TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/27 W281 2231864-4

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Veröffentlicht am 27.11.2020
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Entscheidungsdatum

27.11.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch


W281 2231864-4/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Rosemarie HALBARTH-KRAWARIK über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger der Russischen Föderation, wurde in Tschetschenien geboren. Er reiste mit seiner Familie im Alter von fünf Jahren in das Bundesgebiet ein, bekam in Österreich Asyl, wurde mehrfach straffällig, verbüßte in den Jahren 2015 und 2016 eine Haftstrafe und verlor sein Recht auf Asyl.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.05.2017 XXXX wurde dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten aberkannt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass eine Abschiebung in die russische Föderation zulässig ist und ein Einreiseverbot in der Dauer von zwei Jahren verhängt.

Der Beschwerdeführer reiste nicht freiwillig aus und wurde wieder straffällig. Er wurde wegen mehrerer Verbrechen der schweren Körperverletzung, des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung sowie des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt.

Während der Anhaltung in Strafhaft stellte der Beschwerdeführer einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 09.09.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.10.2019 XXXX wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Es besteht gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 04.06.2020 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Nach der Strafhaft und dem unbegründeten Asylantrag wurde der Beschwerdeführer im Anschluss an die Strafhaft am 08.06.2020 in Schubhaft genommen. Der Beschwerdeführer wird seit 08.06.2020 durchgehend in Schubhaft angehalten.

Eine Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.06.2020 XXXX abgewiesen und festgestellt, dass die weitere Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.10.2020 XXXX und vom 02.11.2020 XXXX wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig ist.

5. Am 05.11.2020 langte ein zum Verfahren XXXX protokolliertes Unterstützungsschreiben von XXXX ein, dass sich gegen die Abschiebung und gegen jene Gründe richtet, die zur Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme herangezogen wurden und führte zusammengefasst aus, dass dem BF noch eine Chance geben werden und er nicht abgeschoben werden solle. Es langte auch ein mit 27.10.2020 datiertes, nicht unterschriebenes, computergeschriebenes Scheiben des BF ein, in dem er zusammengefasst darum ersucht, ihm noch eine Chance zu geben und ihn nicht abzuschieben. Es langte auch eine psychologische Stellungnahme vom 10.09.2019 ein sowie auszugsweise Ausführung zur Lage in Tschetschenien, deren Quelle nicht konkret angegeben sind. Diese beiden Unterlagen wurden jedenfalls bereits im Verfahren zu XXXX und die Stellungnahme bereits auch im Verfahren zu XXXX vorgelegt.

6. Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht am 23.11.2020 die Akten gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG vor.

7. Das Innenministerium der Russischen Föderation sichert dem Bundesamt eine Übergabe des Heimreisezertifikates für den 27.11.2020 zu. Die Abschiebung des BF ist für 03.12.2020 geplant.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Sache dieses Verfahrens ist ausschließlich die Feststellung, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

1. Feststellungen:

1.1. Zum bisherigen Verfahrensablauf:

Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger der Russischen Föderation, wurde in Tschetschenien geboren und er reiste mit seiner Familie im Alter von fünf Jahren in das Bundesgebiet ein. Er stellte einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Beschied des Unabhängigen Bundesasylsenats vom 11.05.2004 XXXX wurde einer Berufung des Beschwerdeführers stattgegeben und dem Beschwerdeführer in Ableitung von seiner Mutter der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

Der Beschwerdeführer wurde mehrfach straffällig.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 22.01.2016 wurde dem Beschwerdeführer der zuerkannte Status des Asylberechtigten aberkannt. Ihm wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist. Es wurde eine Frist von zwei Wochen für die freiwillige Ausreise festgesetzt und ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Der Beschwerdeführer wurde am 13.09.2016 erneut von einem Gericht wegen einer Straftat verurteilt.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.05.2017 XXXX wurde das Einreiseverbot auf zwei Jahre herabgesetzt, darüber hinaus wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Gegen dieses Erkenntnis erhob der Beschwerdeführer keine Revision.

