TE Vwgh Erkenntnis 2004/1/29 2002/15/0081

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Veröffentlicht am 29.01.2004
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Index

L34008 Abgabenordnung Vorarlberg;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

AbgVG Vlbg 1984 §106a idF 2000/043;
AbgVG Vlbg 1984 §106a;
AbgVG Vlbg 1984 §123 Abs1 litc;
AbgVG Vlbg 1984 §123 Abs1 litd;
AbgVG Vlbg 1984 §19;
AbgVG Vlbg 1984 §27;
AbgVG Vlbg 1984 §84;
AbgVG Vlbg 1984 §87;
AbgVG Vlbg 1984 §88;
BAO §288 Abs1 litc;
BAO §288 Abs1 litd;
BAO §85;
BAO §93 Abs2;
BAO §93 Abs3 lita;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2003/15/0081

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerden der S GmbH & Co KG in E, vertreten durch BDO Tschofen Treuhand Wirtschaftsprüfungsgesellschaft GmbH und Dr. Eduard Tschofen, Wirtschaftsprüfer, 6800 Feldkirch, Gallmiststraße 17, gegen die Bescheide der Vorarlberger Landesregierung 1. vom 25. März 2002, Zl. IIIa-205/23, betreffend Kommunalsteuer Februar bis Juli 2000, sowie 2. vom 2. Juli 2003, Zl. IIIa-230.359, betreffend Anträge auf Erlassung von Abrechnungsbescheiden, (mitbeteiligte Partei jeweils: Marktgemeinde S), zu Recht erkannt:

Spruch

1. Der erstangefochtene Bescheid (Bescheid vom 25. März 2002, Zl. IIIa-205/23) wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

2. Die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid (Bescheid vom 2. Juli 2003, Zl. IIIa-230.359) wird als unbegründet abgewiesen.

Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von 991,20 EUR, jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 6. März 2000 beantragte die Beschwerdeführerin bei der mitbeteiligten Gemeinde, die Getränkesteuer für das Jahr 1999 mit Null Schilling festzusetzen und die bereits als Getränkesteuer 1999 entrichteten Beträge von insgesamt 606.236 S zurückzuzahlen. Zur Begründung wurde vorgebracht, die Getränkesteuer erweise sich als gemeinschaftsrechtswidrig.

Die aufgrund eines Devolutionsantrages der Beschwerdeführerin zuständig gewordene Abgabenkommission der mitbeteiligten Gemeinde setzte mit Bescheid vom 27. Juni 2001 für das Jahr 1999 die Getränkesteuer für alkoholfreie Getränke mit 126.721,66 S, die Getränkesteuer für Speiseeis mit 51.796,63 S und die Getränkesteuer für alkoholische Getränke mit 0,00 S fest.

Mit Bescheid vom 20. Juli 2000 hatte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde gegenüber der Beschwerdeführerin die Kommunalsteuer (samt Säumniszuschlag) für die Monate Februar bis Mai 2000 mit 40.813 S festgesetzt. In der Bescheidbegründung wird darauf verwiesen, dass die Gemeinde gemäß § 11 Abs 3 KommStG einen Kommunalsteuerbescheid zu erlassen habe, wenn der Unternehmer die selbst berechnete Kommunalsteuer nicht oder nicht vollständig entrichte. Zuvor hatte die Beschwerdeführerin der mitbeteiligten Gemeinde mitgeteilt, dass die Kommunalsteuer mit dem Guthaben aus der Gutschrift der Getränkesteuer zu tilgen sei, zumal diese Abgaben zusammengefasst auf dem Abgabenkonto Nr. 1587 verbucht würden.

