TE OGH 2021/7/21 1Ob123/21a

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Veröffentlicht am 21.07.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers H*****, vertreten durch Dr. Peter Petzer, Rechtsanwalt in Kufstein, gegen die Antragsgegnerin M*****, vertreten durch Mag. Thomas Frischmann, Rechtsanwalt in Bad Häring, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 20. Mai 2021, GZ 55 R 53/21d-80, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Rattenberg vom 4. März 2021, GZ 2 Fam 13/18v-74, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird

mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1]            1. Die Frau strebt mit ihrem Rechtsmittel die Abweisung der dem Mann zuerkannten Ausgleichszahlung an, vermag darin aber keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG darzulegen.

[2]            2. Die eheliche Lebensgemeinschaft ist schon dann aufgehoben, wenn bei einem Partner der Wille zum ehelichen Zusammenleben endgültig erloschen oder die geistig seelische, körperliche und wirtschaftliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten aufgehoben ist (RS0057316 [T2]; RS0009432 [T3]). Die Revisionsrekurswerberin legt nicht dar, warum die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach dies jedenfalls mit dem Auszug des Mannes aus der gemeinsamen Ehewohnung der Fall gewesen sei, unrichtig sein soll. Sie behauptet auch keinen davon abweichenden Zeitpunkt, zu dem ihrer Ansicht nach die eheliche Lebensgemeinschaft aufgelöst wurde. Eine erhebliche Rechtsfrage zeigt sie damit nicht auf.

[3]       3. Die Beendigung der ehelichen Gemeinschaft stellt den maßgeblichen Zeitpunkt für die Zugehörigkeit einer Sache zum ehelichen Gebrauchsvermögen oder zu den ehelichen Ersparnissen dar. Es unterliegt damit nur jenes Vermögen der nachehelichen Aufteilung, das zu diesem Zeitpunkt vorhanden war (vgl RS0057331). Die Revisionsrekurswerberin zieht nicht in Zweifel, dass nur die ihr verbleibende Eigentumswohnung (die ehemalige Ehewohnung) in die Aufteilungsmasse fällt, deren Wert die Grundlage für die Bemessung der vom Mann begehrten Ausgleichszahlung bildet. Warum dann Feststellungen dazu getroffen werden hätten sollen, „welches eheliche Gebrauchsvermögen im Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft vorhanden war“, ist daher nicht nachvollziehbar. Soweit die Frau auf dem Standpunkt steht, dass die Wohnung nur mit jenem Wert zu berücksichtigen gewesen wäre, der sich nach Abzug des Werts des (von ihr) dem Mann – für den Fall ihres Todes oder der Nichtbenützung der Wohnung aus gesundheitlichen Gründen – eingeräumten (unverbücherten) Wohnungsgebrauchsrechts ergibt, ist ihr zu entgegnen, dass dieses Recht bei der Bemessung des der Aufteilung zugrundezulegenden Werts der Wohnung (zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz; vgl RS0057644) schon deshalb nicht wertmindernd zu berücksichtigen ist, weil dessen Begründung die eheliche Wertschöpfung nicht verminderte. Das Wohnungsgebrauchsrecht wurde dem Mann entgegen der Darstellung im Revisionsrekurs auch erst nach Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft eingeräumt und der Mann hat darauf vor der Entscheidung erster Instanz im Aufteilungsverfahren auch wieder verzichtet, sodass dessen unterbliebene Berücksichtigung bei der Bewertung der früheren Ehewohnung auch aus diesem Grund keinen Bedenken begegnet. Dass mit der Einräumung dieses Rechts die Aufteilung der Ehewohnung im Sinn des § 97 Abs 5 EheG im Voraus geregelt werden sollte, hat der erkennende Senat bereits in seiner – im vorangegangenen Rechtsgang ergangenen – Entscheidung zu 1 Ob 46/20a verneint.

[4]            4. Warum es gegen den „Trennungsgrundsatz“ verstoßen sollte, dass der Frau für das Behalten der früheren Ehewohnung eine Ausgleichszahlung auferlegt und gleichzeitig dem Mann ein ihm (von der Frau) eingeräumtes Fruchtgenussrecht an deren Keller sowie der Garage, die gesondert betretbar sind, belassen wurde, führt die Revisionsrekurswerberin nicht näher aus. Nach diesem „Grundsatz“ sollen die vermögensrechtlichen Bindungen der früheren Ehegatten nach Möglichkeit aufgehoben werden (§ 84 EheG; vgl auch RS0057552). Aufgrund des dem Mann verbliebenen Fruchtgenussrechts mögen sich zwar künftige Kontakte mit der Frau ergeben, die potenziellen Berührungspunkte sind aber nicht derart konfliktträchtig, dass die bekämpfte Aufteilungsentscheidung deshalb unbillig wäre. Dass zwischen den geschiedenen Ehepartnern derart tiefgreifende persönliche Differenzen (vgl RS0057569; 1 Ob 67/21s) bestünden, die eine friktionsfreie Ausübung des Fruchtgenussrechts durch den Mann nicht zuließen, behauptet die Rechtsmittelwerberin nicht.

[5]            5. Mit ihrem Argument, das Erstgericht habe den Verkehrswert der Wohnung (nach Abzug des Werts des Fruchtgenussrechts des Mannes) zu Unrecht mit 234.000 EUR anstatt mit 225.000 EUR angenommen, zeigt die Revisionsrekurswerberin schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 ZPO auf, weil daraus nicht hervorgeht, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts unrichtig sein soll (vgl RS0043654 [T15]; RS0043603 [T18 zum Aufteilungs-
verfahren]). Mit dessen Ausführungen zur Bemessung der Ausgleichszahlung, wonach sich auf Basis des Werts der unbelasteten Wohnung von 254.000 EUR und einer Aufteilungsquote von 1:1 ein Ausgleichsanspruch des Mannes von 127.000 EUR ergäbe, wovon ihm in Form des Fruchtgenussrechts (Garage, Keller) bereits ein Wert von 17.000 EUR zugekommen sei, sodass ihm weitere 110.000 EUR zustünden (wobei das Rekursgericht letztlich
– aus in der angefochtenen Entscheidung näher dargelegten Gründen – nur 100.000 EUR als angemessen ansah), setzt sie sich nicht auseinander.

[6]                     6. Dass die Antragsgegnerin ihre Wohnung verkaufen müsste, um die Ausgleichszahlung leisten zu können, macht die Entscheidungen der Vorinstanzen nicht per se unbillig. Der Billigkeitsgrundsatz bietet keine Grundlage dafür, jenem Ehegatten, dem die Wohnung zugewiesen wird, die zur Herstellung gleichwertiger Verhältnisse gebotene

Ausgleichszahlung zu erlassen, um einen Verlust (Verkauf) der Wohnung zu vermeiden (1 Ob 240/17a mwN). Dass die vom Rekursgericht mit 100.000 EUR festgelegte Ausgleichs-
zahlung unangemessen hoch wäre, vermag die Revisionsrekurswerberin schon deshalb nicht aufzuzeigen, weil sich „rein rechnerisch“ sogar ein höherer Betrag ergäbe. Warum die Frau bei einem Verkauf der Wohnung nur einen Erlös von 90.000 EUR erzielen könnte, ist angesichts des Verzichts des Mannes auf sein (nicht verbüchertes) Wohnungsgebrauchsrecht und dem festgestellten Verkehrswert der Wohnung nicht nachvollziehbar.

Textnummer

E132467

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00123.21A.0721.000

Im RIS seit

20.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.12.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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