TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/23 W163 2243351-1

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Veröffentlicht am 23.11.2021
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Entscheidungsdatum

23.11.2021

Norm

AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs4 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55

Spruch


W163 2243351-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Daniel LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Bosnien und Herzegowina, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.05.2021, Zahl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird hinsichtlich des Spruchpunktes IV. insoweit stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbotes auf sechs Jahre herabgesetzt wird.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat: „Es wird gegen Sie gemäß § 52 Abs 4 Z 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen.“.

II. Gemäß § 55 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab dem Zeitpunkt der Enthaftung.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

I.1. Verfahrensgang

1.       Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein bosnischer Staatsangehöriger, lebt seit Jänner 2011 im Bundesgebiet.

2.       Am 19.06.2020 wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) von der Verhängung der Untersuchungshaft über den BF vom Landesgericht für Strafsachen Graz verständigt.

3.       Mit Verfahrensanordnung vom 21.09.2020 wurde dem BF zur Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs 3 AVG die Gelegenheit eingeräumt, zum mit der Verfahrensanordnung übermittelten Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen und die damit übermittelten Fragen binnen zwei Wochen ab Erhalt des Schreibens zu beantworten.

4.       Am 08.10.2020 langte eine Stellungnahme des BF beim BFA ein, mit welcher er die in der Verfahrensanordnung vom 21.09.2020 aufgelisteten Fragen beantwortete.

5.       Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 04.12.2020 wurde der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 Z 3 SMG, teils als Bestimmungstäter im Sinne des § 12 zweiter Fall StGB, des Verbrechens des Sichtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG teils als Beitragstäter im Sinne des § 12 dritter Fall StGB und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall und Abs 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

6.       Mit gegenständlich angefochtenen Bescheid des BFA vom 17.05.2021 wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Bosnien und Herzegowina zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG wurde gegen ihn ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunt IV.), gemäß §§ 55 Abs 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.) und gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

7.       Gegend diesen am 20.05.2021 rechtswirksam zugestellten Bescheid erhob der BF durch seine rechtliche Vertretung fristgerecht Beschwerde, welche am 07.06.2021 beim BFA einlangte.

8.       Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakte wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 14.06.2021 vom BFA vorgelegt.

9.       Mit Teilerkenntnis des BVwG vom 17.06.2021 wurde der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung Folge gegeben und der Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

10.      Mit Eingabe vom 05.10.2021 wurde eine Zeugeneinvernahme beantragt.

11.      Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 06.10.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF in Anwesenheit seines bevollmächtigten Vertreters teilnahm. Ein Behördenvertreter nahm an der Verhandlung nicht teil. Ein Zeuge wurde einvernommen.

I.2. Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (Sachverhalt)

Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt aus:

a)       Zur Person und zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei

1.       Zur Person des Beschwerdeführers

Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , in der Stadt XXXX in Bosnien und Herzegowina.

Der BF ist Staatsangehöriger Bosnien und Herzegowinas. Die Muttersprache des BF ist Bosnisch.

Der BF ist ledig und Vater einer Tochter im Kleinkindalter, welche im Herkunftsstaat des BF bei der Kindesmutter lebt. Der BF hat seine Tochter bisher noch nicht gesehen, ist jedoch unterhaltspflichtig. Die Mutter des BF übernimmt zum aktuellen Zeitpunkt die Unterhaltsleistungspflicht des BF und zahlt daher alle zwei Monate 250 Euro für die Tochter des BF. In Bosnien und Herzegowina leben darüber hinaus der Vater und eine Tante des BF.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig.

2.       Zur Situation des Beschwerdeführers in Österreich

Der BF ist seit Jänner 2011 im Bundesgebiet gemeldet und verfügte seit Mai 2011 über einen Aufenthaltstitel. Das aktuelle Verfahren zur Verlängerung über die Rot-Weiß-Rot Karte ist noch nicht abgeschlossen.

Im Bundesgebiet leben die Mutter sowie der Stiefvater des BF. Vor der Inhaftierung hat der BF bei seiner Mutter im Haushalt gelebt, welche als Zimmermädchen ein Einkommen hat und sich während der Haft des BF um dessen finanziellen Angelegenheiten kümmert. Die Mutter des BF überweist ihm zusätzlich Geld. Der BF verfügt über keine Ersparnisse, hat jedoch einen Kredit abzubezahlen.