Mit Urteil eines Landesgerichts vom 28.06.2018 wurde der Beschwerdeführer erneut verurteilt, da dieser wieder straffällig geworden war. Der Beschwerdeführer verbüßte in Strafhaft eine Freiheitsstrafe.

Während der Anhaltung in Strafhaft stellte der Beschwerdeführer einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 09.09.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.10.2019 XXXX wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Gegen dieses Erkenntnis erhob der Beschwerdeführer keine Revision.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 04.08.2020 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der Beschwerdeführer wurde aus der Strafhaft bedingt am 08.06.2020 entlassen.

Der Beschwerdeführer wird seit 08.06.2020 in Schubhaft angehalten. Eine Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.06.2020 XXXX abgewiesen und festgestellt, dass die weitere Anhaltung in Schubhaft verhältnismäßig ist

Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.10.2020 XXXX und vom 02.11.2020 XXXX wurde jeweils festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die weitere Anhaltung in Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig ist.

Der Beschwerdeführer wurde durch die Botschaft der russischen Föderation als Staatsangehöriger identifiziert. Die Zustimmung der Botschaft liegt vor. Am 03.12.2020 ist eine Charterabschiebung des Beschwerdeführers geplant. Er wurde bereits auf diesen Flug gebucht. Die Übergabe des Heimreisezertifikates wird für 27.11.2020 zugesichert.

1.2. Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

1.2.1. Der Beschwerdeführer besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft nicht, er besitzt auch keine Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates, er ist Staatsangehöriger der russischen Föderation. Der Beschwerdeführer ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

1.2.2. Es besteht gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme.

1.2.3. Der Beschwerdeführer ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor. Der Beschwerdeführer hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

1.3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

3.1. Der Beschwerdeführer weist in Österreich folgende strafgerichtlichen Verurteilungen auf:

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil eines Landesgerichtes vom 06.10.2014 wegen qualifizierter Sachbeschädigung gemäß § 125, 126 Abs. 1 Z 7 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten, bedingt mit einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 08.07.2015 wurde der Beschwerdeführer wegen gefährlicher Drohung gemäß § 107 Abs. 1 StGB zur einer Freiheitsstrafe von zehn Wochen verurteilt, wobei ihm gemäß § 43 Abs. 1 StGB der Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde sowie die Probezeit betreffend die Verurteilung vom 06.10.2014 auf insgesamt fünf Jahre verlängert wurde.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 27.04.2015 eine Frau mit einer Verletzung am Körper zum Nachteil einer Sympathieperson gefährlich bedroht hat um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihr gegenüber mehrmals sinngemäß äußerte, er werde ihrem Freund „nach dem Arbeiten die Fresse polieren“. Mildernd wertete das Gericht das teilweise Geständnis, erschwerend den raschen Rückfall, die Tatbegehung während offener Probezeit und eine einschlägige Verurteilung.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 28.09.2015 wurde der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe wegen wertqualifiziertem gewerbsmäßigem Einbruchsdiebstahls im Rahmen einer Bande in 25 Fällen, wobei es fünf Mal beim Versuch blieb (davon einmal, weil die Alarmanlage anschlug, einmal, weil eine Polizeistreife vorbeifuhr, und einmal, weil am Tatort das gesuchte Bargeld nicht gefunden werden konnte), sowie Körperverletzung in einem Fall gemäß §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4 und 2, 129 Z 1 und 2, 130 vierter Fall, teils in Verbindung mit § 15 StGB, sowie gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 24 Monaten verurteilt, wobei davon 16 Monate gemäß §§ 43 Abs. 1, 43a Abs. 3 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Gleichzeitig wurde die bedingte Strafnachsicht betreffend die Verurteilung vom 06.10.2014 gemäß § 494a Abs. 1 Z 4 StPO im Ausmaß von vier Monaten widerrufen sowie die Probezeit betreffend die Verurteilung vom 08.07.2015 auf fünf Jahre verlängert und der Beschwerdeführer angewiesen, ein Anti-Gewalt-Training zu besuchen. Als sein Komplize wurde sein Cousin XXXX (im Folgenden: MS) verurteilt, zwei weitere russische Staatsangehörige der tschetschenischen Volksgruppe, zwei libanesische, ein ukrainischer und ein kroatischer Staatsangehöriger wurden ebenfalls als Komplizen verurteilt. Die Verfahren zweier weiterer tschetschenischer Volksgruppenangehöriger wurden gesondert verfolgt.