Mit Schriftsatz vom 24. Juli 2000 berief die Beschwerdeführerin gegen den Kommunalsteuerbescheid. Die Getränkesteuererklärung 1999 weise eine Steuerschuld von Null Schilling aus, aufgrund der Bescheidfiktion des § 82 des Vorarlberger Gesetzes über allgemeine Bestimmungen, das Verfahren und das Strafrecht für die von den Behörden des Landes und der Gemeinden verwalteten Abgaben, LGBl 23/1984 (im Folgenden AbgVG), sei die Abgabe daher mit Null Schilling festgesetzt worden, sodass in Höhe der entrichteten Getränkesteuer ein Guthaben entstanden sei. Gemäß § 87 und 88 AbgVG seien Guthaben zur Tilgung fälliger Schuldigkeiten zu verwenden. Daher sei die entstandene Kommunalsteuerschuld durch Tilgung erloschen. Unter einem beantragte die Beschwerdeführerin die Erlassung eines Abrechnungsbescheides für den Fall von Meinungsverschiedenheiten über die Tilgung der Abgaben.

Mit Bescheid vom 14. September 2000 setzte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde gegenüber der Beschwerdeführerin die Kommunalsteuer (samt Säumniszuschlag) für die Monate Juni und Juli 2000 mit 25.088 S fest. In der Bescheidbegründung wird darauf verwiesen, dass die Gemeinde gemäß § 11 Abs 3 KommStG einen Kommunalsteuerbescheid zu erlassen habe, wenn der Unternehmer die selbst berechnete Kommunalsteuer nicht oder nicht vollständig entrichte.

Mit Schriftsatz vom 19. September 2000 berief die Beschwerdeführerin gegen diesen Kommunalsteuerbescheid. Die Berufungsbegründung deckt sich mit dem Vorbringen in der Berufung vom 24. Juli 2000. Ergänzend wird vorgebracht, die "Rückzahlungssperre" des § 106a AbgVG sei nicht nur gemeinschaftsrechtswidrig, sondern stehe einer "Verrechnung" von Abgaben von vornherein nicht entgegen. Die Beschwerdeführerin beantragte wiederum die Erlassung eines Abrechnungsbescheides.

Mit Bescheiden vom 26. September 2001 wies die Abgabenkommission der mitbeteiligten Gemeinde die Berufungen vom 24. Juli 2000 und vom 19. September 2000 gegen die Kommunalsteuerbescheide als unbegründet ab. In der Bescheidbegründung wird darauf verwiesen, dass nicht in jedem Fall, in welchem die bescheidmäßige Festsetzung einer Abgabe eine Überzahlung ergebe, eine Rückzahlung erfolge. § 106a AbgVG normiere den Ausschluss der Rückzahlung in jenen Fällen, in denen die Abgabe wirtschaftlich von einem anderen getragen worden sei. Nach Abs 2 des § 106a AbgVG dürften Guthaben, die gemäß Abs 1 nicht rückgezahlt würden, auch nicht zur Tilgung fälliger Schuldigkeiten verwendet werden, sodass in solchen Fällen eine Verrechnung ausgeschlossen sei. Die diesbezüglichen Verfahren seien noch nicht abgeschlossen, was vor allem auf die unklare rechtliche Situation zurückzuführen sei. Somit sei jedenfalls hinsichtlich der im Jahr 1999 bezahlten Getränkesteuer noch kein Rückzahlungsanspruch entstanden bzw aufgrund eines fehlenden Guthabens die beantragte Verrechnung mit der Kommunalsteuer nicht möglich.

