TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/8 98/01/0648

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Veröffentlicht am 08.09.1999
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde der AZ in W, geboren am 10. Jänner 1936, vertreten durch Dr. Dietmar Jahnel, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Ringstraße 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 15. September 1998, Zl. 204.579/0-XI/35/98, betreffend Asylgewährung und Feststellung gemäß § 8 Asylgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der BR Jugoslawien, die am 12. Juni 1998 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am selben Tag die Gewährung von Asyl. Sie wurde am 29. Juni 1998 niederschriftlich einvernommen.

Hiebei gab sie an, sie stamme aus dem Kosovo, gehöre der albanischen Volksgruppe an und sei moslemischen Glaubens. Sie habe im Dorf Beleg bei Decane gewohnt.

Die Behörde erster Instanz wies den Asylantrag mit Spruchpunkt 1 ab und stellte im Spruchpunkt 2 fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien gemäß § 8 Asylgesetz zulässig sei.

Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung führte die belangte Behörde Ermittlungen zur aktuellen Situation im Heimatstaat der Beschwerdeführerin durch und hielt das Ergebnis dieser Ermittlungen der Beschwerdeführerin vor. Sie nahm hiezu Stellung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 15. September 1998 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG iVm § 57 Fremdengesetz fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Bundesrepublik Jugoslawien zulässig sei. Die belangte Behörde stützte sich begründend auf folgenden, auf dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren basierenden Sachverhalt:

"Zu ihren Fluchtgründen befragt gab die Berufungswerberin an, dass ihr Heimatdorf Beleg Ende April 1998 von serbischen Militär beschossen und geplündert worden wäre. In der Folge wären die Männer dieses Dorfes gekommen und hätten gesagt, dass die Einwohner fliehen müssten, da das Dorf von den Serben gestürmt würde. Die Bevölkerung wäre daher in das Dorf Luk geflüchtet, wo sie etwa 10 Tage aufhältig gewesen wäre. Als auch dieses Dorf beschossen worden wäre, wäre sie weiter nach Isnic und in der Folge nach Pec geflüchtet. In Pec hätte sich der Flüchtlingsstrom aufgeteilt, wobei ein Teil nach Albanien weitergegangen, ein Teil in Pec verblieben und wieder ein anderer Teil versucht hätte, in ein anderes Land zu kommen.

Die Berufungswerberin wäre zunächst in Pec geblieben und wäre ihr von einem Schlepper angeboten worden, sie nach Österreich mitzunehmen. Die Berufungswerberin hätte eingewilligt, da ihr Sohn in Linz als Gastarbeiter aufhältig wäre. Glaublich am 12.06.1998 wäre die Berufungswerberin in Österreich angekommen. Welche Länder sie durchquert hätte bzw. Länder an Jugoslawien grenzten, wisse sie nicht. Auch zeigte sie sich über das Bundesland ihres Aufenthalts bzw. die Hauptstadt Österreichs desorientiert. Von einer Grenzkontrolle hätte sie ebenfalls nichts bemerkt.

Für den Fall ihrer Rückkehr wüsste sie nicht, was passieren würde. Sie vermute, dass ihr Dorf geplündert und verwüstet worden wäre, wolle aber nach Ende der Unruhen wieder in den Kosovo zurück.

Befragt, ob sie persönliche Probleme mit der Polizei gehabt hätte, gab die Berufungswerberin an, dass voriges Jahr, glaublich im Dezember, eine Hausdurchsuchung durchgeführt worden wäre, bei dem die Türen und Fenster des Hauses zerstört worden wären. Sonst hätte sie keine Probleme mit der Polizei gehabt. Insbesondere hätte sie wegen der Polizei oder einer Hausdurchsuchung ihr Haus nie verlassen. Dies hätte sie ausschließlich wegen der Kriegshandlungen getan. Die Berufungswerberin wäre politisch bzw. parteipolitisch nicht interessiert.

...