Strafmildernd wurde berücksichtigt, dass es teilweise beim Versuch blieb und der Beschwerdeführer ein Geständnis ablegte, erschwerend das Zusammentreffen von Vergehen und Verbrechen, die Tatbegehung in Gesellschaft, während offener Probezeit und während eines anhängigen Strafverfahrens, die Tatwiederholungen und einschlägigen Vorstrafen, die mehrfache Qualifikation der Delikte und der rasche Rückfall.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 13.09.2016 wurde der Beschwerdeführer wegen eines zwei Wochen vor der Entlassung aus der Freiheitsstrafe auf Freigang begangenen Diebstahls gemäß § 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt. Hiebei wurde nichts strafmildernd, die Vorstrafen und die Tatbegehung während des Vollzugs und während Probezeit erschwerend berücksichtigt.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer in der Nacht zum 13.03.2016 eine fremde bewegliche Sache einer anderen Person, nämlich Bargeld in der Höhe von € 10,-- mit dem Vorsatz wegenommen hat, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 28.06.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen mehrerer Verbrechen der schweren Körperverletzung, des Verbrechens der absichtliche schweren Körperverletzung sowie des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit gemäß §§ 83 Abs. 1, 87 Abs. 1, 84 Abs. 5 Z 2 und 89 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Die bedingte Strafnachsicht zur Verurteilung vom 08.07.2015 wurde widerrufen.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer folgende Personen vorsätzlich am Körper verletzte:

- am 02.09.2017 eine Frau, indem er sie würgte und ihr einen Stoß versetzte, sodass sie zu Boden stürzte und mit dem Hinterkopf auf dem Asphalt aufschlug, wodurch die Frau eine Schädelprellung und Schmerzen im Hals erlitt:

- am 03.09.2017 mit MS einen Mann, indem MS dem Mann Faustschläge ins Gesicht versetzte, während der BF ihn in den Würgegriff nahm und ihn festhielt, wodurch der Mann eine Schwellung im Gesicht erlitt;

- am 15.10.2017 in verabredeter Verbindung mit MS sowie weiteren unbekannten Tätern, somit mit mindestens zwei Personen in verabredeter Verbindung beging:
- einen Mann, indem er gemeinsam mit MS und vier bis fünf weiteren näher nicht bekannten Personen, Schläge und Tritte versetzte und ihn würgte, wodurch dieser Mann einen verschobenen Nasenbeinbruch, massive Würge- und Kratzspuren am Hals, eine ernstahafte Kehlkopfkompression, Hämatome, Schwellungen und Abschürfungen erlitt;
- eine Frau, indem er gemeinsam mit MS und vier bis fünf weiteren näher nicht bekannten Personen ihr Schläge und Tritte versetzte, wodurch diese Frau Prellungen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule und des Brustkorbes sowie beidseitige Nierenprellungen erlitt;
- am 24.09.2017 in verabredeter Verbindung mit drei bis fünf weiteren Tätern einen Mann, indem sie ihm Faustschläge versetzten, sodass er zu Boden stürzte und nachfolgend auf ihn eintraten und einschlugen, wodurch dieser Mann Prellungen im Gesicht, in linken Halsbereich, im Bereich der Rippen und am Rücken sowie einen Haariss einer Rippe erlitt.

