TE OGH 2021/1/27 9Ob66/20a

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Veröffentlicht am 27.01.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau, Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei R*****, vertreten durch die KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über den Rekurs der beklagen Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 19. November 2020, GZ 13 Nc 15/20k-2, mit dem der Ablehnungsantrag der beklagten Partei zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.831,68 EUR (darin 305,28 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1]       Die Klägerin ist ein gemäß § 29 Abs 1 KSchG klagebefugter Verband, die Beklagte ein Luftverkehrsunternehmen. Im Ausgangsverfahren nimmt die Klägerin mit ihrer Verbandsklage gemäß §§ 28 ff KSchG die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung von in der Klage näher bezeichneter Klauseln im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in Anspruch.

[2]       Das Handelsgericht Wien gab dem Klagebegehren mit Urteil vom 23. 7. 2020 teilweise statt.

[3]            Über die Berufungen beider Parteien gegen dieses Urteil hat das Oberlandesgericht Wien zu AZ 1 R 131/20x zu entscheiden. Dem in der Sache entscheidenden Senat 1 gehört die Richterin des Oberlandesgerichts Mag. *****, an.

[4]            Diese teilte den Parteien mit, dass einer ihrer Angehörigen seit vielen Jahren Mitarbeiter der Klägerin sei, dies jedoch nicht im Bereich Konsumentenschutz und ohne Bezug seines Tätigkeitsfelds zum vorliegenden Verfahren. Sie fühle sich zwar subjektiv nicht befangen, den Parteien werde aber Gelegenheit zur Äußerung gegeben.

[5]            Innerhalb der dafür eingeräumten Frist erklärte die Beklagte, es sei naheliegend, dass die richterliche Objektivität nicht mehr ausreichend gesichert sei, wenn einer der Streitteile der langjährige Dienstgeber eines Angehörigen der Richterin sei. Dadurch bestünden private persönliche Beziehungen der Richterin zu einer der Prozessparteien. Dieser Umstand reiche grundsätzlich aus, die Befangenheit mit Grund befürchten zu müssen oder anzunehmen, dass der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen könnte.

[6]            In ihrer Stellungnahme zum Befangenheitsantrag der Beklagten erklärte die abgelehnte Richterin, dass ihr Lebensgefährte seit 17 Jahren Mitarbeiter der Beklagten sei, aber in einem Tätigkeitsfeld ohne Bezug zum vorliegenden Verfahren.

[7]            Das Oberlandesgericht Wien wies den Ablehnungsantrag der Beklagten zurück. Auch wenn bei Prüfung der Befangenheit im Interesse der Justiz ein strenger Maßstab anzulegen sei und schon der Anschein einer Befangenheit genüge, könne im vorliegenden Fall keine Befangenheit der abgelehnten Richterin abgeleitet werden. Der Lebensgefährte der Richterin sei als „bloßer“ Mitarbeiter weder mit der Geschäftsführung der Klägerin betraut, noch vertrete er diese. Er sei mit der gegenständlichen Rechtssache auch nicht befasst. Ein Eigeninteresse der abgelehnten Richterin am Ausgang dieses Verfahrens sei ebenfalls nicht erkennbar, könne damit doch weder das wirtschaftliche noch das berufliche Fortkommen des Lebensgefährten der abgelehnten Richterin gefördert oder beeinträchtigt werden.

[8]            Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, dem Ablehnungsantrag gegen die Richterin des Oberlandesgerichts Mag. *****, stattzugeben.

Rechtliche Beurteilung

[9]       Der Rekurs ist zulässig (§ 24 Abs 2 JN), jedoch nicht berechtigt.

[10]     Ein Richter ist nach § 19 Z 2 JN befangen, wenn Umstände vorliegen, die es nach objektiver Prüfung und Beurteilung rechtfertigen, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen (RS0046024 [T2]). Bei der Prüfung der Unbefangenheit ist im Interesse des Ansehens der Justiz ein strenger Maßstab anzulegen (RS0045949). Es genügt, dass eine Befangenheit mit Grund befürchtet werden muss – auch wenn der Richter tatsächlich unbefangen sein sollte – oder dass bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen könnte (RS0109379 [T7]; RS0046024 [T5, T7]; RS0046052).

[11]     In erster Linie kommen als Befangenheitsgründe private persönliche Beziehungen zu den Prozessparteien bzw Zeugen oder ihren Vertretern in Betracht, die ein Naheverhältnis begründen, das bei objektiver Betrachtung zumindest geeignet ist, den Anschein der Voreingenommenheit hervorzurufen (RS0045935). Das Ablehnungsverfahren soll aber nicht die Möglichkeit bieten, sich nicht genehmer Richter zu entledigen (RS0111290; RS0109379). Solange nicht Sachverhalte dargetan werden, die das Gegenteil annehmen lassen, spricht die Vermutung für die Unparteilichkeit eines Richters (RS0046129 [T1, T2]).

[12]           Ausreichende Gründe, die bei objektiver Betrachtung die Befürchtung erwecken könnten, die abgelehnte Richterin würde sich bei ihrer Abstimmung im Senat von unsachlichen Motiven leiten lassen, liegen hier nicht vor. Das bloße Vorliegen eines Dienstverhältnisses des Lebensgefährten der abgelehnten Richterin zum klagenden Verband, ohne dass dieser in seinem Tätigkeitsfeld einen Bezug zum gegenständlichen, dem Bereich Konsumentenschutz zugehörigen, Ausgangsverfahren hat, begründet auch nicht den Anschein, dass die abgelehnte Richterin bei ihrer Abstimmung im Berufungssenat durch unsachliche psychologische Motive gehemmt wäre (vgl RS0045975; 9 Ob 31/20d Pkt 2.). Weder im Ablehnungsantrag noch im Rekurs der Beklagten wird dargetan, weshalb der Lebensgefährte der abgelehnten Richterin als „bloßer“ Dienstnehmer der Klägerin ein Eigeninteresse am Prozessausgang des zwischen den Parteien anhängigen Verbandsverfahrens haben sollte, das letztlich zum Anschein einer Voreingenommenheit der abgelehnten Richterin führen könnte, zumal von einem Richter eine professionelle Trennung zwischen beruflichen und privaten Beziehungen erwartet werden können muss (RS0045944 [T3]).

[13]           Dem Rekurs der Beklagten war daher nicht Folge zu geben.

[14]           Die Kostenentscheidung in diesem Zwischenstreit gründet sich auf § 52 Abs 1 letzter Satz iVm § 41 Abs 1 ZPO (RS0126588).

Textnummer

E130704

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0090OB00066.20A.0127.000

Im RIS seit

19.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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