TE OGH 2021/5/4 1Ob55/21a

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.05.2021
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Solé, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. G***** K*****, und 2. Mag. E***** K*****, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in Maria Enzersdorf, gegen die beklagte Partei DI G***** A*****, vertreten durch die Schenz & Haider Rechtsanwälte OG, Mödling, wegen 42.211,63 EUR sA, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 23. Dezember 2020, GZ 19 R 33/20v-53, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom 8. Juni 2020, GZ 28 C 53/19b-43, teilweise abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das zur Höhe der Gegenforderung unbekämpft blieb und hinsichtlich der Klagestattgebung von 15.416,03 EUR sA und der Abweisung von 13.688 EUR sA in Rechtskraft erwachsen ist, wird dahin abgeändert, dass es insgesamt lautet:

„1. Die Klageforderung besteht mit 21.129,23? EUR zu Recht.

2. Die Gegenforderung besteht mit 1.344 EUR zu Recht.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien 19.785,23? EUR samt 4 % Zinsen seit 21. Jänner 2018 binnen 14 Tagen zu zahlen.

4. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, 22.426,4?0 EUR samt 4 % Zinsen seit 21. Jänner 2018 zu zahlen, wird abgewiesen.

5. Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 1.529,12 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 1.946,90 EUR bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 151,55 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1]       Gegenstand des Revisionsverfahrens sind nur noch Rückforderungsansprüche der Kläger gegenüber dem beklagten Vermieter wegen Mietzinsminderung im Ausmaß von 75 % für die Zeit vom 1. 5. 2016 bis 31. 12. 2016 (für diesen Zeitraum wurde ihr Begehren abgewiesen) und für den Zeitraum 1. 1. 2017 bis 31. 12. 2017 (anstatt zuerkannt 50 %).

[2]       Der Beklagte ist Eigentümer einer Liegenschaft, auf der sich ein im 17./18. Jahrhundert errichtetes Wohnhaus mit zwei Wohnungen befindet. Die Kläger waren aufgrund des ursprünglich unbefristet abgeschlossenen Mietvertrags ab 1. 5. 2016 Mieter der (aus fünf Zimmern) bestehenden Wohnung Top 2 im Erdgeschoss des Hauses. Anfang Februar 2018 stellten sie das Mietobjekt nach einvernehmlicher Beendigung des Bestandverhältnisses an den Beklagten zurück. Den monatlichen Mietzins von 1.456,40 EUR (inklusive Betriebskosten) zahlten sie stets vollständig und pünktlich.

[3]            Das Mauerwerk der Wohnung wies (zumindest im Sockelbereich) wegen des Fehlens einer horizontalen Abdichtung durchgehend eine starke Feuchtigkeitsbelastung auf. Die Wohnung hätte – was weder den Klägern noch den Beklagten bekannt war – nur unter erhöhtem Aufwand mit einem „richtigen“ Benützungsverhalten ohne Schimmelbildung an den Wänden und Einrichtungsgegenständen bewohnt werden können. Für Möbel wäre ein Abstand von mindestens 20 cm zu den feuchtigkeitsbelasteten Wänden einzuhalten gewesen. In den feuchtigkeitsbelasteten Räumen hätte täglich drei bis vier Mal, allenfalls auch öfter für fünf bis zehn Minuten stoßgelüftet werden müssen, um Schimmelbefall zu verhindern. In Kenntnis dieses Nutzungsverhaltens und des erhöhten Aufwands, um die Wohnung schimmelfrei zu bekommen, hätten die Kläger den Vertrag nicht geschlossen.

[4]       Anlässlich ihres Einzugs in die Wohnung stellten die Kläger viele ihrer Möbel direkt an die Wände und auch direkt vor Heizkörper. Sie lüfteten die Wohnung regelmäßig, mindestens ein Mal täglich und trockneten ihre Wäsche im Innenhof, wenn die Witterung dies zuließ. Im Sommer 2016 bemerkten sie erstmals in einem der beiden Kinderzimmer hinter einer Sockelleiste dunkle Schimmelflecken. Zu einem späteren Zeitpunkt im Sommer 2016 fanden sie Schimmel an der Unterseite einer Bettzeuglade im anderen Kinderzimmer. Beide Male teilten sie den Schimmelbefall dem Beklagten mit, der ihnen vorhielt, dass sie falsch lüfteten und die Möbel mit mehr Abstand von der Wand aufstellen müssten. Wie die „richtige“ Lüftung der Wohnung erfolgen sollte, sagte er ihnen nicht; auch sonstige Maßnahmen zur Beseitigung des Schimmels setzte er nicht. Er stellte aber den Klägern ein Trocknungsgerät zur Verfügung.