In ihrer dagegen erhobenen Berufung gab die Berufungswerberin an, von der Behörde missverstanden worden zu sein. Ihr Fluchtgrund hätte nicht in den herrschenden kriegsähnlichen Unruhen bestanden, sondern in ihrer ethnischen Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe und früherer politischer Aktivitäten ihrer Söhne. Im Übrigen beurteile die Behörde die Situation im Kosovo unrichtig. Das Vorgehen der Behörden stelle eine konsequente Fortsetzung einer jahrelangen Unterdrückungs- und Vertreibungspolitik in Form systematischer Schikanen, Repressionen und Misshandlungen gegen albanisch-stämmige Bürger dar, die nunmehr das Ausmaß von ethnischen Säuberungen erreicht hätten. Die Berufungswerberin hätte derartige Schikanen auf Grund der politischen Aktivitäten ihrer Söhne über Jahre hinweg ertragen müssen. Den Widerspruch zu ihren Angaben in der Ersteinvernahme erklärte sie damit, nur gefragt worden zu sein, ob sie in jüngster Zeit Probleme mit der serbischen Polizei gehabt hätte. Insbesondere wären ihre Söhne 1989 bzw. 1990 politisch aktiv gewesen und hätten an Demonstrationen gegen die Einschränkung der Autonomie des Kosovo teilgenommen. Einer ihrer Söhne wäre dabei verwundet worden und nach Österreich geflüchtet. Ein weiterer Sohn hätte in Deutschland Asyl erhalten. Schließlich wäre auch eine Tochter 1996 nach Deutschland geflüchtet und lebe die Berufungswerberin seither alleine im Kosovo.

Nachdem die Söhne geflüchtet wären, wäre die Polizei regelmäßig zu ihr nach Hause gekommen und hätten wissen wollen, wo sich ihre Söhne und deren Waffen befinden. Es wäre wiederholt zu Hausdurchsuchungen gekommen und wäre die Berufungswerberin wiederholt zur Polizeistation nach Decane mitgenommen worden. Dort wäre sie Verhören und Bedrohungen ausgesetzt gewesen. Diese Schikanen und Bedrohungen hätten sich mehrmals jährlich bis Dezember 1997 zugetragen.

Im Übrigen hätte die Behörde die Rechtslage verkannt und wäre auch eine Zurückschiebung der Berufungswerberin in die BR Jugoslawien unzulässig. Dies ergebe sich aus einer Reihe - einzeln dargelegter - Pressemeldungen bzw. Ausführungen des UNHCR."

Zur aktuellen Situation führte die belangte Behörde u.a. betreffend Montenegro aus:

"Aber auch in Montenegro, wo ca. 7 % der Bevölkerung der albanischen Minderheit angehören, fanden bislang keine Übergriffe auf Albaner statt (Commission on Human Rights, aaO, 19; U.S. Departement of State, Serbia-Montenegro Country Report on Human Rights Practices für 1997, 4; UNHCR, Information zu Kosovo vom 14.07.1998). Vielmehr halten sich in Montenegro rund 13.000 albanisch-stämmige Kosovo-Flüchtlinge unbehelligt auf (Die Presse 03.07.1998; UNHCR, Information zu Kosovo vom 14.097.1998, 4 f). Dank der großzügigen Hilfsbereitschaft der örtlichen Bevölkerung in Grenzorten hätten die meisten Flüchtlinge privat bei Verwandten oder Freunden untergebracht werden können. Nur wenige Vertriebene wären in Sammelunterkünften untergebracht (UNHCR, Information zu Kosovo vom 14.07.1998, 5):"

Die belangte Behörde führte in der Folge zu dem von der Beschwerdeführerin dagegen erstatteten Vorbringen aus:

"Wenn die Berufungswerberin dazu ausführt, in Montenegro niemanden zu kennen, bei dem sie untergebracht werden könne, so vermag ein derartiges Vorbringen an der Fluchtalternative insoweit nichts zu ändern, als nicht erkennbar ist, inwieweit aus dieser Tatsache eine Verfolgungsgefahr in Montenegro abgeleitet werden soll. Allfällige aus der Situation der Berufungswerberin ableitbare wirtschaftliche bzw. soziale Benachteiligungen sind nämlich nicht geeignet, zu einer Verneinung der inländischen Fluchtalternative zu führen, zumal alleine in allgemeinen schlechten wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen keine staatliche Verfolgung gesehen werden kann (VwGH 24.10.1996, 95/20/0321, 0322, mwN; 10.12.1996, 06/20/0753).

Da sich die von der Berufungswerberin angeführten Berichte im Übrigen ausschließlich mit Übergriffen im Kosovo bzw. punktuellen Übergriffen auf dem Flughafen Belgrad beschäftigen, waren auch diese nicht dazu angetan, zu einer Verneinung der inländischen Fluchtalternative zu führen."

