TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/2 W134 2211061-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.08.2021
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Entscheidungsdatum

02.08.2021

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §75 Abs24
B-VG Art133 Abs4
StGB §83 Abs1
StGB §84
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W134 2211061-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas Gruber über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.11.2018, Zahl 1098776602-151982629, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.11.2020 zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer hat nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 12.12.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016, gestellt.

2. Am 13.12.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt, bei der er zu seinem Fluchtgrund befragt vorbrachte, dass der Sohn seines Onkels bei den Arbaki gewesen sei und von den Taliban umgebracht worden sei. Nach seinem Tod seien sie immer wieder von den Taliban belästigt worden. Die Taliban hätten seinen Vater mit einem Gewehrkolben auf den Kopf geschlagen.

3. Am 11.06.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark (im Folgenden: BFA), im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen. Dabei führte er zunächst an, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Moslem zu sein. Er habe zuletzt in der Provinz Uruzgan gelebt. Er habe 5 Jahre schulischen Unterricht erhalten. Mit 12 Jahren sei er in den Iran gezogen. Seine Eltern und Geschwister würden mittlerweile ebenfalls im Iran leben. Er habe in der Landwirtschaft gearbeitet.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer zusammenfassend an, dass der Sohn seines Onkels ein Arbaki gewesen sei und deshalb von den Taliban getötet worden sei. Die Taliban hätten sie ständig belästigt und ihnen Sachen weggenommen. Da sie Hazara und Schiiten seien, hätten die Taliban noch mehr Probleme mit ihnen gehabt.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

5. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 161/2013, (in der Folge: AVG) vom 06.11.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE-Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

6. Gegen den oben genannten Bescheid richtet sich die im Wege seiner Rechtsvertretung am 05.12.2018 erhobene Beschwerde, welche fristgerecht beim BFA einlangte.

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der gegenständlichen Rechtssache am 24.11.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer im Beisein seiner bevollmächtigten Vertretung persönlich teilnahm.

Der BF verzichtete in der mündlichen Verhandlung aufgrund vorhandener Kenntnis des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, letzte Kurzinformation 21.07.2020 der UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018, des Akkord-Berichts vom 07.12.2018, sowie der EASO Country Guidance Afghanistan vom Juni 2019 auf deren Übergabe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer wurde am XXXX geboren und führt den im Spruch genannten Namen. Er ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Der Beschwerdeführer spricht Dari. Er stammt aus der Provinz Uruzgan. Seine Mutter lebt mit seinem Bruder in Herat.

Der Beschwerdeführer hat einen Deutschkurs A2 und eine Handelsschule abgeschlossen.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 16.03.2021, GZ 16 HV 15/21k nach den §§ 269, Abs 1 1. Fall, 83 Abs 1, 84 Abs 2 und 91 Abs 1 Z 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten bedingt nachgesehen unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt.

In Afghanistan gehörte er der schiitischen Glaubensrichtung des Islam an. In Österreich ist der Beschwerdeführer zum Christentum konvertiert und bekennt sich auch offen dazu. Der BF besucht regelmäßig die evangelische Kirche. Der BF besuchte neun Monate einen Glaubenskurs und wurde am 18.10.2020 getauft. Der BF erzählte seiner Mutter von seiner Konversion. Als sein Bruder davon erfuhr, bezeichnete er den BF als Ungläubigen und drohte ihn an, ihn bei einer Rückkehr nach Afghanistan zu köpfen.

Der Beschwerdeführer wäre in Afghanistan, aufgrund seiner Religion, sowohl von staatlicher als auch von privater Seite einer asylrelevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt. Da die Konversion zum Christentum in Afghanistan als Akt der Abtrünnigkeit sowie als Verbrechen gegen den Islam gesehen wird und sogar mit dem Tod bestraft werden könnte.

Es liegen keine Gründe vor, nach denen der Beschwerdeführer von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten auszuschließen ist oder nach denen ein Ausschluss des Beschwerdeführers hinsichtlich der Asylgewährung zu erfolgen hat.

Die Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative ist für den Beschwerdeführer nicht gegeben.

