TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/11 W205 1436532-4

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Veröffentlicht am 11.06.2021
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Entscheidungsdatum

11.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch


W205 1436532-4/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. SCHNIZER-BLASCHKA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.08.2020, Zl. 830810101/200140115, zu Recht erkannt:

A)

1. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird gemäß § 57 AsylG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt I. zu lauten hat: „Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘ gemäß § 57 AsylG wird Ihnen nicht erteilt.“

2. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als dieser zu lauten hat: „Es wird gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig ist.“

3. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird insofern stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbotes auf 3 Jahre herabgesetzt wird.

4. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Zu den Vorverfahren:

1. Der ledige und kinderlose Beschwerdeführer reiste am 14.06.2013 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte hier am 15.06.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes 24.06.2013, AZ. 13 08.101-BAT, gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und ihm der Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Indien nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.), wobei gleichzeitig dessen Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien gemäß § 10 Abs. 1 leg.cit. ausgesprochen wurde (Spruchpunkt III.).

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.05.2014 mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.06.2014, Zl. W220 1436532-1/7E, gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen und das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) zurückverwiesen.

2. Mit Bescheid des BFA vom 07.08.2014, Zl. 830810101-14761168, wurde dem Beschwerdeführer nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §§ 55 und 57 AsylG nicht erteilt. Gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gem. § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gem. § 46 FPG nach Indien zulässig ist. Gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I.).

Die gegen diesen Bescheid des BFA erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 05.04.2016, Zl. W124 1436532-2/6E, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen.

3.1. Der Beschwerdeführer verblieb im Bundesgebiet und stellte am 22.09.2016 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005. Das BFA wies diesen Antrag mit Bescheid vom 14. Februar 2018 ab, erließ unter einem - unter Festsetzung einer 14-tägigen Frist für die freiwillige Ausreise - gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 3 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien zulässig sei. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG nach Durchführung einer Beschwerdeverhandlung mit Erkenntnis vom 14.11.2019, Zl. W163 1436532-3/9E, gemäß §§ 55, 10 Abs. 3 AsylG, 9 BFA-VG und §§ 52, 55 FPG als unbegründet ab. Das BVwG traf ua folgende Feststellungen:

„3. Der BF besuchte in Indien zehn Jahre lang die Schule. Danach hat er private Ausbildungen zum Tischler und Elektriker gemacht, dabei aber kein Diplom erlangt. Drei Jahre lang hat der BF eine Ausbildung zum Traktor-Mechaniker gemacht.

4. Die Mutter und zwei Brüder des BF leben in Indien. In Österreich hat der BF keine Verwandten oder Familienangehörige.

5. Der BF lebt seit Juni 2013 (seit sechs Jahren und fünf Monaten) im österreichischen Bundesgebiet. Der BF hält sich seit April 2016 (seit drei Jahren und sieben Monaten) unrechtmäßig in Österreich auf.

6. Der BF hatte einen von 14.11.2014 bis 13.11.2016 gültigen indischen Reisepass, der ihm bei der indischen Botschaft in Athen ausgestellt wurde, inne. Dennoch kehrte er, entgegen der bestehenden Ausreisverpflichtung, nicht nach Indien zurück, weil er nicht dorthin zurückwollte.

7. Der BF hat eine deutsche Sprachkompetenz auf dem Niveau B1. Er versteht einfache Fragen in deutscher Sprache und kann sie sinnzusammenhängend beantworten. Der BF hat im Mai 2016 den „Deutsch-Test für Österreich“ des ÖIF auf dem Sprachniveau B1 bestanden. Zuvor hat der BF in den Jahren 2014-2016 an mehreren Deutschkursen der CARITAS teilgenommen.

Der BF besuchte von September 2016 bis Juni 2017 teilweise einen Pflichtschulabschlusslehrgang, er hat den Pflichtschulabschluss in Österreich jedoch nicht nachgeholt.

8. Der BF arbeitete bis Juli 2018 als Zeitungszusteller in Wien. Nach seinem Wegzug aus Wien übt der BF derzeit keine Erwerbstätigkeit aus. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig und lebt von der finanziellen Unterstützung durch Freunde. Der BF wohnt in einer Unterkunft, die ihm ein Freund bereitgestellt hat.

Der BF hat einen aktuellen „Arbeitsrechtlichen Vorvertrag“ für die Tätigkeit bei einem Unternehmen in der Lebensmittelproduktion.

Zudem verfügt der BF über eine Einstellungszusage als Fahrer eines Kleintransportunternehmens aus dem Jahr 2016.

9. Der BF ist an seinem Wohnort in Österreich sozial vernetzt. Er pflegt Freund- und Bekanntschaften. Von drei seiner Freunde wird er finanziell unterstützt, einer davon stellt ihm eine Unterkunft zur Verfügung. Der BF ist Mitglied des Vereins S und besuchte den zugehörigen Tempel in Wien regelmäßig. Der BF ist Mitglied beim Roten Kreuz, für das er auch Geld spendet.

10. Der BF ist gesund und erwerbsfähig.

11. Der BF ist strafgerichtlich unbescholten. Der BF wurde am 24.08.2016 wegen unrechtmäßigen Aufenthalts nach § 120 Abs. 1a FPG angezeigt.“

Weiters traf das BVwG Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat.