Der Verurteilung lag ebenfalls zugrunde, dass der Beschwerdeführer einen Mann absichtlich schwer am Körper verletzte und zwar im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit MS, indem er ihn durch einen Faustschlag zu Boden brachte, MS auf seinen Kopf eintrat, der Beschwerdeführer ihm mehrere Faustschläge ins Gesicht versetzte, ihn – nachdem sich der Mann kurz befreien konnte und einige Schritte flüchten konnte, verfolgte, neuerlich gewaltsam zu Boden brachte und weiter mit den Fäusten auf ihn einschlug, wodurch der Mann einen Bruch des Augenhöhlenbodens und der medialen Seitenwand, eine Kieferhöhlenblutung sowie eine beidseitige Unterblutung des Augenlids und einen hochgradigen Verdacht auf Durchtritt von Weichteilen in die rechte Oberkieferhöhle erlitt.

Der Verurteilung lag auch zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 03.09.2017 grob fahrlässig eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit seines Beifahrers MS herbeigeführt hat, indem er einen PKW bei starkem Regen auf regennasser Fahrbahn mit weit überhöhter Geschwindigkeit lenkte, sodass der Wagen ins Schleudern geriet und nur durch Glück nicht gegen ein Carport prallte.

Das Gericht wertende als mildernd das Alter unter 21 Jahre sowie die Teilschadensgutmachung während der Hauptverhandlung, während die „teilgeständigen“ Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich einer Zeugin und eines Zeugen weder reumütig noch der Wahrheitsfindung dienlich gewesen waren, sodass ein Milderungsgrund nicht angenommen werden konnte. Vielmehr hinterließ der Beschwerdeführer bei Gericht den Eindruck, dass er nur oberflächlich Sachverhalte zugestand um sich selbst in eine bessere Position zu bringen. Hinsichtlich des anderen Zeugen hinterließ der Beschwerdeführer den Eindruck, dass er seine massiven Faustschläge gegen den am Boden liegenden nur deshalb zugestand, weil er die Belastungssituation durch die Beweislage als so stark ansah, dass ihm gar nichts mehr anderes überblieb. Reue war dem Beschwerdeführer nicht anzusehen. Als erschwerend wertete das Gericht das Zusammentreffen von vier Verbrechen mit drei Vergehen, die drei einschlägigen Vorstrafen, die Tatbegehung in der Probezeit, sowie den Umstand, dass der Beschwerdeführer wahllos Opfer ausgesucht hat, mit denen es zuvor keine Streitereien gegeben hat, sodass wirklich jede vollkommen unbeteiligte Person zum Opfer von brutalen Tatbegehungen des Beschwerdeführers werden konnte. Zusätzlich erschwerend wertete das Gericht, dass der Beschwerdeführer offenbar nur in einem nähergenannten Lokal fortgegangen war um massive Gewalttaten zu begehen.

Eine gegen dieses Urteil erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss am 19.12.2018 zurück und leitete zur Entscheidung über die eingelegten Rechtsmittel des Beschwerdeführers und der Staatsanwaltschaft die Akten an ein Oberlandesgericht.

Mit Urteil eines Oberlandesgerichtes vom 22.02.2019 wurde der Berufung der Staatsanwaltschaft Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf dreieinhalb Jahre angehoben. Die Strafbemessungsgründe wurden dahingehend präzisiert, dass der Beschwerdeführer innerhalb dreier Probezeiten rückfällig wurde und zudem im raschen Rückfall nach dem Vollzug einer zweimonatigen Freiheitsstrafe am 06.06.2017 straffällig wurde. Hinsichtlich der Zeugin konnte dem Beschwerdeführer der Milderungsgrund des reumütigen Geständnisses zuerkannt werden. In Ansehung der Faktenmehrzahl und der überwiegend nicht geständigen Einlassung war unter Berücksichtigung der gesamten Verfahrensdauer, wobei der Beschwerdeführer zunächst unbekannten Aufenthalts war und erst nach Ermittlungsmaßnahmen am 20.12.2017 festgenommen werden konnte, der besondere Milderungsgrund des § 34 Abs. 2 StGB nicht gegeben. Bei Abwägung aller Strafzumessungsgründe war die noch unter einem Drittel der gesetzlichen Höchststrafdrohung liegende Sanktion des Erstgerichtes der Schuld des Beschwerdeführers nicht gerecht, weshalb es einer tat- und schuldangemessenen Anhebung auf dreieinhalb Jahre Freiheitsstrafe bedurfte.

