TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/25 W207 2213741-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.05.2021
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Entscheidungsdatum

25.05.2021

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W207 2213741-2/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Einzelrichter in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die vom Gesetz fingierte Parteibeschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, gegen den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.05.2021, Zl. 1177627707/210614289, betreffend Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes, folgenden Beschluss:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG 2005 iVm § 22 BFA-Verfahrensgesetz abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal in die Republik Österreich ein und stellte am 27.12.2017 (erstmals) einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen seiner Erstbefragung am 28.12.2017 gab er an, der Volksgruppe der Paschtunen anzugehören, Paschtu, Farsi und Englisch zu sprechen, islamischer Sunnit und ledig zu sein sowie am XXXX in Afghanistan geboren zu sein. Seinen Antrag auf internationalen Schutz begründete er damit, dass dass das Haus der Familie im Zuge des in Afghanistan herrschenden Krieges eingestürzt sei und er sich zu diesem Zeitpunkt im Haus befunden habe, sodass er verletzt worden sei. Er habe Angst um sein Leben; dies wegen der Taliban. Er habe aufgrund seiner im Zuge des Hauseinsturzes erlittenen Verletzungen Erinnerungslücken. Der Neffe des Beschwerdeführers sei mit ihm nach Österreich mitgereist und sein Bruder sei bereits in Österreich aufhältig.

Eine zum Zweck der Altersfeststellung eingeholtes medizinisches Sachverständigengutachten vom 23.01.2018 ergab als spätest mögliches „fiktives“ Geburtsdatum den XXXX .

Am 05.09.2018 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden auch als belangte Behörde oder BFA bezeichnet) und in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu niederschriftlich einvernommen. In Anwesenheit einer Vertrauensperson führte der Beschwerdeführer aus, seine Heimat aufgrund des Krieges verlassen zu haben, als er noch sehr klein gewesen sei. Er sei damals beim Einsturz des Familienhauses verletzt worden und leide noch immer unter Beinschmerzen. Sein Vater sei von den Taliban getötet worden. Der Beschwerdeführer sei sodann in Pakistan aufgewachsen und habe dort gearbeitet. Als er jedoch in Pakistan nicht mehr geduldet worden und auch eine Rückkehr nach Afghanistan wegen des Krieges für ihn ausgeschlossen gewesen sei, habe er beschlossen, nach Österreich zu reisen. Er habe zwar noch Verwandte in Afghanistan, aber zu niemandem Kontakt. Zuletzt habe sich der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Mutter, seiner Schwägerin und seinem Neffen in Pakistan aufgehalten.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.11.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) und dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Gegen diesen Bescheid, dem Beschwerdeführer zugestellt am 21.12.2018, brachte der Beschwerdeführer am 18.01.2019 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde ein, worin er seine Fluchtgründe wiederholte. Aufgrund der Vorkommnisse in Österreich, wonach sein Neffe in Österreich einen anderen Afghanen erstochen habe, könne der Beschwerdeführer aufgrund der Blutrache, welche im Paschtunwali fest verankert sei, nicht nach Afghanistan zurückkehren. Die Familie des Opfers sei mutmaßlich Mitglied eines Drogenrings gewesen, weshalb der Beschwerdeführer in Afghanistan nirgends sicher vor Blutrache sei. Aufgrund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer von Blutrache bedroht sei, sich im wehrfähigen Alter befinde, lange im Ausland gelebt und sich den dortigen Werten angepasst habe, falle er in mehrere Risikoprofile der UNHCR Richtlinie. Dem Beschwerdeführer stehe keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Es wäre ihm nicht möglich, sich in Afghanistan eine neue Existenz aufzubauen. Zudem würde eine Rückkehrentscheidung einen unzulässigen Eingriff in sein Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens darstellen.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 12.03.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer und sein Rechtsvertreter teilnahmen und der eine Dolmetscherin für die Sprachen Dari, Farsi und Paschtu beigezogen wurde. Der Beschwerdeführer wurde eingehend zu seiner Identität, Herkunft, zu den persönlichen Lebensumständen, zu seinen Fluchtgründen sowie zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich befragt.

Mit Erkenntnis vom 25.03.2021, GZ.: W216 2213741-1/26E, wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.11.2018 erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Dieses Erkenntnis wurde der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers am 26.03.2021 zugestellt. Dieses erste Asylverfahren ist daher rechtskräftig abgeschlossen.

Begründend wurde in diesem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.03.2021– hier verkürzt und zusammengefasst wiedergegeben – im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekenne sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers sei Paschtu, er habe aber auch Sprachkenntnisse in Urdu, Punjabi, Dari, Englisch und Deutsch. Er stamme aus der Provinz Nangarhar. Zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt sei er mit seiner Familie nach Pakistan gezogen, wo er als Wasser- und Schneiderwarenverkäufer sowie als Maler gearbeitet bzw. nachts Container ausgeladen habe. Er habe dort in einem afghanischem Viertel gewohnt. Es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer zumindest bis 2011 bzw. jedenfalls länger als von ihm angeführt in Afghanistan aufhältig gewesen sei. Seine Mutter sei nach wie vor in Pakistan aufhältig und werde vom Ehemann der Tante des Beschwerdeführers unterstützt. Der Beschwerdeführer habe auch noch Verwandte (zumindest Tanten mütterlicherseits und väterlicherseits sowie drei Onkel mütterlicherseits und einen Onkel väterlicherseits) in Afghanistan und könne zu diesen – nicht zuletzt mit Hilfe seiner in Österreich lebenden Verwandten – Kontakt aufnehmen. Die Familie habe noch Besitztümer in Afghanistan (ein Haus und Grundstücke). Der Beschwerdeführer leide zwar an Beinschmerzen, jedoch an keinen lebensbedrohenden Krankheiten. Er sei jung und arbeitsfähig. Die aktuell vorherrschende – auch in Afghanistan aufgetretene – Pandemie aufgrund des Corona-Virus stelle kein Rückkehrhindernis dar. Der Beschwerdeführer weise keine lebensbedrohlichen Krankheiten auf und gehöre mit Blick auf sein Alter und das Fehlen maßgeblicher physischer (chronischer) Vorerkrankungen keiner spezifischen Risikogruppe betreffend COVID-19 an.