[5]       In der Folge zeigten sich weitere Schimmelbildungen an den Wänden und an dem an den Wänden situierten Mobiliar. Teilweise war der Wandverputz im Sockelbereich angeschimmelt, hauptsächlich handelte es sich jedoch um Schimmelschäden am Mobiliar und den darin befindlichen Kleidungsstücken. In einem Kinderzimmer traten Schimmelbildungen am Bett auf. Auch diese Vorfälle teilten die Kläger dem Beklagten mit, der den Schimmel jedoch weiterhin auf das Nutzungsverhalten der Kläger zurückführte und keine Maßnahmen setzte. Im Herbst 2016 beauftragten die Kläger einen Ziviltechniker mit der Abklärung, ob sie ein falsches Nutzungsverhalten setzen. Ergebnis dieser Messung war, dass sie im Beobachtungszeitraum von knapp 14 Tagen regelmäßig ein bis drei Mal pro Tag lüfteten. Ein unübliches oder unvorteilhaftes Lüftungsverhalten konnte nicht festgestellt werden. Sie informierten den Beklagten vom Ergebnis dieser Messungen, der jedoch keine Maßnahmen setzte, um den Schimmelbefall zu verhindern.

[6]       Zum Jahreswechsel 2016/2017 gaben sie gegenüber dem Beklagten an, aufgrund des Schimmelbefalls mit der vollständigen Zahlung der Miete nicht einverstanden zu sein. Obwohl es zu keiner Einigung über die Verringerung des Mietzinses kam, zahlten die Kläger weiterhin die vereinbarte Miete vollständig und gingen im Hinblick auf ihre bestehende Freundschaft mit dem Beklagten und dessen Frau davon aus, dass sie sich in der Folge noch einigen würden.

[7]       Die Kläger wohnten durchgehend in der Wohnung. Ab Sommer 2016 trat jahreszeitabhängig immer wieder Schimmel in den zwei Kinderzimmern, im Vorzimmer, im Schlafzimmer und im Wohnzimmer auf. In welchem „genauen“ Ausmaß zwischen Sommer 2016 und dem Auszug der Kläger Anfang 2018 Schimmel auftrat, kann nicht festgestellt werden. „Ob die Heizung während des gesamten Bestandverhältnisses ordnungsgemäß funktionierte und welchen Einfluss dies auf das Auftreten des Schimmels hatte, kann nicht festgestellt werden.“

[8]       Die Kläger begehren – soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz – vom Beklagten eine Mietzinsminderung von 75 % der Bruttomiete von monatlich 1.456,40 EUR für den Zeitraum Mai 2016 bis einschließlich Dezember 2017, insgesamt 21.846 EUR. Sie brachten zusammengefasst vor, die Wohnung habe sich nicht in brauchbarem und ordnungsgemäßem Zustand befunden. Bereits im Sommer 2016 hätten sie massive Schimmelbildung beanstandet, deren Ursache ein schon vorher bekannter Baumangel und die unterdimensionierte und nicht voll funktionsfähige Heizung gewesen seien. Trotz mehrfacher Rügen habe der Beklagte den Grund für den Schimmel nicht herausfinden und beheben lassen, sondern diesen auf ihr falsches Lüftungsverhalten zurückgeführt. Ein „richtiges“ Benützungsverhalten hätten sie nie besprochen. Ein von ihnen im Herbst 2016 in Auftrag gegebenes Gutachten habe kein Fehlverhalten von ihnen, sondern als Ursache der Schimmelbildung aufsteigende Grundfeuchte und eine daraus resultierende Wärmebrücke festgestellt; ohne Änderung oder Sanierung der Bausubstanz bzw der Heizung würde diese immer bestehen und besonders im Winter bei normaler Wohnnutzung zu raumklimatischen Problemen führen.