Der BF spricht Deutsch. Im Bundesgebiet besuchte der BF eine Polytechnische Schule und absolvierte eine Lehre als Installations- und Gebäudetechniker. Nach Abschluss der Lehre war der BF als – teilweise geringfügig beschäftigter – Arbeiter bei verschiedenen Unternehmen tätig. Zwischen den Beschäftigungen bezog der BF Arbeitslosengeld. Zuletzt war er von 25.05.2020 bis 10.06.2020 als Arbeiter bei der XXXX erwerbstätig. Darüber hinaus verfügt der BF über eine Gewerbeberechtigung für Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik sowie über eine Gewerbeberechtigung für ein Handelsgewerbe mit Ausnahme der reglementieren Handelsgewerbe.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 04.12.2020 wurde der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 Z 3 SMG, teils als Bestimmungstäter im Sinne des § 12 zweiter Fall StGB, des Verbrechens des Sichtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG teils als Beitragstäter im Sinne des § 12 dritter Fall StGB und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall und Abs 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF eine das 15-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge an Kokain mit einem Reinheitsgehalt von rund 73% in das Bundesgebiet einführte und anderen überlies, einen anderen mit der Einfuhr von Kokain beauftragte, Kokain gewinnbringend im Bundesgebiet verkaufte und dabei beitrug, einem verdeckten Ermittler Kokain zu überlassen, indem er die Übergabe absicherte. Als mildernd wurden bei der Strafbemessung der bisherige ordentliche Lebenswandel sowie der Umstand, dass die Taten mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch standen, als erschwerend das Zusammentreffen von zwei Verbrechen und einem Vergehen, der längere Tatzeitraum und die Bestimmung des weiteren Angeklagten gewertet.

Der BF wurde am 16.06.2020 festgenommen, befand sich von 19.06.2020 bis 04.12.2020 in Untersuchungshaft und befindet sich seither in Strafhaft. Aktuell verbüßt er seine Strafhaft in der JA Innsbruck.

b)       Zur Lage im Herkunftsstaat:

Es besteht keine reale Gefahr, dass der Beschwerdeführer in Bosnien und Herzegowina einer wie auch immer geratenen existenziellen Bedrohung ausgesetzt ist. Gemäß § 1 Z 1 der HStV (Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl. II Nr. 177/2009 idF BGBl. II NR. 145/2019) gilt Bosnien und Herzegowina als sicherer Herkunftsstaat. Es sind im Falle einer Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina auch keine Umstände hinsichtlich etwaiger staatlicher Repressalien oder anderweitig gearteter Probleme bekannt bzw. wurden solche nicht vorgebracht.

II. Beweiswürdigung

Der Beweiswürdigung liegen folgende Erwägungen zugrunde:

II.1. Zum Verfahrensgang

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des Gerichtsaktes des BVwG.

II.2. Zur Person und zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei

1.       Zur Person des Beschwerdeführers

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den Angaben des BF im Verfahren vor der belangten Behörde. Der BF hat keine Identitätsdokumente vorgelegt. Die Feststellungen zur Identität gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des BF im gegenständlichen Verfahren. Die Feststellung, dass Bosnisch die Muttersprache des BF ist, ergibt sich aus seinen Angaben (zuletzt mV S. 3).

Die Feststellungen zum Personenstand, zu jenen seine Tochter betreffend sowie die im Herkunftsstaat aufhältigen Angehörigen ergibt sich aus den Angaben des BF sowie den zeugenschaftlichen Angaben der Mutter des BF.

Dass der BF gesund und arbeitsfähig ist, ergibt sich aus seinen Angaben im Verfahren (zuletzt mV S. 3).

2.       Zur Situation des Beschwerdeführers in Österreich

Die Feststellungen zu den Meldungen und dem Aufenthaltstitel sowie dem anhängigen Verfahren zur Verlängerung der Rot-Weiß-Rot-Karte Plus ergeben sich aus einer Einsichtnahme ins ZMR, ins IZR und den Angaben der rechtlichen Vertretung des BF in der Beschwerdeverhandlung (vgl. mV S.8).

Dass die Mutter sowie der Stiefvater des BF im Bundesgebiet leben, ergibt sich aus den Angaben des BF sowie jenen der Mutter. Die Feststellungen rund um die finanzielle Lage des BF und die finanzielle Unterstützung durch seine Mutter ergibt sich aus den Angaben der Mutter in der Beschwerdeverhandlung.

