TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/11 W117 2230440-7

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.11.2020
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Entscheidungsdatum

11.11.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §2
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch

W117 2230440-7/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr DRUCKENTHANER als Einzelrichter im am 08.10.2020 amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 790455310/200037195 über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, in Schubhaft zu Recht:

A) Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) stellte am 23.09.2005 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 02.04.2009 wurde ihm Asyl gewährt.

Nachdem der BF in Österreich straffällig wurde, leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt, oder auch als Behörde bezeichnet) am 27.06.2017 ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten ein. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 01.12.2017 wurde dem BF der Status des Asylberechtigten aberkannt. Gleichzeitig wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt. Gegen den BF wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei. Als Frist für die freiwillige Ausreise wurden 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Gleichzeitig wurde gegen den BF ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.09.2019, schriftlich ausgefertigt am 05.02.2020, mit der Maßgabe abgewiesen, dass das Einreiseverbot in der Dauer von sieben Jahren befristet erlassen wurde.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 07.02.2020 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet, seit 14.02.2020 wird der BF in Schubhaft angehalten. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.04.2020 wurde die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom 07.02.2020 abgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.

Das Bundesverwaltungsgericht stellte mit Erkenntnissen vom 12.06.2020, 08.07.2020, 04.08.2020 und 01.09.2020 fest, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig gewesen ist.

Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht am 08.10.2020 die Akten gemäß §22a BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG zur neuerlichen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft vor.

Das Bundesverwaltungsgericht sprach mit Erkenntnis vom 15.10.2020, W171 2230440-6/2E, gemäß §22a Abs. 4 BFA-VG die Zulässigkeit der Fortsetzung der Anhaltung aus und stellte fest, dass die weitere Anhaltung verhältnismäßig ist. Es begründete seine Entscheidung wie folgt:

„1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang (I.1. – I.5.)

Der unter Punkt I.1. – I.5. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

2. Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Der BF verfügt über keine Dokumente, die seine Identität bescheinigen, insbesondere verfügt er über kein Reisedokument. Er gibt an, Staatsangehöriger der Russischen Föderation zu sein, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2. Er wird seit 14.02.2020 in Schubhaft angehalten.

2.3. Der BF leidet an keinen wesentlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, er ist haftfähig. Er hat in Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

3.1. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 01.12.2017 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.09.2019, schriftlich ausgefertigt am 05.02.2020, abgewiesen. Es liegt eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. Gegen den BF besteht überdies ein für die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot.

3.2. Der BF hat im Verfahren zur Aberkennung seines Asylstatus und zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nur bedingt mitgewirkt. Er hat seine Rückkehr behindert, indem er keine Schritte zur Beschaffung identitätsbezeugender Dokumente unternommen hat.

3.3. Der BF ist nicht vertrauenswürdig.

3.4. Der BF verfügte in Österreich durchgehend über eine Meldeadresse. Er verfügt in Österreich über einen gesicherten Wohnsitz.

3.5. In Österreich leben die Eltern und mehrere Geschwister des BF, sonst bestehen keine nennenswerten sozialen Beziehungen und ist vielmehr von keiner besonderen Integration in der österreichischen Gesellschaft auszugehen. Diese familiären Verhältnisse waren in der Vergangenheit nicht in der Lage den BF vor wiederholter massiver Straffälligkeit zu bewahren.

3.6. Der BF geht im Inland keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, ist nicht selbsterhaltungsfähig und weist abgesehen von seinen Sprachkenntnissen keine besonderen Integrationsmerkmale auf.

4. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft

4.1. Der BF weist in Österreich folgende strafgerichtliche Verurteilungen auf:

4.1.1. Er wurde mit Urteil eines Landesgerichtes vom 19.10.2016 wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach §§ 15, 278b Abs. 2 Strafgesetzbuch – StGB, wegen des Verbrechens der kriminellen Organisation nach §§ 15, 278a StGB, wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB sowie wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, wovon ein Teil von 16 Monaten unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Der BF hat sich insbesondere mit anderen an der in der UN-Sanktionsliste aufscheinenden Terrororganisation IS-Islamic State (IS) beteiligt bzw. zu beteiligen versucht und bereits konkrete Pläne zur Ausreise nach Syrien entworfen, um dort für den IS zu kämpfen.

Er verletzte am 04.06.2016 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter gemeinsam mit drei anderen Tätern in der U-Bahn zwei Personen vorsätzlich am Körper, indem sie gemeinsam auf die Opfer einschlugen und eintraten.