[9]       Der Beklagte wendete diesbezüglich ein, bei Übergabe des Mietgegenstands im Mai 2016 sei keine die bedungene Brauchbarkeit beeinträchtigende Feuchtigkeit vorhanden gewesen. Die Heizung habe während des gesamten Bestandverhältnisses ordnungsgemäß funktioniert. Die Kläger hätten die Feuchtigkeit/Schimmelbildung durch ihr Wohnverhalten selbst schuldhaft verursacht, worauf er sie wiederholt hingewiesen habe, weshalb ihnen kein Mietzinsminderungsanspruch zustehe. Zu Beginn des Mietverhältnisses hätten sie die Wohnung neu ausgemalt, anschließend sofort bezogen und so vollgeräumt, dass die Wände und Heizkörper verstellt worden seien. Dadurch sei die notwendige Durchlüftung und Heizung nicht gewährleistet gewesen und die Feuchtigkeits- und Schimmelbildung gefördert worden. Da die Kläger während des Bestandverhältnisses keine Mietzinsminderung geltend gemacht und die Mietzinse vorbehaltlos geleistet hätten, stehe ihnen kein Zinsminderungsanspruch zu.

[10]     Das Erstgericht erkannte das Mietzinsminderungsbegehren im Umfang von 50 % für die gesamte Dauer des Bestandverhältnisses für berechtigt. Aufgrund der starken Feuchtigkeitsbelastung durch das Fehlen einer horizontalen Abdichtung hätte die Wohnung nur mit erhöhtem Aufwand mit dem „richtigen“ Benützungsverhalten ohne Schimmelbildung bewohnt werden können. Sie sei daher bei Übergabe und während des Mietverhältnisses ohne Schuld der Mieter derart mangelhaft gewesen, dass sie zum bedungenen Gebrauch – dem Bewohnen durch eine Familie mit zwei Kindern und einem Hund – nicht uneingeschränkt tauglich gewesen wäre. Das „richtige“ Nutzungsverhalten – ständige Kontrolle von Raumtemperatur und Raumluftfeuchtigkeit und deren Regelung im Bedarfsfall, Abstand der Möbel von mindestens 20 cm zu den feuchtigkeitsbelasteten Wänden, drei bis vier Mal tägliches oder auch öfteres Stoßlüften für fünf bis zehn Minuten – sei keiner der Parteien bekannt gewesen, übersteige jedenfalls das Ausmaß des Üblichen und sei für eine Familie mit Kindern und zwei berufstätigen Elternteilen nicht zumutbar. Den Klägern sei nicht vorzuwerfen, dass ihr tatsächliches Verhalten nicht dem erst nachträglich durch ein Sachverständigengutachten festgestellten notwendigen Nutzungsverhalten entsprochen habe. Sie hätten während des Mietverhältnisses keine Anhaltspunkte dafür gehabt, welches Nutzungsverhalten notwendig gewesen wäre, um den Schimmelbefall zu verhindern. Sie hätten den Schimmelbefall mehrfach erfolglos beim Beklagten angezeigt und anklingen lassen, mit der vollständigen Bezahlung der Miete nicht einverstanden zu sein. Im Gesamtzusammenhang sei nicht von einem konkludenten Verzicht auf Mietzinsminderungsansprüche auszugehen. Zunächst sei den Klägern die Ursache des Schimmels nicht klar gewesen, nach der Kenntnis hätten sie aufgrund ihrer Freundschaft mit dem Beklagten darauf vertraut, sich noch einig zu werden. Zwar sei das gesamte Ausmaß des Schimmelbefalls während des Mietverhältnisses nicht feststellbar gewesen. Der die bedungene Brauchbarkeit der Wohnung einschränkende Mangel sei die Feuchtigkeitsbelastung des Mauerwerks, durch die der Schimmelbefall in Kombination mit dem Nutzungsverhalten der Kläger ausgelöst worden sei. Da dieser Mangel fortwährend vorgelegen sei, stehe auch für die gesamte Dauer des Mietverhältnisses der Mietzinsminderungsanspruch zu. Da aufgrund der Feuchtigkeitsbelastung des Mauerwerks jahreszeitabhängig immer wieder Schimmel in den zwei Kinderzimmern, im Vorzimmer, im Schlafzimmer und im Wohnzimmer aufgetreten sei, sei eine Mietzinsminderung von 50 % (des monatlichen Bruttomietzinses) angemessen.