Der Beschwerdeführer sei im Herkunftsstaat weder einer individuellen gegen ihn gerichteten Verfolgung (durch die Taliban) ausgesetzt gewesen noch wäre er im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan einer solchen ausgesetzt. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass die Angehörigen jenes Mannes, den der Neffe des Beschwerdeführers in Österreich getötet habe, den Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in ganz Afghanistan suchen bzw. finden würden. Weiters könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine gegen ihn gerichtete Verfolgung oder Bedrohung durch staatliche Organe oder (von staatlichen Organen geduldet:) durch Private, sei es vor dem Hintergrund seiner ethnischen Zugehörigkeit (Paschtune), seiner Religion (sunnitischer Islam), Nationalität (Afghanistan), Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung zu erwarten hätte. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Tatsache, dass er sich nunmehr seit dem Jahr 2017 in Europa aufhalte, im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt oder anderen erheblichen Eingriffen ausgesetzt wäre. Er habe keine "westliche Lebenseinstellung" angenommen, welche im Widerspruch zur Gesellschaftsordnung in Afghanistan stehe.

Dem volljährigen Beschwerdeführer stehe jedenfalls eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat zur Verfügung. Er sei mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates und einer in Afghanistan gesprochenen Sprache (Paschtu) vertraut und in einem afghanischen Familienverband aufgewachsen. Angesichts seiner vielfältigen Sprachkenntnisse (Urdu, Punjabi, Dari, Englisch und Deutsch), seiner uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit, seiner bislang erlangten Berufserfahrung (in Pakistan u.a. als Wasser- und Schneiderwarenverkäufer sowie als Maler) sowie seiner in Österreich erworbenen Fähigkeiten, Kenntnisse und Berufserfahrung (als Küchengehilfe und als Zeitungsausträger) könne sich der Beschwerdeführer in den genannten Städten eine Existenz aufbauen und diese zumindest anfänglich mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Ihm sei der Aufbau einer Existenzgrundlage in Herat oder Mazar-e Sharif möglich. Er sei in der Lage, in Herat oder Mazar-e Sharif eine einfache Unterkunft zu finden. Er habe die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form von Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Er könne die Städte Herat und Mazar-e Sharif grundsätzlich auf dem Luftweg (via Kabul) sicher erreichen.

In Österreich würden u.a. der Bruder und dessen ältester Sohn (der Neffe des Beschwerdeführers) leben. Der Bruder des Beschwerdeführers halte sich seit April 2011 in Österreich auf, sei bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten und zuletzt mit Urteil vom 01.09.2020 wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels und der Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel sowie des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Zudem sei die gegenüber dem Bruder mit Bescheid vom 27.06.2019 u.a. ausgesprochene Rückkehrentscheidung der belangten Behörde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.11.2020 zur GZ. W200 1423095-3/28E rechtskräftig bestätigt worden.

Der Neffe des Beschwerdeführers sei gemeinsam mit dem Beschwerdeführer Ende Dezember 2017 nach Österreich eingereist und habe hier auch einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Auch der Neffe sei in Österreich bereits mehrfach rechtskräftig vorbestraft. Er sei u.a. wegen versuchter Nötigung, falscher Beweisaussage, Verleumdung und schließlich wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden. Zudem sei die gegenüber dem Neffen mit Bescheid vom 17.12.2019 u.a. ausgesprochene Rückkehrentscheidung der belangten Behörde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.01.2021 zur GZ. W207 2229133-1/32E rechtskräftig bestätigt worden.

Der Beschwerdeführer wohne in Österreich zusammen mit einem Freund. Er habe gelegentlich Kontakt zu seiner "Schwägerin" (es handle sich hierbei um die in Österreich aufhältige Partnerin seines Bruders, mit welcher der Bruder lediglich nach islamischem Ritus, nicht jedoch standesamtlich verheiratet sei).

Der Beschwerdeführer verfüge über gewisse Deutschkenntnisse. Er habe Deutschkurse auf A1 und A2 Niveau besucht; die A2 Prüfung hat er nicht bestanden. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer keine weiteren Kurse besucht. Es bestehen auch keine Mitgliedschaften in Vereinen oder Organisationen. Zudem ist auch kein nachweisliches ehrenamtliches Engagement des Beschwerdeführers ersichtlich. In seiner Freizeit treffe sich der Beschwerdeführer mit Freunden aus Pakistan, Afghanistan und Österreich und sei sportlich aktiv.

Der Beschwerdeführer beziehe Leistungen aus der Grundversorgung und sei selbst strafgerichtlich vorbestraft. So sei er – wie sein Bruder und sein Neffe – wegen derselben Delikte in Anwendung des JGG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten rechtskräftig verurteilt. Konkret sei er mit Urteil vom 01.09.2020 wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. Fall, Abs. 2 Z 3 SMG, des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 1. Satz SMG sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 7. Fall SMG und nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall, Abs. 2 SMG zur erwähnten Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt worden.

Beweiswürdigend wurde zu den vom Beschwerdeführer behaupteten Fluchtgründen im Wesentlichen ausgeführt, ob sein Vater, wie von ihm behauptet, tatsächlich von Taliban getötet worden sei, könne aufgrund der vagen bzw. nur wenigen Angaben des Beschwerdeführers und dem Umstand, dass sich dies laut seinen Angaben im Kleinkindalter zugetragen haben soll, wobei er seinen Vater "nie gesehen" und demnach auch keine Erinnerungen habe, nicht festgestellt werden. Entscheidungsrelevant sei jedoch, dass der Beschwerdeführer im gesamten Asylverfahren kein konkretes Vorbringen erstattet habe, wonach er selbst in Afghanistan einer individuellen gegen ihn gerichteten Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. In der mündlichen Verhandlung habe der Beschwerdeführer immer nur von allgemeinen Befürchtungen in Zusammenhang mit den Taliban gesprochen, die allgemein nach einer Kontrolle Afghanistans streben und Jugendliche rekrutieren wollen würden. Dass der Beschwerdeführer einer solchen Verfolgung in Form einer (versuchten) Zwangsrekrutierung durch Taliban auch im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre, ergebe sich insbesondere daraus, dass er diesbezüglich nur allgemeine Befürchtungen geäußert habe. Eine derartige allgemeine in den Raum gestellte Befürchtung genüge jedoch nicht, um die abstrakte Gefahr einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban oder ähnliche Gruppierungen bereits als (drohende) Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention erscheinen zu lassen, zumal durch die grundsätzlich bestehende Möglichkeit, dass junge Männer in Afghanistan einer Zwangsrekrutierung durch regierungsfeindliche Gruppen ausgesetzt sein könnten, noch keine konkrete Bedrohung des Beschwerdeführers aufgezeigt bzw. glaubhaft gemacht werde.