Der gegen diese Berufungsentscheidung erhobenen Vorstellung gab die belangte Behörde mit dem erstangefochtenen Bescheid keine Folge. Die Gemeinde habe gemäß § 11 Abs 3 KommStG einen Kommunalsteuerbescheid zu erlassen, wenn der Unternehmer die selbst berechnete Kommunalsteuer nicht entrichte. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sei eine Entrichtung durch Aufrechnung mit der Getränkesteuergutschrift erfolgt. Die Aufrechnung sei auch nach Auffassung der belangten Behörde eine Entrichtungsart. Die Tilgungswirkung hänge aber davon ab, dass ein Guthaben tatsächlich vorhanden sei. Im gegenständlichen Fall sei die Rechtsfrage strittig, ob ein Guthaben aufgrund der entrichteten Getränkesteuer entstanden sei. Es sei zu prüfen, ob die Entrichtung der Getränkesteuer 1999 letztlich zu einem Guthaben geführt habe. Derzeit sei beim EuGH ein Verfahren anhängig, in welchem geprüft werde, ob die "Rückzahlungssperre" der Abs 3 und 4 des § 185 der Wiener Abgabenordung auch auf vor der Kundmachung dieser Bestimmung entstandene Steuerschuldverhältnisse angewandt werden dürfe. Die genannte Bestimmung der Wiener Abgabenordnung sei mit § 106a AbgVG vergleichbar, weshalb über den Antrag des Beschwerdeführers auf Rückerstattung der entrichteten Getränkesteuer sinnvollerweise erst nach Vorliegen der Entscheidung des EuGH abzusprechen sein werde. Da im gegenständlichen Fall der Antrag auf Rückerstattung der entrichteten Getränkesteuer noch einer positiven Erledigung harre, sei nach Ansicht der belangten Behörde - trotz der Getränkesteuerfestsetzung mit Bescheid vom 27. Juni 2001 - kein Guthaben auf dem Verrechnungskonto der Beschwerdeführerin gegeben. Die Vorgangsweise im Zusammenhang mit einer allfälligen Rückerstattung sei in § 106a AbgVG geregelt. Nach Abs 1 der Bestimmung unterbleibe die Rückzahlung eines Guthabens insoweit, als die Abgabe wirtschaftlich von einem anderen getragen worden sei. Nach Abs 2 der Bestimmung dürften Guthaben, die nach Abs 1 nicht zurückgezahlt würden, auch nicht zur Tilgung fälliger Schulden verwendet werden. Nach § 138 Abs 2 AbgVG sei die Regelung des § 106a leg. cit auf Abgaben anzuwenden, die aufgrund eines rechtswidrigen Abgabengesetzes nach dem 31. Dezember 1994 entrichtet oder eingebracht worden seien. Die Behörde sei zunächst verpflichtet zu prüfen, ob die Abgabe (Getränkesteuer auf alkoholische Getränke) wirtschaftlich von einem anderen getragen worden sei. Aufgrund der derzeit bestehenden rechtlichen Unsicherheit hinsichtlich der Gemeinschaftsrechtskonformität dieser Regelung habe die Behörde die in diesem Zusammenhang auftretenden Fragen nicht abschließend beurteilen können. Weil das zuständige Gemeindeorgan über den Antrag auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides nicht entschieden habe, sei die belangte Behörde zur Beurteilung dieser Frage nicht zuständig.

Aufgrund eines von der Beschwerdeführerin eingebrachten Devolutionsantrages entschied die Abgabenkommission der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheiden vom 28. Jänner 2003 über die Anträge auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides, indem sie die Anträge als unzulässig zurückwies. Die Anträge seien für den Fall gestellt, dass Meinungsverschiedenheiten über die Zahlungsverpflichtung bestünden. Damit lägen bedingte Prozesserklärungen vor; solche seien im Allgemeinen unzulässig. Zudem sei zu beachten, dass die Behörde die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 12. Juni 2001 um detaillierte Bekanntgabe ersucht habe, welche Verrechnungsvorgänge und Gebarungsvorgänge strittig seien. In ihrem Antwortschreiben habe sich die Beschwerdeführerin im Wesentlichen darauf beschränkt, dass im Zeitpunkt der Verrechnung der Kommunalsteuer ein Abgabenguthaben an Getränkesteuer von ca 600.000 S bestanden habe. Die Beschwerdeführerin spreche sich also dagegen aus, dass das behauptete Getränkesteuerguthaben nicht mit der Kommunalsteuerschuld verrechnet worden sei. Die Frage, ob das Getränkesteuerguthaben bestanden habe, sei Gegenstand der Verfahrens betreffend Festsetzung der Kommunalsteuer gewesen. Die - mit der bereits erfolgten Tilgung der Kommunalsteuer begründeten -

Berufungen gegen die Kommunalsteuerbescheide seien als unbegründet abgewiesen worden. Den Vorstellungen sei keine Folge gegeben worden.

Über die gegen diese Zurückweisungsbescheide erhobenen Vorstellungen sprach die belangte Behörde mit dem zweitangefochtenen Bescheid ab. Der Spruch des Bescheides lautet:

"Gemäß § 83 Abs 7 des Gemeindegesetzes, LGBl Nr. 40/1985, wird der Vorstellung Folge gegeben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Marktgemeinde zurückverwiesen."