[11]     Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Parteien teilweise Folge, sprach aus, dass die Klageforderung mit 16.760,03 EUR, die (eingewendete) Gegenforderung mit 1.344 EUR zu Recht bestehe und erkannte den Beklagten schuldig, den Klägern 15.416,03 EUR sA zu zahlen. Das Mehrbegehren von 26.795,40 EUR sA (rechnerisch richtig: 26.795,60 EUR) wies es ab. Rechtlich führte es zum Mietzinsminderungsrecht aus, die Kläger hätten bereits seit Sommer 2016 gewusst, dass es im Bestandobjekt geschimmelt habe; sie hätten dies auch wiederholt gegenüber dem Beklagten bemängelt. Dennoch hätten sie im Zeitraum Mai bis Dezember 2016 den gesamten Mietzins ohne jeden Vorbehalt gezahlt. Erst im Rahmen eines Gesprächs zum Jahreswechsel 2016/2017 hätten sie gegenüber dem Beklagten anklingen lassen, mit der vollständigen Zahlung des Mietzinses nicht einverstanden zu sein. Ein redlicher Erklärungsempfänger hätte dies zweifelsfrei dahin verstehen müssen, dass weitere Mietzinszahlungen nur unter Vorbehalt erfolgen würden. Ab Jänner 2017 bestehe ihr Anspruch auf Mietzinsminderung, für die Zeit davor gebühre ihnen „im Hinblick auf ihre vorbehaltlose Zahlung trotz Kenntnis vom Schimmelbefall kein solcher Anspruch“. Die behauptete geringe Heizleistung sei kein Grund für einen Mietzinsminderungsanspruch, stehe doch nicht fest, ob die Heizung während des Bestandverhältnisses ordnungsgemäß funktioniert habe und welchen Einfluss dies auf das Auftreten des Schimmels gehabt habe. Da nicht jeder Raum (Küche, Bad, WC) und nicht jede Wand betroffen und die Schimmelbelastung je nach Jahreszeit unterschiedlich stark ausgeprägt und eine dadurch gegebene Gesundheitsbelastung nicht feststellbar gewesen sei, erscheine eine Mietzinsminderung von 50 % nicht korrekturbedürftig.

[12]     Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil speziell der Frage, ob in der vorbehaltlosen Zahlung des vollen Mietzinses auch dann ein Verzicht auf den gesamten Mietzinsminderungsanspruch zu erblicken sei, wenn der Mieter – wie hier – zwar in Kenntnis des Schimmels, nicht aber dessen Ursache sei, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

[13]     Die dagegen von den Klägern erhobene Revision – die vom Beklagten beantwortet wurde – ist zulässig, weil die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, den Klägern stehe im Hinblick auf ihre vorbehaltlose Zahlung im Jahr 2016 kein Mietzinsminderungsanspruch zu, nicht zutrifft. Sie ist auch teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[14]     1. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über eine Beweisrüge ist mangelfrei, wenn es nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung anstellt und in seinem Urteil festhält (RIS-Justiz RS0043150 [T1]; vgl RS0042993 [T2]). Dem hat das Berufungsgericht entgegen den Behauptungen der Kläger entsprochen. Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor, was gemäß § 510 Abs 3 ZPO keiner weiteren Begründung bedarf.

[15]     2. Die Beweislast dafür, dass ein Mangel vorliegt, der eine Zinsminderung rechtfertigt, trifft den Bestandnehmer (RS0021416 [T1]). Die Kläger konnten nicht nachweisen, dass die von ihnen behauptete zu geringe Raumtemperatur auf eine Fehlfunktion der Heizung zurückzuführen ist. Vielmehr konnten sie die Tatsacheninstanzen nicht von einer Fehlfunktion der Heizung überzeugen, sodass ihnen aus diesem Grund keine Mietzinsminderung zusteht.

[16]     3.1. Nach § 1096 Abs 1 zweiter Satz ABGB wird der Bestandnehmer für die Dauer und in dem Maße der Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts von der Entrichtung des Mietzinses befreit, wenn dieses schon bei der Übergabe so mangelhaft war oder während der Bestandzeit ohne Verschulden des Bestandnehmers derart mangelhaft wurde, dass es zum bedungenen Gebrauch nicht taugt. Diese Zinsbefreiung (Zinsminderung) tritt ex lege ein und besteht ab Beginn der Unbrauchbarkeit oder Gebrauchsbeeinträchtigung des Bestandgegenstands bis zu deren Behebung (RS0021326; RS0021457 [T4, T7]; RS0107866). Bestandzinsüberzahlungen können in solchen Fällen nach § 1431 ABGB zurückgefordert und/oder gegen laufende oder spätere Mietzinsforderungen aufgerechnet werden (RS0021337 [T2]). Die vorbehaltlose und ohne Irrtum (auch Rechtsirrtum) erfolgte Zahlung des Mietzinses in Kenntnis des bestehenden, die Brauchbarkeit des Bestandobjekts beeinträchtigenden Mangels kann jedoch unter Umständen (nach Maßgabe des § 863 ABGB) als konkludenter Verzicht auf den Mietzinsminderungsanspruch gewertet werden, der auch die Rückforderung nach § 1431 ABGB ausschließt (RS0021408 [T7, T8, T10]).