Die Befragung des BF in der Beschwerdeverhandlung konnte überwiegend in der deutschen Sprache durchgeführt werden, weshalb die entsprechende Feststellung zu den Deutschkenntnissen des BF zu treffen war. Die Angaben des BF hinsichtlich seiner Bildung im Bundesgebiet waren glaubhaft uns stimmen überdies hinsichtlich der absolvierten Lehre mit einem AJ-Web Auszug überein, woraus sich auch die übrigen Beschäftigungen sowie Arbeitslosengeldbezüge ergeben. Aus den im Akt einliegenden Auszügen aus dem Gewerbeinformationssystem ergeben sich die Gewerbeberechtigungen des BF.

Die strafgerichtliche Verurteilung, die der Verurteilung zugrundeliegenden strafbaren Handlungen, die Strafbemessungsgründe sowie das Strafausmaß ergeben sich aus dem im Akt einliegenden Strafurteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 04.12.2020 sowie einem Strafregisterauszug.

Die Feststellung zu den Zeiten der Festnahme, Untersuchungshaft und der aktuellen Strafhaft sowie dem voraussichtlichen Entlassungstermin ergeben sich aus einer Zusammenschau des im Akt einliegenden Strafurteils (OZ 9), einem rezenten ZMR Auszug, dem im Akt einliegenden Abschlussbericht (AS 29) sowie der Verständigung der Fremdenpolizei von der Aufnahme eines Fremden in Untersuchungshaft durch die Justizanstalt Graz-Jakomini (AS 5ff).

II.3. Zur Lage im Herkunftsstaat

Der Beschwerdeführer hat im Verfahren keine konkreten Rückkehrbefürchtungen bezogen auf Bosnien und Herzegowina, einen sicheren Herkunftsstaat im Sinne der Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV), geäußert. Da es sich beim Beschwerdeführer um einen volljährigen, jungen Mann handelt, welcher an keinen schwerwiegenden Erkrankungen leidet und muttersprachlich Bosnisch spricht, können keine exzeptionellen Umstände erkannt werden, vor deren Hintergrund anzunehmen wäre, dass er zur eigenständigen Erwirtschaftung seines Lebensunterhaltes in Bosnien und Herzegowina nicht in der Lage und konkret gefährdet sein würde, in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten. Demnach konnte auch von Amts wegen kein Hinweis auf eine im Fall einer Abschiebung drohende Verletzung der körperlichen Unversehrtheit des Beschwerdeführers erkannt werden.

Die von der belangten Behörde in das Verfahren eingeführten und im angefochtenen Bescheid festgestellten Länderberichte zur allgemeinen Lage in Bosnien und Herzegowina beruhen auf Berichten verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen. Diese Quellen liegen dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vor und decken sich im Wesentlichen mit dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes, das sich aus der ständigen Beachtung der aktuellen Quellenlage (Einsicht in aktuelle Berichte zur Lage im Herkunftsstaat) ergibt. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf eine Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Darüber hinaus ist der BF diesen allgemeinen Länderfeststellungen nicht (substanziiert) entgegengetreten. Sie blieben insofern im gesamten Verfahren unbestritten und wurden keinerlei Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit der Informationen zur Lage im Herkunftsstaat Zweifel aufkommen ließen.

III. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

III.1.  Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

1.1.    Die maßgebliche Bestimmung des AsylG lautet:

„§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.“

Der Beschwerdeführer befindet sich seit Jänner 2011 im Bundesgebiet. Sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen nicht vor.

Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

III.2.  Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

2.1.    Die maßgebliche Bestimmung im FPG lautet:

„§ 52. (1) – (3) […]

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) – (8) […]

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) […]

[…]“

Die maßgebliche Bestimmung des NAG lautet:

„§ 11. (1) […]

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

5. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden;

6. der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, rechtzeitig erfüllt hat, und

7. in den Fällen der §§ 58 und 58a seit der Ausreise in einen Drittstaat gemäß § 58 Abs. 5 mehr als vier Monate vergangen sind.

(3) […]

(4) Der Aufenthalt eines Fremden widerstreitet dem öffentlichen Interesse (Abs. 2 Z 1), wenn

1. sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde oder

2. […]

(5) – (7) […]“

Die maßgebliche Bestimmung des BFA-VG lautet:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.“

2.2.    Der BF hatte eine bis 26.05.2021 gültigen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot Karte plus“ und stellte vor dessen Ablauf einen Verlängerungsantrag. Er ist daher gemäß § 24 Abs. 1 NAG bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

2.3.    Wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht, ist gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Ein solcher Versagungsgrund liegt nach §11 Abs. 2 Z 1 NAG vor, wenn der Aufenthalt des Fremden öffentlichen Interessen widerstreitet. Dieses Kriterium ist gemäß § 11 Abs. 4 Z 1 NAG dann erfüllt, wenn der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

Es ist daher zu prüfen, ob der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

Bei der Prüfung, ob die Annahme, dass der (weitere) Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde, gerechtfertigt ist, muss eine das Gesamtverhalten des Fremden berücksichtigende Prognosebeurteilung vorgenommen werden. Dabei hat die Behörde im Fall von strafgerichtlichen Verurteilungen gestützt auf das diesen zu Grunde liegende Fehlverhalten (zu ergänzen: unter Berücksichtigung der Art und Schwere der Straftat) eine Gefährdungsprognose zu treffen. Die damit erforderliche, auf den konkreten Fall abstellende individuelle Prognosebeurteilung ist jeweils anhand der Umstände des Einzelfalles vorzunehmen (vgl. VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0062 unter Hinweis auf VwGH 14.04.2011, 2008/21/0257).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in Bezug auf Suchtgiftdelinquenz bereits wiederholt festgehalten, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (vgl. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0249 unter Hinweis auf VwGH 20.12.2012, 2011/23/0554, mwN).

2.4.    Der BF wurde wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 Z 3 SMG, teils als Bestimmungstäter im Sinne des § 12 zweiter Fall StGB, des Verbrechens des Sichtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG teils als Beitragstäter im Sinne des § 12 dritter Fall StGB und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall und Abs 2 SMG verurteilt. Hinsichtlich der Strafbemessungsgründe wurde als mildernd der bisherige ordentliche Lebenswandel sowie der Umstand, dass die Taten mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch standen, als erschwerend das Zusammentreffen von zwei Verbrechen und einem Vergehen, der längere Tatzeitraum und die Bestimmung des weiteren Angeklagten gewertet.

Aus den Erschwerungsgründen kann bereits eine grundsätzliche Gefahr, die vom BF ausgeht, angenommen werden, zumal dieser wiederholt Verbrechen nach dem SMG beging und bloß aufgrund seiner Festnahme keine weiteren Straftaten setzte.

Es ist unbestritten, dass es sich bei der Suchtgiftkriminalität um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität handelt, bei der die Wiederholungsgefahr besonders groß ist (vgl. VwGH vom 16.01.2007, Zl. 2006/18/0400). Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH besteht ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen, insbesondere von Suchtmitteldelikten (vgl. VwGH 22.2.2017, Ra 2017/19/0043).

Der BF befindet sich gegenwärtig in Strafhaft und hat noch voraussichtlich ein weiteres Jahr und acht Monate zu verbüßen. Für den Wegfall oder eine maßgebliche Minderung der von ihm ausgehenden, durch die schwerwiegende strafgerichtliche Verurteilung indizierten, Gefährlichkeit bedarf es daher noch eines entsprechend langen Zeitraums des Wohlverhaltens in Freiheit (siehe VwGH 08.11.2018, Ra 2017/22/0207). Dieser Zeitraum ist umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden - etwa in Hinblick auf das der strafgerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegende Verhalten oder einen raschen Rückfall - manifestiert hat (siehe zuletzt etwa VwGH 10.09.2018, Ra 2018/19/0169).

Diesbezüglich ist anzumerken, dass dem BF der Unrechtsgehalt seiner Tat bewusst war. Alleine die Schwere der Tat indiziert eine nachhaltige Gefahr der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich bei einem Verbleib des BF im Bundesgebiet. Der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers würde daher die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden. Damit widerstreitet der Aufenthalt des Beschwerdeführers öffentlichen Interessen gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 NAG.

Der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels steht somit ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG entgegen, weshalb gemäß § 52 Abs. 4 Z 4 FPG eine Rückkehrentscheidung zu erlassen ist.

2.5.    Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK ihre Verhältnismäßigkeit am Maßstab des § 9 BFA-VG zu prüfen. Nach dessen Abs. 1 ist nämlich (ua) die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101; 20.10.2016, Ra 2016/21/0198). Das gilt aber nicht nur für die Rückkehrentscheidung und für das in § 9 Abs. 1 BFA-VG weiters ausdrücklich genannte Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG, sondern auch für das – nur bei gleichzeitiger Erlassung einer Rückkehrentscheidung zulässige – Einreiseverbot iSd § 53 FPG, in dessen Abs. 2 und 3 in Bezug auf die Bemessung der Dauer auch die Abwägung nach Art. 8 EMRK angesprochen wird (vgl. VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0062 unter Hinweis auf VwGH 03.09.2015, Ra 2015/21/0111; 30.06.2016, Ra 2016/21/0179).

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme aus dem Blickwinkel des § 9 BFA-VG iVm. Art. 8 EMRK zulässig ist, ist weiters eine gewichtende Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit dem Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich vorzunehmen.

2.6.    Der BF verfügt abgesehen von seiner Mutter und seinem Stiefvater über keine Familienmitglieder oder sonstigen Angehörigen im Bundesgebiet. Der BF lebte zwar vor seiner Inhaftierung mit seiner Mutter in einem gemeinsamen Haushalt, dass zwischen diesen jedoch ein Abhängigkeitsverhältnis bestand, kam nicht hervor, zumal es sich beim BF um einen volljährigen Mann handelt, der für seinen Lebensunterhalt selbst aufkommen kann. Auch das Vorbringen, wonach seine Mutter auf die Hilfe des BF etwa bei Arztbesuchen angewiesen sei, vermag die Ansicht des Gerichtes nicht zu relativieren, zumal es dem BF im Zeitpunkt der Begehung der Suchtmitteldelikte bewusst war, dass diese zu einer längeren Trennung von seiner Mutter führen können und hat er dies auch in Kauf genommen. Auch jetzt kann die Mutter des BF dessen Hilfe nicht in Anspruch nehmen, zumal er sich bereits seit Juni 2020 in Haft befindet und noch nicht einmal die Hälfte der Strafe verbüßt hat. Für die Mutter macht es keinen Unterschied, ob sie die Hilfe nicht in Anspruch nehmen kann, weil ihr Sohn in Haft ist oder sich in einem anderen Land aufhält. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die familiäre Verbindung den BF von weiteren Straftaten abhalten sollte, zumal diese bereits bei der Begehung der Straftaten, welche zur Verurteilung führten, bestanden hat. Das Gericht verkennt nicht, dass die Mutter den BF finanziell unterstützt, jedoch ist dies primär auf den Umstand zurückzuführen, dass sich der BF in Haft befindet und seinen finanziellen Verpflichtungen daher nur erschwert nachgehen kann. Im Falle einer Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina könnte die Mutter den BF jedoch auch weiterhin finanziell unterstützen, zumal ihr das auch jetzt schon möglich ist. Auch eine Aufrechterhaltung des Kontaktes wäre in diesem Falle auf unterschiedlichen Wege (telefonisch, elektronisch, brieflich, durch Urlaubsaufenthalte seiner Mutter in Bosnien und Herzegowina etc) möglich.

Zu Gute zu halten ist dem BF, dass er gut Deutsch spricht, Freunde im Bundesgebiet hat und die Polytechnische Schule besuchte, eine Lehre absolvierte, immer wieder legal erwerbstätig war und über zwei Gewerbeberechtigungen verfügt, jedoch bezog er zwischenzeitlich auch Arbeitslosengeld.

Es bestehen jedoch nach wie vor ausgeprägte Bindungen nach Bosnien und Herzegowina, zumal der BF sein Leben bis zu seinem 15. Lebensjahr in Bosnien und Herzegowina verbrachte und vor der Inhaftierung nach wie vor alle eineinhalb bis zwei Monate für ein Wochenende nach Bosnien und Herzegowina fuhr. Neben dem Vater und der Tante leben auch die Tochter sowie deren Mutter in Bosnien und Herzegowina. Der BF ist für seine Tochter unterhaltspflichtig. Zu seinem Vater hat er zwar seinen Angaben nach kein gutes Verhältnis mehr, jedoch ist festzuhalten, dass der BF bei seinen Reisen nach Bosnien bei diesem und seiner Tante gelebt hat. Zudem kann beim gesunden und arbeitsfähigen BF die Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben in seinem Herkunftsstaat vorausgesetzt werden, weshalb er grundsätzlich in der Lage sein wird, sich mit Erwerbstätigkeiten - wenn auch allenfalls nur durch Gelegenheitsarbeiten oder Hilfsarbeiten - ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Der BF spricht auch die Landessprachen seines Herkunftsstaates. Der BF ist in die bosnische Gesellschaft integriert.

Es ist unbestritten, dass aufenthaltsbeendigende Maßnahmen auch unter dem Aspekt der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen zu sehen sind. Vor allem im Bereich der Suchtmittelkriminalität berührt die aus der Begehung eines solchen strafbaren Deliktes ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit wegen der besonderen Gefährlichkeit für Dritte ein Grundinteresse der Gesellschaft. Der VwGH hat in Bezug auf Suchtgiftdelinquenz bereits wiederholt festgehalten, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (vgl. das Erkenntnis vom 20. August 2013, 2013/22/0082 und das Erkenntnis vom 22.11.2012, Zl. 2011/23/0556, mwN).

Im Hinblick auf die "verheerende Wirkung von Drogen auf das Leben von Menschen" hat auch der EGMR wiederholt sein Verständnis für die Bestimmtheit der Mitgliedstaaten im Vorgehen gegenüber Personen, die an der Verbreitung von Drogen aktiv mitwirken, zum Ausdruck gebracht (EGMR, 19.02.1998, Dalia gegen Frankreich, Nr. 154/1996/773/974; EGMR vom 30.11. 1999, Baghli gegen Frankreich Nr. 34374/97). So hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgestellt, dass "angesichts der verheerenden Auswirkungen der Suchtgiftkriminalität die Staaten berechtigt sind, insofern besonders rigoros vorzugehen" (EGMR Salem v Denmark, 01.12.2016, 77036/11).

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich steht insbesondere das öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität gegenüber (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.01.2005, Zl. 2004/18/0365, vom 03.05.2005, Zl. 2005/18/0076 und vom 09.09.2014, Zl. 2013/22/0246). Nicht unberücksichtigt zu lassen ist auch die höchstgerichtliche Judikatur, wonach die sich in den der rechtskräftigen Verurteilung des Fremden zugrundeliegenden strafbaren Handlung manifestierende Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen von solchem Gewicht ist, dass zur Wahrung der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer (Art. 8 Abs. 2 EMRK) die tangierten privaten und familiären Interessen des Fremden zurückzustehen haben (VwGH 03.03.1994, 94/18/0021). Ebenso steht dem persönlichen Interesse das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gegenüber; diesem gewichtigen öffentlichen Interesse kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 12.03.2002, Zl. 98/18/0260; 18.01.2005, Zl. 2004/18/0365).

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen.

Fallgegenständlich liegt, wie bereits dargelegt, eine gravierende Straffälligkeit vor. Somit relativieren sich sowohl die familiären Anknüpfungspunkte als auch die mehr als zehnjährige Aufenthaltsdauer des BF aufgrund der Begehung von Straftaten.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes des BF sein persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und die angeordnete Rückkehrentscheidung jedenfalls im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt ist. Insbesondere das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne eines geordneten Fremdenwesens und an der Hintanhaltung strafbarem Verhaltens wiegt in diesem Fall schwerer als die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung war im gegenständlichen Fall dringend geboten, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

III.3.  Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

3.1.    Gemäß § 52 Abs 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, die Festlegung eines solchen Staates wäre aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich.

Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (VwGH 15.9.2016, Ra 2016/21/0234). Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen Verfahren kein konkretes Vorbringen hinsichtlich einer im Herkunftsstaat befürchteten Verletzung in relevanten Grundrechten (insb. Art. 3 EMRK) erstattet. Sowohl unter Beachtung der individuellen Situation des Beschwerdeführers, als auch der allgemeinen Sicherheits- und Menschenrechtslage im Herkunftsstaat, ergab sich kein Hinweis auf eine dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat potentiell drohende Gefährdung in den hier relevanten Grundrechten. Im Rahmen der Beurteilung der allgemeinen Lage in Bosnien und Herzegowina ist überdies zu berücksichtigen, dass gemäß § 1 Z 1 der Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV), BGBl. II Nr. 177/2009 idgF, Bosnien und Herzegowina als sicherer Herkunftsstaat gilt und ergaben sich im gegenständlichen Fall keine Hinweise auf einen aus diesem Blickwinkel relevanten Sachverhalt.

Auch im Hinblick auf die weltweite Ausbreitung des COVID-19 Erregers besteht unter Zugrundelegung der Entwicklungen auch im Herkunftsland keine derartige Situation, die im Hinblick auf eine Gefährdung nach Art. 3 EMRK eine entscheidungsrelevante Lageänderung erkennen lässt. Unabhängig von Staatsbürgerschaft und Land des Reiseantritts ist die Einreise möglich für alle getesteten, geimpften oder genesenen Personen. Auf Grund sinkender Fallzahlen haben die Behörden die Bestimmungen gelockert. Die Maßnahmen können auf kantonaler bzw. Entitätsebene unterschiedlich sein (Bosnien und Herzegowina – BMEIA, Außenministerium O?sterreich 27.10.2021).

Eine der Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina entgegenstehende Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte besteht nicht.

Der auf § 52 Abs. 9 FPG 2005 gestützte Ausspruch der belangten Behörde erfolgte daher zu Recht, weshalb die Beschwerde gegen den Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen war.

III.4.  Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides:

4.1.    Die maßgebliche Bestimmung des FPG lautet:

„§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;

4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder

9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);

7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet;

8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder

9. der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.

(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht.“

4.2.    Bei der für ein Einreiseverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (Vgl. VwGH 20.10.2016, Zl. Ra 2016/21/0289; VwGH Zl. 24.03.2015, Ra 2014/21/0049). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Annahme eines Wegfalls der sich durch das bisherige Fehlverhalten manifestierten Gefährdung in erster Linie das Wohlverhalten in Freiheit maßgeblich (vgl. etwa VwGH 25.02.2016, Zl. Ra 2016/21/0022).

Abgesehen von der Bewertung des bisherigen Verhaltens des Drittstaatsangehörigen ist bei der Entscheidung über die Länge des Einreiseverbotes iSd bisherigen Judikatur zu § 63 FPG 2005 alt (vgl VwGH 08.11.2006 2006/18/0323; VwGH 18.02.2009, Zl. 2008/21/0048) darauf abzustellen, wie lange die von ihm ausgehende Gefährdung prognostiziert ist. Kann der Zeitpunkt des Wegfalls der für die Erlassung des Rückkehrverbotes maßgeblichen Umstände nicht vorhergesehen werden, so war laut Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 63 FPG (idF vor dem FrÄG 2011) ein unbefristetes Rückkehr- bzw. Aufenthaltsverbot zu verhängen (vgl. VwGH 08.07.2009, Zl. 2008/21/0503). Außerdem ist auch auf die privaten und familiären Interessen des Drittstaatsangehörigen Bedacht zu nehmen. Der Verwaltungsgerichtshof wies in seiner Entscheidung vom 22.05.2013, Zl. 2011/18/0259, jedoch darauf hin, dass das Ausschöpfen der vorgesehenen Höchstfristen nicht regelmäßig schon dann erfolgen darf, wenn einer der Fälle des § 53 Abs. 2 Z 1 bis 8 bzw. des Abs. 3 Z 1 bis 8 FPG vorliegt. Eine einzelfallbezogene Bemessung ist vielmehr unabdingbar.

4.3.    Im vorliegenden Fall stützte die belangte Behörde das Einreiseverbot auf den Fall des § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG, da der BF wegen Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 Z 3 SMG, teils als Bestimmungstäter im Sinne des § 12 zweiter Fall StGB, des Verbrechens des Sichtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG teils als Beitragstäter im Sinne des § 12 dritter Fall StGB und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall und Abs 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, wodurch die Tatsache einer Verurteilung „zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten" um das Vielfache überschritten wird.

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 53 Abs 3 Z 1 FPG sind dem Grunde nach erfüllt.

Hinsichtlich des strafrechtlichen Fehlverhaltens des BF und der Verurteilung samt der Strafbemessungsgründe wird auf die Ausführungen unter III.2.4. verwiesen.

Insbesondere ist im Hinblick auf die seitens des Beschwerdeführers verübten Straftaten herauszustreichen, dass Suchtgiftdelinquenz ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist (vgl. VwGH, 10.09.2018, Ra 2018/19/0169; 23.02.2016, Ra 2015/01/0249). Auch aus einem einmaligen Fehlverhalten - entsprechende Gravidität vorausgesetzt - kann eine maßgebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit abgeleitet werden. Im Hinblick darauf ist die Verhängung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes, auch gegen langjährig rechtmäßig in Österreich aufhältige Fremde, gegebenenfalls nicht zu beanstanden (vgl. VwGH 29.6.2017, Ra 2016/21/0338; VwGH 15.3.2018, Ra 2018/21/0021). Der Verwaltungsgerichtshof hat auch schon wiederholt ausgesprochen, dass bei schweren Verbrechen im Zusammenhang mit Suchtmitteln weder ein langjähriger Aufenthalt in Österreich noch eine sonst vollkommene soziale Integration im Inland einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme entgegenstehen (VwGH, 24.10.2019, Ra 2019/21/0207). Auch der EGMR vertritt die Auffassung, dass „angesichts der verheerenden Auswirkungen der Suchtgiftkriminalität die Staaten berechtigt sind, insofern besonders rigoros vorzugehen“ (vgl. EGMR Salem v Denmark, 01.12.2016, 77036/11).

Gegenständlich ist hervorzuheben, dass der BF Suchtmittel in einer größeren Menge, konkret 484 Gramm, importierte und anderen danach überlassen hat, und sich dabei durch den Verkauf einer nicht geringen Menge einen finanziellen Vorteil in Form von finanziellen Gewinnen verschafft hat. Zudem hat der BF Suchtgift in einer unbekannten Menge vorschriftswidrig ausschließlich zum persönlichen Gebrauch besessen. Dies lässt eine fehlende Verbundenheit zu gültigen Rechtsnormen seitens des BF erkennen und weißt das Gesamtverhalten des BF eine maßgebliche Gefährdung öffentlicher Interessen aus.

Der BF zeigte sich im Strafverfahren nicht geständig und unterließ es bis dato (sowohl im Strafverfahren als auch im gegenständlichen Verfahren) seine Reue oder Einsicht zu artikulieren. Weder aus der Beschwerde noch aus den Angaben des BF in der Beschwerdeverhandlung lassen sich Ausführungen dahingehend entnehmen, dass sich der Beschwerdeführer mit seinen Straftaten, seiner Schuld und Verantwortung auseinandergesetzt hat. Viel mehr geht er davon aus, dass er zu Unrecht verurteilt wurde weshalb er einen Wiederaufnahmeantrag des Strafverfahrens gestellt habe. Der Bestreitung der in seiner Verurteilung erwähnten Straftaten und dem Versuch, dies durch einen eingebrachten Wiederaufnahmeantrag zu untermauern ist zu entgegnen, dass der bloße Antrag einem schlüssigen Urteil nicht entgegenzutreten und die Rechtskraft und Schlüssigkeit eines strafgerichtlichen Urteils noch nicht zu erschüttern vermag.

Die strafrechtliche Verurteilung des BF aufgrund des Verbrechens des Suchtgifthandels, welchen er unter anderem begangen hat um sich dadurch eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen und sich hiedurch das Fortkommen zu finanzieren, lässt auf eine besonders kriminelle Energie schließen. Unter Berücksichtigung seiner finanziellen Verpflichtungen und dem Umstand, dass er bereits trotz legaler Erwerbstätigkeit straffällig wurde, um dadurch einen Gewinn zu erzielen kann, keine positive Gefährdungsprognose erstellt werden. Vielmehr hat der BF sich bereits einmal zu strafbaren Handlungen zum Zwecke der Gewinnerzielung hinreißen lassen und kann angesichts der nach wie vor vorherrschenden als prekär einzustufenden finanziellen Lage des BF nicht ausgeschlossen werden, dass dieser erneut rückfällig wird.

Gerade auch die Verurteilung zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe weisen in Anbetracht des Strafrahmens auf ein nicht marginales persönliches Fehlverhalten hin, welches eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr darstellt, da der seit der Tat verstrichene Zeitraum als zu kurz anzusehen ist, um gänzlich von einem Wegfall der Gefährdung zu sprechen, zumal auch der Vollzug der Freiheitsstrafe nach wie vor andauert. Dieses verwerfliche Handeln des BF lässt letztlich auch eine Prognose für eine Tatwiederholungsgefahr jedenfalls nicht als unbegründet erscheinen.

So hat der VwGH wiederholt zu von Suchtmitteldelikten (vgl. VwGH 25.04.2013, 2013/18/0053) ausgehende Gefährdung öffentlicher Interessen Bezug genommen und auf die Rückfallgefährlichkeit bei Suchtmitteldelikten hingewiesen (vgl. VwGH 10.12.2008, 2008/22/0876; 23.02.2016, Ra 2015/01/0249). So hielt er fest, dass sich aus dem Fehlen einer Drogenabhängigkeit des Fremden kein geringeres Maß an Gefährlichkeit oder einer Wahrscheinlichkeit künftiger Tatwiederholungen ableiten ließe, zumal gerade hieraus nämlich ebenso gut auf ein besonders berechnendes und gewinnorientiertes Verhalten geschlossen werden könne, das, wurden Kontakte zu einschlägigen Suchtgiftkreisen einmal geknüpft, eine Tatwiederholung auch künftig besorgen ließe. (vgl. VwGH 20.12.2012, 2011/23/0554)

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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