1.2. Feststellungen zum Herkunftsstaat:

1.2.1. Staatendokumentation (Stand 11.06.2021, Kurzinformation vom 19.07.2021):

Letzte Änderung: 11.06.2021

Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7% und die Schiiten auf 10 bis 19% der Gesamtbevölkerung geschätzt (CIA 19.5.2021; vgl. USDOS 12.5.2021, AA 16.7.2020). Andere Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha´i und Christen machen weniger als 0,3% der Bevölkerung aus (CIA 19.5.2021, USDOS 12.5.2021). Genaue Angaben zur Größe der christlichen Gemeinschaft sind nicht vorhanden (USDOS 12.5.2021). In Kabul lebt auch weiterhin der einzige jüdische Mann in Afghanistan (USDOS 12.5.2021; vgl. UP 16.8.2019, BBC 11.4.2019). Die muslimische Gemeinschaft der Ahmadi schätzt, dass sie landesweit 450 Anhänger hat, gegenüber 600 im Jahr 2017. Genaue Angaben zur Größe der Gemeinschaft der Ahmadi und der christlichen Gemeinschaft sind nicht vorhanden (USDOS 12.5.2021).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 12.5.2021; vgl. FH 4.3.2020). Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens (AA 16.7.2020; vgl. USCIRF 4.2020, USDOS 12.5.2021), da es keine öffentlich zugänglichen Kirchen im Land gibt (USDOS 12.5.2021; vgl. AA 16.7.2020). Einzelne christliche Andachtsstätten befinden sich in ausländischen Militärbasen. Die einzige legale christliche Kirche im Land befindet sich am Gelände der italienischen Botschaft in Kabul (RA KBL 12.5.2021). Die afghanischen Behörden erlaubten die Errichtung dieser katholischen Kapelle unter der Bedingung, dass sie ausschließlich ausländischen Christen diene und jegliche Missionierung vermieden werde (KatM KBL 8.11.2017). Gemäß hanafitischer Rechtsprechung ist Missionierung illegal; Christen berichten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber (USDOS 12.5.2021). Die Abkehr vom Islam gilt als Apostasie, die nach der Scharia strafbewehrt ist (USDOS 12.5.2021; vgl. AA 16.7.2020). Wie in den vergangenen fünf Jahren gab es keine Berichte über staatliche Verfolgungen wegen Blasphemie oder Apostasie; jedoch berichten Personen, die vom Islam konvertieren, dass sie weiterhin die Annullierung ihrer Ehen, die Ablehnung durch ihre Familien und Gemeinschaften, den Verlust ihres Arbeitsplatzes und möglicherweise die Todesstrafe riskieren (USDOS 12.5.2021).

Das Gesetz verbietet die Produktion und Veröffentlichung von Werken, die gegen die Prinzipien des Islam oder gegen andere Religionen verstoßen (USDOS 12.5.2021). Das neue Strafgesetzbuch 2017, welches im Februar 2018 in Kraft getreten ist (USDOS 12.5.2021; vgl. ICRC o.D.), sieht Strafen für verbale und körperliche Angriffe auf Anhänger jedweder Religion und Strafen für Beleidigungen oder Verzerrungen gegen den Islam vor (USDOS 12.5.2021).

Das Zivil- und Strafrecht basiert auf der Verfassung; laut dieser müssen Gerichte die verfassungsrechtlichen Bestimmungen sowie das Gesetz bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. In Fällen, in denen weder die Verfassung noch das Straf- oder Zivilgesetzbuch einen bestimmten Rahmen vorgeben, können Gerichte laut Verfassung die sunnitische Rechtsprechung der hanafitischen Rechtsschule innerhalb des durch die Verfassung vorgegeben Rahmens anwenden, um Recht zu sprechen. Die Verfassung erlaubt es den Gerichten auch, das schiitische Recht in jenen Fällen anzuwenden, in denen schiitische Personen beteiligt sind. Nicht-Muslime dürfen in Angelegenheiten, die die Scharia-Rechtsprechung erfordern, nicht aussagen. Die Verfassung erwähnt keine eigenen Gesetze für Nicht-Muslime. Vertreter nicht-muslimischer religiöser Minderheiten, darunter Sikhs und Hindus, berichten über ein Muster der Diskriminierung auf allen Ebenen des Justizsystems (USDOS 12.5.2021).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsalierung gegenüber religiösen Minderheiten und reformerischen Muslimen behindert (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 12.5.2021).

Wegen konservativer sozialer Einstellungen und Intoleranz sowie der Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Sicherheitskräfte, individuelle Freiheiten zu verteidigen, sind Personen, die mutmaßlich gegen religiöse und soziale Normen verstoßen, vulnerabel für Misshandlung (FH 4.3.2020). Mitglieder der Taliban und des Islamischen Staates (IS) töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 12.5.2021; vgl. FH 4.3.2020). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 12.5.2021).

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Konvertiten vom Islam riskieren die Annullierung ihrer Ehe (USDOS 12.5.2021). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind gültig (USE o.D.). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über das Religionsbekenntnis. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt. Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 12.5.2021).

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 12.5.2021).

In Hinblick auf die Gespräche im Rahmen des Friedensprozesses, äußerten einige Sikhs und Hindus ihre Besorgnis darüber, dass in einem Umfeld nach dem Konflikt von ihnen verlangt werden könnte, gelbe (Stirn-)Punkte, Abzeichen oder Armbinden zu tragen, wie es die Taliban während ihrer Herrschaft von 1996 bis 2001 vorgeschrieben hatten (USDOS 12.5.2021).

