TE Lvwg Erkenntnis 2021/6/15 LVwG-AV-1120/001-2020

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Veröffentlicht am 15.06.2021
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Entscheidungsdatum

15.06.2021

Norm

BAO §303

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Richter Hofrat Mag. Hubmayr über die Beschwerde der A, vertreten durch C GmbH § Co KG, vom 24. August 2020 gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 21. Juli 2020, zu GZ.: ***, mit welchem einer Berufung gegen einen Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 16. Jänner 2020, betreffend die Abweisung eines Antrages „auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Vorschreibung einer Benützungsgebühr für den öffentlichen Kanal“, keine Folge gegeben wurde, zu Recht:

1.   Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass der „Antrag auf Wiederaufnahme“ vom 11. Mai 2019 zurückgewiesen wird.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§§ 279 iVm 288 Abs. 1 Bundesabgabenordnung - BAO

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG

Entscheidungsgründe:

1. Sachverhalt und bisheriges Verfahren:

Frau A (in der Folge: Beschwerdeführerin) ist grundbücherliche Eigentümerin der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft in ***, *** (Grundstück ***, KG ***).

Mit Schreiben vom 11. Mai 2019 stellte die Beschwerdeführerin durch ihre ausgewiesene Vertretung den Antrag auf Berichtung der Kanalbenützungsgebühr rückwirkend ab Jänner 2014, da kein Obergeschoß vorhanden sei. Dieses auch für die Vorschreibung einer Kanaleinmündungsabgabe bereits 2013 berücksichtigte Obergeschoß befinde sich tatsächlich erst im Planungsstadium.

Sollten der Vorschreibung für die laufende Kanalbenützungsabgabe Abgabenbescheide zugrunde liegen, so werde beantragt, dass hinsichtlich dieser das Verfahren gemäß § 303 Abs. 1 BAO wieder aufgenommen werde und zwar rückwirkend bis zur Verjährung.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 14. Oktober 2019 wurde der Berichtigungsantrag vom 11. Mai 2019 abgewiesen. Mit Bescheid vom 28. Jänner 2014 sei für das verfahrensgegenständliche Objekt eine Kanalbenützungsgebühr vorgeschrieben worden. Zwar habe sich die Behauptung des Berichtigungsantrages, dass ein Obergeschoß gar nicht errichtet worden sei, als richtig herausgestellt. Es sei jedoch kein Tatbestand für eine Bescheidberichtigung nach den Bestimmungen der BAO erfüllt. Auch die Frist von einem Jahr für eine Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO sei bereits abgelaufen. Über den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens werde in einem gesonderten Bescheid abgesprochen.

Dieser Bescheid wurde der Vertretung der Beschwerdeführerin am 16. Oktober 2019 zugestellt und ist in Rechtskraft erwachsen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 16. Jänner 2020 wurde der Antrag vom 11. Mai 2019, „das Verfahren zur Festsetzung der Kanalbenützungsgebühr für das Objekt Römerstraße 10a gemäß § 303 Abs. 1 BAO wiederaufzunehmen“ abgewiesen.

Die Tatsache, dass das Obergeschoß gar nicht errichtet worden sei, sei zwar für die Abgabenbehörde neu, doch sei bei einem Antrag auf Wiederaufnahme das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen. Da der Antragstellerin dieser Umstand jedoch stets bekannt gewesen sei, handle es sich dabei nicht um eine neu hervorgekommene Tatsache, weshalb die Voraussetzungen zur Bewilligung der Wiederaufnahme nicht vorlägen.

Mit Schreiben vom 10. Februar 2020 wurde seitens des Vertreters der Beschwerdeführerin dagegen das Rechtsmittel der Berufung erhoben. Der Neuerungstatbestand sei auch aus Sicht der Abgabenbehörde zu betrachten. Nach Fertigstellung des Baus (Erdgeschoß ohne Obergeschoß) sei der Bau- und Abgabenbehörde bekannt gewesen, dass das Obergeschoß nicht errichtet worden sei. Das Wiederaufnahmeverfahren sei daher von Amts wegen durchzuführen, rückwirkend bis zur Verjährung.

Mit Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 21. Juli 2020, GZ: ***, wurde dieser Berufung vom 10. Februar 2020 keine Folge gegeben.