In der rechtlichen Beurteilung zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK wurde – nach Darstellung der Rechtsprechung und Lehre – folgendes ausgeführt:

„2.1.3.4. Da der Beschwerdeführer keine in Österreich lebenden Familienangehörigen oder Verwandte hat, ergibt sich unter dem Aspekt des Familienlebens kein Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.

2.1.3.5. Ausgehend davon, dass der Verwaltungsgerichtshof bei einem dreieinhalbjährigen Aufenthalt im Allgemeinen von einer eher kürzeren Aufenthaltsdauer ausgeht (vgl. Chvosta, ÖJZ 2007/74 unter Hinweis auf die VwGH 08.03.2005, 2004/18/0354; 27.03.2007, 2005/21/0378), und im Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon ausgeht, „dass der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren […] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“, ist die Aufenthaltsdauer des BF, der bereits im Juni 2013 nach Österreich kam, mit sechs Jahren und fünf Monaten nicht mehr als „eher kürzer“ zu bewerten und verstärkt daher grundsätzlich sein Interesse am Verbleib. Von der in diesem Zusammenhang vom Verwaltungsgerichtshofs entwickelten Judikatur, die bei einem über zehnjährigen Aufenthalt (sofern diese Dauer nicht durch gewisse Umstände relativiert wird) regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich ausgeht, ist die Länge des Aufenthalts des BF andererseits noch eine erhebliche Zeitspanne entfernt. Sohin ist die Aufenthaltsdauer nicht als so lange zu bewerten, dass diese das Interesse des Verbleibs des BF in Österreich zum Überwiegen bringen würde oder die Aufenthaltsdauer in ihrer Gesamtheit nicht hinreichende Privatinteressen am Verbleib maßgeblich aufwerten könnten.

Diese lange Aufenthaltsdauer ist dadurch relativiert, dass der BF sich bereits seit drei Jahren und sieben Monaten unrechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet aufhält. Dabei verstößt der BF fortlaufend gegen die gegen ihn ergangene Ausweisung, die den Befehl an den BF darstellt, das Bundesgebiet zu verlassen. Hier fällt außerdem zu Ungunsten des BF ins Gewicht, dass er jedenfalls im Besitz eines bis November 2016 gültigen indischen Reisedokuments war und dennoch nach der gegen ihn ergangenen Rückkehrentscheidung in Österreich verblieb, obwohl er dadurch die Möglichkeit gehabt hätte, nach Indien auszureisen. Ein beharrliches illegales Verbleiben nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens stellt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen dar, sodass das Gewicht seiner Aufenthaltsdauer trotz ihrer Länge nur abgeschwächt zu tragen kommt.

Die Verfahrensdauer über den vom BF gestellten Antrag auf internationalen Schutz dauerte von der Antragstellung im Juni 2013 bis hin zur Beschwerdeentscheidung des BVwG im Juni 2014, sodass hier eine in Ansehung der Führung eines Verfahrens vor dem BAA und eines Beschwerdeverfahrens samt Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung noch angemessene Verfahrensdauer auszumachen ist. Die Zurückverweisung des Verfahrens zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung beruhte auf der zwingenden Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 20 AsylG, sodass die weitere Anhängigkeit der Entscheidung über eben diese gesetzlich determiniert war. Aber auch hinsichtlich der diesbezüglichen Verfahrensdauer bis April 2016 (und damit des weiteren Aufenthalts des BF) hat sich aber auch nicht ergeben, dass diese in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist, auch dies in Ansehung eines Verfahrens vor der belangten Behörde und eines Beschwerdeverfahrens samt Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung. Die Verfahrensdauer stellt sich daher insgesamt als angemessen dar, wobei aber auch der Umstand der längeren Verfahrensdauer berücksichtigt wird.

Die Schutzwürdigkeit seines Privatlebens in Österreich ist aufgrund des Umstandes, dass der BF seinen Aufenthalt auf einen im Ergebnis nicht berechtigten Asylantrag gestützt hat, nur in geringem Maße gegeben.

Der BF verfügt über Bindungen zum Herkunftsstaat: Er hat dort den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht. Er lebte dort im Kreis seiner Familie, spricht eine Landessprache als Muttersprache und durchlief dort eine umfassende Schulbildung und mehrere Berufsausbildungen, sodass er umfassend in Indien sozialisiert wurde. Die Mutter und die Brüder des BF leben in Indien, sodass es dem BF offensteht, zu diesen wieder Kontakt aufzunehmen. Durch die Mitgliedschaft in einem indischen Kulturverein und die regelmäßigen Tempelbesuche hielt der BF auch zeit seines Aufenthalts in Österreich kulturelle Bindungen an seine Heimat aufrecht. Wenn auch seine Bindung an Indien durch die lange Abwesenheit abgeschwächt ist, so besteht sie aufgrund dieser Faktoren fort. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es dem BF im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren und sich eine Existenzgrundlage zu schaffen.

Unter Berücksichtigung der Feststellungen zur allgemeinen Lage in Indien ist festzuhalten, dass die Situation, die der BF im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat vorfinden wird, sich hinsichtlich der öffentlichen Sicherheit, der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen von den Verhältnissen in Österreich zwar unterscheidet, in Hinblick auf die persönliche Situation des BF – er ist gesund, arbeitsfähig, verfügt über Schul- und Berufsbildung und (in Österreich erlangte) Berufserfahrung – ist festzustellen, dass seine persönliche Situation im Herkunftsland nicht zu einer wesentlichen Verstärkung seiner Interessen am Verbleib in Österreich führt.