Am 26.07.2016 bedrohte der BF einen Beamten gefährlich mit dem Tod.

4.1.2. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 07.11.2018, rechtskräftig seit 13.11.2018, wurde der BF wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB und des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Gleichzeitig wurde die mit Urteil vom 18.10.2016 angeordnete Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

Der BF hat am 27.07.2018 durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben fremde bewegliche Sachen im Wert von ca. EUR 1.300,-- weggenommen. Gleichzeitig versuchte der BF sein Opfer durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper zur Abstandnahme von einer Anzeigenerstattung bei der Polizei zu nötigen.

4.2. Am 31.01.2020 wurde bei der russischen Vertretungsbehörde ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF eingeleitet. Der Vater des BF, der sich ebenfalls unrechtmäßig in Österreich aufhält, wurde von der russischen Vertretungsbehörde als russischer Staatsangehöriger identifiziert und die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für ihn zugesagt. Der Vater des BF hat sich dem angeordneten gelinderen Mittel entzogen und ist untergetaucht. An der Identifizierung des BF wirkte er nicht mit.

Die russische Botschaft lässt auf Grund der COVID-19-Pandemie derzeit keine Vorführtermine zu. Das Bundesamt wird umgehend davon in Kenntnis gesetzt, wann wieder Vorführtermine möglich sind. In diesem Fall wird ein schnellst möglicher Termin vereinbart und die Partei zur Identifizierung vorgeführt.

Das Bundesamt hat am 14.08.2020 weitere Unterlagen zur Identifizierung des BF an das russische Innenministerium übermittelt.

Von einer Ausstellung eines Heimreisezertifikates und einer darauffolgenden baldigen Abschiebung des BF ist innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer weiterhin auszugehen.

4.3. Eine relevante Änderung der Umstände seit der letzten gerichtlichen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft hat sich im Verfahren nicht ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes das Verfahren über die Beschwerde gegen den Bescheid vom 01.12.2017 sowie das bisherige Schubhaftverfahren des BF betreffend, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang, zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft:

1.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, dem vorliegenden Gerichtsakt sowie den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes das Verfahren über die Beschwerde gegen den Bescheid vom 01.12.2017 sowie das bisherige Schubhaftverfahren des BF betreffend.

1.2. Aus dem Verwaltungsakt, insbesondere aus der mit dem BF am 29.01.2020 aufgenommenen Niederschrift, ergibt sich, dass der BF über keine Dokumente zum Nachweis seiner Identität und damit auch über kein Reisedokument verfügt. An seiner Volljährigkeit besteht jedoch kein Zweifel und wird die Minderjährigkeit auch vom BF nicht behauptet. Im bisherigen Verfahren haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der BF die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, insbesondere gab er selbst im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 27.09.2019 an, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft bisher nicht beantragt hat. Da dem BF der Status des Asylberechtigten rechtskräftig aberkannt und ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt wurde, handelt es sich beim BF weder um einen Asylberechtigten noch um einen subsidiär Schutzberechtigten.

1.3. Dass der BF seit 14.02.2020 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1.4. Aus dem Akt ergeben sich keine Hinweise auf Erkrankungen des BF, insbesondere hat er in seiner Einvernahme vom 29.01.2020 nach seinem Gesundheitszustand befragt angegeben, dass es ihm gut gehe. Indizien für eine Haftunfähigkeit liegen nicht vor. Dass er Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft.

2. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

2.1. Die Feststellungen zu der mit Bescheid des Bundesamtes vom 01.12.2017 erlassenen Rückkehrentscheidung und dem damit verbundenen Einreiseverbot ergeben sich aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen diesen Bescheid betreffend.

2.2. Dass der BF im Verfahren zur Aberkennung seines Asylstatus und zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nur bedingt mitgewirkte und seine Rückkehr bisher behinderte, beruht auf folgenden Erwägungen:

