TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/19 W279 2231373-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.11.2020
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Entscheidungsdatum

19.11.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch


W279 2231373-4/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KOREN im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX über die weitere Anhaltung in Schubhaft von XXXX , geb. XXXX , StA. INDIEN, zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG iVm § 76 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) stellte am 07.11.2015 in Österreich seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 22.12.2016 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vollinhaltlich abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Indien zulässig sei. Als Frist für die freiwillige Ausreise wurden 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.05.2017 als verspätet zurückgewiesen, der Antrag des BF auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 20.03.2017 abgewiesen, die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.05.2017 abgewiesen.

2. Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und tauchte unter. Am 02.07.2019 stellte er einen Asylfolgeantrag, diesem Verfahren entzog er sich neuerlich durch Untertauchen. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 10.02.2020 wurde der Asylfolgeantrag vollinhaltlich zurückgewiesen und dem BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt. Gleichzeitig wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass seine Abschiebung nach Indien zulässig sei und ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

3. Am 02.03.2020 wurde gegen den BF ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z. 3 BFA-Verfahrensgesetz (im Folgenden: BFA-VG) erlassen und der BF am 24.05.2020 festgenommen.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 25.05.2020 wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (im Folgenden: FPG) Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung über den BF angeordnet. Seither wird der BF in Schubhaft angehalten.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.06.2020 wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde abgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft vorliegen.

5. Am 16.07.2020 wurde der BF einer Delegation der indischen Vertretungsbehörde vorgeführt. Die vom BF dabei bekannt gegebenen Daten werden derzeit von den indischen Behörden überprüft.

6. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.09.2020 wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig war.

7. Am 22.10.2020 gab das Bundesamt bekannt, dass die indische Botschaft die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zugesichert hat.

8. Mit Erkenntnis W281 2231373-3/5E des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.10.2020 wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig war.

9. Am 03.11.2020 erkundigt sich ein Rechtsanwalt telefonisch, ob der BF freigelassen werde.

10.Am 05.11.2020 stellt der BF neuerlich einen Asylantrag. Die Schubhaft wurde mit einem ausführlich und nachvollziehbar begründeten Aktenvermerk nach §76 Abs. 6 FPG fortgesetzt. Der faktische Abschiebeschutz wurde aberkannt, wogegen der BF Beschwerde eingebracht hat.

11. Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht am 12.11.2020 die Akten gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF und zu den allgemeinen Voraussetzungen der Schubhaft:

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist volljährig und Staatsangehöriger Indiens. Seine Identität steht fest. Er ist nicht österreichischer Staatsbürger, Asylwerber oder subsidiär Schutzberechtigter. Der Beschwerdeführer verfügt nicht über einen Aufenthaltstitel in Österreich.

1.1.2. Der Beschwerdeführer ist unbescholten.

1.1.3. Der BF leidet an keinen wesentlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, er ist haftfähig. Er hat in Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

1.1.4. Der BF wird seit 25.05.2020 in Schubhaft angehalten.

1.2. Zur Fluchtgefahr, zum Sicherungsbedarf und zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft

1.2.1. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 22.12.2016 wies das Bundesamt den Antrag auf internationalen Schutz vom 07.11.2015 ab. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft, die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 05.05.2017 als verspätet zurück und ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist blieb erfolglos (Abweisung des Antrages mit Bescheid des BFA vom 20.03.2017, Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.05.2017).

Am 02.07.2019 stellte der BF einen Folgeantrag, welche das Bundesamtes mit Bescheid vom 10.02.2020 wegen entschiedener Sache zurückwies. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 10.02.2020 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung sowie ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Gegen diesen Bescheid brachte der BF keine Beschwerde ein.

1.2.2. Im Zeitraum vom 21.06.2018 bis Ende Juni 2019 war der Beschwerdeführer entweder untergetaucht in Österreich oder befand sich in Indien, wobei die Wiedereinreise nach Österreich illegal erfolgte.

Der Beschwerdeführer war vom 21.06.2018 bis zum 23.07.2019 im Bundesgebiet nicht gemeldet. Ab 23.07.2019 war der Beschwerdeführer in Wien an einer Adresse gemeldet.

Der BF stellte am 02.07.2019 einen unbegründeten Asylfolgeantrag um seine Abschiebung zumindest zu verzögern. Der Beschwerdeführer war während des anhängigen Asylverfahrens (betreffend einen Folgeantrag) ab 29.01.2020 nicht mehr behördlich gemeldet. Bereits seit September 2019 war er an der bekanntgegebenen Wohnadresse nicht mehr wohnhaft. Er war für die Behörde nicht erreichbar und war untergetaucht.