Zu Gunsten des BF werden die von ihm erworbenen Deutschkenntnisse auf dem Sprachniveau B1 und die absolvierte Deutschprüfung gewichtet. Ebenfalls zu seinen Gunsten geht die teilweise Absolvierung eines Pflichtschulabschlusslehrgangs, wobei aber der BF den Pflichtschulabschluss nicht nachgeholt hat, sodass dem nur ein geringeres Gewicht zukommt.

Zugunsten des BF wird gewichtet, dass er mit seiner Tätigkeit als Zeitungszusteller selbst für sein Auskommen sorgte. Jedoch übte er diese Erwerbstätigkeit auch noch in einem Zeitraum (bis Juli 2018) aus, in dem er keine Aufenthaltsberechtigung mehr hatte, obgleich für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit aber grundsätzlich ein – diesen Aufenthaltszweck deckender – Aufenthaltstitel erforderlich ist, welcher durch die zuständige Behörde nach den nationalen fremdenrechtlichen Vorschriften zu erteilen ist (vgl. etwa VwGH 20. 10. 2004, 2004/04/0037; vgl. ferner § 32 NAG). Der BF hat einen solchen nicht inne, sondern übte seine Erwerbstätigkeit weiterhin aus, ohne einen Aufenthaltstitel mit entsprechendem Zweckumfang zu haben, und verstieß damit gegen verwaltungsrechtliche Vorschriften. Seit Juli 2018 übt der BF zudem keine Erwerbstätigkeit mehr aus und ist nicht selbsterhaltungsfähig, sondern auf die finanzielle Unterstützung und Unterkunftgabe durch seine Freunde angewiesen. Beides wird zu Ungunsten des BF gewichtet.

Zugunsten des BF werden allerdings die Einstellungszusagen, die er hat, gewichtet.

Der BF ist in an seinem Wohnort sozial vernetzt, er pflegt Bekannt- und Freundschaften und wird besonders durch drei Freunde finanziell unterstützt. Dabei ist aber zu bemerken, dass er mit den Genannten nicht zusammenlebt und mit ihnen keinen gemeinsamen Haushalt führt. Diese Bindungen kann der Beschwerdeführer, wenn auch etwas eingeschränkt, selbst bei einer Rückkehr nach Indien durch zahlreiche Kommunikationsmedien aufrechterhalten, sodass dem Interesse an der Aufrechterhaltung seiner Bindungen nur ein entsprechend abgeschwächtes Gewicht zukommt. Entsprechend der sich unter diesen Gesichtspunkten ergebenden Beziehungsintensität werden diese Beziehungen als Verstärkung des Interesses des BF am Verbleib gewichtet, wobei aufgrund der konkreten Faktoren das Gewicht entsprechend bemessen ist.

Darüber hinaus hat der BF, abgesehen von der Mitgliedschaft beim Roten Kreuz, für das er spendet, keine wesentlichen Integrationsschritte gesetzt.

Der BF begründete sein Privatleben in einem Zeitraum, als sein Aufenthalt unsicher und überwiegend auch unrechtmäßig war und er später sowohl vom negativen Ausgang des Asylverfahrens als auch später über die gegen ihn bestehende Rückkehrentscheidung Bescheid wusste. Das Interesse des BF an der Aufrechterhaltung seines Privatlebens ist daher wesentlich dadurch geschwächt, dass er sich bei allen Integrationsschritten seines unsicheren Aufenthaltsstatus bzw. später seines unrechtmäßigen Aufenthalts und damit auch der Vorläufigkeit der Integrationsschritte bewusst sein musste. Im Hinblick auf den unberechtigten Antrag auf internationalen Schutz und langen unrechtmäßigen Aufenthalt musste sich der BF darüber im Klaren sein, dass er eingegangene Bindungen im Bundesgebiet nicht werde aufrechterhalten können.

Mangels Erkrankung des BF oder Hervorkommens sonstiger entsprechend beachtenswerter Umstände sind keine zusätzlichen, für die Schutzwürdigkeit seines Privatlebens sprechenden Aspekte hervorgekommen.

Der BF ist strafgerichtlich unbescholten, wobei dieser Aspekt neutral bewertet wird, da davon auszugehen ist, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält, als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält.

Zu Ungunsten des BF wird die Anzeige wegen unrechtmäßigen Aufenthalts gewichtet.

Trotz der mit sechs Jahren und fünf Monaten schon längeren Aufenthaltsdauer des BF in Österreich und trotz der, sprachlich grundlegenden und in wirtschaftlicher Hinsicht BF minimal ausgeprägten, Integration und der sozialen Vernetzung des BF in Österreich, steht, wie oben unter Gewichtung sämtlicher Aspekte aufgezeigt, seinen persönlichen Interessen ein insbesondere durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt und den beharrlichen Verbleib nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens trotz Innehabung eines gültigen Reisepasses, die teilweise Ausübung von Erwerbstätigkeit ohne einen Aufenthaltstitel mit entsprechendem Zweckumfang innezuhaben, die derzeitige Selbsterhaltungsunfähigkeit, und den Verstoß gegen Verwaltungsvorschriften verstärktes, gegen seinen Verbleib im Inland sprechendes öffentliches Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, entgegen und ist zudem seine Aufenthaltsdauer durch den ganz überwiegend unrechtmäßigen Aufenthalt sowie das Wissen um die Unsicherheit bzw. Unrechtmäßigkeit seines Aufenthalts während Entwicklung seines Privatlebens relativiert, sodass in einer Gesamtbetrachtung die persönlichen Interessen des BF an einem Verbleib in Österreich nicht überwiegen, sondern die öffentlichen Interessen gewichtiger sind und die Aufenthaltsbeendigung verhältnismäßig ist.