28.07.2015-25.03.2016 verbüßte der Beschwerdeführer seine erste Haftstrafe. Er wurde zu folgenden Zeiten in Untersuchungs- bzw. Strafhaft angehalten: 06.03.2017 bis 05.07.2017, 20.12.2017 bis 08.06.2020.

3.2. Der Beschwerdeführer führt seit Februar 2015 eine Beziehung mit einer österreichischen Staatsangehörigen. Es bestanden zu keinem Zeitpunkt ein gemeinsamer Wohnsitz oder ein Abhängigkeitsverhältnis; die Beziehung wird durch regelmäßige Besuche gelebt. Ein halbes Jahr nach Beginn der Beziehung trat der Beschwerdeführer seine erste Freiheitsstrafe an. Seit Beginn des Studienjahres 2016/2017, sohin ein halbes Jahr nach der Haftentlassung des Beschwerdeführers, bis zum zweiten Haftantritt des Beschwerdeführers wurde die Beziehung als Wochenend- und Fernbeziehung geführt, seit dem zweiten Haftantritt besucht sie ihn im Gefängnis.

Seine Familie befindet sich im Bundesgebiet und er kann bei ihr Unterkunft finden.

Der Beschwerdeführer verfügt über keine abgeschlossene Schulausbildung, ist mittellos und wird durch seine Familie unterstützt. Er verfügt über € 20,--.

3.3. Der Beschwerdeführer achtet die österreichische Rechtsordnung nicht. Es konnten auch eine Inhaftierung und Verurteilung den Beschwerdeführer nicht zu rechtskonformen Verhalten bewegen. Der Beschwerdeführer ist nicht bereit, freiwillig auszureisen. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird der Beschwerdeführer untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten um sich einer Abschiebung zu entziehen.

3.4. Das Bundesamt hat rechtzeitig ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates eröffnet. Das Innenministerium der Russischen Föderation sichert dem Bundesamt eine Übergabe des Heimreisezertifikates für den 27.11.2020 zu. Eine Abschiebung ist für 03.12.2020 geplant. Der Beschwerdeführer ist bereits auf diesen Flug gebucht.

3.5. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit der der letzten gerichtlichen Überprüfung vom 02.11.2020 hat sich im Verfahren nicht ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes, den gegenständlichen Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das vorangegangene Asyl- und fremdenpolizeiliche Verfahren des Beschwerdeführers XXXX in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes betreffend die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Schubhaftbescheid vom 04.06.2020 sowie die Anhaltung in Schubhaft XXXX sowie den Akt der vorangegangen Haftprüfung XXXX in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem und in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

2.1.    Zum bisherigen Verfahrensablauf:

Der unter Punkt 1.1. dargestellte bisherige Verfahrensablauf ergibt sich aus den unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalten der vorgelegten Verwaltungsakte und der vorliegenden Gerichtsakte des Bundesverwaltungsgerichtes, die unter Punkt 2. wiedergegeben wurden und insbesondere aus den unter Punkt 1.1. angeführten Bescheiden und rechtskräftigen Erkenntnissen.

2.2.    Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Die Feststellungen zu Pkt 1.2.1., zur Identität des Beschwerdeführers beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer wurde als russischer Staatsbürger identifiziert und liegt eine positive Zusage für die Ausstellung eines Heimreisezertifikates vor.

2.2 Die Feststellungen zu der erlassenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme gründen auf den Eintragungen im Zentralen Fremdenregister sowie aus dem Akteninhalt und den beriets zitierten Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere aus dem Erkenntnis vom 04.10.2019 XXXX

Die Feststellungen zur Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit 08.06.2020, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

2.3. Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, wonach beim Beschwerdeführer eine Haftunfähigkeit vorliegen würde. Dass der Beschwerdeführer Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft.

2.3 Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

2.3.1 Aus der Einsichtnahme in das Strafregister sowie aus den in den Akten, insbesondere im Akt XXXX einliegenden Urteilen ergeben sich die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers.