1.2.3. Der BF verfügt in Österreich über keine familiären und nennenswerten sozialen Anknüpfungspunkte. Er ging in Österreich zuletzt keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, er finanzierte sich seinen Unterhalt durch gelegentliche Schwarzarbeit als Reklameverteiler. Der BF hatte im Zeitpunkt seiner Festnahme keinen gesicherten Wohnsitz in Österreich, er war zu diesem Zeitpunkt im Bundesgebiet nicht gemeldet. Der BF verfügt in Österreich über keine ausreichenden finanziellen Mittel zur nachhaltigen Existenzsicherung, er ist nicht selbsterhaltungsfähig. Der BF weist keine besonderen Integrationsmerkmale auf. Der Beschwerdeführer spricht nicht Deutsch.

1.2.4. Das Bundesamt ist seiner Verpflichtung, auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, nachgekommen; es hat rechtzeitig und zielführend ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats für den BF mit der indischen Vertretungsbehörde eingeleitet. Der BF wurde am 16.07.2020 einer Delegation der indischen Vertretungsbehörde vorgeführt. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates wurde vom Bundesamt am 04.08.2020, 10.08.2020, 14.09.2020 und am 08.10.2020 urgiert. Am 22.10.2020 wurde die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zugesichert.

Es ist damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit COVID-19 jedenfalls innerhalb der Schubhafthöchstdauer soweit gelockert sind, dass Abschiebungen innerhalb dieses Zeitraumes durchführbar sind. Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie führten weltweit zu weitreichenden Einschränkungen, wovon insbesondere auch der Reiseverkehr betroffen war und ist. Selbst für den Fall, dass die Aussetzung des internationalen Flugverkehrs weiter verlängert werden sollte, ist die realistische Möglichkeit, dass der Beschwerdeführer innerhalb der gesetzlich zulässigen Anhaltedauer in Schubhaft nach Indien abgeschoben werden kann weiter gegeben.

1.2.5. Der BF wurde am 04.08.2020 darüber belehrt, dass er jederzeit einen Antrag auf freiwillige Rückkehr stellen kann. Bis dato hat der BF einen solchen Antrag nicht gestellt.

1.2.6. Der BF hat neuerlich einen Asylantrag eingebracht. Dem Verfahren wird zugrunde gelegt, dass der BF diesen in Absicht der Verzögerung seiner Abschiebung gestellt hat.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, dem vorliegenden Gerichtsakt sowie den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes die Asylverfahren sowie das Schubhaftverfahren des BF (betreffend W202 2152581-1, W202 2152581-2, W180 2231373-1, W250 2231373-2, W281 2231373-3/5E).

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes die asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren sowie das bisherige Schubhaftverfahren des BF betreffend, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

2.1. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1.1. Aus dem Verwaltungsakt sowie den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes ergibt sich, dass der BF bisher keine Dokumente zum Nachweis seiner Identität vorgelegt hat. An seiner Volljährigkeit besteht jedoch kein Zweifel und wird die Minderjährigkeit auch vom BF nicht behauptet. Hinsichtlich der Feststellung der Staatsangehörigkeit des BF übernimmt das Gericht die diesbezügliche Feststellung des angefochtenen Bescheides bzw. der Asylbescheide vom 22.12.2016 und 10.02.2020, die ebenso von dieser Staatsangehörigkeit ausgehen. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer nicht Staatsangehöriger Indiens ist, sind nicht hervorgekommen. Die indische Botschaft hat am 22.10.2020 die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zugesichert und somit von einer geklärten Identität ausgegangen werden kann. Im bisherigen Verfahren haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der BF die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Da seine bisherigen Asylanträge in Österreich ab- bzw. zurückgewiesen wurden, handelt es sich beim BF weder um einen Asylberechtigten noch um einen subsidiär Schutzberechtigten.

2.1.2. Die Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus dem Strafregister.

2.1.3. Die Feststellung zum Gesundheitszustand des BF stützt sich auf seine diesbezüglichen Aussagen im Asylverfahren und im Schubhaftverfahren. Der BF gab jeweils an, gesund zu sein. Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht der Fall ist, sind auch der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres nicht zu entnehmen. Gegenteiliges wurde auch in der Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid nicht behauptet. Dass der BF Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft.