Aufgrund dieser Erwägungen ist davon auszugehen, dass die Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Allein ein durch beharrliche Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt kann nämlich keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken. Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber sich rechtstreu Verhaltenden führen (VfGH 12. 06. 2010, U 613/10-10, vgl. idS VwGH 11. 12. 2003, 2003/07/0007).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist sohin zu Recht davon ausgegangen, dass die öffentlichen Interessen an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie an einem geordneten Zuwanderungswesen im vorliegenden Fall schwerer wiegen als die privaten Interessen des BF. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG ist zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK daher nicht geboten.“

Zur Rückkehrentscheidung führte das BVwG in dieser Entscheidung begründend aus, „nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist davon auszugehen (siehe obige Ausführungen Punkt 2.1.3.ff, an die an dieser Stelle verwiesen wird), dass die Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet weniger Gewicht haben als das öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, sodass dieses schwerer wiegt als sein Interesse am Verbleib. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar.

Der durch die Ausweisung des BF verursachte Eingriff in sein Recht auf Privat- oder Familienleben ist somit gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt. Die Erlassung der Rückkehrentscheidung ist zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.

Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

Zur Zulässigkeit der Abschiebung führte das BVwG folgendes aus: „Der Verwaltungsgerichtshof hielt in seinem Erkenntnis vom 16.12.2015, Ra 2015/21/0119, (in einer Verfahrenskonstellation nach § 75 Abs. 20 AsylG 2005) fest, dass eine Beurteilung der Zulässigkeit der Abschiebung im Rahmen des Rückkehrentscheidungsverfahrens inhaltlich nicht von einer bereits ausgesprochenen Entscheidung über die Gewährung subsidiären Schutzes abweichen könne, sondern lediglich die notwendige Folge eines negativen Abspruchs über einen Antrag auf internationalen Schutz darstelle. In seinem Erkenntnis vom 24.05.2016, Ra 2016/21/0101, konkretisierte der Verwaltungsgerichtshof diese Erwägungen, indem er ausführte, dass dies nur bei unveränderter Sachlage gelte. Stehe dagegen im Raum, dass sich die Verhältnisse im Herkunftsstaat maßgeblich verändert – aus der Sicht des Fremden: verschlechtert – hätten, so sei eine Überprüfung dahingehend vorzunehmen, ob eine Abschiebung in den Herkunftsstaat (noch) zulässig sei.

Entsprechend dieser Judikatur ergibt sich verfahrensgegenständlich die Zulässigkeit der Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat bereits aus Erkenntnis des BVwG vom 04.06.2014. Unabhängig davon sind im vorliegenden Fall keine Abschiebungshindernisse im Sinne des § 50 FPG zu erkennen:

Aus der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat allein ergeben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sich die Lage derart maßgeblich verschlechtert hätte, sodass der BF im Sinne des § 50 FPG bedroht wäre. Es konnte nicht festgestellt werden, dass in Indien derzeit eine "extreme Gefahrenlage" (vgl. etwa VwGH 16. 4. 2002, 2000/20/0131) im Sinne einer dermaßen schlechten wirtschaftlichen oder allgemeinen (politischen) Situation herrschen würde, die für sich genommen bereits die Zulässigkeit der Abschiebung als unrechtmäßig erscheinen ließe.

Zudem haben sich die hier relevanten persönlichen Umstände des BF nicht maßgeblich verändert, sodass nicht von einer völligen Perspektivenlosigkeit des BF auszugehen ist. Im Hinblick auf die Feststellungen zur allgemeinen Situation, derzufolge die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln gewährleistet ist, ist es dem BF als einem arbeitsfähigen, gesunden Mann im erwerbsfähigen Alter zumutbar, sich in seiner Heimat den notwendigen Unterhalt zu sichern. Er verfügt über eine mehrjährige Schulbildung, Berufsbildung sowie in Österreich gesammelte Arbeitserfahrung, sodass nicht angenommen werden kann, der BF geriete im Falle einer Rückkehr in eine lebensbedrohliche Notlage. Schwierige Lebensumstände genügen für eine Schutzgewährung im Sinne des § 50 FPG nicht.

Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für Indien nicht. Die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien ist daher zulässig.“

3.2. Die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis beim VfGH eingebrachten Beschwerde wurde mit dg. Beschluss vom 21.01.2020, Zl. E 4712/2019-5, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Eine aufschiebende Wirkung wurde von keinem der Gerichtshöfe zuerkannt.