Mit schriftlichem Parteiengehör vom 09.08.2019 wurde der BF im Aberkennungsverfahren aufgefordert eine Äußerung abzugeben, weitere Beweismittel vollständig vorzulegen, Unterlagen über seine Identität beizubringen und konkrete Fragen zu diesem Verfahren zu beantworten. Der BF, dem dieses Parteiengehör nachweislich zugekommen ist, hat in der Folge keine Stellungnahme abgegeben, obwohl aus dem Schreiben des Bundesamtes klar hervorgeht, dass die Angaben für das Verfahren zur behördlichen Entscheidung von hoher Wichtigkeit seien. Weiters hat der BF im Zuge der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 27.09.2019 mehrmals die Beantwortung von verfahrenswesentlichen Fragen ohne hinreichende Begründung verweigert und dadurch gegen seine ihn treffende Mitwirkungspflicht verstoßen. Es finden sich auch keine Hinweise darauf, dass sich der BF bisher auch nur ansatzweise bemüht haben könnte, Dokumente zu beschaffen, um die Erlangung eines Heimreisezertifikates zu ermöglichen oder zu beschleunigen. Schließlich wurde ihm bereits am 25.01.2018 die freiwillige Heimreise bewilligt. Der diesbezügliche offenbar nicht ernst gemeinte Antrag erfolgte sohin nach Ansicht des Gerichts in grober Verzögerungsabsicht und behinderte in weiterer Folge auch den Fortgang der behördlichen Bemühungen, den BF sodann zur Ausreise zu verhalten. Der BF hat daher durch sein geschildertes Verhalten das laufende Abschiebeverfahren, aber auch seine Rückkehr immer wieder behindert und sich in keiner Weise kooperativ gezeigt.

2.3. Aus dem gesamten bisherigen Verhalten des BF ergibt sich, dass er nicht vertrauenswürdig ist. Dies zeigte sich insbesondere durch die widerholte Straffälligkeit und das ordnungswidrige Verhalten in der Schubhaft (Benutzen eines Mobiltelefones). Weder das bisherige Verhalten noch seine widerwillige Art in der gerichtlichen Verhandlung vom 27.09.2019 Fragen zu beantworten bzw. die Beantwortung zu verweigern waren geeignet, das Gericht von einer Vertrauenswürdigkeit des BF zu überzeugen.

2.4. Aus dem Zentralen Melderegister ergibt sich, dass der BF in Österreich durchgehend über eine Meldeadresse verfügte.

2.5. Aus den Verwaltungs- sowie den Gerichtsakten ergibt sich, dass der BF in Österreich zwar über ein familiäres, jedoch über kein sonstiges soziales Netz verfügt. Das Vorleben des BF zeigt klar, dass die familiären Beziehungen in der Vergangenheit nicht in der Lage waren, den BF von der wiederholten Begehung von Straftaten abzuhalten.

2.6. Der BF hat bisher keine nachhaltige legale Berufstätigkeit ausgeübt, er ist auch derzeit nicht zur Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit berechtigt.

3. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft

3.1. Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF beruhen auf einer Einsichtnahme in das Strafregister sowie in die im Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen den Bescheid vom 01.12.2017 betreffend einliegenden Ausfertigungen der Gerichtsurteile.

3.2. Die Feststellungen zum Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates mit der Vertretungsbehörde der russischen Föderation ergeben sich aus der Aktenlage sowie aus der Stellungnahme des Bundesamtes vom 27.08.2020. Vor diesem Hintergrund kann realistisch von einer Identifizierung des BF samt Ausstellung eines Heimreisezertifikates und seiner Abschiebung innerhalb der kommenden Monate ausgegangen werden.

3.3. Eine Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Fortsetzungsausspruch“

„(…)

3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich ist.

3.1.4. Da eine durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt und ein Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF anhängig ist, ist mit einer Abschiebung des BF innerhalb der zulässigen Schubhafthöchstdauer zu rechnen. Innerhalb dieses Zeitraumes erscheint es auch realistisch, dass der Flugverkehr in die Russische Föderation wiederaufgenommen wird und Abschiebungen wieder durchführbar werden.

3.1.5. Im vorliegenden Fall geht das Gericht auch weiterhin von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus:

Dabei ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Der BF hat am Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nur bedingt mitgewirkt und seine Rückkehr behindert, indem er keine Schritte zur Beschaffung identitätsbezeugender Dokumente unternommen hat, weshalb der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG erfüllt ist.

(…)

Da gegen den BF eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorliegt, er am Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nur bedingt mitgewirkt hat und seine Rückkehr behindert, ist insgesamt auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 3 FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt sind gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG der Grad der sozialen Verankerung des Fremden in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit bzw. das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen.