In der Begründung des zweitangefochtenen Bescheides wird ausgeführt, gemäß § 83 Abs 7 des Vorarlberger Gemeindegesetzes habe die Aufsichtsbehörde den Bescheid einer Gemeinde aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurückzuverweisen, wenn durch den Bescheid Rechte des Einschreiters verletzt worden seien. Die belangte Behörde gehe davon aus, dass es sich bei den Anträgen der Beschwerdeführerin um Eventualanträge handle. Eventualanträge stünden unter der Bedingung, dass ein Primärantrag erfolglos sei. Sie seien nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zulässig. Die Beschwerdeführerin habe primär die Vorschreibung der Kommunalsteuer begehrt und für den Fall, dass nach wie vor Meinungsverschiedenheiten über die Zahlungsverpflichtungen bestünden, die Erlassung von Abrechnungsbescheiden begehrt. Die Anträge auf Erlassung von Abrechnungsbescheiden seien eindeutig und ausreichend konkretisiert. Bei diesem Sachverhalt hätte die Gemeinde die Anträge nicht zurückweisen dürfen, sondern in der Sache entscheiden müssen. Durch die Zurückweisung habe sie die Beschwerdeführerin im Recht auf Sachentscheidung nach § 123 Abs 2 AbgVG verletzt. Im zweitangefochtenen Bescheid heißt es sodann:

"Ergänzend wird noch folgendes ausgeführt:

Die Kommunalsteuer für den Zeitraum Februar 2000 bis Juli 2000 ist rechtskräftig festgesetzt. Die Getränkesteuer für das Jahr 1999 hat die Vorstellungswerberin entrichtet. Da die Gemeinde über den Antrag der Vorstellungswerberin gemäß § 106 des Abgabenverfahrensgesetzes auf Rückzahlung der entrichteten Getränkesteuer bisher nicht positiv entschieden hat, ist auf dem Getränkesteuerkonto der Vorstellungswerberin noch kein Guthaben entstanden (vgl Bruckner - Keppert, ÖStZ 2000/408)"

Die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zusammengefasst und über sie erwogen:

§ 11 KommStG lautet

"(1) Die Steuerschuld entsteht mit Ablauf des Kalendermonates, in dem Lohnzahlungen gewährt, Gestellungsentgelte gezahlt (§ 2 lit. b) oder Aktivbezüge ersetzt (§ 2 lit. c) worden sind. Lohnzahlungen, die regelmäßig wiederkehrend bis zum 15. Tag eines Kalendermonats für den vorangegangenen Kalendermonat gewährt werden, sind dem vorangegangenen Kalendermonat zuzurechnen.

(2) Die Kommunalsteuer ist vom Unternehmer für jeden Kalendermonat selbst zu berechnen und bis zum 15. des darauffolgenden Monates (Fälligkeitstag) an die Gemeinde zu entrichten.

(3) Erweist sich die Selbstberechnung des Unternehmers als nicht richtig oder wird die selbstberechnete Kommunalsteuer nicht oder nicht vollständig entrichtet, hat die Gemeinde einen Kommunalsteuerbescheid zu erlassen. "

§ 106a AbgVG idF LGBl 43/2000, herausgegeben am 12. September 2000, lautet:

"Ausschluss der Rückzahlung

(1) Wenn eine aufgrund eines rechtswidrigen Abgabengesetzes erlassene Abgabenvorschreibung aufgehoben oder abgeändert wird oder eine aufgrund eines rechtswidrigen Abgabengesetzes selbst bemessene Abgabe mit Bescheid festgesetzt wird, hat die Behörde auszusprechen, dass ein dadurch entstehendes Guthaben dem Abgabepflichtigen insoweit nicht zurückgezahlt wird, als die Abgabe wirtschaftlich von anderen getragen worden ist.

(2) Guthaben, die gemäß Abs. 1 nicht zurückgezahlt werden, dürfen nicht zur Tilgung fälliger Schuldigkeiten (§ 88 Abs. 1) verwendet werden. In diesen Fällen ist auch eine Verrechnung von Gutschriften gemäß § 87 ausgeschlossen."