Mit der Fertigstellungsanzeige für das Bauwerk sei dessen bewilligungsgemäße Ausführung bescheinigt worden, somit die Ausführung einschließlich des bewilligten Obergeschoßes. Zum Zeitpunkt der Erlassung des Abgabenbescheides habe die Baubehörde keine Kenntnis davon gehabt, dass das Obergeschoß nicht errichtet worden sei. Wäre der Abgabenbehörde dies bekannt gewesen, so würde jedoch erst recht keine neu hervorgekommene Tatsache vorliegen. Zudem seien seit der Zustellung des damaligen Abgabenbescheides keine Veränderungen eingetreten, die eine Neufestsetzung der Kanalbenützungsgebühr ermöglichen würde.

Dagegen richtet sich die nunmehrige Bescheidbeschwerde vom 24. August 2020, eingebracht durch den ausgewiesenen Vertreter der Beschwerdeführerin.

Der Antrag vom 11. Mai 2019 sei ausschließlich dafür worden, „wenn für die laufende Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühr ebenfalls ein Bescheid erlassen wurde“.

Die Abgabenbehörde beziehe sich auf einen Bescheid vom 28. Jänner 2014. Ein solcher Bescheid sei der Beschwerdeführerin bisher nicht zugestellt worden. Sofern sich die Abgabenbehörde auf das Schreiben vom 31. Jänner 2014 beziehe, so handle es sich dabei jedenfalls um keinen Bescheid.

Sollte kein Bescheid vorliegen, so sei der Antrag vom 11. Mai 2019 als Antrag auf einen Abrechnungsbescheid zu werten. Beantragt wurde eine Festsetzung der Kanalbenützungsgebühr ab 1. Jänner 2014 ohne das nicht errichtete Obergeschoß bzw. sollte kein Bescheid vorliegen eine Neufestsetzung ab dem Tag der Veränderungsanzeige vom 28. März 2019.

Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Erstattung des Schriftsatz- und Verhandlungsaufwandes in gesetzlicher Höhe.

Mit Schreiben vom 5. Oktober 2020, eingelangt am 9. Oktober 2020, wurde seitens des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsaktes dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Entscheidung vorgelegt.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den von der Behörde vollständig vorgelegten Verwaltungsakt.

Im Akt finden sich, neben den bereits angeführten Erledigungen und Schriftsätzen, mit Bezug zur Kanalbenützungsgebühr noch folgende Schriftstücke:

Ein mit „28.01.2014“ datiertes Schriftstück, bezeichnet als „Besch.+HB 1.Qu.2014“, ohne Geschäftszahl oder Rechnungsnummer, jedoch mit der angeführten Kontonummer ***, ist an die Beschwerdeführerin adressiert.

Für das Objekt *** werde ab 01.04.2013 eine jährliche Kanalbenützungsgebühr für den öffentlichen Mischwasserkanal im Betrag von € 1.211,33 zuzüglich Umsatzsteuer vorgeschrieben.

Seite 2 enthält eine kurze Begründung, welche lediglich Rechtsgrundlagen wiedergibt sowie den Verweis auf eine auf der Rückseite angeführte Rechtsmittelbelehrung. Diese Rückseite ist, dürfte es sich doch bei dem im Akt vorhandenen Schriftstück nur um eine Kopie oder einen Nachdruck handeln, im Akt nicht angeschlossen.

Die Fertigung lautet: „Der Bürgermeister: B e.h.“, eine eigenhändige Unterschrift ist auf diesem Schriftstück jedoch nicht angebracht.

Der Nachweis einer Zustellung dieser Erledigung an die Beschwerdeführerin findet sich im Akt nicht.

Auf dem im Akt vorhandenen Schriftstück sind auf Seite 1 die folgenden handschriftlichen Vermerke angebracht:

„Probe! Ablage in Akt, Kein Echt-Bescheid- keine RechnungsNr. GA
Echt- aber Zusendung Bescheid 31.01.2014“

Ein weiteres mit „31.01.2014“ datiertes Schriftstück, bezeichnet als „Besch.+HB 1.Qu.2014“, mit der Rechnungsnummer *** und der angeführten Kontonummer ***, ist ebenso an die Beschwerdeführerin adressiert.