2.1.4. Dass der BF seit 25.05.2020 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

2.2. Zur Fluchtgefahr, zum Sicherungsbedarf und zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft

2.2.1. Die Feststellungen zu den Bescheiden (22.12.2016 und 20.03.2017) und dem Erkenntnis vom 05.05.2017, ergeben sich aus eben diesen und den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes (W202 2152581-1 und W202 2152581-2). Die Feststellungen zu der mit Bescheid des Bundesamtes vom 10.02.2020 erlassenen Rückkehrentscheidung und dem auf die Dauer von fünf Jahren befristet erlassenen Einreiseverbot beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes (W180 2231373-1). Das Vorliegen dieser Rückkehrentscheidung wurde auch in der Schubhaftbeschwerde des BF (W180 2231373-1) nicht bestritten.

2.2.2. Für die Zwecke des vorliegenden Schubhaftverfahrens kann aus Sicht des Gerichts die Frage, ob der Beschwerdeführer zunächst nach Indien zurückkehrte unbeantwortet bleiben: Selbst wenn dies der Fall war, relativiert sich ein damit einhergehendes Befolgen der aus dem Bescheid vom 22.12.2016 herrührenden Rückkehrverpflichtung (im Übrigen mit mehrmonatiger Verspätung: die Frist zur freiwilligen Ausreise endete bereits Ende Jänner 2017) nämlich maßgeblich dadurch, dass der Beschwerdeführer in der Folge illegal und schlepperunterstützt wieder ins Bundesgebiet eingereist wäre. Das Gericht trifft daher die alternativen Feststellungen, dass der Beschwerdeführer im besagten Zeitraum entweder in Österreich untergetaucht oder in Indien war, um dann wiederum illegal nach Österreich einzureisen. Eine gerichtliche Klärung der Frage, wo sich der Beschwerdeführende im besagten Zeitraum aufgehalten hat, war im vorliegenden Schubhaftfall nicht erforderlich.

Dass der Beschwerdeführer einen unbegründeten Folgeantrag stellte, ergibt sich daraus, dass sein Antrag rechtskräftig wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde.

Dass sich der BF dem Asylverfahren auf Grund des Folgeantrages vom 02.07.2019 entzogen hat ergibt sich insbesondere daraus, dass der Beschwerdeführer während des zweiten Asylverfahrens ab 29.01.2020 nicht mehr behördlich gemeldet war. Dies ergibt sich aus einem Auszug aus dem zentralen Melderegister. Dass der Beschwerdeführer an der zuletzt gemeldeten Adresse, schon seit September 2019 nicht mehr wohnte, gründet auf einen Erhebungsbericht einer LPD vom 13.02.2020 und auf die Aussagen des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor dem Bundesamt vom 25.05.2020.

2.2.3. Die Feststellungen zu den mangelnden familiären, sozialen und beruflichen Anknüpfungspunkten in Österreich ergeben sich aus den Angaben des BF in der Einvernahme vom 25.05.2020. Dass der Beschwerdeführer insbesondere nicht Deutsch spricht, ergibt sich aus den Einvernahmen in den Asylverfahren; auch in der Einvernahme am 25.05.2020 gab er an, nicht Deutsch zu sprechen.

2.2.4. Die Feststellungen zum Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF ergeben sich aus der Stellungnahme des Bundesamtes vom 15.10.2020 sowie dem vorgelegten Bericht über den Vorführungstermin. Auf Grund der vom Bundesamt mitgeteilten Daten der jeweiligen Urgenzen im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates (vgl. OZ 4 W250 2231373-2 und Beschwerdevorlage vom 15.10.2020) konnte festgestellt werden, dass die Ausstellung eines Heimreisezertifikates laufend und regelmäßig bei der indischen Vertretungsbehörde urgiert wird. Die indische Botschaft hat dabei eine rasche Abklärung zugesichert (vgl. Stellungnahme des Bundesamtes vom 19.10.2020). Am 22.10.2020 hat die indische Botschaft die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zugesichert.