§ 138 Abs 2 AbgVG lautet:

"Der § 106a ist auf Abgaben anzuwenden, die aufgrund eines

rechtswidrigen Abgabengesetzes nach dem 31. Dezember 1994

entrichtet oder eingebracht worden sind."

§ 106a AbgVG idF LGBl 9/2000 lautete:

"Wenn eine aufgrund eines rechtswidrigen Abgabengesetzes erlassene Abgabenvorschreibung aufgehoben oder abgeändert wird oder eine aufgrund eines rechtswidrigen Abgabengesetzes selbst bemessene Abgabe mit Bescheid festgesetzt wird, hat die Behörde auszusprechen, dass ein dadurch entstehendes Guthaben dem Abgabepflichtigen insoweit nicht zurückgezahlt wird, als die Abgabe wirtschaftlich von anderen getragen worden ist."

§ 89 AbgVG lautet:

"Abrechnungsbescheid

Bestehen zwischen einem Abgabepflichtigen und der Behörde Meinungsverschiedenheiten, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, so hat die Behörde darüber auf Antrag zu entscheiden (Abrechnungsbescheid)."

1. Kommunalsteuer:

Die Abgabenbehörde hat im gegenständlichen Fall die Getränkesteuer auf alkoholische Getränke für 1999 mit Null Schilling festgesetzt. Auf Grund dieser Nullfestsetzung hatte hinsichtlich der Mehrleistungen zwingend eine Gutschrift zu erfolgen, die mit der Bekanntgabe des Bescheides über die Nullfestsetzung wirksam wurde, was nach den Regelungen des sechsten Abschnittes des AbgVG über die Einhebung der Abgaben zu einem Guthaben führte (vgl das hg. Erkenntnis vom 18. September 2003, 2002/16/0204).

Guthaben werden gemäß §§ 88 und 87 AbgVG zur Tilgung von Abgabenschuldigkeiten verwendet.

Die Regelung des § 106a AbgVG erweist sich, wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 4. Dezember 2003, 2003/16/0148, zu Recht erkannt hat, als grundsätzlich gemeinschaftsrechtskonform.

Gemäß § 106a Abs 1 AbgVG idF LGBl 43/2000 hat die Behörde mit Bescheid auszusprechen, dass ein - unter bestimmten Voraussetzungen entstandenes - Guthaben dem Abgabepflichtigen insoweit nicht zurückgezahlt wird, als die Abgabe wirtschaftlich von anderen getragen worden ist.

Soweit ein Guthaben vorliegt, das gemäß Abs 1 des § 106a leg cit nicht zurückgezahlt wird, verbietet Abs 2 der Bestimmung die Verwendung des Guthabens (bzw der Gutschrift) durch Verrechnung. Aus dem Zusammenhang der beiden Absätze des § 106a leg cit ergibt sich, dass ein Guthaben dieser Art (weder rückzahlnoch verrechenbares Guthaben) erst dann gegeben ist, wenn ein Bescheid iSd Abs 1 erlassen worden ist.

Solange kein Bescheid iSd Abs 1 des § 106a leg cit erlassen ist, ist der Steuerpflichtige so zu behandeln, als würde die Verrechnung ohne die Einschränkung des Abs 2 erfolgen. Erst mit Erlassung des genannten Bescheides iSd Abs 1 darf die Behörde Rechtsfolgen daraus ziehen, dass eine Verrechnung insoweit nicht erfolgt ist, als dieser Bescheid die Rückzahlung verbietet.

Im gegenständlichen Fall stützt die belangte Behörde die Berechtigung der Abgabenbehörde zur Erlassung der Kommunalsteuerbescheide darauf, dass die selbstberechnete Kommunalsteuer nicht entrichtet worden sei (§ 11 Abs 3 KommStG).

Die Beschwerdeführerin hat Anträge auf Verrechnung des Getränkesteuerguthabens mit den Kommunalsteuerschuldigkeiten gestellt. In dem - im Beschwerdefall maßgeblichen - Zeitpunkt der Erlassung der Berufungsentscheidungen über die Berufungen gegen die Kommunalsteuerbescheide ist die Getränkesteuer auf alkoholische Getränke bereits mit Null festgesetzt gewesen. Das dadurch entstandene Guthaben ist ein solches, das nach den Bestimmungen des AbgVG zu verwenden ist. Ein bescheidmäßiger Ausspruch iSd Abs 1 des § 106a AbgVG, wonach die Getränkesteuer nicht zurückgezahlt wird, weil sie wirtschaftlich von anderen getragen worden ist, ist nicht vorgelegen. Solcherart war die Beschwerdeführerin (vorläufig) nicht schlechter zu stellen, als existierten die einschränkenden Regelungen des § 106a AbgVG für die Verrechnung nicht.

In Verkennung der Rechtslage hat die belangte Behörde im erstangefochtenen Bescheid die Ansicht vertreten, es liege deshalb kein Guthaben der Beschwerdeführerin vor, weil der Antrag auf Rückerstattung der entrichteten Getränkesteuer noch einer positiven Erledigung harre; die Anwendbarkeit des § 106a AbgVG könne die Behörde aufgrund der bestehenden rechtlichen Unsicherheit hinsichtlich der Gemeinschaftsrechtskonformität dieser Regelung nicht abschließend beurteilen. Wie oben ausgeführt hätte die belangte Behörde mangels Vorliegens eines Bescheides iSd § 106a Abs 1 AbgVG dem Steuerpflichtigen die Verrechnungsbeschränkung des Abs 2 nicht entgegen halten dürfen. Ist aber die Annahme zu treffen, die Kommunalsteuerschuld sei - im Zeitpunkt der Berufungsentscheidungen vom 26. September 2001 - zur Gänze getilgt, sind die Voraussetzungen für die Erlassung von Kommunalsteuerbescheiden wegen Nichtentrichtung iSd § 11 Abs 3 KommStG nicht gegeben.

Der erstangefochtene Bescheid ist somit mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

2. Abrechnungsbescheide:

Die Beschwerdeführerin rügt, der zweitangefochtene Bescheid spreche zwar aus, dass die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Gemeinde zurückverwiesen werde, unterlasse aber die Aufhebung der mit Vorstellung angefochtenen Bescheide.

§ 83 Abs 7 des Vorarlberger Gemeindegesetzes, LGBl 40/1985 lautet:

"Wenn durch den Bescheid Rechte des Einschreiters verletzt wurden, hat die Aufsichtsbehörde den Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurückzuverweisen. Die Gemeinde ist bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden."

In der Begründung des zweitangefochtenen Bescheides wird § 83 Abs 7 des Vorarlberger Gemeindegesetzes wiedergegeben und auch festgestellt, dass die Beschwerdeführerin durch die Zurückweisungsbescheide der mitbeteiligten Gemeinde in Rechten verletzt sei. Die Beschwerdeführein habe mit ihren Vorstellungen die Aufhebung der Bescheide der Gemeinde beantragt. Im Spruch des zweitangefochtenen Bescheide wird ausgesprochen, dass der Vorstellung Folge gegeben und die Angelegenheit "zur neuerlichen Entscheidung" an die mitbeteiligte Gemeinde zurückverwiesen werde.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Falle von Zweifeln über den Inhalt des Spruches eines Bescheides zu dessen Deutung auch die Begründung heranzuziehen (vgl das hg Erkenntnis vom 25. Mai 1992, 91/15/0085). Hiebei ist der Spruch im Zweifel im Sinne des angewendeten Gesetzes auszulegen ("gesetzeskonforme" Bescheidauslegung; vgl. hiezu beispielsweise. das hg. Erkenntnis vom 24. September 1996, 93/13/0018).

Aus der Begründung des zweitangefochtenen Bescheides ergibt sich, dass nach dem Gesetz der Bescheid der Gemeinde aufzuheben und die Sache an die Gemeinde zurückzuverweisen ist, wenn der Vorstellungswerber durch den Bescheid der Gemeinde in seinen Rechten verletzt wird. Aus der Begründung ergibt sich weiters, dass die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Fall durch die Zurückweisungsbescheide der Gemeinde in ihren Rechten verletzt ist. Zudem führt die Begründung aus, dass die Beschwerdeführerin in ihren Vorstellungen die Aufhebung der Bescheide der Gemeinde beantragt hat. Unter Beachtung dieser Ausführungen in der Begründung des zweitangefochtenen Bescheides ist dessen Spruch zweifellos dahingehend zu verstehen, dass nicht bloß die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Gemeinde zurückverwiesen wird, sondern zugleich - dem § 83 Abs 7 des Vorarlberger Gemeindegesetzes entsprechend - die mit Vorstellung bekämpften Bescheide der Abgabenkommission der Gemeinde aufgehoben werden. Eine anderer Auslegung verbietet sich auch deshalb, weil ansonsten der im zweitangefochtenen Bescheid verfügten Zurückverweisung "zur neuerlichen Entscheidung" die Rechtkraft der mit Vorstellung bekämpften Bescheide entgegenstünde. Somit zeigt das in Rede stehende Beschwerdevorbringen keine Verletzung der Beschwerdeführerin in subjektiven Rechten auf.

Die Beschwerdeführerin wendet sich auch dagegen, dass im zweitangefochtenen Bescheid ausgeführt wird, es bestehe kein Guthaben, weil die Gemeinde über den Antrag auf Rückzahlung der entrichteten Getränkesteuer bisher nicht positiv entschieden habe.

Dem Beschwerdevorbringen ist zu entgegnen, dass durch bloße Begründungsausführungen der Bescheidadressat nicht in seinen Rechten verletzt wird. Im gegenständlichen Fall bringt der zweitangefochtene Bescheid mit besonderer Deutlichkeit zum Ausdruck, dass die "ergänzenden Ausführungen" lediglich zur Information der Beschwerdeführerin gedacht sind und mit dem Spruch des Bescheides in keinem Zusammenhang stehen. Diese nachrichtlichen Ausführungen in der Bescheidbegründung entfalten keine normative Wirkung und verletzten daher die Beschwerdeführerin nicht in subjektiven Rechten.

Die mitbeteiligte Partei führt in ihrer Gegenschrift aus, die Anträge der Beschwerdeführerin auf Erlassung von Abrechnungsbescheiden seien bedingte Prozesserklärungen. Als solche seien sie wirkungslos und begründeten kein Recht auf Bescheiderlassung.

Es trifft zu, dass im Verwaltungsverfahren eine "Prozesserklärung" unzulässig ist, wenn sie im Hinblick auf ihr Begehren bloß bedingt ("für den Fall, dass ...") erhoben wird. Solches ist etwa der Fall, wenn ein Begehren nur dann als erhoben gelten soll, wenn ein anderes Gericht in einem anderen Verfahren zu einer der Bedingung entsprechenden Rechtsmeinung gelangen sollte (vgl den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 6. Oktober 1997, B 2152/97, ÖStZB 1998, 284).

Im gegenständlichen Fall liegt allerdings keine bedingte Verfahrenserklärung vor. Die Beschwerdeführerin hat die Erlassung von Abrechnungsbescheiden beantragt, "falls" Meinungsverschiedenheiten bestehen, ob eine Zahlungsverpflichtung (betreffend Kommunalsteuer) durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes (Verrechnung) erloschen ist. Mit dieser Formulierung hat sie Teile des Tatbestandes des § 89 AbgVG wiedergegeben, also der gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen - Antragstellung vorausgesetzt - ein Abrechnungsbescheid zu ergehen hat. Die Formulierung der Tatbestandsvoraussetzungen, die das Gesetz für eine bestimmte Rechtsfolge voraussetzt, kann aber keinesfalls als eine die Prozesserklärung vernichtende Bedingung angesehen werden.

Der zweitangefochtene Bescheid verletzt die Beschwerdeführerin nicht in subjektiven Rechten, weshalb sich die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid als unbegründet erweist und somit gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl II 333/2003.

Wien, am 29. Jänner 2004

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002150081.X00

Im RIS seit

30.03.2004

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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