Für das Objekt *** werde ab 01.04.2013 eine jährliche Kanalbenützungsgebühr für den öffentlichen Mischwasserkanal im Betrag von € 1.211,33 zuzüglich Umsatzsteuer vorgeschrieben.

Seite 2 enthält eine kurze Begründung, welche lediglich Rechtsgrundlagen wiedergibt sowie den Verweis auf eine auf der Rückseite angeführte Rechtsmittelbelehrung. Eine Kopie der Rückseite ist im Akt enthalten und enthält unter der Überschrift „Abgabenbescheid“ den folgenden Hinweis:

„Wenn die Vorschreibung als Bescheid bezeichnet ist, gilt folgende Rechtsmittelbelehrung:“. In der Folge ist eine Rechtsmittelbelehrung für erstinstanzliche, im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde erlassene Bescheide angeführt.

Die Fertigung lautet: „Der Bürgermeister: D“, eine eigenhändige Unterschrift ist auf diesem Schriftstück jedoch nicht angebracht.

Der Nachweis einer Zustellung dieser Erledigung an die Beschwerdeführerin findet sich im Akt nicht.

Auf dem im Akt vorhandenen Schriftstück ist auf Seite 1 der folgende handschriftliche Vermerk angebracht: „ECHT-Bescheid“.

Im Wesentlichen ergibt sich der festgestellte Sachverhalt aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid sowie aus dem Vorbringen der Beschwerde.

2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:

2.1. Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)

Artikel 132. (1) Gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde kann wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben:

         1.       wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet;

Artikel 133.

(4) Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2.2. Bundesabgabenordnung (BAO):

§ 1. (1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. …

§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.

§ 288. (1) Besteht ein zweistufiger Instanzenzug für Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden, so gelten für das Berufungsverfahren die für Bescheidbeschwerden und für den Inhalt der Berufungsentscheidungen die für Beschwerdevorentscheidungen anzuwendenden Bestimmungen sinngemäß. Weiters sind die Beschwerden betreffenden Bestimmungen (insbesondere die §§ 76 Abs. 1 lit. d, 209a, 212 Abs. 4, 212a und 254) sowie § 93 Abs. 3 lit. b und Abs. 4 bis 6 sinngemäß anzuwenden.

§ 303. (1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn

a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder

b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder

c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

(2) Der Wiederaufnahmsantrag hat zu enthalten:

a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird;

b) die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1), auf die der Antrag gestützt wird.

§ 313. Die Parteien haben die ihnen im Abgabenverfahren und im Beschwerdeverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten.

3. Würdigung:

3.1. Zu Spruchpunkt 1:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Abweisung eines Antrages vom 11. Mai 2019 durch die Abgabenbehörde erster Instanz im Instanzenzug bestätigt. Verfahrensgegenständlich ist daher auch im Beschwerdeverfahren die Entscheidung über den Antrag vom 11. Mai 2019.

Dieser Antrag lautete wie folgt: „Sollten der Vorschreibung für die laufende Kanalbenützungsabgabe Abgabenbescheide zugrunde liegen, wird beantragt, dass hinsichtlich dieser das Verfahren gemäß § 303 Abs. 1 BAO wieder aufgenommen wird und zwar ebenfalls rückwirkend bis zur Verjährung.“

Von der Abgabenbehörde wurde dieser Antrag als Eventualantrag zum ersten Antrag des Schreibens vom 11. Mai 2019 (Antrag auf rückwirkende Berichtigung der „Kanalbenützungsabgabe“) behandelt und als Antrag auf Wiederaufnahme abgewiesen.

Ein Eventualantrag ist im Verwaltungsverfahren durchaus zulässig (VwGH 89/14/0256, 2005/15/0134, 2013/11/0103). Das Wesen eines solchen Antrages liegt darin, dass er unter der aufschiebenden Bedingung gestellt wird, dass der Hauptantrag erfolglos bleibt. Wird bereits dem Hauptantrag stattgegeben, so wird der Eventualantrag gegenstandslos.

Der verfahrensgegenständliche Antrag „das Verfahren gemäß § 303 Abs. 1 BAO“ wieder aufzunehmen wurde tatsächlich aber unter einer anderen Bedingung gestellt.