Dass es aufgrund der zum Entscheidungszeitpunkt aktuell vorherrschenden COVID-19 Pandemie zu Verzögerungen hinsichtlich der Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat wegen der vorherrschenden Mobilitätsbeschränkungen kommt, ist evident. Es ist davon auszugehen, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit COVID-19 aufgrund der damit verbundenen massiven Belastungen für Privatpersonen und Wirtschaft realistischer Weise in absehbarer Zeit - jedenfalls innerhalb der Schubhafthöchstdauer - wieder substantiell gelockert werden und eine Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat spätestens dann erfolgen kann. Indien hat am 29.8.2020 die vierte Phase der Öffnung eingeleitet (vgl. https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-infos-indien.html). Seit August 2020 hat Indien den internationalen Flugverkehr wiederaufgenommen. Es bestehen „Flugreisevereinbarungen“ mit mehreren Ländern. Das sind vorübergehende Vereinbarungen zwischen zwei Ländern, die darauf abzielen, den kommerziellen Passagierdienst wiederaufzunehmen, wenn reguläre internationale Flüge aufgrund der COVID-19-Pandemie eingestellt werden (vgl. https://www.civilaviation.gov.in/en/about-air-transport-bubbles). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass auch die Möglichkeit besteht, den BF mittels Charterabschiebung nach Indien zu verbringen, womit das Bundesamt nicht an die Wiederaufnahme der Linienflüge gebunden ist. Eine bereits jetzt bestehende faktische Unmöglichkeit der Abschiebung des BF ist aufgrund des vorliegenden Akteninhaltes nicht ersichtlich.

2.2.5. Dass der BF am 04.08.2020 belehrt wurde ergibt sich aus der Niederschrift vom 04.08.2020 (W250 2231373-2, OZ 3, Aktenvorlage S. 17). Aus den vorgelegten Akten ergibt sich kein Hinweis, dass der BF einen Antrag auf freiwillige Rückkehr gestellt hat.

2.2.6. Die aktuellen Flugeinschränkungen lassen die Abschiebung des BF nicht als a priori unmöglich erscheinen. Es ist allerdings mit einer mehr als wenige Wochen andauernden Verzögerung der Abschiebung zu rechnen.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Zu Spruchteil A) - Fortsetzung der Schubhaft

3.1.1.  Gesetzliche Grundlagen

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

…“

Der mit „Gelinderes Mittel“ betitelte § 77 FPG lautet:

„§ 77. (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
3.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

…“

Der mit „Dauer der Schubhaft“ betitelte § 80 FPG lautet:

„§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.


(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.“

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

„§ 22a. (1) …

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

…“

3.1.2.  Zur Judikatur

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, 2007/21/0498; VwGH 08.09.2005, 2005/21/0301; VwGH 23.09.2010, 2009/21/0280).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (VwGH 17.03.2009, 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (VwGH 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde (VwGH 11.06.2013, 2012/21/0114, vgl. auch VwGH 02.08.2013, 2013/21/0008).

Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (VwGH 22.05.2007, 2006/21/0052; VwGH 29.04.2008, 2008/21/0085; VwGH 28.02.2008, 2007/21/0512; VwGH 28.02.2008 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird. (VwGH 02.08.2013, 2013/21/0008).

In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung nur ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Über vor oder nach der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen (VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0111).

3.1.3.  Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft

Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat das Bundesamt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung vorzulegen. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und festzustellen, ob weiterhin die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft vorliegen.

3.1.3.1. Allgemeine Voraussetzungen

Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich ist.

Der Beschwerdeführer war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin. Für Gegenteiliges gab es im Verfahren keinerlei Anhaltspunkte.

Bereits seit 13.01.2017 bestand gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung. Seit 28.02.2020 besteht gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem auf die Dauer von 5 Jahren befristeten Einreiseverbot.

Er wurde bereits der indischen Vertretungsbehörde am 16.07.2020 vorgeführt. Seine Identität ist geklärt. Am 22.10.2020 wurde die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zugesichert. Es ist mit einer zeitnahen Abschiebung des BF, jedenfalls innerhalb der zulässigen Schubhafthöchstdauer, zu rechnen. Innerhalb dieses Zeitraumes ist es auch realistisch, dass der Flugverkehr nach Indien wiederaufgenommen wird.

3.1.3.2. Fluchtgefahr

Im vorliegenden Fall geht das Gericht auch weiterhin von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus:

Die Tatsache, dass der BF während eines anhängigen Asylverfahrens untergetaucht ist, rechtfertigt aus Sicht des Gerichts die Annahme im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG, dass er sich den Behörden auch nicht zur Durchführung einer Abschiebung zur Verfügung halten wird und sich damit der Abschiebung entziehen oder diese wesentlich erschweren wird. Da sich der BF dem Verfahren auf Grund seines Asyl-Folgeantrages vom 02.07.2019 durch Untertauchen entzogen hat, am Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht mitgewirkt hat und eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegen, sind weiterhin die Tatbestände des § 76 Abs. 3 Z 1 und 3 FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG der Grad der sozialen Verankerung des Fremden in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit bzw. das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen.