[17]     Keine Mietzinsminderung steht dann zu, wenn die Gebrauchsbeeinträchtigung vom Bestandnehmer zu vertreten ist, er insbesondere den Mangel selbst (rechtswidrig) verursacht hat, ohne seine Schuldlosigkeit zu beweisen (RS0021331).

[18]     3.2. Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts liegt in der vollständigen Zahlung des Mietzinses auch im Jahr 2016 kein stillschweigender Verzicht auf eine Zinsminderung. Nach den Feststellungen entdeckten die Kläger die Schimmelbildung erst im Sommer 2016. Auf ihre wiederholten Reklamationen hielt ihnen der Beklagte vor, dass das Auftreten des Schimmels auf ihr Nutzungsverhalten zurückzuführen sei. Erstmals nach Übermittlung der Ergebnisse der von ihnen beauftragten Ziviltechnikerin im Herbst 2016, dass sie weder ein unübliches oder unvorteilhaftes Lüftungsverhalten setzten, sondern vielmehr regelmäßig ein bis drei Mal pro Tag lüfteten, konnte ihnen klar sein, dass die Behauptung des Beklagten über ihr falsches Nutzungsverhalten nicht zutreffen dürfte. Sie sprachen ihn daraufhin zum Jahreswechsel 2016/2017 an, dass sie aufgrund des Schimmelbefalls nicht mehr die volle Miete zahlen wollen und gingen aufgrund der damals noch bestehenden Freundschaft von einer künftigen Einigung aus. Da die Kläger – entsprechend dem Vorwurf des Beklagten – im Jahr 2016 von einem ihnen angelasteten falschen Lüftungsverhalten ausgehen mussten und damit von ihrem Fehlverhalten, kann in der dennoch erfolgten Mietzinszahlung kein konkludenter Verzicht auf die Mietzinsminderung erblickt werden. Durch ihre wiederholte Rüge der Schimmelbildung (auch im Jahr 2016) musste dem Beklagten bewusst sein, dass sie diesen Umstand gerade nicht akzeptierten. Ihnen steht daher – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – mangels schlüssigen Verzichts auch im Jahr 2016 ein Mietzinsminderungsanspruch zu.

[19]     4.1. Schimmelbildung ist ein ernster Schaden des Hauses, der zur Mietzinsminderung berechtigt (3 Ob 286/05p mwN). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Mieter mit dem Auftreten von Schimmelbildung in Wohnräumen weder bei Beginn des Mietverhältnisses noch im Laufe der Zeit zu rechnen braucht. Schimmelbildung kann, wenngleich je nach Art und Ausmaß, so doch, wenn sie nicht bloß oberflächlich ist, sogar gesundheitliche Nachteile nach sich ziehen. Daher ist grundsätzlich auch davon auszugehen, dass Schimmel der (mittleren) Brauchbarkeit entgegensteht (8 Ob 34/17h). Wird – wie im vorliegenden Fall – ein Objekt zu Wohnzwecken vermietet, hat der Vermieter dafür einzustehen, dass es in ortsüblicher Weise auch dafür genutzt werden darf und nutzbar ist. Bei der üblicherweise anzunehmenden, durchschnittlichen Brauchbarkeit eines als Wohnung vermieteten Bestandobjekts wird der Mieter daher auch erwarten können, dass mit einem durchschnittlichen Lüften das Auslangen gefunden werden kann. Ist ein darüber hinausgehendes Lüftungsverhalten erforderlich, um Schimmelbildung zu verhindern, wird in der Regel davon auszugehen sein, dass dies an der Beschaffenheit des Bestandobjekts, nicht aber am normalen Wohnverhalten des Bestandnehmers liegt. Kann Schimmelbildung nicht mit einem normalen Lüftungsverhalten verändert werden, ist dies daher dem Vermieter, nicht dem Mieter zuzurechnen (8 Ob 34/17h).

