TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/24 W254 2239378-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.11.2021
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Entscheidungsdatum

24.11.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
StudFG §31 Abs4
StudFG §49 Abs3
StudFG §51 Abs1 Z3
StudFG §51 Abs1 Z4
StudFG §75
StudFG §8
StudFG §9

Spruch


W254 2239378-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr.in Tatjana CARDONA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , Matrikelnummer XXXX gegen den Bescheid der Studienbeihilfenbehörde, Stipendienstelle Innsbruck vom 12.11.2020, Dok Nr 471505101 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die beschwerdeführende Partei stellte am 20.02.2018 einen Antrag auf Studienbeihilfe für das Wintersemester 2018. Am 22.05.2018 bewilligte die Studienbeihilfenbehörde bereits ab März 2018 Studienbeihilfe in der Höhe von € 841 monatlich.

Die beschwerdeführende Partei machte in einem E-Mail darauf aufmerksam, dass die Förderung ihr vermutlich nicht zustehe, da sie noch voll berufstätig sei und erst ab WS18 mit dem Studium der Wirtschaftswissenschaften beginne.

Dieses Vorbringen wurde von der Stipendienstelle Innsbruck als Vorstellung gewertet. Mit Bescheid vom 10. Juli 2018 erließ die Stipendienstelle Innsbruck eine Vorstellungsvorentscheidung, in welcher die Studienbeihilfe mit € 79 monatlich neu berechnet wurde. Am 16.07.2018 schrieb die beschwerdeführende Partei eine E-Mail an die Studienbeihilfenbehörde, in welchem jene darauf hinwies, dass sie erst ab Oktober 2018 Studienbeihilfe benötige und nachfragte, ob es Sinn mache, den Antrag zu stornieren, damit alles seine Richtigkeit habe. Mit E-Mail vom selben Tag antwortete die Studienbeihilfenbehörde, dass die beschwerdeführende Partei nur auf alles verzichten könne und ein Neuanspruch erst ab März 2019 möglich wäre.

Im August 2018 brach die beschwerdeführende Partei das Studium Wirtschaftsrecht ab. Im Wintersemester 2018 inskribierte die beschwerdeführende Partei das Studium der Wirtschaftswissenschaften – Management und Economics und stellte am 22.10.2018 einen Antrag auf Abänderung der Studienbeihilfe.

Mit Bescheid der Stipendienstelle Innsbruck vom 09.11.2018 wurde Studienbeihilfe ab September 2018 in der Höhe von € 841 bewilligt.

Im Zuge der Aufrollung für das Kalenderjahr 2018 sprach die Stipendienstelle Innsbruck am 25.05.2020 mit Bescheid (Dok Nr 453467701) das Ruhen des Anspruches auf Studienbeihilfe während des Kalenderjahres 2018 im Ausmaß von € 3.838 aus und forderte die beschwerdeführende Partei zur Rückzahlung auf.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei am 11.06.2020 Vorstellung. Mit Bescheid vom 14.07.2020 (Vorstellungsvorentscheidung) wurde der Vorstellung keine Folge gegeben und der Bescheid vom 25.05.2020 bestätigt. Am 07.08.2020 erhob die beschwerdeführende Partei einen Vorlageantrag gegen die Vorstellungsvorentscheidung.

Mit Bescheid des Senats an der Stipendienstelle Innsbruck vom 12.11.2020 (Dok 471505101) wurde dem Vorlageantrag der beschwerdeführenden Partei keine Folge gegeben und der Bescheid vom 25.05.2020 bestätigt.

Gegen den Senatsbescheid erhob die beschwerdeführende Partei am 14.12.2020 das Rechtsmittel der Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die beschwerdeführende Partei stellte am 20.02.2018 einen Antrag auf Gewährung von Studienbeihilfe für das Wintersemster 2018. Ein Antrag für Gewährung einer Studienbeihilfe für den Zeitraum März 2018 bis August 2018 liegt nicht vor.

Für den Zeitraum März 2018 bis August 2018 wurde der beschwerdeführenden Partei, mit Bescheid vom 10.07.2018 monatlich € 79, insgesamt € 474 Studienbeihilfe von der Studienbeihilfenbehörde bewilligt. Dieser Bescheid wurde nicht angefochten und erwuchs in Rechtskraft.

Für den Zeitraum September 2018 bis Dezember 2018 wurde der beschwerdeführenden Partei monatlich € 841, insgesamt € 3.364 Studienbeihilfe bewilligt. Der Bewilligungsbescheid erwuchs ebenfalls in Rechtskraft.

Im Jahr 2018 bezog die beschwerdeführende Partei ein studienförderungsrechtlich relevantes Gesamteinkommen im Ausmaß € 29.663,02:

Das studienrechtlich relevante Gesamteinkommen errechnet sich aus dem Bruttoeinkommen (Bezüge der Hypo Bank) von € 24.334,95, abzüglich der Sozialversicherung von € 4.298,63 und abzüglich Werbungskosten und Sonderausgaben von € 1.164,30 laut Einkommenssteuerbescheid (abgezogen davon die Pauschale für Werbungskosten von € 132 und die Sonderausgabenpausschale von € 60).

Weiters ist in das studienrechtlich relevante Gesamteinkommen die Auszahlung der VBV Pensionskasse AG in Höhe von € 1.499 und der VBV Vorsorgekasse AG in Höhe von € 7.996 einzuberechnen und das im September 2018 bezogene Arbeitslosengeld in Höhe von € 1.488.

Die zumutbare Eigenleistung betrug für das Jahr 2018 den € 8.333,00 (€ 10.000 aliquotiert auf 10 Monate in denen Studienbeihilfe bezogen wurde) übersteigenden Betrag der Bemessungsgrundlage. Die zumutbare Eigenleistung beträgt im Fall der beschwerdeführenden Partei daher € 21.330,02 (€ 29.663,02 – € 8.333,00).

Insgesamt wurde der beschwerdeführenden Partei € 3.838,00 an Beihilfen bewilligt. Diese muss aufgrund der berechneten zumutbaren Eigenleistung zurückgezahlt werden.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der gegenständlichen Beschwerde. Dass die beschwerdeführende Partei keinen Antrag auf Studienbeihilfe für den Zeitraum März 2018 bis August 2018 gestellt hat, ergibt sich aus den Mails und Eingaben der beschwerdeführenden Partei, aber auch aus dem Schreiben der Studienbeihilfenbehörde vom 04.02.2021 (S. 6).

Die Feststellung, dass der Bescheid vom 10.07.2018 über die Gewährung von € 79 monatlich ab März 2018 in Rechtskraft erwuchs und nicht angefochten wurde, ergibt sich aus dem Verfahrensakt und den Ausführungen der beschwerdeführenden Partei, die eine Erhebung eines Rechtsmittels auch nicht behauptet. Zwar richtet sie innerhalb der Frist für das Rechtsmittel des Vorlageantrags am 16.07.2018 eine E-Mail an die Studienbeihilfenbehörde, in welcher sie nachfragt, ob es Sinn machen würde, den Antrag zu stornieren, weil sie erst ab Oktober 2018 Studienbeihilfe benötige. Es ist aus diesem E-Mail aber nicht zu erkennen, dass der Wille der beschwerdeführenden Partei darauf gerichtet war, ein Rechtsmittel zu erheben bzw. eine Entscheidung der Behörde zu erwirken. Dieses, bloß eine Frage aufwerfende Mail, ist auch in Umfang, Struktur und Willensbekundung deutlich unverbindlicher verfasst als die von der beschwerdeführenden Partei später gegen die Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Ruhen des Anspruches erhobenen Rechtsmittel. Letztlich ist auch in einer ex-post Betrachtung davon auszugehen, dass die beschwerdeführende Partei selbst nicht davon ausgegangen ist, ein Rechtsmittel erhoben zu haben, da sie in keiner Weise im Anschluss daran eine Entscheidung urgiert oder dies in irgendeiner Weise vorbringt. Letztlich entsteht der beschwerdeführenden Partei durch die Rechtskraft des Bescheides auch kein Nachteil, da sie die Rückzahlungsverpflichtung auch bei einer Behebung des Bescheides getroffen hätte und sie selbst immer wieder betont, dass ihr die € 474 Studienbeihilfe vermutlich nicht zustünden.