Diese Bedingung macht die Antragstellung ihrem Wortlaut nach nicht von der Entscheidung der Abgabenbehörde zum Erstantrag abhängig, sondern von der Frage, ob „der Vorschreibung für die laufende Kanalbenützungsabgabe Abgabenbescheide zugrunde liegen“.

Mangels eines Hauptantrages, auf welchen sich der verfahrensgegenständliche Antrag unmittelbar bezieht, liegt dementsprechend auch keine für einen Eventualantrag essentielle aufschiebende Bedingung vor. Vielmehr wird die Antragstellung davon abhängig gemacht, ob überhaupt der Wiederaufnahme zugängliche Bescheide vorliegen.

Abgesehen von Eventualanträgen sind bedingte Anbringen grundsätzlich unzulässig (VwGH 2001/16/0016, 2003/16/0030, 2002/15/0081, 2003/15/0081, 2004/16/0115, 2007/17/0068, 2006/16/0129).

Die einer Prozesserklärung zu Grunde liegenden Absichten und Beweggründe sind dabei unerheblich (VwGH 2001/16/0016).

Die Zulässigkeit einer Bedingung bei einer Prozesshandlung muss im Gesetz ausdrücklich vorgesehen sein, ist dies nicht der Fall, so ist eine unter einer Bedingung vorgenommene Prozesshandlung unwirksam (VwGH 85/05/0053, 95/05/0320, 97/06/0208, 2001/08/0169, 2002/07/0157, 2009/18/0418).

Nicht zuletzt liegt der Eintritt dieser Bedingung im Bereich der Antragstellung selbst, je nachdem welche Rechtsmeinung von der Antragstellerin zum Vorliegen eines der (offensichtlich beabsichtigten) Abgabenrückzahlung entgegenstehenden rechtwirksam erlassenen Abgabenbescheides vertreten wird. Mit anderen Worten, es wäre von der Antragstellerin zu beurteilen, ob die für die Antragstellung aufgestellte Bedingung – nach ihrer Meinung – erfüllt ist oder nicht.

Für Wiederaufnahmsanträge ist die Zulässigkeit einer bedingten Antragstellung im Gesetz jedenfalls nicht vorgesehen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Diese Entscheidung schließt keinesfalls eine neuerliche Antragstellung auf Wiederaufnahme eines mit Bescheid abgeschlossenen Verfahrens aus. Auf die Inhaltserfordernisse solcher Anträge gemäß § 303 Abs. 2 BAO wird hingewiesen. Einerseits ist das wiederaufzunehmende Verfahren durch Benennung des dieses Verfahren abschließenden Bescheides zu bezeichnen. Anderseits ist im Antrag ein Wiederaufnahmsgrund darzulegen. Für die Annahme des Neuerungstatbestandes wäre maßgebend, ob der Abgabenbehörde bei Bescheiderlassung der Sachverhalt so vollständig bekannt war, dass sie bereits in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Beurteilung zu einer anderen Entscheidung gelangen hätte können (VwGH 2006/15/0314, 2006/15/0006, 2009/15/0135, 2011/15/0157).

Sofern ein Abgabenbescheid nicht (wirksam) erlassen wurde, käme eine Antragstellung gemäß § 216 BAO (Abrechnungsbescheid) bzw. § 239 BAO (Rückzahlung von Guthaben) in Betracht.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs. 3 Z.1 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Ungeachtet eines entsprechenden Antrages konnte von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da schon der Erstantrag als unzulässig zurückzuweisen war. Es handelt sich im gegenständlichen Fall eben um eine (wegen Abänderung der zu Unrecht ergangenen inhaltlichen Entscheidung mit Erkenntnis zu treffende) Formalentscheidung, für welche gerade § 274 Abs. 3 Z.1 BAO eine Ausnahme von der Verhandlungspflicht vorsieht.

Auch aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

Dem Antrag auf Aufwandsersatz in der Bescheidbeschwerde konnte schon im Hinblick auf § 313 BAO nicht nähergetreten werden.

3.2. Zu Spruchpunkt 2 - Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß
Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Hinblick auf die obigen Ausführungen (siehe 3.1.) liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

Finanzrecht; Kanalbenützungsgebühr; Verfahrensrecht; Wiederaufnahme; Antrag; Eventualantrag; Verfahrenshandlung; Bedingung; Bescheid;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.1120.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.11.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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