In der Begründung zu Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides ergänzte die belangte Behörde hiezu, "dass sich Übergriffe auf albanisch-stämmige Bürger der BR Jugoslawien ausschließlich auf den Kosovo bzw. punktuell auf den Flughafen Belgrad, also nicht auf das gesamte Staatgebiet beziehen". Diese Feststellung ergebe sich sowohl aus den der Beschwerdeführerin vorgehaltenen Beweismitteln als auch aus den von der Beschwerdeführerin selbst ins Treffen geführten Dokumenten. Die Lagebeurteilung werde "im Übrigen durch das Amtswissen der Berufungsbehörde sowie der deutschen Behörden (vgl. Auswärtiges Amt der BRD, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der BRJ, Stand April 1998; BAFI, BRJ, Information, Juli 1998, 15) bestätigt".

Rechtlich schloss die belangte Behörde, einerseits sei aus den der Beschwerdeführerin im Kosovo selbst widerfahrenen Ereignissen keine asylrechtlich relevante Verfolgung zu ersehen, andererseits liege eine inländische Fluchtalternative in Montenegro oder Zentralserbien vor. Es sei der Beschwerdeführerin möglich und zumutbar gewesen, den Verfolgungen im Kosovo durch eine Übersiedlung in die genannten Gebiete zu entgehen.

Zu Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides stützte sich die belangte Behörde im Wesentlichen auf die bereits zur Asylgewährung gemachten Ausführungen und ergänzte, dass auch die in § 57 Fremdengesetz genannten Gefahren sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen müssten. Dass die Beschwerdeführerin "im Kosovo allenfalls mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste", vermöge angesichts der Situation in Montenegro und Zentralserbien (insbesondere Belgrad) die Rückführung der Beschwerdeführerin in die Bundesrepublik Jugoslawien nicht unzulässig zu machen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Insoweit sich die Beschwerde dagegen wendet, dass bezüglich der Beschwerdeführerin zu Unrecht das Vorliegen asylrelevanter Verfolgung im Gebiet ihres Wohnortes im Kosovo verneint worden wäre, ist sie im Recht. Diesbezüglich gleicht der gegenständliche Fall (Zerstörung des Heimatdorfes in einem "besonders gefährdeten Gebiet") den hg. Erkenntnissen vom 21. April 1999, Zl. 98/01/0566, und vom 12. Mai 1999, Zl. 98/01/0576, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird.

Die belangte Behörde hat aber auch das Vorliegen einer inländischen Fluchtalternative u.a. in Montenegro (einem Teil des Heimatstaates der Beschwerdeführerin) angenommen. Der Vorwurf der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde habe keine Beweisquellen für ihre Annahme genannt und sei auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren, insbesondere die von ihr vorgelegten Berichte, nicht eingegangen, erweist sich im Hinblick auf die oben wiedergegebenen Passagen des angefochtenen Bescheides als aktenwidrig. Inhaltlich bringt die Beschwerde aber gegen die auf den oben ausgeführten Quellen beruhenden Schlüsse der belangten Behörde betreffend Montenegro - außer einem vagen Hinweis auf "Medienberichte", der sich zudem nicht ausdrücklich auf Montenegro bezieht - nichts vor.

Auch der Verwaltungsgerichtshof kann vor dem Hintergrund der Bescheidfeststellungen über die Lage in Montenegro die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, der Beschwerdeführerin stehe eine zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung aktuelle inländische Fluchtalternative in Montenegro offen, nicht als rechtswidrig erkennen.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen Punkt 2 des angefochtenen Bescheides mit dem Vorbringen, es sei fraglich, ob sich die Aussage, dass sich die Gefahr auf das gesamte Staatsgebiet beziehen müsse, tatsächlich auf die aktuelle Situation der Kosovo-Albaner in der Bundesrepublik Jugoslawien übertragen lasse. Der Verwaltungsgerichtshof sieht keinen Anlass, im Verfahren gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG von dieser in ständiger Rechtsprechung geäußerten Ansicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 1980, Slg. Nr. 10.255 A, uva.) abzugehen.

Dem Beschwerdevorbringen, es sei im angefochtenen Bescheid "nirgends ersichtlich", worauf sich die Ansicht der belangten Behörde stütze, dass sich die Übergriffe ausschließlich auf den Kosovo bzw. punktuell auf den Flughafen Belgrad beschränkten, ist seine Aktenwidrigkeit durch Hinweis auf die oben wiedergegebenen Passagen des angefochtenen Bescheides entgegenzuhalten. Inhaltlich erstattet die Beschwerde aber kein Vorbringen, das die Unrichtigkeit der Ausführungen der belangten Behörde zur Begründung des Spruchpunktes 2 betreffend Montenegro erkennen ließe.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 8. September 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998010648.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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