Soweit der Beschwerdeführer weiters als Nachfluchtgrund angegeben habe, Angst vor Blutrache seitens der Familie des Mordopfers seines Neffen zu haben, sei festzuhalten, dass seine diesbezüglichen Angaben sehr vage gewesen seien. So habe der Beschwerdeführer davon gesprochen, dass "diese Leute" – ohne diese näher konkretisieren bzw. benennen zu können - von seiner Entlassung aus dem Gefängnis erfahren hätten, weshalb er nun Angst habe; er wisse dies von seinen Freunden. Der Beschwerdeführer habe jedoch weder angeben können, woher die Freunde dies wissen würden, noch um welche Freunde es sich dabei handle. Woher die Informationen über eine Bedrohung durch Angehörige des Mordopfers seines Neffen stammten, habe der Beschwerdeführer ebenso wenig angeben können, wie wo genau in Afghanistan die Angehörigen des Mordopfers wohnen würden. Zudem habe der Beschwerdeführer angegeben, dass das Mordopfer nicht nur Familienangehörige in Afghanistan, sondern auch in Österreich habe und er vor diesen Angst habe. Bislang sei der Beschwerdeführer in Österreich aber eigenen Angaben zufolge nicht persönlich von der Familie des Ermordeten bedroht worden. Auch der Bruder des Beschwerdeführers, der sich nach Angaben des Beschwerdeführers bei der Familie des Mordopfers entschuldigt habe, sei bislang keinen (nachweislichen) Racheakten ausgesetzt gewesen. So sei bereits im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.01.2021 zur GZ. W207 2229133-1/32E den Neffen des Beschwerdeführers betreffend ausgeführt worden, dass zum einen keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte und Belege dafür vorliegen würden, dass sich behauptete Attacken auf den Vater des Neffen (also den Bruder des Beschwerdeführers) tatsächlich ereignet hätten bzw. dass solche Übergriffe, sollten sie tatsächlich stattgefunden haben, im Zusammenhang mit der gegenständlichen Mordsache und damit verbundenen Drohungen oder Forderungen gestanden seien. Zum anderen habe der Neffe des Beschwerdeführers selbst aufgrund seines Verhaltens keine glaubhafte und reale Furcht vor Verfolgung in Zusammenhang mit einer allfällig drohenden Blutrache ins Treffen führen können.

Dieses gegenüber dem Beschwerdeführer ergangenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.03.2021, GZ.: W216 2213741-1/26E, wurde der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers am 26.03.2021 zugestellt. Dieses erste Asylverfahren ist daher rechtskräftig abgeschlossen.

Laut Aufgriffsbericht der Bundespolizeiinspektion Passau vom 12.04.2021 wurde der Beschwerdeführer am 12.04.2021, um 13:31 Uhr, im ICE26, von Österreich kommend, einer grenzpolizeilichen Kontrolle unterzogen, wobei er lediglich seine österreichische Asylverfahrenskarte mitführte. Laut Einreiseverweigerung der Bundespolizeiinspektion Passau vom 12.04.2021 wurde dem Beschwerdeführer die Einreise nach Deutschland verweigert. Er wurde am 12.04.2021 nach Österreich rücküberstellt.

Am 13.04.2021 stellte der Beschwerdeführer erneut einen – den nunmehr gegenständlichen - Antrag auf internationalen Schutz und somit einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005.

Noch am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab der Beschwerdeführer an, er habe keine Krankheiten oder Beschwerden, welche ihn an der Einvernahme hindern oder beeinträchtigen würden. Er habe Österreich verlassen und sei am Tag zuvor irrtümlich mit dem Zug nach Deutschland gefahren; es sei aber nicht seine Absicht gewesen, nach Deutschland zu fahren, er habe eigentlich nach Linz fahren wollen, sei jedoch im Zug eingeschlafen. Darüber hinaus gab der Beschwerdeführer an, er habe in Österreich Deutschkurse besucht, die Sprache gelernt und hier gearbeitet. Er habe sich hier integriert, kenne sich in Linz gut aus, er habe sich auch beim AMS um einen Job erkundigt.

Zu seinen Fluchtgründe gab der Beschwerdeführer an, seine Fluchtgründe, die er bereits erwähnt habe, seien nach wie vor aufrecht. Weiters habe er mit seinem Onkel väterlicherseits in Afghanistan Schwierigkeiten. Sein Onkel wolle ihm seine Grundstücke wegnehmen. Sein Bruder sei bei der Militärgarde „Mili Urdu", er sei verschollen. Im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan werde er getötet von den Taliban oder von seinem Onkel. Nunmehr habe er alle Flucht- bzw. Verfolgungsgründe genannt. Die Änderungen der Situation, der Fluchtgründe, seien ihm bekannt, seitdem er das erste Mal nach Österreich gekommen sei. Er habe dies aber damals nicht bei seinem Fluchtgrund gesagt, weil er nicht gewusst habe, dass es wichtig sei. Er habe Drohbriefe und andere Beweise, die er vorlegen wolle.

Die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 21.04.2021 im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu gestaltete sich in inhaltlicher Hinsicht – hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - wie folgt:

„[……]

F: Ihre Muttersprache ist Paschtu und sind Sie damit einverstanden, dass die Einvernahme in der Sprache Paschtu durchgeführt wird?

A: Ja.

F: Wie können Sie den Dolmetscher verstehen?

A: Gut

F: Welche Sprachen sprechen Sie noch?

A: Urdu, Punjabi, Paschtu, Dari, Englisch und Deutsch.

F: Haben Sie das alles verstanden?

A: Ja.

F: Haben Sie die Merk- und Informationsblätter zum Asylverfahren in einer Ihnen verständlichen Sprache erhalten?

A: Ja.

F: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage, die Einvernahme durchzuführen?

A: Ja.

F: Haben Sie irgendwelche Krankheiten oder nehmen Sie Medikamente ein?

A: Nein, keine Krankheiten, Medikamente nehme ich auch keine ein.

F: Sie werden aufgefordert, selbstständig und unverzüglich medizinische Unterlagen, Befunde, Gutachten, usw. unaufgefordert dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzulegen. (AW wird über die Möglichkeiten der Befundvorlage aufgeklärt.)

A: Gut, das werde ich machen.

[……]

F: Gern. § 14 Abs. 2 AsylG 2005 werden Sie darüber belehrt, dass Sie sich für Zustellungen im Asylverfahren eines Zustellbevollmächtigten bedienen können.

A: Ich habe verstanden, werde jedoch nicht vertreten.

F: Welche Staatsbürgerschaft besitzen Sie?

A: Afghanische, Provinz Nangarhar.

F: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

A: Paschtune.

F: Welcher Religion gehören Sie an?

A: Sunnitischer Moslem.

F: Wie lautet Ihr Familienstand?

A: Ledig.

F: Haben Sie Kinder und wenn ja, wie heißen diese und wo leben diese?

A: Nein.

F: Haben Sie Geschwister und wenn ja, wie heißen diese und wo leben diese?