Anmerkung: Zu Konversion, Apostasie und Blasphemie siehe die jeweiligen Unterkapitel des Kapitels Religionsfreiheit. […]“

Apostasie, Blasphemie, Konversion

Letzte Änderung: 11.06.2021

Glaubensfreiheit, die auch eine freie Religionswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan de facto nur

eingeschränkt (LI 7.4.2021; cf. FH 4.3.2020, AA 16.7.2020, USDOS 12.5.2021). Weder in der afghanischen Verfassung noch im Strafgesetzbuch wird Apostasie erörtert, und daher sollte Apostasie im Einklang mit der Scharia bestraft werden. Eine wichtige Bedingung ist, dass die Ablehnung des Islams und die Konversion freiwillig sein müssen, um als Apostasie zu gelten. Der Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion gilt als Apostasie und ist sowohl nach der sunnitischen Hanafi-Rechtsprechung als auch nach der schiitischen Jafari-Rechtsprechung verboten (LI 7.4.2021). Die Scharia sieht die Verhängung der Todesstrafe gegen erwachsene, geistig gesunde Männer vor, die den Islam freiwillig verlassen (LI 7.4.2021; vgl. FH 4.3.2020, AA 16.7.2020, USDOS 12.5.2021). Frauen werden sowohl nach der Hanafi- als auch nach der Jafari-Jurisprudenz anders bestraft als Männer, wobei beide die Auspeitschung und Schläge vorschreiben, um sie zur Rückkehr zum Islam zu bewegen (LI 7.4.2021). Die Zahl der afghanischen Christen in Afghanistan ist höchst unsicher, die Schätzungen schwanken zwischen einigen Dutzend und mehreren Tausend, allerdings gibt es derzeit keine zuverlässigen Schätzungen über die Zahl der Christen in Afghanistan (LI 7.4.2021; vgl. USDOS 12.5.2021).

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert. Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen (AA 16.7.2020). Bei der Konversion vom Islam zum Christentum wird in erster Linie nicht das Christentum als problematisch gesehen, sondern die Abkehr vom und der Austritt aus dem Islam (LIFOS 21.12.2017). Der Islam spielt eine entscheidende Rolle in der afghanischen Gesellschaft und definiert die Auffassung der Afghanen vom Leben, von Moral und Lebensrhythmus. Den Islam zu verlassen und zu einer anderen Religion zu konvertieren bedeutet, gegen die gesellschaftlichen Kerninstitutionen und die soziale Ordnung zu rebellieren (LI 7.4.2021). Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtsprechung Missionierung illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtsprechung unter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 12.5.2021) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung „religionsbeleidigende Verbrechen“ verboten ist (MoJ 15.5.2017: Art. 323). Christliche Afghanen können ihren Glauben nicht offen praktizieren (LI 7.4.2021; vgl. USDOS 12.5.2021). Es gibt wenig konkrete Informationen darüber, wie sie ihren Glauben tatsächlich praktizieren; das einzige verfügbare Material, das ihre Situation und Herausforderungen beschreibt, ist bescheiden und anekdotisch. Christliche Afghanen, die sich in der Öffentlichkeit oder über digitale Medien zu ihrem Glauben bekennen, sind ausnahmslos Afghanen, die außerhalb des Landes leben. Es gibt keine Anzeichen für christliche Traditionen, christliche Präsenz oder Kirchengebäude jeglicher Art in Afghanistan. Es gibt derzeit eine einzige offizielle Kirche im Land; die katholische Kirche in der diplomatischen Enklave in Kabul (LI 7.4.2021). Nach Angaben von Landinfo sind weder diese Kirche noch die evangelische Kirche für Ausländer in Kabul, die Community Christian Church of Kabul (CCK), für Afghanen zugänglich. Christliche Afghanen müssen ihren Glauben allein oder in kleinen Gemeinschaften in Privathäusern in so genannten Hauskirchen praktizieren (LI 7.4.2021). Wie in den vergangenen fünf Jahren gab es keine Berichte über staatliche Verfolgungen wegenBlasphemie oder Apostasie (USDOS 12.5.2021; vgl. AA 16.7.2020); jedoch berichten Personen, die vom Islam konvertierten, dass sie weiterhin die Annullierung ihrer Ehen, die Ablehnung durch ihre Familien und Gemeinschaften, den Verlust ihres Arbeitsplatzes und möglicherweise die Todesstrafe riskieren (USDOS 12.5.2021).