Die Feststellungen zur Berechnung der Höhe der Studienbeihilfenbeträge und deren Auszahlung ergeben sich aus den im Verfahrensakt aufliegenden Antragsunterlagen beschwerdeführenden Partei und den Bescheiden der Studienbeihilfenbehörde.

Die Feststellungen zur Einkommenssituation der beschwerdeführenden Partei und zu den Zeiten des Zufließens der Einkünfte ergeben sich aus den Ausführungen der belangten Behörde, die sich auf Informationen des BRZ stützt und den von der beschwerdeführenden Partei vorgelegten Unterlagen. Es gibt keinen Grund an diesen Ausführungen zu zweifeln und wird von der beschwerdeführenden Partei die Höhe ihres Einkommens auch niemals bestritten.

Die Feststellung der zumutbaren Eigenleistung ergibt sich bereits aus den dort dargestellten Berechnungen, die sich auf die Berechnungen der Studienbeihilfenbehörde stützen und nachvollziehbar und schlüssig sind.

Die beschwerdeführende Partei brachte im Wesentlichen vor, dass sie von Anfang an ihre Einkommenssituation geschildert habe und größtmögliche Transparenz in ihre Einkommenssituation geboten habe. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt auch nicht, dass die beschwerdeführende Partei ihre Berufstätigkeit stets offengelegt hat und selbst stets vorbildlich daran aktiv mitgearbeitet hat, eine rechtskonforme Studienförderung zu beziehen. Das ändert aber nichts daran, dass erst bei Vorliegen sämtlicher Nachweise über das Jahreseinkommen eine abschließende Berechnung durchzuführen ist.

Die beschwerdeführende Partei hat selbst auch stets die Ansicht vertreten, dass ihr die Studienförderung in Höhe von € 79, insgesamt € 474, die ihr von März bis August 2018 ausbezahlt wurde, nicht zustehe. Daher ist wohl unstrittig, dass dieser Betrag zurückzuzahlen ist (vgl. Mail vom 28.05.218 und 16.07.2018).

Aufgrund des weiteren Antrages der beschwerdeführenden Partei wurde ihr in Folge ab September 2018 Studienförderung in der Höhe von mtl € 841, daher insgesamt € 3.364 bewilligt. Die beschwerdeführende Partei ist jedoch fälschlich davon ausgegangen, dass nur das Beziehen von Arbeitslosengeld in der Höhe von € 1.488 zum studienrechtlich relevanten Einkommen gezählt wird. Im Jahr 2018 bezog die beschwerdeführende Partei ein studienförderungsrechtlich relevantes Gesamteinkommen im Ausmaß von € 29.663,00.

Unter Gesamtwürdigung aller Umstände ist wohl die beschwerdeführende Partei nicht davon ausgegangen, dass die Auszahlung der Pensionskasse und der Vorsorgekasse in das relevante Gesamteinkommen einzubeziehen ist (siehe dazu auch gleich in der rechtlichen Beurteilung).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Zu den Rechtsgrundlagen:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Gewährung von Studienbeihilfen und anderen Studienförderungsmaßnahmen (Studienförderungsgesetz 1992 - StudFG), BGBl. Nr. 305/1992, in der zum Antragszeitpunkt gültigen Fassung, lauten:

Einkommen

§ 8. (1) Einkommen im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
1.         das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, in der jeweils geltenden Fassung zuzüglich
2.         der Hinzurechnungen gemäß § 9 und
3.         des Pauschalierungsausgleichs gemäß § 10.

(2) Sind im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten, so sind bei der Ermittlung des Einkommens nach Abs. 1 die lohnsteuerpflichtigen Einkünfte gemäß § 11 Abs. 1 anzusetzen. Eine Hinzurechnung derartiger Einkünfte hat auch dann zu erfolgen, wenn zwar nicht im zuletzt veranlagten, jedoch in dem gemäß § 11 Abs. 1 maßgeblichen Kalenderjahr lohnsteuerpflichtige Einkünfte zugeflossen sind. Dies gilt sinngemäß auch für steuerfreie Bezüge gemäß § 9 Z 1 und Z 3.

(3) Haben Personen, deren Einkommen für die Beurteilung der sozialen Bedürftigkeit maßgeblich ist, im Inland weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder genießen sie in Österreich auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrages oder auf Grund des Bundesgesetzes über die Einräumung von Privilegien und Immunitäten an internationale Organisationen, BGBl. Nr. 677/1977, Befreiung von der Einkommensteuer, so ist das Einkommen unter Anwendung des § 184 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, zu schätzen.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 142/2000)

Hinzurechnungen

§ 9. Dem Einkommen nach § 2 Abs. 2 EStG 1988 sind folgende Beträge hinzuzurechnen:
1.         steuerfreie Bezüge gemäß § 3 Abs. 1 Z 1, Z 2, Z 3 lit. a – jedoch mit Ausnahme des Pflegegeldes oder einer vergleichbaren Leistung –, Z 4 lit. a, c und e, Z 5 lit. a bis d, Z 8 bis 12, Z 15, Z 22 bis 24 sowie Z 25, Z 27 und Z 28 EStG, wenn es sich dabei um wiederkehrende Leistungen handelt;
2.         die Beträge nach § 4 Abs. 4 Z 4, 4a, 8 und 10, § 10, § 18 Abs. 6 und 7, § 24 Abs. 4, § 27 Abs. 3, § 41 Abs. 3 und § 124b Z 31 EStG sowie nach dem Bundesgesetz über steuerliche Sondermaßnahmen zur Förderung des Wohnbaus, BGBl. Nr. 253/1993, soweit sie bei der Ermittlung des Einkommens abgezogen wurden;
3.         Prämien nach den §§ 108c, 108e und 108f EStG, Sonderunterstützungen nach dem Sonderunterstützungsgesetz, BGBl. Nr. 642/1973, und die besondere Schulbeihilfe nach dem Schülerbeihilfengesetz 1983, BGBl. Nr. 455.

[…]

§ 31 Abs (4) Die zumutbare Eigenleistung für Studierende umfasst den 10 000 Euro übersteigenden Betrag ihrer Bemessungsgrundlage; diese Grenze verringert sich aliquot, wenn nicht während des gesamten Jahres Studienbeihilfe bezogen wird. Bei der Berechnung der Studienbeihilfe ist hinsichtlich der zumutbaren Eigenleistung vorerst von den Angaben des Studierenden gemäß § 12 Abs. 3 auszugehen. Nach Vorliegen sämtlicher Nachweise über das Jahreseinkommen ist eine abschließende Berechnung durchzuführen. Die Differenz der ausbezahlten Studienbeihilfe zu einer sich dabei ergebenden höheren Studienbeihilfe ist von der Studienbeihilfenbehörde an den Studierenden auszubezahlen.

Hierbei ist anzumerken, dass der Betrag von € 10.000 mit BGBl. I Nr 15/2021 auf € 15.000 angehoben wurde. Allerdings normiert § 75 Abs. 41 StudFG, dass der festgelegte Betrag für Einkommen ab dem Kalenderjahr 2020 zu berücksichtigen ist. Im vorliegenden Fall ist daher die Fassung vor dem BGBl. I Nr. 15/2021 anzuwenden.

§ 49 Abs. 3 Studienförderungsgesetz regelt das Ruhen des Anspruches Folgendermaßen:

(3) Der Anspruch auf Studienbeihilfe ruht während eines Kalenderjahres in dem Ausmaß, in dem die Bemessungsgrundlage des Studierenden den Betrag gemäß § 31 Abs. 4 übersteigt. Einkünfte des Studierenden in Monaten, für die keine Studienbeihilfe ausbezahlt wird, bleiben dabei außer Betracht. Ein Verzicht auf die weitere Auszahlung der zuerkannten Studienbeihilfe wirkt für den verbleibenden Zeitraum der Zuerkennung.

Gemäß § 51 Abs. 1 Z 3 haben Studierende Studienbeihilfenbeträge, die nach dem Eintritt eines gesetzlichen Erlöschensgrundes oder während des Ruhens des Anspruches ausbezahlt wurden; gemäß Z 4 derselben Bestimmung haben Studierende Studienbeihilfenbeträge zurückzuzahlen, für deren Auszahlung die Voraussetzungen durch eine nachträgliche Abänderung des Bewilligungsbescheides weggefallen ist.

3.2.    Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.2.1.  Zur Bescheiderlassung ohne Antrag der beschwerdeführenden Partei

Wie bereits die Studienbeihilfenbehörde mit Schreiben vom 04.02.2021 im Zuge der Aktenvorlage an das Bundesverwaltungsgericht eingeräumt hat, wurden im Verfahren über die Zuerkennung der Studienbeihilfe ab März 2018 Verfahrensfehler begangen. Da die beschwerdeführende Partei keinen Antrag auf Bewilligung von Studienbeihilfe ab März 2018, sondern erst ab dem Wintersemester 2018 gestellt hat, hätte die Studienbeihilfenbehörde daher den Bescheid vom 22.05.2018 über die Zuerkennung von Studienbeihilfe ab März 2018 in der Höhe von € 841 nicht erlassen dürfen. Sie hat damit, mangels Antrag, eine ihr nicht zukommende Zuständigkeit wahrgenommen. Aufgrund der Wertung des Vorbringens der beschwerdeführenden Partei vom 28.05.2018 als Vorstellung erließ die Behörde abermals einen Bescheid über die Gewährung einer Studienbeihilfe in abgeänderter Höhe von € 79 monatlich. Trotz Unzuständigkeit der Behörde mangels Antrag wird die Entscheidung jedoch nicht absolut nichtig, sondern bloß bekämpfbar. Fehler bei der Bescheiderlassung sind aufgrund des Fehlerkalküls in der österreichischen Rechtsordnung einkalkuliert, dh nicht alle Fehler lassen den Bescheid erst gar nicht zustande kommen. Fehler innerhalb des Fehlerkalküls verhindern nicht das Entstehen eines Bescheids, führen jedoch zu seiner Anfecht- und Vernichtbarkeit im Rechtsmittelverfahren. Da der Bescheid vom 10.07.2018 über die Bewilligung von Studienbeihilfe in Höhe von € 79 monatlich jedoch von der beschwerdeführenden Partei unbekämpft blieb, obwohl in der Rechtsmittelbelehrung angeführt war, dass ein Vorlageantrag an den Senat binnen zwei Wochen möglich sei, erwuchs der Bescheid in Rechtskraft. Zur materiellen Rechtskraft gehört auch die Bindung sowohl der bescheiderlassenden Behörde als auch der Parteien (vgl. Grabenwarter/Fister, Verwaltungsverfahrensrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit4 [2014] 114).

Es ist daher der Behörde nicht entgegen zu treten, wenn sie in Bindung an den rechtskräftigen Bescheid, nach Vorliegen sämtlicher Nachweise über das Jahreseinkommen gemäß § 31 Abs. 4 StudFG eine abschließende Berechnung durchgeführt hat. Eine Rückzahlungsverpflichtung wäre für den Zeitraum März bis August 2018 im Übrigen auch entstanden, wäre der Bescheid richtigerweise aufgrund der Unzuständigkeit der Behörde behoben worden. Zudem ist zu bemerken, dass aus den E-Mails der beschwerdeführenden Partei selbst hervorgeht, dass ihr bewusst war, dass ihr die Studienförderung in Höhe von € 474 nicht zustehe (vgl. Beweiswürdigung). Aus der zu Unrecht angenommenen Zuständigkeit der Behörde ist der beschwerdeführenden Partei daher kein Nachteil erwachsen.

3.2.2.  Zur zumutbaren Eigenleistung und zum Ruhen des Anspruches auf Studienbeihilfe im Kalenderjahr 2018

Die beschwerdeführende Partei gab bei der Beantragung von Studienbeihilfe an, dass sie im Zeitraum September 2018 bis Dezember 2018 lediglich ein Einkommen von € 1.488 erzielen werde. Dabei übersah die beschwerdeführende Partei jedoch, dass auch die Ausbezahlung durch die Vorsorgekassen in die Berechnung des studienrechtlich relevanten Gesamteinkommens einzubeziehen ist.

Nach § 2 EStG 1988 ist unter Einkommen der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den im Abs. 3 genannten Einkunftsarten zu verstehen, jedoch nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus einzelnen Einkunftsarten ergeben. Zu den Einkunftsarten iSd § 2 Abs 3 zählen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, wobei § 25 Abs 1 Z 2 lit d EStG darunter (unter anderem) auch Einkünfte aus Zahlungen von Mitarbeiter-Vorsorgekassen versteht (vgl. die Einführung dieser Bestimmung mit der EStG-Novelle BGBl I 2002/100; vgl. weiters Braunsteiner in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 25 Rz 29).

Somit ist die Judikatur des VwGH (VwGH 10.11.1986, 86/12/0227) zur Zurechnung der „Abfertigung alt“ zu den Einkünften iSd § 8 StudFG nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes zweifelsfrei auch auf das System der „Abfertigung neu“ und auf Zahlungen von Mitarbeiter-Vorsorgekassen zu erstrecken.

Die im gegenständlichen Fall relevante Auszahlung der VBV Vorsorgekasse AG in Höhe von € 7.996 und der VBV Pensionskasse AG in Höhe von € 1.499 stellt somit ein Einkommen iSd § 8 StudFG dar.

Zu prüfen ist weiters die Auslegung der Bestimmung des § 12 Abs. 3 StudFG, wonach das Einkommen des Studierenden nur insoweit für die Beurteilung der sozialen Bedürftigkeit heranzuziehen ist, als es „in Zeiträumen bezogen wird, für die auch Studienbeihilfe zuerkannt wird“. Da der Gesetzgeber auf den Zeitpunkt des Bezuges der Einkünfte abstellt, kommt es dabei nicht etwa auf den Zeitraum an, für den die Einkünfte gebühren oder in dem die Leistungen, auf denen die Einkünfte basieren, erbracht wurden, sondern auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Zufließens der Einkünfte. Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass Einkünfte dann zugeflossen sind, wenn der Studierende die rechtliche und wirtschaftliche bzw. die objektive Verfügungsgewalt darüber erlangt hat (VwGH 19.10.1994, 92/12/0245; 18.11.1991, 90/12/0144). Es ist unbestritten, dass die Auszahlungen in den Monaten September und Oktober 2018 erfolgten und die beschwerdeführende Partei daher die faktische Verfügungsgewalt darüber innehatte als auch die Studienbeihilfe zuerkannt wurde.

Das Abstellen auf den Zeitpunkt des Zufließens von Einkünften, also dem Zeitpunkt, ab dem die faktische Verfügungsgewalt darüber gegeben ist, erscheint auch im Hinblick auf den Charakter der staatlichen Studienförderung als subsidiäre Maßnahme, die immer nur dann zur Anwendung gelangen soll, wenn ein Studierender nicht in der Lage ist, die während des Studiums anfallenden Lebenshaltungskosten aus Mitteln der Eltern oder des Ehegatten in Form von Geldunterhalt oder aus eigenen Mitteln in Form einer „zumutbaren Eigenleistung“ zu bestreiten. Dies drückt sich in der Ausgestaltung des Studienförderungsgesetzes aus, wenn darin das Erfordernis der „sozialen Bedürftigkeit“ – neben dem Erfordernis des Nachweises eines günstigen Studienerfolgs – als zentrale Anspruchsvoraussetzung geregelt ist. Die Voraussetzung der sozialen Bedürftigkeit muss während des gesamten Zeitraums des Bezugs von Studienbeihilfe erfüllt sein (siehe etwa VwGH 29.11.2011, 2011/10/0038).

Wenn – wie verfahrensgegenständlich der Fall – eine Studierende in einem Zeitraum von zehn Monaten über ein zugeflossenes Einkommen iSd des Studienförderungsgesetzes in der Höhe von insgesamt mehr als 29.000 Euro, also durchschnittlich etwas mehr als 2.900 Euro im Monat, verfügen kann, ist bei objektiver Betrachtung nicht vom Vorliegen einer „sozialen Bedürftigkeit“, der mit der Gewährung von Studienbeihilfe zu begegnen wäre, auszugehen. Dieses Ergebnis korreliert auch mit dem Umstand, dass gemäß Studienförderungsgesetz die monatliche Höchststudienbeihilfe für Selbsterhalter, die älter als 24 Jahre sind, ca. 840 Euro beträgt und Beihilfenbeziehern zusätzlich ein sich nicht auf die Höhe der Studienbeihilfe auswirkender Zuverdienst von ca. 830 Euro monatlich ermöglicht wird, sodass einem Studierenden bei Ausschöpfung aller ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten knapp 1.700 Euro pro Monat zur Verfügung stehen.

Der Einkommensbegriff des § 8 StudFG orientiert sich am Einkommensbegriff des EStG 1988, bereinigt diesen aber um subventions- und leistungspolitische Effekte, indem eine Reihe von steuerfrei gestellten Einkünften und steuerlich begünstigten Beträgen dem Einkommen hinzugerechnet werden. Damit wird ein Einkommen umschrieben, das der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der zu Unterhaltsleistungen verpflichteten oder Eigenleistungen erbringenden Personen entspricht. Die soziale Bedürftigkeit orientiert sich damit an den tatsächlichen Einkommenszuflüssen und nicht an deren steuerrechtlicher Behandlung.

Das Ruhen des Anspruches auf Studienbeihilfe tritt im Übrigen ex lege bei Vorliegen der im Gesetz abschließend geregelten Tatbestände ein (siehe VwGH 18.12.2003, 99/12/0159, m.w.H.).

Aus der Systematik des § 51 StudFG ist abzuleiten, dass der Gesetzgeber eine abschließende Regelung der Rückzahlungspflicht getroffen hat und der gutgläubige Empfang/Verbrauch der Studienbeihilfe nicht die Rückzahlungsverpflichtung ausschließt (vgl. etwa VwGH 06.09.1995, 95/12/0074; 08.01.2001, 2000/12/0301).

3.2.3.  Für den vorliegenden Fall bedeutet das: das Einkommen der beschwerdeführenden Partei wurde für das Kalenderjahr mit € 29.663,02 berechnet. Die zumutbare Eigenleistung beträgt im Fall der beschwerdeführenden Partei daher € 21.330 (€ 29.663,02 – 8.333,00 [aliquotierte Zvuerdiesntgrenze]).

Insgesamt wurde der beschwerdeführenden Partei € 3.838,00 an Beihilfen bewilligt. Diese müssen aufgrund der berechneten zumutbaren Eigenleistung von € 21.330 zurückgezahlt werden, da die in § 31 Abs. 4 StudFG normierte Grenze bei weitem überschritten wurde.

Die Studienbeihilfenbehörde ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass der Anspruch der beschwerdeführenden Partei während des Kalenderjahres im Ausmaß von € 3.838,00 ruht und hat die Rückzahlungsverpflichtung ausgesprochen.

3.2.4.  Im Übrigen hat der Umstand, dass die Behörde fälschlicherweise davon ausgegangen ist, dass der Antrag bereits für März 2018 gelte, keine nachteiligen Auswirkungen für die beschwerdeführende Partei: selbst bei ausschließlicher Betrachtung des Zuflusses der Einkünfte des das WS 2018 betreffenden Zeitraumes, ergäbe sich die Verpflichtung der Rückzahlung der für den Zeitraum September bis Dezember 2018 gewährten Beihilfe in Höhe von € 3.364. Das tatsächlich zugeflossene Einkommen im Sinne des StudFG wäre unter Einbeziehung der Leistungen der Vorsorgekassen mit € 9.626,70 zu bemessen gewesen. Die aliquotierte Zuverdienstgrenze beträgt für September bis Dezember 2018 € 3.333,33. Unter Abzug der aliquotierten Zuverdienstgrenze von dem tatsächlich zugeflossenen Einkommen ergibt das eine tatsächlich zumutbare Eigenleistung von € 6.293,37. Da diese Eigenleistung die ausbezahlte Beihilfe ebenfalls übersteigt, wäre, auch bei ausschließlicher Betrachtung der Einkünfte für das Wintersemester 2018, ebenfalls die gewährten Beihilfen zurückzuzahlen. Der beschwerdeführenden Partei entstehen daher aufgrund der fehlerhaften Annahme, es wurde bereits ab März 2018 ein Antrag auf Studienbeihilfe gestellt, keinerlei nachteiligen Auswirkungen.

3.2.5.  Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die belangte Behörde zu Recht den Bescheid vom 25.05.2020 bestätigt hat, wonach der Anspruch auf Studienbeihilfe während des Kalenderjahres 2018 im Ausmaß von € 3.838 ruht. Die beschwerdeführende Partei ist sohin, soweit eine Rückzahlung in voller oder teilweiser Höhe nicht bereits (auch durch Aufrechnung seitens der Studienbeihilfenbehörde) erfolgte, weiterhin verpflichtet, den im Kalenderjahr 2018 bezogenen Betrag in Höhe von € 3.838 zurückzuzahlen.

3.2.6. Die von der beschwerdeführenden Partei ausgeführte Einbehaltung der Hälfte der Studienbeihilfe ist im Übrigen ein Resultat des Rückzahlungsbescheides vom 25.05.2020, wonach bei aktuellem Bezug der Studienbeihilfe eine Einzahlung des Betrages nicht erforderlich ist, da die offene Rückforderung gegen die auszahlende Studienbeihilfe angerechnet wird. Das Gesetz verpflichtet die Studienbeihilfenbehörde nicht, die Aufrechnung in Form eines Bescheides geltend zu machen (VwGH vom 22.03.1995, VwGH 94/12/0259).

3.2.7. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung

Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 13 mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie VfGH 18.06.2012, B 155/12; EGMR Tusnovics v. Austria, 07.03.2017, 24.719/12).

3.2.7.  Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dass Bezüge gemäß § 67 EStG und vorzeitig ausbezahlte Bezüge aus der Betrieblichen Vorsorgekasse unter den nach dem StudFG maßgeblichen Einkommensbegriff fallen, entspricht der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Einkommen Fehlerkalkül Rechtskraft Rückzahlung Ruhen des Anspruchs soziale Bedürftigkeit Studienbeihilfe Unzuständigkeit Voraussetzungen zumutbare Eigenleistung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W254.2239378.1.00

Im RIS seit

05.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

05.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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