[20]     4.2. Ursächlich für die Schimmelbildung war (speziell) die starke Feuchtigkeitsbelastung des Mauerwerks durch das Fehlen einer horizontalen Abdichtung. Die Kläger hielten ein übliches und normales Lüftungsverhalten ein. Dennoch trat während des Mietverhältnisses ab Sommer 2016 immer wieder Schimmel in den zwei Kinderzimmern, im Vorzimmer, im Wohnzimmer und im Schlafzimmer auf. Das „genaue“ Ausmaß des Schimmels konnte nicht festgestellt werden. Der Schimmel zeigte sich an den Wänden und am daran „situierten“ Mobiliar. Teilweise war der Wandputz im Sockelbereich angeschimmelt, hauptsächlich handelte es sich jedoch um Schimmelschäden am Mobiliar und an den darin befindlichen Kleidungsstücken. Die Beurteilung des Erstgerichts, die vom Beklagten in seiner Berufung nicht beanstandet wurde, dass den Klägern eine Mietzinsminderung von 50 % zusteht, ist daher zu teilen. Die Kläger konnten große Teile der Wohnung – je nach Jahreszeit – nur eingeschränkt nutzen. Die Mietzinsminderung steht ihnen ab dem Zeitpunkt der Gebrauchsbeeinträchtigung durch die Schimmelbildung – ab 1. 7. 2016 („Sommer 2016“) – zu.

[21]     Wenn sie aber eine Mietzinsminderung im Ausmaß von 75 % anstreben, legen sie nicht dar, welche Umstände eine solch hohe Mietzinsreduktion rechtfertigen könnten.

[22]     5. Der Revision ist daher teilweise hinsichtlich eines weiteren Mietzinsminderungsbegehrens im Umfang von 50 % des (gezahlten) monatlichen Bruttomietzinses für den Zeitraum 1. 7. 2016 bis einschließlich Dezember 2016 (sechs Monate á 728,20 EUR = 4.369,20 EUR) berechtigt.

[23]     6. Die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen macht eine Neubestimmung der Kosten des gesamten Verfahrens erforderlich.

[24]     6.1. Im erstinstanzlichen Verfahren haben die Kläger im ersten Verfahrensabschnitt bis zur Klageausdehnung mit rund 53 % obsiegt und im zweiten Verfahrensabschnitt ab ihrer Klageausdehnung mit knapp 47 %. Gemäß § 43 Abs 1 Satz 1 ZPO ist in beiden Verfahrensabschnitten mit Kostenaufhebung vorzugehen; den Streitteilen steht nach § 43 Abs 1 Satz 3 ZPO jeweils die Hälfte der Barauslagen zu. An Sachverständigengebühr zahlten die Klägern nur 858 EUR (anstatt wie verzeichnet 1.500 EUR). Da ihnen (bereits rechtskräftig) die Kosten eines Privatgutachtens von 1.260 EUR zugesprochen wurden, kommt ein Ersatz dieser nochmals in der Kostennote verzeichneten Kosten nicht in Betracht. Saldiert ergibt das einen Kostenzuspruch an die Kläger von 1.529,12 EUR.

[25]     6.2. Im Berufungsverfahren sind die Kläger mit ihrer Berufung nur zu 43 % durchgedrungen. Sie erhalten entsprechend § 43 Abs 1 iVm § 50 ZPO vom Beklagten 43 % der gerichtlichen Pauschalgebühr, müssen ihm aber 14 % der Kosten seiner Berufungsbeantwortung ersetzen. Der Beklagte ist mit seiner Berufung nur im Umfang von 10 % erfolgreich gewesen, sodass er gemäß § 43 Abs 2 1. Fall iVm § 50 ZPO den Klägern die Kosten deren Berufungsbeantwortung ersetzen muss. Zusammengerechnet errechnet sich im Berufungsverfahren ein Kostenersatzanspruch der Kläger von 1.946,90 EUR.

[26]     6.3. Die Kläger waren mit ihrer Revision nur im Ausmaß von 33,33 % erfolgreich. Sie erhalten gemäß § 43 Abs 1 iVm § 50 ZPO ein Drittel der Gerichtsgebühr, müssen dem Beklagten aber ein Drittel der Kosten seiner Revisionsbeantwortung ersetzen. Saldiert errechnet sich ein Kostenzuspruch an die Kläger von 151,55 EUR.

Textnummer

E131813

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00055.21A.0504.000

Im RIS seit

11.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

19.10.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten