TE OGH 2021/9/29 13Os59/21g

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Veröffentlicht am 29.09.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. September 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Vizthum in der Strafsache gegen Dr. ***** M***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 1. Februar 2021, GZ 12 Hv 10/20f-22, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus ihrem Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der vom Schuldspruch umfassten Taten nach § 156 Abs 2 StGB und in der zum Schuldspruch gebildeten Subsumtionseinheit, demzufolge auch im Strafausspruch, sowie im Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Aufhebung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1]       Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr. ***** M***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 (iVm § 161 Abs 1) StGB schuldig erkannt.

[2]       Danach hat er vom 1. Jänner 2012 bis zum 15. September 2016 (US 6) in W***** als Geschäftsführer der C***** GmbH Bestandteile des Vermögens dieser Gesellschaft verringert und dadurch die Befriedigung wenigstens eines ihrer Gläubiger zumindest geschmälert, indem er in einer Vielzahl von Angriffen (US 6 f) Gelder entnahm und für betriebsfremde Zwecke verwendete, wobei „durch die Tat ein Euro 300.000,-- weit übersteigender Schaden in Höhe von Euro 1.469.496,23 herbeigeführt wurde“.

Rechtliche Beurteilung

[3]       Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4]       Sie behauptet einen Rechtsfehler mangels Feststellungen zu einer „Gläubigermehrheit im Zeitpunkt der vermögensverringernden Tathandlungen“ (nominell auch Z 5, der Sache nach nur Z 9 lit a).

[5]       Nach Ansicht des Beschwerdeführers ergäben sich aus den Urteilsfeststellungen im Tatzeitraum bereits bestehende Forderungen (gegen die von ihm vertretene Gesellschaft) allein des F***** (US 4). Damit übergeht er jenes Feststellungssubstrat, dem zufolge darüber hinaus auch solche der W***** bestanden (US 7 f). Indem er solcherart nicht auf der Basis des gesamten Urteilssachverhalts argumentiert, bringt er den herangezogenen (materiellen) Nichtigkeitsgrund nicht zu prozessförmiger Darstellung (RIS-Justiz RS0099810).

[6]       Der auf der dargestellten (urteilsfremden) Beschwerdeprämisse aufbauende Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der „Feststellungen auf subjektiver Ebene“ versäumt es ebenso prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0119370), die Gesamtheit der diesbezüglichen Entscheidungsgründe (US 6 und 9) in den Blick zu nehmen.

[7]       Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[8]       Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch (abermals im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur), dass dem angefochtenen Urteil nicht geltend gemachte Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 10 StPO anhaftet, die dem Angeklagten zum Nachteil gereicht und daher von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

[9]       § 156 StGB schützt bloß das Gläubigerinteresse an der Befriedigung von im Tatzeitpunkt bereits bestehenden Forderungen. Ein Schuldspruch wegen des Verbrechens der (vollendeten) betrügerischen Krida setzt also Feststellungen dazu voraus, dass (vom Vorsatz umfasst) die Befriedigung zumindest eines der (mehreren) im Tatzeitpunkt bereits vorhandenen Gläubiger vereitelt oder geschmälert wurde (15 Os 15/17w, 15 Os 92/17v und 13 Os 75/18f).

[10]     Ist die Kausalität der inkriminierten Handlungen für einen derartigen Befriedigungsausfall zu verneinen, kommt – bei entsprechendem (auch auf einen Befriedigungsausfall gerichteten) Vorsatz – Strafbarkeit wegen Versuchs in Betracht (erneut 13 Os 75/18f).

[11]     Auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen umfasst der Schuldspruch eine unbestimmte Mehrzahl im angeführten Zeitraum gesetzter (Einzel-)Taten des Angeklagten. Bloß ein (ebenso unbestimmter) Teil dieser Taten wurde begangen, nachdem (zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt) Forderungen der W***** gegen die C***** GmbH begründet worden waren (US 7 f: „setzte der Angeklagte seine unberechtigten Privatentnahmen fort“).

[12]     Hiervon ausgehend wurde (nur, aber immerhin) ein Teil der vom Schuldspruch umfassten Taten zu einer Zeit begangen, als die vom Angeklagten vertretene Gesellschaft Schuldnerin mehrerer Gläubiger – nämlich des F***** und der W***** – war (für deren Befriedigungsausfall diese Taten kausal waren [vgl US 4]).

[13]     Das Schöffengericht ging – wie dargelegt – von einer zahlenmäßig nicht festgelegten Mehrzahl gleichartiger, (nur gegen andere, jedoch) nicht untereinander abgegrenzter Taten aus, sodass ein Wegfall einzelner (der solcherart bloß pauschal individualisierten) Taten nichts am Schuldspruch nach § 156 Abs 1 StGB ändern könnte (vgl RIS-Justiz RS0117436 und RS0115706 [T3]).

[14]     Auf der Basis des Urteilssachverhalts rechtlich verfehlt ist jedoch die Annahme der Qualifikation nach § 156 Abs 2 StGB. Hätte sie doch einer – hier nicht getroffenen – Feststellung bedurft, wonach jener Befriedigungsausfall, den Gläubiger in Ansehung ihrer zur jeweiligen Tatzeit bereits bestehenden Forderungen aufgrund (im dargestellten Sinn) nach § 156 Abs 1 StGB tatbestandsmäßiger Verhaltensweisen des Angeklagten erlitten oder – von dessen Vorsatz umfasst – erleiden sollten (§ 15 StGB), insgesamt (§ 29 StGB) 300.000 Euro überstieg. Die insoweit undifferenzierte Urteilsaussage, „die Gläubiger“ – zu denen (neben den genannten) auch mehrere solche zählen, deren Forderungen gänzlich erst nach dem Ende des Tatzeitraums entstanden sind (vgl US 4) – hätten einen Befriedigungsausfall „jedenfalls im Ausmaß von Euro 1.469.496,23“ erlitten (US 5, 6 und 9), trägt dazu nichts aus.

[15]     Der aufgezeigte Subsumtionsfehler (Z 10) führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

[16]     Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Aufhebung zu verweisen.

[17]     Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E133007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0130OS00059.21G.0929.000

Im RIS seit

08.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.11.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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