A: Ich habe drei Schwestern, sie sind älter als ich. Ich weiß nicht wo diese aufhäitig sind.

F: Seit wann ist Ihnen der Aufenthalt der Schwestern unbekannt?

A: Seit 4 oder 5 Jahren kenne ich den Aufenthalt nicht mehr.

F: Haben Sie auch Brüder?

A: Ja. Ich habe einen Bruder, der hier in Österreich lebt.

F: Sind Ihre Angaben die Sie bei der Erstbefragung am 13.04.2021 bei der Polizeiinspektion W. Fremdenpolizei, gemacht haben richtig und halten Sie diese aufrecht?

A: Mein Onkel mütterlicherseits hat gesagt, dass ich einen anderen Bruder hatte, aber dieser sei vermisst.

F: Wollen Sie zu der durchgeführten Erstbefragung Ergänzungen oder Berichtigungen angeben?

A: Ich habe damals gesagt, dass meine Mutter beim Ehemann meiner Tante lebt Ich habe jetzt erfahren, dass der Ehemann meiner Tante getötet worden ist.

V: Sie haben am 27.12.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der rechtskräftig abgewiesen wurde.

F: Warum stellen Sie einen neuerlichen Antrag?

A: Ich habe neue Beweise und ich möchte diese vorlegen, damit sie mir glauben, dass ich Probleme habe.

F: Stimmen Ihre Angaben die Sie bei den Einvernahmen vor österreichischen Behörden, zB Gerichte, Asylgerichtshof, Bundesverwaltungsgericht, Unabhängiger Bundesasylsenat, Polizeiinspektion, Fremdenpolizei, Bundesasylamt, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, usw., bzw. schriftlich, zB Berufung, Beschwerden, usw. angaben?

A: Ja, ich habe die Wahrheit gesagt

F: Haben Sie seit der ersten Antragstellung Österreich verlassen?

A: Nein.

F: Von wann bis wann waren Sie in Deutschland?

A: Ich habe mich ein Mal verfahren, bin im Zug eingeschlafen. Dann kam ich nach Deutschland, versehentlich.

F: Gibt es noch andere Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben?

A: Mein Onkel väterlicherseits ist hinter mir her, er will mich töten. Er will mein Eigentum mir wegnehmen.

F: Was für Eigentum ist das?

A: Landwirtschaft und Haus.

F: Warum gehören Ihnen diese Güter?

A: Das gehört eigentlich meinem Vater, aber jetzt gehört es mir. Der Onkel, der Bruder meines Vaters, behauptet, dass das Eigentum auch ihm gehört.

F: Seit wann gehören Ihnen diese Güter?

A: Nach dem Tod meines Vaters. Ich habe den Tod meines Vaters nicht gesehen, meine Mutter hat mir das gesagt.

F: Wann ist Ihr Vater verstorben?

A: Vor meiner Geburt ist er bereits verstorben.

F: Wer hat sich bis jetzt um diese Landwirtschaft und das Haus gekümmert?

A: Der Ehemann meiner Tante hat auf die Landwirtschaft auf gepasst Aber jetzt ist er mittlerweile Tod. Und jetzt passt mein Onkel mütterlicherseits auf die Landwirtschaft auf.

F: Wann hat Ihnen der Onkel gesagt, dass Sie einen weiteren Bruder haben sollten?

A: Der Onkel mütterlicherseits hat mir das gesagt.

F: Nochmals, wann hat Ihnen der Onkel gesagt, dass Sie einen weiteren Bruder haben sollten?

A: Das ist nicht lange her. Ich weiß nicht wann das war.

F: Warum hat Ihr Onkel Ihnen dies nun gesagt, dass Sie einen Bruder haben sollen?

A: Als ich mit meinem Onkel über mein Asyl in Österreich geredet habe, habe ich erzählt, dass ich einen negativen Bescheid bekommen habe. Ich habe gesagt, dass ich neue Beweise brauche. Dann hat er mir über meinen Bruder erzählt

F: Wie lauten die Personalien und der Aufenthaltsort dieses Bruders?

A: Ich habe von meinem Onkel gehört, dass er in Afghanistan war. Jetzt ist er entführt worden, von den Taliban. Aber ich habe ihn persönlich nicht gesehen.

F: Nochmals, wie lauten die Personalien dieses Bruders?

A: Ich kenne den Namen nicht, ich habe ihn auch nicht gesehen.

F: Wer sind die Eltern dieses Bruders?

A: I. ist der Name der Mutter, Vater A. Nachgefragt gibt der AW an, dass diese auch seine Eltern sind. Aber ich weiß nicht auf welchen Unterlagen der Name ist, das müsste ich nachfragen.

F: Warum sagt Ihnen dies der Onkel und nicht Ihre Mutter?

A: Den Grund weiß ich nicht. Das hat meine Mama verheimlicht.

F: Wo lebt Ihre Mutter?

A: In Afghanistan.

F: Besitzen Sie noch hier, zu Hause oder sonst irgendwo Dokumente die Ihre Identität bestätigen?

A: Ich habe eine Tazkira. Es gibt auch einen Brief über den Tod des Ehemannes meiner Tante.

F: Wo ist die Tazkira?

A: Diese ist auf meinem Handy.

Sie werden aufgefordert das Foto vom Handy der Behörde zu übermitteln.

DerAW gibt an: Ich habe mit meinem Onkel darüber gesprochen und er hat gesagt, dass es Krieg gibt und es nicht möglich ist, dies zu finden und weiterzuschicken.

F: Haben Sie im Bereich der EU, in Norwegen oder in Island Verwandte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?

A: Ja, die Frau meines Bruders. Diese befindet sich in Linz. Sie hat Dokumente von Österreich.

F: Wie schaut Ihr Alltag in Österreich aus? Sind Sie Mitglied in einem Verein, haben Sie Kurse besucht oder sind Sie ehrenamtlich tätig?

A: Deutschkurs A1 habe ich schon, A2 Deutschkurs habe ich besucht, aber die Prüfung habe ich nicht geschafft.

F: Wie schaut Ihre soziale Unterstützung in Österreich aus?

A: Staatliche Hilfe bekomme ich.

F: Haben Sie enge Verwandte oder Familienangehörige in Österreich?

A: Mein Bruder, seine Frau und mein Neffe.

F: Gibt es seit rechtskräftigem Abschluss Ihres Vorasylverfahrens, dies war der 27.O3.2021, bis zum heutigen Datum irgend eine Änderung in Ihrem Privat- oder Familienleben?

A: Nein, keine Änderung.

F: Haben Ihre Familienmitglieder, bzw. Verwandte im Herkunftsstaat irgendwelche Probleme?