3.3. Mit Beschluss des VwGH vom 17.04.2020, Zl. Ra 2020/21/0083-6, wurde die Revision zurückgewiesen. Begründend wurde in diesem Beschluss nach Darstellung des Verfahrensganges folgendes ausgeführt:

„Der Revisionswerber machte in der dann fristgerecht ausgeführten außerordentlichen Revision geltend, das BVwG habe seiner Entscheidung eine unvertretbare Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG zugrunde gelegt. In diesem Zusammenhang verweist er in erster Linie mehrfach auf seinen Aufenthalt in Österreich seit 2013 („beinahe 7 Jahre“), auf seine guten Deutschkenntnisse, auf eine „Beziehung mit einer Österreicherin“, auf „intensive Bindungen zu österreichischen Freunden und zu seiner Glaubensgemeinschaft“ sowie darauf, dass er immer bemüht gewesen sei, durch Zeitungsverkauf selbsterhaltungsfähig zu sein.

6        Dem ist zunächst zu entgegnen, dass der Revisionswerber in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG selbst angegeben hat, zwar (in Wien) eine Freundin gehabt zu haben, dass diese Beziehung aber nunmehr durch seinen Umzug nach Salzburg beendet sei. Die dem widersprechende Revisionsbehauptung über die „Beziehung mit einer Österreicherin“ hat mithin keine Basis.

7        Jedenfalls vor diesem Hintergrund kann keine Rede davon sein, dass sich die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung als unvertretbar erweise, zumal dem Revisionswerber spätestens im Jahr 2014 hätte klar sein müssen, dass es keine gesicherte Grundlage für seinen Aufenthalt in Österreich gibt (vgl. § 9 Abs. 2 Z 8 BFA VG).

8        Von einer kompletten „Entwurzelung“ des Revisionswerbers in Indien ist angesichts dessen, dass er dort über verwandtschaftliche Beziehungen verfügt und seinen Herkunftsstaat 27 jährig erst 2013 verlassen hat, nicht auszugehen. Die vom Revisionswerber angesprochenen Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz in seinem Heimatland letztlich Folge des seinerzeitigen, ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich vorgenommenen Verlassens Indiens sind im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. etwa VwGH 30.6.2016, Ra 2016/21/0076, Rn. 9, mwN).“

Zum gegenständlichen Verfahren:

1. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 07.02.2020 wurde der Beschwerdeführer nach Darstellung der bisherigen asyl- und fremdenpolizeilichen Verfahren und Rechtsbelehrung darüber informiert, dass einer Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot beabsichtigt werde. Es wurde ihm ein Fragenkatalog übermittelt und ihm die Möglichkeit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Er wurde in einzeln aufgelisteten Frage gefragt, ob seit Rechtskraft der Entscheidung Änderungen der privaten, gesundheitlichen, sozialen Situation, des Familienstandes bzw. der familiären Situation, eingetreten seien, ob er nunmehr über Familienangehörige im Bundesgebiet oder der EU, Island, Liechtenstein, Norwegen, der Schweiz verfüge, allenfalls inzwischen ausgestellte Aufenthaltstitel bestünden, wie seine Wohnverhältnisse, Beschäftigungs- und Einkommensverhältnisse, Lebensunterhalt und Kranken- und Unfallversicherung aussehen würden, welche Gründe vorliegen würden, warum der Ausreisepflicht bisher nicht nachgekommen worden sei, bisher unternommene Schritte, um der Ausreisepflicht nachzukommen, Vorhandensein von Reisedokumenten, neuen Gründen, welche der Rückkehr in den Herkunftsstaat entgegenstünden; es wurde gefragt, ob der Beschwerdeführer mittlerweile über eine Duldung im Bundesgebiet verfüge, er Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitender Prostitution oder Opfer von Gewalt sei, ob sein weiterer Aufenthalt zur Gewährleistung der Strafverfolgung oder zur Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche iZm solchen strafbaren Handlungen notwendig sei oder ob es sonst etwas gebe, was dem Beschwerdeführer für das gegenständliche Verfahren wichtig erscheine. Unter einem wurde er zur Angabe der entsprechenden konkreten Daten und zur Vorlage von Beweismittel aufgefordert. Zudem wurde der Beschwerdeführer ua darauf hingewiesen, dass die aktuellen Länderinformationsblätter zu Indien beim BFA aufliegen würden und jederzeit Einsicht genommen werden könne.

2. In der Stellungnahme vom 18.02.2020 führte der Beschwerdeführer aus, dass er mit seiner namentlich genannten Verlobten zusammenlebe, die ihn finanziell unterstütze. Er habe Verwandte in Norwegen, die Botschaft habe ihm bis dato nichts ausgestellt, er habe alle BFA Ladungen diesbezüglich wahrgenommen und sei deshalb auch freiwillig bei der indischen Botschaft gewesen. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung wäre gem. Art. 8 EMRK iSd Privat- und Familienlebens unzulässig.

Der Stellungnahme beigelegt war eine Teilnahmebestätigung für einen Kurs „Deutsch B2/1“ vom 16.12.2019.

Mit Verbesserungsauftrag des BFA vom 03.03.2020 wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass es – entgegen der Stellungnahme – im Jahr 2018 zu einer Zustimmung der Botschaft gekommen sei, weswegen es unrichtig sei, dass die Botschaft kein Reisedokument ausstellen würde. Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert, dem BFA unter Vorlage entsprechender Beweismittel zu belegen, wann und wie oft er bei der Botschaft zur Ausstellung eines Reisedokumentes vorstellig geworden sei, weiters, welche konkreten Schritte er gesetzt habe, um seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen, weiters seit wann er verlobt sei und er mit der genannten Verlobten im gemeinsamen Haushalt lebe, ob bereits das Aufgebot bestellt worden sei. Es wurde dem Beschwerdeführer nochmals die Möglichkeit eingeräumt, binnen zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben.