2.3.2. Die Feststellungen zu seinen sozialen und familiären Anknüpfungspunkten in Österreich ergeben sich aus der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 24.04.2017 sowie dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.05.2017 XXXX und dem Erkenntnis vom 04.10.2019 XXXX

2.3. Dass der Beschwerdeführer nicht gewillt ist, mit den Behörden zu kooperieren und sich an die Rechtsordnung in Österreich zu halten, ergibt sich aus dem festgestellten bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers. Es konnten auch Verurteilungen und Inhaftierungen den Beschwerdeführer nicht zu einem rechtskonformen Verhalten bewegen.

Aufgrund der eigenen Angaben des Beschwerdeführers sowie des Akteninhalts steht fest, dass er nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren möchte. So verblieb er trotz rechtkräftiger Rückkehrentscheidung und einem zweijährigen Einreiseverbot im Bundesgebiet, wo er erneut massiv straffällig wurde und mehrere schwere Körperverletzungen und auch eine absichtlich schwere Körperverletzung beging und sich seine Opfer offenbar wahllos aussuchte. Auch in dem am 05.11.2020 übermittelten mit 27.10.2020 datierten und zum Verfahren XXXX (OZ 4) protokollierten Schreiben des Beschwerdeführers gibt er nicht an, dass er freiwillig ausreisen wird, sondern ersucht darum, nicht abgeschoben zu werden. Auch seine Freundin hat in dem am 05.11.2020 übermittelten mit 02.11.2020 datierten und zum Verfahren XXXX (OZ 4) protokollierten Schreiben darum ersucht, den Beschwerdeführer nicht abzuschieben. Aus dem Urteil eines Oberlandesgerichtes vom 22.02.2019 geht ebenfalls hervor, dass der Beschwerdeführer zunächst unbekannten Aufenthalts war und erst nach Ermittlungsmaßnahmen am 20.12.2017 festgenommen werden konnte und somit das Strafverfahren gegen ihn geführt werden konnte. Er war somit damals für das Strafgericht nicht sofort greifbar. Auch unter Beachtung seiner familiären und sozialen Verankerung, ist daher zu Recht davon auszugehen, dass er seine Freilassung wenige Tage vor der geplanten Abschiebung nur dazu nützen wird, sich durch Untertauchen seiner Abschiebung zu entziehen. Es konnten ihn auch seine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich nicht zu einem rechtskonformen Verhalten bewegen.

Das Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer bei einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten werde. Es haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer sein bisher jahrelang gezeigtes Verhalten ändern werde.

Die beschränkten finanziellen Mittel des Beschwerdeführers ergeben aus der Bargeldaufstellung laut der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung.

2.4. Die Feststellungen zum Heimreisezertifikatsverfahren und zur geplanten Abschiebung ergeben sich aus den Verfahrensakten zu XXXX und XXXX und dem gegenständlichen Verfahrensakt und aus den vom Bundesamt vorgelegten Unterlagen (OZ 1). Die geplante Abschiebung wurde mittels Stellungnahme vom 25.11.2020 nochmals bestätigt (OZ 4).

2.5. Eine Änderung der Umstände für den Ausspruch über die Verhältnismäßigkeit und weitere Anhaltung in der Schubhaft seit 02.11.2020 ist dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

2.6. Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

3.1.1.  Gesetzliche Grundlagen:

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Der mit „Gelinderes Mittel“ betitelte § 77 FPG lautet:

„§ 77. (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
3.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.“

Der mit „Dauer der Schubhaft“ betitelte § 80 FPG lautet:

„§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.“

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

3.1.2.  Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, 2007/21/0498; VwGH 08.09.2005, 2005/21/0301; VwGH 23.09.2010, 2009/21/0280).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (VwGH 17.03.2009, 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (VwGH 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde (VwGH 11.06.2013, 2012/21/0114, vgl. auch VwGH 02.08.2013, 2013/21/0008).

Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (VwGH 22.05.2007, 2006/21/0052; VwGH 29.04.2008, 2008/21/0085; VwGH 28.02.2008, 2007/21/0512; VwGH 28.02.2008 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird. (VwGH 02.08.2013, 2013/21/0008).

In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung nur ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Über vor oder nach der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen (VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0111).

3.1.3.  Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft

3.1.3. Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Bundesamt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung vorzulegen. Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Bundesverwaltungsgericht ergeben, dass die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers als verhältnismäßig angesehen werden kann.

Sache dieses Verfahrens ist daher ausschließlich die Feststellung, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

3.1.3.2. Allgemeine Voraussetzungen

Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Aufrechterhaltung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft) – möglich ist.

Im vorliegenden Fall liegt eine rechtskräftige und daher durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

Der Beschwerdeführer war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin. Für Gegenteiliges gab es im Verfahren keinerlei Anhaltspunkte.

3.1.3.3. Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf

Im vorliegenden Fall geht das Gericht auch weiterhin von Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus:

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 22.01.2016 wurde dem Beschwerdeführer der zuerkannte Status des Asylberechtigten aberkannt. Ihm wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist. Es wurde eine Frist von zwei Wochen für die freiwillige Ausreise festgesetzt und ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer wurde am 13.09.2016 erneut von einem Gericht wegen einer Straftat verurteilt.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.05.2017 wurde das Einreiseverbot auf zwei Jahre herabgesetzt, darüber hinaus wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer reise nicht freiwillig aus und wurde massiv straffällig, indem er unter anderem mehrere schwere Körperverletzungen und auch eine absichtlich schwere Körperverletzung beging.

Gemäß dem Urteil eines Oberlandesgerichtes vom 22.02.2019 war der Beschwerdeführer zunächst unbekannten Aufenthalts und konnte erst nach Ermittlungsmaßnahmen am 20.12.2017 festgenommen werden und somit das Strafverfahren gegen ihn geführt werden.

Mit Urteil eines Landesgerichts vom 28.06.2018 wurde der Beschwerdeführer unter anderem wegen mehrerer schwerer Körperverletzungen und auch einer absichtlich schweren Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt.

Während der Anhaltung in Strafhaft stellte der Beschwerdeführer einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 09.09.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.10.2019 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer achtet die österreichische Rechtsordnung nicht, er ist nicht kooperativ. Er ist nicht bereit freiwillig aus Österreich auszureisen. Die Abschiebung ist für 03.12.2020 geplant.

In Österreich leben die Freundin und die Familie des Beschwerdeführers. Diese konnten den Beschwerdeführer jedoch auch in der Vergangenheit nicht von der Begehung seiner Straftaten abhalten. Er geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, hat kein Einkommen und verfügt über kein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen.

Weder fremdenrechtliche Konsequenzen noch seine familiären und privaten Bindungen konnten den Beschwerdeführer davon abhalten, erneut massiv straffällig zu werden, weswegen davon auszugehen ist, dass auch seine Bezugspersonen ihn nicht von einem Untertauchen abhalten können.

Sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose haben bei dem Beschwerdeführer ein erhöhtes Risiko des Untertauchens sowie einen Sicherungsbedarf ergeben. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium wenige Tage vor der Abschiebung reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist.

Aufgrund dieses Verhaltens bestehen aktuell Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird der Beschwerdeführer untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten, um sich einer Abschiebung zu entziehen.

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben.

3.1.3.4. Zur Verhältnismäßigkeit

Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich beruflich nicht verwurzelt und hat auch keinen eigenen gesicherten Wohnsitz, wobei er jedoch bei seinen Angehörigen wohnen könnte. Jedoch haben ihn weder fremdenrechtliche Konsequenzen noch seine familiären und privaten Bindungen davon abhalten können erneut massiv straffällig zu werden.