A: Ja, sie haben Probleme.

F: Wer hat welche Probleme?

A: Meine Mutter hat mit meinem Onkel väterlicherseits.

F: Ihre Mutter ist jedoch laut Ihren Angaben in Pakistan. Was sagen Sie dazu?

A: Nein, die ist jetzt wieder in Afghanistan.

F: Seit wann ist Ihre Mutter wieder in Afghanistan?

A: Ich weiß nicht genau seit wann. Als ich mit meinem Onkel mütterlicherseits gesprochen habe, hat er mir erzählt, dass meine Mutter jetzt beim Onkel mütterlicherseits lebt. Zuvor hat sie beim Ehemann meiner Tante gelegt.

F: Wo lebt jetzt Ihre Mutter, somit auch der Onkel mütterlicherseits?

A: In der Provinz Nangarhar, Distrikt X.

F: Wo befindet sich Ihre Landwirtschaft und Ihr Haus?

A: Das ist ein Dorf Y, dies gehört zum Distrikt X. Nachgefragt gebe ich an, dass meine Mutter in unserem eigenen Haus mein Onkel väterlicherseits lebt. Meine Mutter lebt beim Onkel mütterlicherseits.

L.d.A.: Sie werden über die Möglichkeit informiert, dass Sie Einsicht in die Quellen der Berichte zum Staat Afghanistan nehmen können, aus welchen sich das Amtswissen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zur dortigen Lage ableitet F: Möchten Sie Einsicht nehmen?

A: Nein, ich brauche diese nicht.

Anmerkung: Der AW wird überden Umstand informiert, dass eine Einsichtnahme während der Amtsstunden während des weiteren Verfahrens vorgenommen werden kann.

Die Berichtsquellen über Afghanistan werden als Beilage zur EV angehängt.

F: Sind Sie je von einer gerichtlichen Untersuchung als Zeuge oder Opfer in Österreich betroffen gewesen?

A: Ich war einmal bei Gericht, habe ein Mal Haschisch geraucht

F: Sind Sie je von einem zivil- oder strafrechtlichen Gerichtsverfahren oder eine

(einstweiligen) gerichtlichen Verfügung in Österreich betroffen gewesen ?

A: Ja.

F: Wollen Sie freiwillig in den Herkunftsstaat zurückkehren?

A: Nein, warum.

F: Gibt es seit rechtskräftigem Abschluss ihres Vorasylverfahrens, dies war der

27.03.2021, bis zum heutigen Datum irgend eine Änderung Ihrer Fluchtgründe?

A: Neu ist, dass meine Mutter zu meinem Onkel mütterlicherseits gezogen ist. Und der Ehemann meiner Tante wurde getötet. Mein hier in Österreich lebende Neffe hat jemanden getötet und nun werden wir von der Familie wegen Blutfehde bedroht. Und die Familie meines Onkels behauptet; dass wir für den Tod verantwortlich sind.

F: Wann ist Ihre Mutter zum Onkel mütterlicherseits gezogen?

A; Das weiß ich nicht genau. Ich habe diese Frage aber auch nicht gestellt

F: Wann und wo wurde der Ehemann Ihrer Tante getötet?

A: Das weiß ich nicht, aber ich habe ein Papier diesbezüglich.

F: Wann und wo wurde ein Sohn Ihres Onkels getötet?

A: 2018, ich glaube im September oder Oktober.

F: Was für Unterlagen wollen Sie vorlegen?

A: Die Dokumente, die ich habe, sind auf E-Mail. Ich habe diese nicht ausgedruckt

F: Wann haben Sie diese E-Mails erhalten?

A: Das war gestern Abend, spät. Ich habe versucht dies ausdrucken zu lassen, aber die Geschäfte waren bereits geschlossen.

Sie werden aufgefordert sämtliche Dokumente, als auch Ihre Tazkira, an die Einlaufstelle des BFA zu übermitteln (E-Mail-Adresse ist in der Niederschrift rechts oben vermerkt - AW wird diesbezüglich hingewiesen).

Der AW gibt an. Gut, das werde ich machen.

F: Sie werden nochmals auf das Neuerungsverbot aufmerksam gemacht. Ich frage Sie daher jetzt nochmals ob Sie noch etwas Asylrelevantes angeben möchten oder etwas angeben möchten, was Ihnen wichtig erscheint, ich jedoch nicht gefragt habe?

A: Mein Ausweis wurde mir von der Polizei abgenommen (Nach Rückfrage: Gemeint Aufenthaltsberechtigungskarte gern. § 51 AsylG)

F: Haben Sie sämtliche Gründe, die Sie veranlasst haben Ihren Herkunftsstaat zu verlassen, vollständig geschildert?

A: Ja.

F: Wurde Ihnen ausreichend Zeit eingeräumt Ihre Probleme vollständig und so ausführlich wie Sie es wollten zu schildern?

A: Ja.

F: Haben Sie alles verstanden was Sie gefragt wurden, sowohl von der Sprache als auch vom Verständnis her und konnten Sie auch alles angeben was Sie wollten?

A: Ja.

V: Ihnen wird nun mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, Ihren Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot zu erlassen.

F: Sie können nunmehr dazu Stellung nehmen.

A: Was soll ich machen, ich habe keine weiße Karte. Ich suche Arbeit.

Ihnen wird nun zur Kenntnis gebracht, dass Sie nach einer Frist von mindestens 24 Stunden im Zuge einer niederschriftlichen Befragung im Beisein eines Rechtsberaters die Möglichkeit haben, zu diesem Sachverhalt Stellung zu beziehen. Von diesem Termin werden Sie schriftlich in Kenntnis gesetzt. Sollten Sie diesem Termin nicht nachkommen und die Betreuungsstelle verlassen, müssen Sie damit rechnen, dass das Verfahren eingestellt wird.

F: Wollen Sie noch etwas angeben?

A: Wie geht es jetzt weiter (AW wird diesbezüglich aufgeklärt.)

Nach erfolgter Rückübersetzung:

F: Haben Sie den Dolmetscher während der gesamten Befragung einwandfrei verstanden?

A: Ja.

F: Hat Ihnen der Dolmetscher alles rückübersetzt was Sie gesagt haben?

A: Ja.

F: Mächten Sie eine Ablichtung der Niederschrift?

A: Ja.

Die Niederschrift wurde mir rückübersetzt. Der Inhalt ist richtig und ich bestätige dies mit meiner Unterschrift.

Ich bestätige auch mit meiner Unterschrift dass ich eine Kopie der Niederschrift und die Länderfeststellungen erhalten habe.

Außerdem bestätige mit meiner Unterschrift, dass ich die Mitteilung gern. § 29/3/4 AsylG erhalten habe und mir diese durch den Dolmetscher übersetzt wurde.“

Die Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG vom 21.04.2021 wurde dem Beschwerdeführer am 21.04.2021 gegen Unterschriftsleistung ausgefolgt. Darin wurde dem Beschwerdeführer auch eine Meldeverpflichtung gemäß § 15a AsylG auferlegt, der der Beschwerdeführer mehrfach nicht nachkam.

Am 22.04.2021 wurden vom Beschwerdeführer per Mail verschiedene Schriftstücke vorgelegt, die von der belangten Behörde in dem Umfang, in dem sie lesbar waren, einer Übersetzung in die deutsche Sprache zugeführt wurden. Begleitet wurde die Vorlage dieser Schriftstücke von einem Schreiben des Beschwerdeführers folgenden Inhaltes: „Hallo ich bin XXXX das mein alles Sachen habe ich dir geschickt ein Sohn ist von mein Tante das er nehmen von seine Vater Geld von Regierung Lg“

Mit Ladung der belangten Behörde vom 23.04.2021 wurde der Beschwerdeführer zu einer weiteren Einvernahme für den 28.04.2021 geladen. Diese Ladung wurde dem Beschwerdeführer am 27.04.2021 gegen Unterschriftsleistung persönlich ausgefolgt.

Am 27.04.2021 wurde vom Beschwerdeführer per Mail bekannt gegeben, dass er sich nicht gesund fühle und daher am morgigen Tag leider nicht kommen werde. Er leide unter Übelkeit und Erbrechen.

Nach entsprechender Aufforderung durch die belangte Behörde wurde vom Beschwerdeführer am 28.04.2021 um 19:44 Uhr per Mail eine ärztliche Bestätigung vorgelegt, die allerdings in inhaltlicher Hinsicht nicht im Verwaltungsakt der belangten Behörde aufliegt.

Am 04.05.2021 wurde dem Beschwerdeführer gegen Unterschriftsleistung die Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 Z 6 AsylG vom 28.04.2021 persönlich ausgefolgt.

Am 05.05.2021 langten Übersetzungen bezüglich der vom Beschwerdeführer vorgelegten Schriftstücke bei der belangten Behörde ein. Dabei handelt es sich um eine Einwohnerregistrierung seines Vaters, die Geburtsurkunde seiner Mutter, einen Brief seines Vaters bezüglich einer Anzeige eines näher genannten Onkels, ein Schreiben an die Anti-Terror-Abteilung, dass eine näher genannte Person im 4. Quartal des Jahres 1395 im Zuge des Angriffs des IS im Bezirk K. von „Schahistakhel“ entführt und danach getötet worden und der Leichnam am 12.04.97 in einem näher genannten Dorf beigesetzt worden sei.

Mit Ladung der belangten Behörde vom 11.05.2021 wurde der Beschwerdeführer zu einer weiteren Einvernahme für den 18.05.2021 geladen. Diese Ladung wurde dem Beschwerdeführer am 12.05.2021 gegen Unterschriftsleistung persönlich ausgefolgt und damit zugestellt (siehe die im Akt der belangten Behörde aufliegende mit der Unterschrift des Beschwerdeführers versehene Übernahmebestätigung vom 12.05.2021, AS 357 des Verwaltungsaktes der belangten Behörde).

Der Beschwerdeführer erschien trotz ordnungsgemäßer und damit rechtswirksamer Ladung unentschuldigt auch zu diesem Einvernahmetermin am 18.05.2021 nicht. Nach vergeblichem Zuwarten auf das Erscheinen des Beschwerdeführers wurde seitens der belangten Behörde telefonisch Kontakt mit dem Beschwerdeführer aufgenommen; im Zuge dieses Gespräches gab der Beschwerdeführer an, dass er sich in Linz befinden würde, er habe einen Termin beim Verein „Neustart". Auf Vorhalt, dass er am heutigen Tag um 12:00 Uhr einen Einvernahmetermin beim BFA habe, gab der Beschwerdeführer an, dass er keine Briefe durch die Post zugestellt bekommen würde und er somit keine Kenntnis von der Einvernahme vor dem BFA gehabt habe. Auf Vorhalt, dass dies nicht zutreffe, weil dem Beschwerdeführer die Ladung zur Einvernahme am 18.05.20 durch einen Beamten einer näher genannten Polizeiinspektion am 12.05.2021 persönlich gegen Unterschriftsleitung ausgefolgt wurde, gab der Beschwerdeführer abermals an, dass er keine Briefe durch die Post zugestellt bekomme.

Mit dem gegenständlichen mündlich verkündeten Bescheid vom 18.05.2021 - die belangte Behörde ging zu Recht davon aus, dass der rechtswirksam geladene Beschwerdeführer von der Einvernahme am 18.05.2021 Kenntnis hatte und dieser unentschuldigt fernblieb - hob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG 2005 auf.

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, welches in der schriftlichen Ausfertigung dieses mündlich verkündeten Bescheides abermals umfassende, dem Beschwerdeführer zuvor zur Kenntnis gebrachte Länderfeststellungen zu Afghanistan traf, zusammengefasst im Wesentlichen aus, dass sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt seit dem rechtskräftigen Abschluss des Vorverfahrens mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.03.2021 nicht entscheidungswesentlich geändert habe. Im Zuge des gegenständlichen Folgeantrages habe sich kein neuer objektiver Sachverhalt ergeben. Der Beschwerdeführer stütze den gegenständlichen Folgeantrag auf Umstände, die er bereits im ersten Verfahren vorgebracht habe bzw. – soweit diese neu seien wie das Vorbringen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Onkel väterlicherseits im Herkunftsstaat Schwierigkeiten habe, weil dieser dem Beschwerdeführer seine Grundstücke wegnehmen und den Beschwerdeführer töten wolle – auf solche Gründe, die er während des ersten Asylverfahrens schon gekannt, jedoch wissentlich nicht vorgebracht habe; zudem seien diese neu vorgebrachten Gründe mit näherer Begründung nicht glaubhaft.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte diesen Bescheid unter Anschluss des Verwaltungsaktes am 21.05.2021 dem Bundesverwaltungsgericht vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, gibt an, den im Spruch angeführten Namen zu führen und an dem im Spruch angeführten Geburtsdatum geboren zu sein. Seine Identität steht nicht fest.

Der unter I. beschriebene Verfahrensgang steht fest.

Festgestellt wird, dass das Verfahren über den ersten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.03.2021, GZ.: W216 2213741-1/26E, dem Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung zugestellt am 26.03.2021, rechtskräftig negativ abgeschlossen wurde.

Festgestellt wird, dass es sich bei dem im Rahmen der neuerlichen Antragstellung auf internationalen Schutz vom 13.04.2021 und in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 21.04.2021 getätigten Vorbringen des Beschwerdeführers - seine Fluchtgründe, die er bereits erwähnt habe, seien nach wie vor aufrecht; weiters habe er mit seinem Onkel väterlicherseits in Afghanistan Schwierigkeiten, sein Onkel wolle ihm seine Grundstücke wegnehmen, sein Bruder sei bei der Militärgarde „Mili Urdu", er sei verschollen, im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan werde er getötet von den Taliban oder von seinem Onkel, die „Änderungen der Fluchtgründe“ sei dem Beschwerdeführer bekannt, seitdem er das erste Mal nach Österreich gekommen sei, er habe dies aber damals nicht bei seinem Fluchtgrund gesagt, weil er nicht gewusst habe, dass es wichtig sei – zum einen um Sachverhalte handelt, die bereits Gegenstand der Erörterung und Beurteilung im rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren waren; dies gilt für das (völlig unkonkret gehaltene) Vorbingen einer Verfolgung durch Taliban sowie für den behaupteten Nachfluchtgrund, Angst vor Blutrache seitens der Familie des Mordopfers seines Neffen zu haben. Zum anderen handelt es sich bei dem nunmehr neu erstatteten Vorbringen betreffend eine Verfolgung durch den Onkel wegen Grundstücksstreitigkeiten um einen (behaupteten) Sachverhalt, der – bei hypothetischem Zutreffen – bereits bei bzw. vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens über den ersten Antrag auf internationalen Schutz bestanden hat.

Unabhängig davon aber kommt den neu erstatteten Vorbringenselementen auch kein glaubhafter Kern zu.

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im rechtskräftig negativ abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten.

Auch hinsichtlich der privaten Beziehungen des Beschwerdeführers in Österreich und im Herkunftsstaat sind gegenüber den im rechtskräftig negativ abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungswesentlichen Änderungen zu Gunsten des Beschwerdeführers eingetreten; hinsichtlich seiner privaten Beziehungen in Österreich und im Herkunftsstaat hat der Beschwerdeführer kein weiteres bzw. abweichendes Vorbringen erstattet.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers stützen sich auf dessen Angaben im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem unbedenklichen verwaltungsbehördlichen und gerichtlichen Akt.

Die Feststellung, dass es sich beim Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend Verfolgung durch Taliban sowie zum behaupteten Nachfluchtgrund, Angst vor Blutrache seitens der Familie des Mordopfers seines Neffen zu haben, um Sachverhalte handelt, die bereits Gegenstand der Erörterung und Beurteilung im rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren waren, gründet sich auf den Inhalt des oben in den wesentlichen
Entscheidungsgründen wiedergegebenen rechtskräftigen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.03.2021, GZ.: W216 2213741-1/26E.

Die Feststellung, dass es sich bei dem nunmehr neuen Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend eine Verfolgung durch den Onkel väterlicherseits wegen Grundstücksstreitigkeiten um einen behaupteten Sachverhalt handelt, der – unter hypothetischer Zugrundelegung desselben – bereits bei bzw. vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens über den ersten Antrag auf internationalen Schutz bestanden hat, gründet sich auf die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers selbst. So führte er selbst aus, die „Änderungen der Fluchtgründe“ sei ihm bekannt, seitdem er das erste Mal nach Österreich gekommen sei, er habe dies aber damals nicht bei seinem Fluchtgrund gesagt, weil er nicht gewusst habe, dass es wichtig sei.

Abgesehen davon ist dieses erstmals im nunmehrigen Folgeantragsverfahren neu erstattete Vorbringenselement einer lebensbedrohlichen Verfolgung durch den Onkel väterlicherseits wegen Grundstücksstreitigkeiten aber auch nicht glaubhaft. So ist es schon nicht als plausibel und damit nicht als glaubhaft anzusehen, dass der Beschwerdeführer eine derartige Bedrohung seines Lebens nicht bereits in seinem ersten Asylverfahren vorgebracht habe, weil er nicht gewusst habe, dass es wichtig sei, dass er aber – wenngleich auch nicht in ausreichend konkreter Weise - andere Gefährdungsszenarien wie eine allgemeine Bedrohung durch Taliban und Angst vor Blutrache seitens der Familie des Mordopfers seines Neffen zu haben, sehr wohl behauptete. Im Übrigen gab der Beschwerdeführer zu seinem Onkel väterlicherseits befragt (dies durchaus auch im Kontext mit der Frage nach Besitztümern der Familie) in seinem ersten rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren im Rahmen der Einvernahme am 05.09.2018 auf entsprechende Nachfrage an, er habe diesen Onkel nie gesehen, er wisse über diesen Onkel nichts, er wisse nicht, was dieser beruflich mache und wie es ihm finanziell gehe; eine Verfolgungsbehauptung in Bezug auf diesen Onkel wegen im Eigentum des Beschwerdeführers stehender Grundstücke erfolgte durch den Beschwerdeführer damals nicht.

Darüber hinaus war der Beschwerdeführer aber auch nicht in der Lage, die von ihm behauptete Bedrohung durch einen Onkel väterlicherseits, der dem Beschwerdeführer seine Grundstücke wegnehmen wolle, in irgendeiner Form näher zu konkretisieren bzw. nachvollziehbar darzulegen. Dieses völlig unkonkret gehaltene Vorbringen ist aber in dieser Allgemeinheit nicht geeignet, eine konkret und gezielt gegen die Person des Beschwerdeführers gerichtete aktuelle Verfolgungsgefahr maßgeblicher Intensität darzutun und glaubhaft zu machen. Der Beschwerdeführer nutzte auch die ihm von der belangten Behörde eingeräumte Möglichkeit, sein Vorbringen im Rahmen einer weiteren Einvernahme am 18.05.2021 konkretisieren zu können, nicht, indem er zu dieser Einvernahme trotz rechtswirksamer Ladung nicht erschien.

Dies gilt auch für die vom Beschwerdeführer im gegenständlichen Folgeverfahren per Mail vorgelegten Dokumente (Einwohnerregistrierung des Vaters, Geburtsurkunde der Mutter, Brief bezüglich einer Anzeige des Vaters gegen den Onkel; Brief - auf Grund schlechter Qualität nicht lesbar; Schreiben, wobei lediglich die unteren Zeilen lesbar sind: Schreiben an die Anti-Terror-Abteilung, dass eine näher genannte Person namens XXXX [interpretativ handelt es sich hierbei um den Ehemann der Tante des Beschwerdeführers] im 4. Quartal des Jahres 1395 im Zuge des Angriffs des IS im Bezirk K. von „Schahistakhel“ entführt und danach getötet worden und der Leichnam am 12.04.97 in einem näher genannten Dorf beigesetzt worden sei). Auch dem Inhalt dieser Dokumente kann kein Beleg für das Vorliegen einer schlüssig nachvollziehbaren, konkret und gezielt gegen die Person des Beschwerdeführers gerichteten aktuellen Verfolgungsgefahr maßgeblicher Intensität entnommen werden. Die begleitenden Worte des Beschwerdeführers zur Übermittlung dieser Dokumente („Hallo ich bin XXXX das mein alles Sachen habe ich dir geschickt ein Sohn ist von mein Tante das er nehmen von seine Vater Geld von Regierung Lg“ ) sind ebenfalls nicht geeignet, den Inhalt bzw. Beweiswert dieser Dokumente näher und vor allem nachvollziehbar zu erläutern; auch in diesem Zusammenhang gilt, dass der Beschwerdeführer die ihm von der belangten Behörde eingeräumte Möglichkeit, sein Vorbringen im Rahmen einer weiteren Einvernahme am 18.05.2021 konkretisieren und näher erläutern zu können, nicht nutze, weil er zu dieser Einvernahme trotz rechtswirksamer Ladung nicht erschien.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass den nunmehr im Folgeverfahren vorgelegten Dokumenten, wären diese echt und inhaltlich richtig, zwar entnommen werden kann, dass der Ehemann der Tante - sollte es sich um diesen handeln, der am 12.04.1397 (= 03.07.2018) in einem näher genannten Dorf beigesetzt worden sei - bereits im vierten Quartal 1395 (= ab Oktober 2016) vom IS entführt worden sei, dass damit aber zum einen – wie bereits ausgeführt – keineswegs eine unmittelbare, der Person des Beschwerdeführer selbst gezielt und konkret drohende Verfolgungsgefahr belegt wird, und dass sich daraus zum anderen aber ergibt, dass der Ehemann der Tante, bei dem die Mutter des Beschwerdeführers gelebt habe, bereits vor Abschluss des ersten Asylverfahrens entführt worden wäre und verstorben wäre, womit wiederum belegt wäre, dass sich der Beschwerdeführer im gegenständlichen Folgeantragsverfahren auf (behauptete) Tatsachen stützt, die bereits bei bzw. vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens über den ersten Antrag auf internationalen Schutz bestanden hätten.

Insoweit der Beschwerdeführer aber im nunmehrigen Folgeantragsverfahren vorbringt, dass er einen weiteren Bruder habe, den er bisher nicht erwähnt habe, den er nicht kenne und dessen Namen er nicht nennen könne, der aber verschollen bzw. von den Taliban entführt worden sei, so wird auch mit diesem Vorbringen – selbst unter hypothetischer Zugrundelegung desselben - keine konkret und gezielt gegen die Person des Beschwerdeführers gerichtete Verfolgungsgefahr maßgeblicher Intensität und Aktualität dargetan.

Die Feststellung, dass hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat gegenüber den im rechtskräftig negativ abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgebliche Änderung eingetreten ist, ergibt sich aus einem Vergleich des im ersten – vor etwa zwei Monaten rechtskräftig abgeschlossenen - Asylverfahren vom Bundesverwaltungsgericht beigezogenen Länderberichtsmaterial mit dem dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Länderberichtsmaterial. Auch im nunmehrigen, auf einem Folgeantrag basierenden Verfahren wurden dem Beschwerdeführer vom BFA umfassende Länderberichte zur Kenntnis gebracht, die vom Beschwerdeführer nicht substantiiert bestritten wurden und die keine entscheidungserhebliche Veränderung der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat im Vergleich zur Lage, die bereits im Rahmen des letzten rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens einer Beurteilung unterzogen wurde, zeigen. Eine entscheidungswesentliche Änderung der allgemeinen Lage in Afghanistan gegenüber dem Vorverfahren wurde vom Beschwerdeführer im Rahmen der Stellung seines Folgeantrages im Übrigen auch gar nicht konkret vorgebracht.

Die Feststellung, dass hinsichtlich der privaten Beziehungen des Beschwerdeführers in Österreich und im Herkunftsstaat gegenüber den im rechtskräftig negativ abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungswesentlichen Änderung eingetreten ist, gründet sich auf den Umstand, dass im Zusammenhang mit der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.03.2021 gegen den Beschwerdeführer getroffenen Rückkehrentscheidung über die Frage eines Eingriffes in das Privat- bzw. Familienleben des Fremden rechtskräftig abgesprochen wurde und eine maßgebliche Änderung des diesbezüglichen Sachverhaltes im zwischenzeitlich vergangenen Zeitraum von ca. zwei Monaten nicht erkennbar ist und vom Beschwerdeführer auch nicht vorgebracht wurde. Ganz abgesehen davon aber wäre in diesem Zeitraum vor dem Hintergrund, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers anlässlich seiner nunmehr zweiten Antragstellung auf internationalen Schutz bisher nicht zugelassen ist und der Beschwerdeführer als Konsequenz dessen über keine Aufenthaltsberechtigung in Österreich verfügt, eine nachhaltige Integration bei unrechtmäßigem Aufenthalt in Österreich auch gar nicht zulässig gewesen.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer im rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren noch behauptete, seine Mutter lebe in Pakistan, wohingegen er im nunmehrigen Folgeantragsverfahren vorbrachte, seine Mutter lebe nunmehr wieder in Afghanistan, vermag im konkreten Zusammenhang nicht zu Gunsten der privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich auszuschlagen, weil er damit einen weiteren familiären Anknüpfungspunkt in Afghanistan dartut.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Da § 22 Abs. 10 AsylG 2005 dies ausdrücklich vorsieht, ist die vorliegende Entscheidung nicht mit Erkenntnis, sondern mit Beschluss zu treffen.

Zu A) Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes:

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtsgrundlagen lauten wie folgt:

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 leg.cit. die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 dieser Bestimmung findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

§ 12 Abs. 1 AsylG 2005 („Faktischer Abschiebeschutz“) lautet:

„Ein Fremder, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, kann, außer in den Fällen des § 12a, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder nach einer Einstellung bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 24 Abs. 2 nicht mehr zulässig ist, weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden (faktischer Abschiebeschutz); § 32 bleibt unberührt. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet ist zulässig. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt. § 16 Abs. 4 BFA-VG gilt.“

Der mit „Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen“ überschriebene § 12a AsylG 2005 lautet (auszugsweise):

„(1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben, und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) – (6) […]“

§ 22 BFA-VG, der die Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes regelt, lautet:

„(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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