Die Stellungnahme des Beschwerdeführers langte am 20.03.2020 ein. Darin wurde vorgebracht, dass beim Verwaltungsgerichtshof die außerordentliche Revision mit dem Antrag auf aufschiebende Wirkung gegen das Erkenntnis des BVwG vom 14.11.2019 anhängig sei. Zum Beweis für das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich werde die zeugenschaftliche Einvernahme seiner Verlobten beantragt. Aufgrund der vom Beschwerdeführer in Österreich aufgebauten privaten Lebensbeziehungen und der katastrophalen, höchstpersönlichen, privaten, familiären und sozio-ökonomischen Lebenssituation, welche den Beschwerdeführer im Herkunftsland erwarten würde, bestehe eine besondere Schutzwürdigkeit des auf Österreich konzentrierten Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers vor aufenthaltsbeendenden Maßnahmen.

Der Stellungnahme beigelegt waren folgende Dokumente:

-        Arbeitsrechtlicher Vorvertrag vom 30.10.2018

-        Reisepasskopie der Verlobten

-        Meldebestätigung des BF (Hauptwohnsitz seit 02.03.2020 an der Adresse der Verlobten)

Dem Aktenvermerk des BFA vom 11.05.2020 ist zu entnehmen, dass beim Standesamt bis zum heutigen Tag kein Aufgebot bestellt worden sei.

Mit Verbesserungsauftrag von 29.06.2020 wurde der Beschwerdeführer abermals aufgefordert, zu beantworten, welche konkreten Schritte zur Ausreise unternommen worden seien, wovon der Lebensunterhalt bestritten werde, einen aktuellen Gewerberegisterauszug und Sozialversicherungsauszug vorzulegen. Sollte erneut keine Beantwortung der konkreten Fragen erfolgen, werde eine Entscheidung ohne weitere Anhörung aufgrund der Aktenlage getroffen und es wäre nach derzeitiger Aktenlage eine Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot zu erlassen.

Mit Stellungnahme vom 16.07.2020 brachte der Beschwerdeführer vor, er sei nachweislich dreimal bei der indischen Botschaft vorstellig geworden, dies allerdings ohne Erfolg. Eine schriftliche Bestätigung über seine dortige Anwesenheit habe die Botschaft ausgestellt. Die finanzielle Unterstützung erhalte er von zwei (namentlich genannten) Freunden.

Der Stellungnahme beigelegt war eine österreichische Meldebestätigung des Beschwerdeführers vom 08.07.2020 (Hauptwohnsitz seit 08.07.2020 an der ursprünglich im Verfahren angegebenen Adresse, nicht mit jener der Verlobten ident)

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 11.08.2020 wurde dem Beschwerdeführer I. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, II. gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z1 FPG erlassen; III. gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine „Abschiebung gemäß § 46 FPG nach zulässig ist“; IV. gegen ihn gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von 4 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen; V. gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt; VI. einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Begründend wurde ausgeführt, dass es insgesamt drei Botschaftstermine im Jahr 2018 gegeben der Beschwerdeführer zwei Termine wahrgenommen hätte. Im Jahr 2018 sei es letztlich zu einer Zustimmung der Botschaft gekommen. Es sei somit urnichtig, dass die Botschaft dem Beschwerdeführer kein Reisedokument ausstellen würde. Im Laufe des Verfahrens habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass er mittlerweile verlobt sei und mit seiner Verlobten im gemeinsamen Haushalt lebe. Eine diesbezügliche Meldebestätigung sei vorgelegt worden. Im Verfahren habe sich jedoch die Meldeadresse geändert und habe der Beschwerdeführer auch die Verlobung nicht mehr ins Treffen geführt. Festzustellen sei jedenfalls, dass kein gemeinsamer Haushalt mehr gegeben sei und sei daher begründet davon auszugehen, dass diese Beziehung nicht mehr bestehe. Aus dem Akt ergebe sich darüber hinaus kein Hinweis darauf, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet über sonstige Familienangehörige oder nahe Angehörige verfüge. Im Gegenteil, sei bereits im Verfahren nach Antrag auf internationalen Schutz festgestellt worden, dass sich seine gesamte Familie in Indien befinde. Trotz des Wissens, sich nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet aufzuhalten, habe der Beschwerdeführer weiterhin in diesem gesetzwidrigen Zustand verharrt und versucht, sich dadurch offenbar ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zu erzwingen. Der Beschwerdeführer habe erst im Alter von 27 Jahren sein Herkunftsland verlassen, habe sich somit den überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht, verfüge im Herkunftsstaat über engste Familienangehörige, kenne die geltenden kulturellen und sozialen Werte und beherrsche die dort gesprochene Sprache. Es sei davon auszugehen, dass er nach Rückkehr sogleich wieder Anschluss in der indischen Gesellschaft finden und im Familienkreis entsprechende Unterstützung erhalten werde.