Das Verfahren hat keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass im Fall des BF Umstände vorliegen, die wegen seiner Verankerung im Bundesgebiet gegen das Bestehen der Fluchtgefahr sprechen. Er verfügt im Inland über keinerlei enge soziale, berufliche oder familiäre Anknüpfungspunkte und ist auch nicht selbsterhaltungsfähig, weshalb keinerlei soziales Netz vorhanden ist, welches ihn vom Untertauchen abhalten könnte. § 76 Abs. 3 Z 9 FPG liegt daher gegenständlich ebenfalls vor.

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 1, 3 und 9 FPG vor.

3.1.3.3. Sicherungsbedarf

Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Verhängung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Es war daher eine konkrete Einzelfallbeurteilung vorzunehmen welche ergeben hat, dass sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose einen Sicherungsbedarf ergeben haben, da im Fall des BF ein beträchtliches Risiko des neuerlichen Untertauchens gegeben ist.

Es liegt eine den BF betreffende durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme sowie ein Einreisverbot vor. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178). Der BF hat trotz durchsetzbarer Rückkehrentscheidung einen Asyl-Folgeantrag zur Verzögerung seiner Abschiebung gestellt und sich seinem Asylverfahren entzogen.

In Österreich befinden sich weder Familienangehörige des BF noch ist er sonst sozial verankert. Der BF verfügt in Österreich über keinen gefestigten Wohnsitz und auch nicht über ausreichende Mittel zur Existenzsicherung. Einer legalen Beschäftigung ging er in Österreich bisher nicht nach.

Es ist daher auch Sicherungsbedarf gegeben.

3.1.3.4. Verhältnismäßigkeit

Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Der BF verfügt über keine familiären Kontakte in Österreich. Zudem verfügt er über keine substanziellen sozialen Beziehungen im Bundesgebiet. Er ging in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach, ist mittellos und verfügt über keine gesicherte Unterkunft.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände bleibt im Zuge der durchzuführenden Abwägung festzuhalten, dass aufgrund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens (Missachtung der Ausreiseverpflichtung und Untertauchen), besteht ein Verstärktes öffentliches Interesse an einer baldigen Durchsetzung seiner Abschiebung. Auch der Gesundheitszustand des BF steht der weiteren Anhaltung in Schubhaft nicht entgegen.

Es ist mit einer Abschiebung des Beschwerdeführers innerhalb von Monaten zu rechnen. Nach Vorlage der Flugbuchung wird das Heimreisezertifikat ausgestellt. Vorlaufzeiten nach einer positiven Identifizierung sind bei Indien in der Regel mit ein bis zwei Wochen zu veranschlagen.

Im vorliegenden Fall liegt die Verzögerung einer Abschiebung des BF jedoch nicht ausschließlich an den pandemiebedingten Einschränkungen, sondern an der bis 22.10.2020 fehlenden positiven Identifizierung des BF, die für die Ausstellung eines Heimreisezertifikates Grundvoraussetzung ist. Die Zusage zur Ausstellung eines HRZ liegt nun vor und kann bei Verfügbarkeit eines Fluges eine Abschiebung rasch erfolgen.

Zusätzlich steht es dem BF auch frei, freiwillig nach Indien zurückzukehren. Einen entsprechenden Antrag hat er nicht eingebracht, sondern sucht seine Abschiebung mit der Stellung eines weiteren Asylantrages zu verzögern.

Allerdings ist auch aufgrund des bis Anfang Dezember andauernden Lockdowns in Österreich nicht mit einer Abschiebung innerhalb weniger Wochen zu rechnen. In der Gesamtbetrachtung, die auch die Unbescholtenheit des BF entsprechend gewichtet ist jedoch eine weitere Verlängerung der Schubhaft nicht mehr zu rechtfertigen und erweist sich im Moment als nicht verhältnismäßig.

Im Ergebnis liegt Sicherungsbedarf und Fluchtgefahr weiterhin vor, jedoch erweist sich die Anhaltung in Schubhaft als im Moment unverhältnismäßig und hat die Behörde mit einem gelinderen Mittel das Auslangen zu finden.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG iVm §76 FPG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

3.1.4. Entfall der mündlichen Verhandlung

Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungen ergeben hat.

3.2. Zu Spruchteil B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Außerlandesbringung Ausreisewilligkeit Einreiseverbot Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Kooperation Meldeverpflichtung Mittellosigkeit öffentliche Interessen Pandemie private Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Untertauchen unverhältnismäßiger Eingriff Vereitelung Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W279.2231373.4.00

Im RIS seit

02.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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