Landinfo argumentiert, dass die größte Bedrohung für einen afghanischen Konvertiten das Risiko ist, dass seine Großfamilie von der Konversion erfährt. Wenn das der Fall ist, wird diese versuchen, ihn oder sie davon zu überzeugen, zum Islam zurückzukehren. Dieser Druck kommt oft von den engsten Familienmitgliedern wie Eltern und Geschwistern, kann aber auch Onkel, Großeltern und männliche Cousins betreffen (LI 7.4.2021). Ein Konvertit wird in jeder Hinsicht stigmatisiert: als Repräsentant seiner Familie, Ehepartner, Eltern/Erzieher, politischer Bündnispartner und Geschäftspartner. Weigert sich der Konvertit, zum Islam zurückzukehren, riskiert er, von seiner Familie ausgeschlossen zu werden und im Extremfall Gewalt und Drohungen ausgesetzt zu sein. Einige Konvertiten haben angeblich Todesdrohungen von ihren eigenen Familienmitgliedern erhalten (LI 7.4.2021; vgl. USDOS 12.5.2021). Die afghanische Regierung scheint kein Interesse daran zu haben, negative Reaktionen oder Druck hervorzurufen (LIFOS 21.12.2017; vgl. RA KBL 12.5.2021) - weder vom konservativen Teil der afghanischen Gesellschaft, noch von den liberalen internationalen Kräften, die solche Fälle verfolgt haben (LIFOS 21.12.2017). Es gibt keine Informationen, die darauf hindeuten, dass sich die Behörden oder der Geheimdienst in besonderem Maße auf die Hauskirchen konzentrieren. Es wurden keine Berichte gefunden, die darauf hindeuten, dass Razzien, Durchsuchungen oder Beschlagnahmungen stattfinden, noch dass Mitglieder dieser Gemeinden zur Befragung vorgeladen oder verhaftet wurden. Es gibt jedoch anekdotische, nicht verifizierte Informationen, dass einige Konvertiten befragt und für mehrere Tage in Gewahrsam genommen wurden (LI 7.4.2021; vgl. Iyengar 2018). Auch kann es einzelne Lokalpolitiker geben, die streng gegen mutmaßliche Apostaten vorgehen und es kann auch im Interesse einzelner Politiker sein, Fälle von Konversion oder Blasphemie für ihre eigenen Ziele auszunutzen (LIFOS 21.12.2017). Allein der Verdacht, jemand könnte zum Christentum konvertiert sein, kann der Organisation Open Doors zufolge dazu führen, dass diese Person bedroht oder angegriffen wird (AA 16.7.2020). Die afghanische Gesellschaft hat generell eine sehr geringe Toleranz gegenüber Menschen, die als den Islam beleidigend oder zurückweisend wahrgenommen werden (LIFOS 21.12.2017; vgl. FH 4.3.2020). Obwohl es auch säkulare Bevölkerungsgruppen gibt, sind Personen, die der Apostasie beschuldigt werden, Reaktionen von Familie, Gemeinschaften oder in einzelnen Gebieten von Aufständischen ausgesetzt, aber eher nicht von staatlichen Akteuren (LIFOS 21.12.2017). Wegen konservativer sozialer Einstellungen und Intoleranz sowie der Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Sicherheitskräfte, individuelle Freiheiten zu verteidigen, sind Personen, die mutmaßlich gegen religiöse und soziale Normen verstoßen, vulnerabel für Misshandlung (FH 4.3.2020). Die dominierende Rolle des Islam schränkt den Zugang zu Informationen über andere Religionen für die in Afghanistan lebenden Afghanen ein. Die Wahrscheinlichkeit, dass Afghanen in Afghanistan das Christentum kennen lernen, ist relativ gering. Normalerweise sind es Afghanen, die im Ausland leben, unter anderem in Pakistan oder im Iran, die mit dem Christentum in Kontakt kommen. In den letzten Jahren jedoch, seit dem Sturz des Taliban-Regimes, ist die internationale Präsenz in Afghanistan beträchtlich und einige Menschen kommen möglicherweise durch ausländische christliche Entwicklungshelfer oder anderes internationales Personal mit dem Christentum in Kontakt. Verschiedene digitale Plattformen haben ebenfalls dazu beigetragen, dass mehr Menschen mit dem Christentum bekannt gemacht werden (LI 7.4.2021). Die Bibel wurde sowohl in Dari als auch in Paschtu übersetzt. Es konnten keine Informationen gefunden werden, die darauf hindeuten, dass die Bibel in Afghanistan zum Verkauf steht oder anderweitig auf legalem Wege erhältlich ist. Sie ist jedoch in Pakistan und im Iran erhältlich.

Mehrere Ausgaben der Bibel wurden von iranischen Verlagen veröffentlicht und sind, wenn auch in begrenztem Umfang, in gewöhnlichen Buchläden im Iran erhältlich (LI 7.4.2021; vgl. LI 2017). Mit der zunehmenden Nutzung digitaler Plattformen und sozialer Medien sind Informationen über verschiedene Religionen, einschließlich des Christentums, besser verfügbar als in der Vergangenheit. Die Bibel kann sowohl in Dari als auch in Paschtu kostenlos aus dem Internet heruntergeladen werden, ebenso wie anderes christliches Material (LI 7.4.2021). Apostaten haben Zugang zu staatlichen Leistungen; es existiert kein Gesetz, Präzedenzfall oder Gewohnheiten, die Leistungen für Apostaten durch den Staat aufheben oder einschränken. Sofern sie nicht verurteilt und frei sind, können sie Leistungen der Behörden in Anspruch nehmen (RA KBL 12.5.2021).

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zur Herkunft des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppenzugehörigkeit sowie zu seiner familiären Situation in Afghanistan und in Österreich ergeben sich aus dem diesbezüglich glaubwürdigen Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Dass der Beschwerdeführer strafgerichtlich verurteilt wurde ergibt sich aus der Einsichtnahme ins österreichische Strafregister. Die Teilnahme an Deutschkursen und seiner Arbeitstätigkeit ergibt sich aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen.

Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer getauft wurde, ergibt sich aus der vom Beschwerdeführer vorgelegten Taufurkunde vom 04.06.2017, gegen deren Echtheit und Richtigkeit keine Bedenken bestehen. Insbesondere zumal die Taufe durch den Zeugen XXXX bestätigt wurde.

Die Länderfeststellungen gründen sich auf das aktuelle LIB vom 11.06.2021, samt Kurzinformation vom 19.07.2021, die EASO Country Guidance vom Dezember 2020 und die UNHCR-Richtlinien. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten. Da sich die im aktuellen LIB dargestellte Situation in Bezug auf die relevante Lage im Vergleich zum LIB vom 29.06.2020 nicht wesentlich geändert bzw verbessert hat, konnte das aktuelle LIB vom 11.06.2021, letzte Kurzinformation eingefügt am 19.07.2021 zur Entscheidung herangezogen werden.

Die Feststellungen zur Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum, beruhen auf den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, auf der vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegten Taufurkunde der evangelischen Pfarrgemeinde AB XXXX , sowie den glaubhaften Aussagen des Kurators und Lektor der evangelischen Pfarrgemeinde AB XXXX , Herrn XXXX , in dessen zeugenschaftlicher Befragung in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 24.11.2020.

Die Feststellung zur offenen Glaubensausübung des Beschwerdeführers beruht ebenfalls auf den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers sowie des in der Verhandlung vom 24.11.2020 vor dem Bundesverwaltungsgericht einvernommenen Zeugen.

Der Beschwerdeführer konnte durch seine Aussagen und die vorgelegten Dokumente glaubhaft machen, dass er sich aus freier persönlicher Überzeugung vom schiitischen Islam dem Christentum, konkret der evangelischen Pfarrgemeinde AB XXXX , zugewandt hat. Es sind im Verfahren auch keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die den Schluss zulassen würden, dass die Konversion des Beschwerdeführers zum christlichen Glauben bloß zum Schein erfolgt wäre. Vielmehr hat der Beschwerdeführer durch seine Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und durch die Vorlage seiner Taufurkunde glaubhaft dargelegt, dass er sich auf Grund einer persönlichen Entscheidung vom Islam abgewendet und aus innerer religiöser Überzeugung dem Christentum zugewendet hat. Dass er jeden Sonntag seit dem Jahr 2019 den Gottesdienst besucht und die religiösen Lehren in seinen Alltag einfließen lässt sind Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer langfristig dem christlichen Glauben angehören möchte. Der Beschwerdeführer führte in der mündlichen Verhandlung glaubhaft aus, dass ihm die Nächstenliebe im Christentum maßgeblich beeindruckt habe.

Der Zeuge sagte in der mündlichen Verhandlung ebenfalls glaubhaft aus, dass der Beschwerdeführer aktiv am Gemeindeleben teilnimmt und regelmäßig jeden Sonntag den Gottesdienst besucht. Der BF zeigt großes Interesse am Christentum und stellt sehr viele Fragen zwischendurch. Der BF setze das Gelernte praktisch um. Der Zeuge gab zudem an, dass er der festen Überzeugung sei, dass der BF aufgrund seiner inneren Einstellung zum Christentum konvertiert ist.

Aus dem Länderinformationsblatt des BFA (Stand 11.06.2021) zum Thema Religionsfreiheit hat sich zweifellos ergeben, dass Christen im muslimisch geprägten Afghanistan mit Verfolgung, Inhaftierung und Ermordung bedroht sind.

In einer Gesamtschau der Angaben des Beschwerdeführers im gesamten Verlauf des Verfahrens und aus den dargelegten Erwägungen erscheint das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner Furcht vor Verfolgung in Afghanistan insgesamt als glaubhaft. Es ist daher davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus asylrelevanten Gründen, nämlich aufgrund seiner Religion, drohen würde und die staatlichen Einrichtungen Afghanistans nicht in der Lage sein würden, dem Beschwerdeführer vor dieser Verfolgung im ausreichenden Maß Schutz zu bieten.

Dass die Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht besteht, hat sich vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen ergeben, da für den Beschwerdeführer in praktisch allen Landesteilen, aufgrund seiner Konversion ein erhöhtes Risiko bestünde, einer Verfolgung und Eingriffen - sowohl von staatlicher als auch privater Seite - in seine physische Integrität und Sicherheit ausgesetzt zu sein.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 82/2015, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (siehe insbesondere § 1 BFA-VG, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 25/2016).

Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 70/2015, obliegt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes – Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat (siehe § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005), soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung

der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK), droht.

Die mit 01.01.2016 in Kraft getretenen Abs. 4 bis 4b des § 3 AsylG lauten:

(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist.

Gemäß § 75 Abs. 24 AsylG 2005 sind auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 zuerkannt wurde und auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15. November 2015 gestellt haben, die §§ 2 Abs. 1 Z 15, 3 Abs. e bis 4b, 7 Abs. 2a und 51a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 nicht anzuwenden.

Als Flüchtling im Sinne der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder

im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten

würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der

Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens

Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht

zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht – diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann –, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite

ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und

zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in

Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. „inländische Fluchtalternative“ vor. Der Begriff „inländische Fluchtalternative“ trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße – möglicherweise vorübergehende – Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK

mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des BF, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, begründet ist:

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wegen seiner Konversion zum christlichen Glauben im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan aus religiösen Gründen verfolgt zu werden, macht der Beschwerdeführer einen (subjektiven) Nachfluchtgrund geltend (vgl. § 3 Abs. 2 AsylG 2005).

§ 3 Abs. 2 AsylG 2005 lautet:

"(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

§ 3 Abs. 2 AsylG 2005 ist Artikel 5 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über die Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl L 337/9 vom 20.12.2011, (Statusrichtlinie) nachgebildet.

Art. 5 Abs. 2 Statusrichtlinie lautet:

„Die begründete Furcht vor Verfolgung oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, kann auf Aktivitäten des Antragstellers nach Verlassen des Herkunftslandes beruhen, insbesondere wenn die Aktivitäten, auf die er sich stützt, nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind.“

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgeführt hat, können diese neuen – in

Österreich eingetretenen – Umstände, mit denen ein Asylwerber seine Furcht vor Verfolgung (nunmehr) begründet, grundsätzlich zur Asylgewährung führen. Sie sind daher zu

überprüfen, wenn sie geeignet sind, die Annahme „wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung“

zu rechtfertigen (VwGH 18.09.1997, Zl. 96/20/0923).

Allein aus der Zugehörigkeit zu einer religiösen Minderheit kann das Vorliegen von Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention aber nicht abgeleitet werden (VwGH, 09.11.1995, Zl. 94/19/1414). Es sind darüber hinausgehende konkret gegen den Asylwerber gerichtete, von staatlichen Stellen ausgehende bzw. von diesen geduldete Verfolgungshandlungen gegen seine Person erforderlich, um die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers zu erweisen (VwGH 08.07.2000, Zl. 99/20/0203; 21.09.2000, Zl. 98/20/0557).

Nach dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 05.09.2012 in den verbundenen Rechtssachen C 71/11 und C 99/11, Bundesrepublik Deutschland gegen Y und Z, ist Artikel 2 Buchstabe c der Richtlinie 2004/83 dahin auszulegen, dass eine begründete Furcht des Antragstellers vor Verfolgung vorliegt, sobald nach Auffassung der zuständigen Behörden im Hinblick auf die persönlichen Umstände des Antragstellers vernünftigerweise anzunehmen ist, dass er nach Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen. Bei der individuellen Prüfung eines Antrags auf Anerkennung als Flüchtling können die Behörden dem Antragsteller nicht zumuten, auf diese religiösen Betätigungen zu verzichten (Verfassungsgerichtshof 12.6.2013, U 2087/2012-17).

Aus dem oben zur Person des Beschwerdeführers festgestellten Sachverhalt und den Feststellungen zur Situation der Christen in Afghanistan, insbesondere der vom Islam zum Christentum konvertierten Personen, ergibt sich, dass der Beschwerdeführer als Person mit innerer christlicher Überzeugung im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit massiven Einschränkungen und Diskriminierungen im persönlichen Bereich auf Grund seiner religiösen Überzeugung sowie einem erheblichen Verfolgungsrisiko für seine persönliche Sicherheit und physische Integrität sowohl von privater Seite – ohne dass in dieser Hinsicht staatlicher Schutz zukäme – als auch von staatlicher Seite ausgesetzt wäre. Dass die Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum den afghanischen Behörden oder anderen Personen in seinem familiären und sozialen Umfeld verborgen bleiben würde, kann nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum nur zum Schein erfolgt wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Im gegenständlichen Fall liegt daher das oben dargestellte Verfolgungsrisiko in der religiösen

Überzeugung des Beschwerdeführers vor.

Auf Grund des in ganz Afghanistan gültigen islamischen Rechts nach der Scharia und der in der Praxis angewendeten islamischen Rechtsprechung sowie auf Grund der in der afghanischen Gesellschaft bestehenden Traditionen und Moralvorstellungen sowie der allgemein vorherrschenden Intoleranz gegenüber religiösen Minderheiten, insbesondere gegenüber Konvertiten, und den damit zusammenhängenden benachteiligenden Auswirkungen des traditionellen Gesellschaftssystems in ganz Afghanistan ist davon auszugehen, dass sich die oben dargestellte Situation für den Beschwerdeführer im gesamten Staatsgebiet Afghanistans ergibt. Es ist daher hinsichtlich dieses dargestellten Verfolgungsrisikos davon auszugehen, dass keine inländische Fluchtalternative besteht.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen seiner religiösen Überzeugung eines vom Islam zum Christentum konvertierten Mannes verfolgt zu werden, außerhalb Afghanistans befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren.

Wie in der Beweiswürdigung angeführt, vermochte der Beschwerdeführer glaubhaft dazulegen, dass er sich während seines Aufenthalts in Österreich aus freier persönlicher Überzeugung vom schiitischen Islam dem Christentum, konkret der evangelischen Pfarrgemeinde AB XXXX zugewandt hat. Es sind im Verfahren auch keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die den Schluss zulassen würden, dass die Konversion des Beschwerdeführers zum christlichen Glauben bloß zum Schein erfolgt wäre. Vielmehr hat der Beschwerdeführer glaubhaft dargelegt, dass er sich auf Grund einer persönlichen Entscheidung vom Islam abgewendet und aus innerer religiöser Überzeugung dem Christentum zugewendet hat.

Der BF wurde jedoch strafrechtlich verurteilt, es ist daher zu prüfen, ob der Beschwerdeführer durch die oben genannten Verurteilungen zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten bedingt nachgesehen unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren nach den §§ 269, Abs 1 1. Fall, 83 Abs 1, 84 Abs 2 und 91 Abs 1 Z 2 StGB (Widerstand gegen die Staatsgewalt, schwere Körperverletzung und Raufhandel), einen Asylausschlussgrund gesetzt hat.

§ 6 AsylG 2005 steht unter der Überschrift „Ausschluss von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten“ und lautet:

„(1) Ein Fremder ist von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn

1. und so lange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt;

2. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt;

3. aus stichhaltigen Gründen angenommen werden kann, dass der Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, oder

4. er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

(2) Wenn ein Ausschlussgrund nach Abs. 1 vorliegt, kann der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden. § 8 gilt.“

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (ausführlich zuletzt VwGH 29.8.2019, Ra 2018/19/0522) „müssen für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Herkunftsstaat verbracht werden darf. Er muss (erstens) ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür (zweitens) rechtskräftig verurteilt worden, (drittens) gemeingefährlich sein und (viertens) müssen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung seine Interessen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen (vgl. VwGH 18.10.2018, Ra 2017/19/0109, mwN). […]

Im Fall des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ist […] gefordert, dass ein ‚besonders schweres‘ Verbrechen vorliegen muss. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den Begriff des ‚besonders schweren Verbrechens‘ nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen (vgl. VwGH 25.10.2018, Ra 2018/20/0360, sowie nochmals VwGH Ra 2017/19/0531, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat aber auch bereits festgehalten, dass es sich dabei um eine demonstrative und daher keineswegs abschließende Aufzählung von Delikten in Zusammenhang mit Art. 33 Abs. 2 GFK handelt (vgl. erneut VwGH Ra 2017/19/0109, mit Verweis auf VwGH 3.12.2002, 99/01/0449). […]

In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird allerdings auch betont, dass es auf die Strafdrohung allein bei der Beurteilung, ob ein ‚besonderes schweres Verbrechen‘ vorliegt, nicht ankommt (vgl. VwGH 6.10.1999, 99/01/0288, sowie zuletzt VwGH Ra 2018/20/0360). So genügt es demnach nicht, wenn ein abstrakt als ‚schwer‘ einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen, wobei unter anderem auf Milderungsgründe Bedacht zu nehmen ist (vgl. erneut VwGH 99/01/0288). Bei der Beurteilung, ob ein ‚besonders schweres Verbrechen‘ vorliegt, ist daher eine konkrete fallbezogene Prüfung vorzunehmen und sind insbesondere die Tatumstände zu berücksichtigen (VwGH 23.9.2009, 2006/01/0626).

Lediglich in gravierenden Fällen schwerer Verbrechen erweist sich bereits ohne umfassende Prüfung der einzelnen Tatumstände eine eindeutige Wertung als schweres Verbrechen mit negativer Zukunftsprognose als zulässig (vgl. etwa in Zusammenhang mit der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren wegen des Verbrechens des versuchten Mordes: VwGH 14.2.2018, Ra 2017/18/0419, mwN).“ (vgl. – sich darauf beziehend – VwGH 18.11.2019, Ra 2019/18/0418; 28.11.2019, Ra 2018/19/0479; vgl. weiters – schon vor dem referierten Erk. – VwGH 10.7.2019, Ra 2019/19/0186; 28.8.2019, Ra 2019/14/0289)

Mit dem Urteil vom 16.03.2021 sprach das Landesgericht Innsbruck den BF schuldig, er habe einen Beamten, mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich der Gefahrenabwehr bzw. der Festnahme eines unbekannten Teilnehmers an einem Raufhandel, gehindert, indem er auf den Beamten zulief und ihm einen wuchtigen Faustschlag gegen das Gesicht versetzte, als dieser gerade einen Teilnehmer des Raufhandels nach Betretung auf frischer Tat mittels Halsklammertechnik von dessen Opfer entfernte, wodurch der Beamte zu Sturz kam, und ihm weitere Faustschläge gegen den Kopf versetzte, als dieser am Boden lag, wobei dies durch Abwehrhandlungen des Beamten verhindert werden konnte; 2.durch die zu I.1. geschilderten Handlungen den Polizeibeamten während oder wegen der Vollziehung seiner Aufgaben vorsätzlich am Körper verletzt (starke Prellung und starke Schwellung des linken Kiefers, Hämatome an beiden Armen, beiden Beinen, am Rücken und im linken Gesichtsbereich); II. an einer Schlägerei tätlich teilgenommen, wobei die Schlägerei eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1) eines anderen verursachte, nämlich eine schwere Gehirnerschütterung, die eine Versetzung in den künstlichen Tiefschlaf erforderte, und Hämatome im Bereich der rechten Gesichtshälfte. Der BF hat hierdurch das Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 erster Fall StGB, das Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB und das Vergehen des Raufhandels nach § 91 Abs 1 StGB begangen.

Als Milderungsgründe wurden beim Beschwerdeführer der bisherige ordentliche Lebenswandel, die teilweise Schadensgutmachung und die geständige Verantwortung angeführt. Als Erschwerungsgrund wurde das Zusammentreffen mehrerer Vergehen gewertet. Zur bedingten Strafnachsicht wurde ausgeführt, dass aufgrund der geständigen Verantwortung des BF und des Umstandes, dass er bislang noch nicht strafgerichtlich in Erscheinung getreten ist, jedenfalls mit einer bedingten Freiheitsstrafe das Auslangen gefunden werden konnte.

Die Bestrafung des BF durch das zuständige Landesgericht mit einer bedingten Freiheitsstrafe lässt erkennen, dass das erkennende Landesgericht nicht davon ausging, dass vom BF ein erhöhtes Gefahrenpotential ausgeht oder die Straftaten des BF als besonders schwer zu beurteilen sind.

Der BF hat kein Verbrechen begangen, sondern lediglich bei einem Vorfall drei Vergehen verwirklicht. Nach dem konkreten Einzelfall erweisen sich die Tathandlungen des Beschwerdeführers insgesamt nicht als „besonders schweres Verbrechen“.

Die weiteren drei Voraussetzungen, die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegen müssen, um § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 anwenden zu können, sind gleichfalls nicht alle erfüllt: Der Beschwerdeführer ist zwar rechtskräftig verurteilt worden, dass er gemeingefährlich ist, konnte jedoch nicht festgestellt werden. Der BF führt seit seiner Verurteilung einen ordentlichen Lebenswandel und ist ein hilfreiches Mitglied der evangelischen Pfarrgemeinde AB XXXX geworden. Er hat sich bei den Tatopfern entschuldigt. Auf Vorhalt seiner Verurteilung vom 16.03.2021 gab der BF in der mündlichen Verhandlung an, dass er bei einer Schlägerei den Streit schlichten habe wollen. Er habe niemanden verletzen wollen. Aufgrund dieser Aussagen und da der BF seither keine Straftaten mehr begangen hat und auch zuvor einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat ist nicht davon auszugehen, dass er in Zukunft derartige Straftaten begehen wird oder generell gemeingefährlich ist. Daraus ergibt sich auch, dass die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung das Interesse des Beschwerdeführers an der Erlangung internationalen Schutzes in Österreich nicht überwiegen.

Die Voraussetzungen für einen Asylausschlussgrund sind daher nicht gegeben.

Da weder eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht noch ein in Art. 1 Abschnitt C oder F

der GFK genannter Endigungs- und Asylausschlussgrund hervorgekommen ist, war der Beschwerde des Beschwerdeführers stattzugeben und ihm gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Fl

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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