Die mit 05.11.2020 vorgelegten Unterlagen wurden bereits in vorangegangen Verfahren vorgelegt und in diesen behandelt und sind nicht geeignet, die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft in Zweifel zu ziehen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich massiv straffällig geworden. Er wurde am 06.10.2014 wegen qualifizierter Sachbeschädigung, am 08.07.2015 wegen gefährlicher Drohung, am 28.09.2015 wegen wertqualifizierten gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls im Rahmen einer Bande in 25 Fällen und am 16.09.2016 wegen eines zwei Wochen vor der Entlassung aus der Freiheitsstrafe auf Freigang begangenen Diebstahls verurteilt. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 28.06.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen mehrerer Verbrechen der schweren Körperverletzung, des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung sowie des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit gemäß §§ 83 Abs. 1, 87 Abs. 1, 84 Abs. 5 Z 2 und 89 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer fünf Personen, darunter sowohl Frauen als auch Männer, teilweise mit anderen Tätern, vorsätzlich schwer am Körper durch Würgen, Tritte und Faustschläge verletzte und eine Person auch absichtlich schwer am Körper verletzte und zwar im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit MS, der die Person durch einen Faustschlag zu Boden brachte, MS auf seinen Kopf eintrat, der Beschwerdeführer ihm mehrere Faustschläge ins Gesicht versetzte, ihn in der Folge neuerlich gewaltsam zu Boden brachte und weiter mit den Fäusten auf ihn einschlug, wodurch der genannte einen Bruch des Augenhöhlenbodens und der medialen Seitenwand, eine Kieferhöhlenblutung sowie eine beidseitige Unterblutung des Augenlids erlitt. Erschwerend war unter anderem der Umstand, dass der Beschwerdeführer wahllos Opfer ausgesucht hat, mit denen es zuvor keine Streitereien gegeben hat, sodass wirklich jede vollkommen unbeteiligte Person zum Opfer von brutalen Tatbegehungen des Beschwerdeführers werden konnte. Ebenfalls präzisierte das Oberlandesgericht die erschwerenden Strafzumessungsgründe dahingehend, der Beschwerdeführer innerhalb dreier Probezeiten rückfällig wurde und zudem im raschen Rückfall nach dem Vollzug einer zweimonatigen Freiheitsstrafe am 06.06.2017 straffällig wurde.

Unter Berücksichtigung der der Schwere der gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstähle im Rahmen einer Bande in 25 Fällen sowie der mehrfachen schweren Körperverletzungen und der absichtlich schweren Körperverletzung überwiegt auch vor einer bedingten Entlassung am 08.06.2020 das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Beschwerdeführers.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers kommt daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen – insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung – zumal der Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, dass er die österreichische Rechtsordnung missachtet und im Verfahren auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er dieses Verhalten in Zukunft ändert.

Die Dauer der bisherigen Schubhaft ist durch das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer bedingt. Da bereits ein Abschiebetermin feststeht und für den Beschwerdeführer schon der entsprechende Flug Anfang Dezember 2020 gebucht wurde ist von einer zeitnahen Abschiebung, innerhalb weniger Tage, auszugehen.

Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft seit der letzten Haftüberprüfung auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.

3.1.3.5. Dauer der Schubhaft

Hinsichtlich der Dauer der Schubhaft ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer seit 08.04.2020 in Schubhaft angehalten wird. Am 08.12.2020 würde der Beschwerdeführer sechs Monate in Schubhaft angehalten werden.

Eine Anhaltung nach dem 08.12.2020 wäre im Entscheidungszeitpunkt unter den Voraussetzungen des § 80 Abs. 4 FPG möglich. Im Entscheidungszeitpunkt sind keine Ermittlungsergebnisse bekannt, dass die Voraussetzungen des § 80 Abs. 4 FPG erfüllt wären. Eine Anhaltung in Schubhaft bis 08.12.2020 ist daher im Entscheidungszeitpunkt des erkennenden Gerichtes zulässig und verhältnismäßig. § 80 Abs. 1 FPG ist dabei zu beachten.

Sollte eine Abschiebung bis 08.12.2020 nicht erfolgen, hat das Bundesamt von amtswegen – allenfalls auch im Rahmen einer Einvernahme - zu prüfen, ob die Voraussetzungen gem

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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