Zum Einreiseverbot sei auszuführen, dass der Beschwerdeführer seit Zustellung des Bescheides des BFA bekannt sein musste, dass er nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung innerhalb der im Spruch genannten Frist freiwillig aus dem österreichischen Bundesgebiet ausreisen müsse. Der Beschwerdeführer dürfe nicht darauf vertrauen, dass im Zuge des Rechtsmittelverfahrens durch die Folgeinstanz eine anderslautende Entscheidung getroffen werden müsse. Es sei daher dem Beschwerdeführer nicht nur zuzumuten, sondern auch seine Pflicht, rechtzeitig entsprechende Schritte zu setzen um Fall der Rechtskraft der Rückkehrentscheidung seiner Ausreiseverpflichtung innerhalb der benannten Frist auch tatsächlich nachkommen zu können. Solche Schritte habe er jedoch nicht belegbar unternommen, sondern sei im Gegenteil trotz des Wissens um seine Ausreisepflicht nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung untätig geblieben. Darüber hinaus stelle er auch eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, da er selbst legal nichts in Verdienen bringen könne und lt. eigenen Angaben lediglich von den Unterstützungsleistungen von zwei Freunden lebe. Dadurch, dass der Beschwerdeführer von Unterstützungen von Freunden leben müsse, sei für das Bundesamt als erwiesen anzunehmen, dass er als mittellose Person anzusprechen sei und damit den Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG erfülle. Die Dauer von 4 Jahren sei aus Sicht des Bundesamtes „erforderlich, sich außerhalb Österreichs einerseits aufzubauen sowie Ihre Grundeinstellung zu ho. Rechtsordnung entsprechend ändern zu können“.

Spätestens nach übermittelter Sachverhaltsdarstellung an die zuständige Behörde sei – so die Begründung des BFA weiter - darüber hinaus davon auszugehen, dass er auch gemäß den Bestimmungen des § 120 Abs. 1a und 1b FPG zur Verantwortung gezogen und somit in Folge auch die Bestimmungen des § 53 Abs. 2 Z 3 zu tragen kommen würde.

4. In der dagegen erhobenen Beschwerde vom 15.09.2020 wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer befinde sich seit sieben Jahren in Österreich und wohnten auch seine Freunde im Bundesgebiet. Darüber hinaus würden seine Verwandten im EWR und ihm EU Raum leben. Er habe alle seine Freunde in Österreich und besuche regelmäßig Vereinstreffen. Der Beschwerdeführer habe sich sprachlich und gesellschaftlich in Österreich bestens integriert und habe seit vielen Jahren bewiesen, dass er die österreichische Rechts- und Wertordnung befolge. Die belangte Behörde erkenne weder das Abhängigkeitsverhältnis zu seiner Cousine in Frankreich noch zu seiner Tante an. Der Beschwerdeführer sei aus Indien und sei ihm bis dato keine Aufenthaltsberechtigung ausgestellt worden, obwohl er keine Dokumente von der Botschaft erhalte könne und bis heute keine erhalten habe, und er stets ordentlich mitgewirkt habe. Die Begründung des angefochtenen Bescheides lasse jegliche Kriterien vermissen, die im vorliegenden Fall für die Bemessung der Dauer des Einreiseverbots herangezogen worden und die letztlich für die Festlegung des Einreiseverbots im Ausmaß von vier Jahren ausschlaggebend gewesen seien.

Am 22.02.2020 wurde das BFA von der zuständigen Staatsanwaltschaft darüber informiert, dass von der Verfolgung gegen den Beschwerdeführer wegen § 223 StGB (Vorlegen eines gefälschten indischen Führerscheins) unter Setzung einer Probezeit (vorläufig) zurückgetreten worden sei.

Mit Beschwerdevorlage vom 21.09.2020 nahm die belangte Behörde abermals Stellung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF führt den Namen XXXX , geb. XXXX . Er ist Staatsangehöriger Indiens und stammt aus dem Punjab. Zu seinem Lebenslauf bis 14. November 2019 geht das BVwG von den Sachverhaltsfeststellungen aus, die bereits im rechtskräftigen hg. Erkenntnis vom 14.11.2019, Zl. W163 1436532-3/9E, getroffen wurden (s.oben Punkt I.3.1.).

Zu Änderungen nach dieser Entscheidung vom 14.11.2019: Der Beschwerdeführer hat von 23.11.2019 bis 16.12.2019 an einer Veranstaltung „Deutsch B2/1“ im Ausmaß von 30 Lehreinheiten teilgenommen.

Der Beschwerdeführer ist bis dato nicht verheiratet und hat keine Kinder, er lebt auch nicht (mehr) mit einer Lebenspartnerin im gemeinsamen Haushalt. Er verfügt im österreichischen Bundesgebiet über keine Familienangehörigen oder sonstige Verwandten.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig, es besteht kein Anhaltspunkt für einen medizinischen Behandlungsbedarf.

Er ist weiterhin nicht selbsterhaltungsfähig und lebt von der finanziellen Unterstützung durch Freunde.

Der Beschwerdeführer verfügte nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens. Sein Aufenthalt war nie nach § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG geduldet. Der Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Er wurde nicht Opfer von Gewalt iSd §§ 382b oder 382e EO.

Die allgemeine Lage im Herkunftsstaat hat sich – mit Ausnahme der COVID-19 – Pandemie – nicht maßgeblich verändert. Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ist notorisch: COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

Der Beschwerdeführer gehört als gesunder junger Mann keiner Risikogruppe an, es besteht daher kein Anhaltspunkt für eine maßgebliche Gefährdung im Falle einer Rückkehr, etwa durch ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf.

2. Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen gründen sich auf die Aktenlage iVm dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren.

Zum Familienleben des Beschwerdeführers (seit November 2019) ist auszuführen, dass er im Laufe des gegenständlichen Verfahrens zunächst angab, verlobt zu sein. Auch wenn der Beschwerdeführer von März bis Juli 2020 mit seiner Verlobten im gemeinsamen Haushalt lebte, so wohnt er seit Juli 2020 von ihr getrennt. Dass zwischenzeitlich ein Aufgebot bestellt wurde, wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet und zudem auf Nachfrage des BFA vom zuständigen Standesamt verneint. Sowohl in der (letzten) Stellungnahme vom 16.07.2020 sowie auch in der Beschwerde wurde die Verlobte nicht mehr erwähnt. Das BVwG geht daher mit dem BFA davon aus, dass die Verlobung gelöst ist bzw. kein gemeinsames Familienleben (mehr) besteht.

Dass der Beschwerdeführer gesund ist und keinen medizinischen Behandlungsbedarf hat, ergibt sich daraus, dass dies im letzten Verfahren festgestellt wurde und der Beschwerdeführer auf ausdrückliche konkrete Anfrage des BFA in dieser Hinsicht kein dahingehendes Vorbringen erstattete. Vor diesem Hintergrund gelangte das BVwG auch zu der Feststellung, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf COVID-19 keiner Risikogruppe angehört. Grundsätze zur Pandemie sowie die Feststellung, dass aktuell gesunde Personen (ohne die oben angeführten Vorerkrankungen) nicht zur COVID-19 - Risikogruppe zählen, sind als notorisch anzusehen.

Die Teilnahme am oben angeführten Deutschkurs geht aus der vorgelegten Kursbestätigung hervor.

Dass der Beschwerdeführer in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, sondern von Freunden finanzielle Unterstützung erhält, hat er selbst vorgebracht.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Nichterteilung eines Aufenthaltstitels)

Die Prüfung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels wurde vom BFA in einem amtswegigen Verfahren durchgeführt.

Die entsprechenden Bestimmungen lauten auszugsweise wie folgt:

§ 55 AsylG:

"Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

§ 56 AsylG regelt die Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag.

§ 57 AsylG lautet:

„Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können.

Der das Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln regelnde § 58 AsylG normiert auszugsweise Folgendes:

„Antragstellung und amtswegiges Verfahren

§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

….

5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.
(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

….“

Im Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheids sprach das BFA aus, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel „aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ „gemäß §°57 Asylgesetz“ nicht erteilt werde. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides geht hervor, dass mit dem Abspruch offensichtlich das in § 57 AsylG 2005 normierte Rechtsinstitut „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“, welcher Aufenthaltstitel von Amts wegen zu prüfen ist, gemeint ist. Dem war durch die Richtigstellung des Spruchs Rechnung zu tragen.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG 2005 wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Aus der Beschwerde und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich auch keine Hinweise, die nahelegen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG von Amts wegen nur zu prüfen ist, wenn eine Rückkehrentscheidung aufgrund des §§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird (vgl. § 58 Abs. 2 AsylG), was im Beschwerdefall aber nicht erfolgt ist (siehe unten), die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG hat nicht amtswegig, sondern nur auf begründeten Antrag zu erfolgen.

Zu Spruchpunkt II. und III. des angefochtenen Bescheides (Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit der Abschiebung):

§ 52 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:

(1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(…..)

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.

Der mit „Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme“ übertitelte § 10 AsylG lautet in seinem Absatz 2 wie folgt:

㤠10.

…..

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.“

Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dieser sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

§ 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 56/2018, lautet:

„§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(…)“

Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayr, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayr, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

Da der Beschwerdeführer über keine Familienangehörigen oder sonstigen engen familiären Nahebeziehungen in Österreich verfügt, liegt ein Eingriff in sein Recht auf Familienleben iSd Art. 8 EMRK nicht vor. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen. Der Beschwerdeführer hat jedoch in seinen Stellungnahmen kein schützenswertes Privatleben dargetan.

Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.06.2005, Fall Sisojeva ua., Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Bei der Beurteilung, ob im Falle der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in das durch Art.°8 MRK geschützte Privat- und Familienleben des oder der Fremden eingegriffen wird, ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt.

Das BVwG legt auch der gegenständlichen Entscheidung die im hg. Erkenntnis vom 14.11.2019, W 163 1436532-2/9E, getroffene Interessensabwägung zugrunde, die auch der VwGH aus Sicht des Revisionsvorbringens für zutreffend erachtet hat (VwGH 17.4.2020, Ra 2020/21/0083) und es wird auf diese Ausführungen verwiesen (siehe oben Punkt I..3.1.); an den dort zugrundeliegenden Umständen hat sich seither nichts Entscheidungswesentliches geändert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in der Zwischenzeit einen Deutschkurs B2/1 absolviert hat, ändert an der Beurteilung nichts, zumal die weiteren Integrationsbemühungen zu einem Zeitpunkt erfolgten, zu dem der Beschwerdeführer bereits eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung erhalten hatte und er sich daher seines fehlenden Aufent

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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