vorherigen amtswegigen Löschung dieser Satzungsänderungen. Es wird die Löschung der Löschung und somit die Wiedereintragung begehrt. Dieser Sachverhalt ist aber als Anregung zum amtswegigen Vorgehen nach § 10 Abs 2 FBG aufzufassen (6 Ob 243/08s [ErwGr 3.1.]). Ein Antrag nach § 3 Abs 1 Z 16 FBG, der den Antragstellern – anders als im Amtslöschungsverfahren nach § 10 Abs 2 FBG – Parteistellung verschaffte, liegt somit nicht vor.

[11]           3. Der Revisionsrekurs zeigt somit keine erhebliche Rechtsfrage auf und ist daher zurückzuweisen.

[12]           4. Zu der vom Erstgericht mit Beschluss vom 25. 2. 2021 amtswegig verfügten Löschung der früheren Satzungsänderungen (Rechtstatsachen 002 und 003) ist zur Klarstellung der Rechtslage auszuführen:

[13]           4.1. Ist oder wird eine Eintragung in das Firmenbuch wegen Mangels einer wesentlichen Voraussetzung unzulässig, so kann sie das Gericht gemäß § 10 Abs 2 FBG von Amts wegen löschen. Lehre und Rechtsprechung haben dazu folgende Grundsätze herausgearbeitet:

[14]           4.1.1. Unzulässig iSd § 10 Abs 2 FBG ist eine Eintragung insbesondere dann, wenn sie sachlich unrichtig ist oder wenn gesetzliche Erfordernisse für die Eintragung fehlen, deren Mangel die Beseitigung im öffentlichen Interesse oder im Interesse der Beteiligten geboten erscheinen lässt; gelöscht werden können nach dem klaren Gesetzeswortlaut von Anfang an unzulässige beziehungsweise unrichtige Eintragungen (RS0121185) oder wenn gesetzliche Erfordernisse für die Eintragung fehlen, deren Mangel die Beseitigung im öffentlichen Interesse oder im Interesse der Beteiligten geboten erscheinen lässt (6 Ob 243/08s). Aus der Formulierung des Gesetzes („unzulässig ist oder wird“) ergibt sich, dass eine Eintragung auch zu löschen ist, wenn sie im Zeitpunkt ihrer Vornahme zwar zulässig war, jedoch zwischenweilig unzulässig geworden ist (AB 23 BlgNR 28. GP 12). § 10 Abs 2 FBG gilt nicht nur für Ersteintragungen, sondern auch für Folgeeintragungen wie beispielsweise eine Kapitalerhöhung (6 Ob 90/20h).

[15]           4.1.2. Der Zweck des § 10 FBG geht nach verbreiteter Ansicht im Schrifttum aber über den Wortlaut hinaus: Die Anmeldebefugten und das Gericht sollen dafür sorgen, dass das Firmenbuch keine unrichtigen Angaben enthält (Pilgerstorfer in Artmann, UGB³ § 10 FBG Rz 3; Jennewein, FBG § 10 Rz 13 mwN). § 10 Abs 2 FBG dient der Wahrung der materiellen Richtigkeit und Aktualität des Firmenbuchs (G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 10 Rz 8).

[16]           4.2. Zur Frage, ob die amtswegige Löschung von Rechtstatsachen, die durch spätere Firmenbucheintragungen obsolet geworden sind, unter § 10 Abs 2 FBG subsumiert werden kann, hat der Fachsenat Folgendes erwogen:

[17]           4.2.1. Es werden deklarative und konstitutive Firmenbucheintragungen unterschieden. Deklarative Eintragungen sind solche, die die unabhängig vom Firmenbuchstand bestehenden Rechtsverhältnisse im Firmenbuch dokumentieren sollen. Konstitutive Eintragungen sind solche, bei denen das Rechtsverhältnis, das im Firmenbuch eingetragen ist, erst durch die Eintragung begründet wird. Diese Rechtswirkung tritt nur ein, wenn sie im Gesetz für die jeweilige Firmenbucheintragung vorgesehen ist, also etwa bei Entstehung von Rechtsträgern (vgl § 123 Abs 1 UGB; § 2 Abs 1 Satz 1 GmbHG; § 34 Abs 1 Satz 1 AktG; § 7 Abs 1 PSG) oder bei Satzungsänderungen (vgl § 49 Abs 2 GmbHG; § 148 Abs 3 AktG; § 33 Abs 3 Satz 2 PSG).

[18]           4.2.2. Bei deklarativen Eintragungen wird eine Eintragung ab dem Zeitpunkt unzulässig, ab dem der Firmenbuchstand nicht mehr der tatsächlichen Rechtslage entspricht. Wird etwa durch Gesellschafterbeschluss der bisherige Geschäftsführer einer GmbH wirksam abberufen und ein anderer wirksam bestellt, so ist ab diesem Zeitpunkt die Firmenbucheintragung des abberufenen Geschäftsführers unrichtig. Dieser Unrichtigkeit könnte auch nicht dadurch abgeholfen werden, dass beim abberufenen Geschäftsführer im Firmenbuch das Ende der Vertretungsbefugnis eingetragen wird, weil diese Eintragung im Gesetz nicht vorgesehen ist (Umkehrschluss aus § 3 Abs 1 Z 8 FBG, vgl auch § 3 Abs 1 Z 9 FBG für Prokuristen) und daher zu unterbleiben hat (vgl RS0061788). Die Eintragung der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers ist daher mit dessen Abberufung unzulässig geworden. Demgemäß ordnet § 17 Abs 1 GmbHG an, dass diesfalls das Erlöschen der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer zum Firmenbuch anzumelden, also deren Löschung zu beantragen ist. Erfolgt diese Anmeldung nicht, so kann dieser Sachverhalt (unbeschadet der Verpflichtung zur Verhängung von Zwangsstrafen nach § 24 FBG) grundsätzlich § 10 Abs 2 FBG unterstellt werden.

[19]           4.2.3. § 10 Abs 2 FBG erfasst auch konstitutive Eintragungen (G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 10 Rz 23). Bei konstitutiven Eintragungen ist aber gerade wegen der rechtsbegründenden Eigenschaft der Eintragung in aller Regel die materielle Rechtslage mit der im Firmenbuch dokumentierten identisch. Die Firmenbucheintragung ist bei konstitutiven Eintragungen zwar notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Wirksamkeit.

[20]           Die rechtsbegründende Wirkung einer konstitutiven Eintragung kann ausnahmsweise dann nicht eintreten, wenn der der Eintragung zugrunde liegende Rechtsakt so mangelhaft ist, dass er keine Rechtswirkungen entfaltet. Dies ist etwa der Fall, wenn ein geschäftsunfähiger Stifter eine Änderung der Stiftungserklärung vorgenommen hat (6 Ob 157/12z), bei wirkungslosen Scheinbeschlüssen im GmbH-Recht (vgl 6 Ob 33/20a; RS0060167) oder bei nichtigen Hauptversammlungsbeschlüssen einer Aktiengesellschaft (vgl 10 Ob 32/00d). Die Wirksamkeit einer konstitutiven Eintragung kann auch nachträglich wegfallen, so etwa wenn einer Beschlussanfechtungsklage nach § 41 GmbHG betreffend einen im Firmenbuch eingetragenen, anfechtbaren Beschluss rechtskräftig stattgegeben wurde. Diesfalls ordnet § 44 Abs 1 GmbHG die amtswegige Löschung der Firmenbucheintragung an (zur amtswegigen Löschungbefugnis bei Beschlüssen bei Kapitalgesellschaften vgl Zib in Zib/Dellinger, Großkomm UGB § 10 FBG Rz 13 ff). Nur in den zuletzt genannten Fällen stimmt bei konstitutiven Eintragungen die materielle Rechtslage mit der eingetragenen nicht überein und ist demnach die Eintragung unzulässig.

[21]           Dadurch, dass eine zulässige und wirksame konstitutive Eintragung etwa einer Gesellschaftsvertragsänderung durch spätere Satzungsänderungen nicht mehr aktuell wirksam und somit „obsolet“ wird, wird sie hingegen weder unzulässig noch unrichtig, stellt sie doch die seinerzeit bewirkte und bis zur Eintragung einer späteren, abändernden Satzungsänderung geltende Rechtslage richtig dar. Die Löschung derartiger Rechtstatsachen ist sogar irreführend, weil sie auch dahingehend verstanden werden kann, die betreffende Firmenbucheintragung sei – wie in den zuvor genannten Beispielen – von Anfang an unwirksam gewesen. Schließlich könnte auch die Ansicht vertreten werden, durch die Löschung sei die konstitutive Wirkung weggefallen, mangle es doch kraft der Löschung an der Firmenbucheintragung.

[22]           4.3. Die vom Erstgericht amtswegig verfügte Löschung der Rechtstatsachen 002 und 003 war somit von § 10 Abs 2 FBG nicht gedeckt. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass durch die Löschung der beiden Rechtstatsachen in die Rechtsstellung der Gesellschaft eingegriffen wurde. Die Gesellschaft wäre daher vor der verfügten Löschung nach § 18 FBG zu verständigen gewesen (vgl AB 23 BlgNR 18. GP 12; RS0059164; speziell zur Löschung nach § 10 Abs 2 FBG G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 18 Rz 23; Pilgerstorfer in Artmann, UGB3 § 10 Rz 12; § 18 Rz 17; Jennewein, FBG § 10 Rz 17).

[23]           Das Erstgericht wird somit nach pflichtgemäßem Ermessen zu beurteilen haben, ob es hinsichtlich dieser Löschungen das von den Rechtsmittelwerbern angeregte Löschungsverfahren nach § 10 Abs 2 FBG einleitet, wobei eine Verständigung nach § 18 FBG sich diesfalls erübrigen würde, hat doch die Gesellschaft bereits zu erkennen gegeben, dass sie mit einem Löschungsverfahren im Sinn ihrer Anregung einverstanden wäre.

Textnummer

E134040

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0060OB00157.21P.1222.000

Im RIS seit

09.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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