Das Verfahren hat keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass im Fall des BF Umstände vorliegen, die wegen seiner Verankerung im Bundesgebiet gegen das Bestehen der Fluchtgefahr sprechen. Insbesondere konnten die familiären Beziehungen den BF bisher nicht von der wiederholten Begehung massiver Straftaten abhalten und hat sich insbesondere auch der Vater des BF seinem gelinderen Mittel entzogen und ist untergetaucht, um seine Abschiebung sowie die Abschiebung des BF zu verhindern. Es ist daher insgesamt keinerlei soziales Netz vorhanden, welches den BF vom Untertauchen abhalten könnte. § 76 Abs. 3 Z 9 FPG liegt daher gegenständlich ebenfalls vor.

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9 FPG vor und ist aus diesen Erwägungen auch Sicherungsbedarf gegeben.

3.1.6. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Der BF hat zwar familiäre, jedoch keine nennenswerten sonstigen sozialen Bindungen in Österreich. Einer legalen Erwerbstätigkeit ging der BF in Österreich nicht nach.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

Der BF wurde wegen der Verbrechen der terroristischen Vereinigung, der kriminellen Organisation und des Raubes sowie wegen der Vergehen der Körperverletzung, der gefährlichen Drohung und der Nötigung rechtskräftig bestraft.

Alleine schon aus dem Umstand, dass sich der BF an einer Terrororganisation beteiligt hat und konkrete Pläne zur Ausreise nach Syrien entworfen hatte, um dort für den IS zu kämpfen, ergibt sich die massive Gefährdung der nationalen Sicherheit sowie der öffentlichen Ordnung durch den BF. Verstärkt wird diese Gefährdung noch maßgeblich durch den Umstand, dass der BF trotz rechtskräftiger Verurteilung nicht von der Begehung weiterer Straftaten abgehalten werden konnte und er insbesondere eine gefährliche Drohung gegen eine Person aussprach, gegenüber der eine besonders hohe Hemmschwelle vorhanden sein müsste.

Insgesamt ergibt sich daher aus dem Verhalten des BF dass sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit in außerordentlichem Maß gefährdet und ein besonders hohes öffentliches Interesse an der baldigen Außerlandesbringung des BF besteht.

Den persönlichen Interessen des BF kommt daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen – insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung – zumal der BF bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, dass er die ihn treffenden Verpflichtungen nicht einhält und im Verfahren auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er dieses Verhalten in Zukunft ändert.

Bei einer wie im vorliegenden Fall im Sinne des § 80 Abs. 4 Z 1 und Z 4 FPG höchstzulässigen Dauer der Schubhaft von 18 Monaten scheint die Aufrechterhaltung der seit 14.02.2020 bestehenden Anhaltung des BF in Schubhaft jedenfalls auch weiterhin verhältnismäßig.

Dies auch unter Berücksichtigung der Verpflichtung der Behörde auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken. Selbst wenn es aufgrund der gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit COVID-19 noch immer zu Verzögerungen der Abschiebung aufgrund der auch weiterhin bestehenden Einschränkungen im internationalen Flugverkehr kommt, besteht jedoch die realistische Möglichkeit einer Überstellung des BF in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) aus aktueller Sicht weiterhin. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand - kooperatives Verhalten des BF vorausgesetzt - mit wenigen Monaten einzustufen, da auch mit der Erlangung eines Heimreisezertifikates zu rechnen ist. Es ist damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit COVID-19 wieder substantiell gelockert werden und dann eine Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat durchführbar sein wird. Eine Verzögerung der Abschiebung unmittelbar aufgrund dieser Umstände ist zum Entscheidungszeitpunkt nicht ersichtlich. Eine bereits jetzt bestehende faktische Unmöglichkeit der Abschiebung des BF ist aufgrund des vorliegenden Akteninhaltes nicht ersichtlich.

Im vorliegenden Fall liegt die (verhältnismäßige) Verzögerung einer Abschiebung des BF jedoch ausschließlich am unkooperativen Verhalten des BF. Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist es auch trotz der Einschränkungen im Flugverkehr fallbezogen noch vertretbar eine Schubhaft in Erwartung einer Lockerung der Reisebeschränkungen weiter aufrecht zu erhalten (VwGH vom 12.05.2020, Ra 2020/21/0094).

Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft seit der letzten gerichtlichen Überprüfung auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.

3.1.7. Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Da eine durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt und der BF seit Einleitung des Aberkennungsverfahrens immer unkooperativeres Verhalten gezeigt hat, das letztlich auf eine Verhinderung seiner Abschiebung abzielte, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der BF in Freiheit für die Behörde jederzeit greifbar sein wird.

Die Anordnung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

3.1.8. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

3.1.9. Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungen ergeben hat.

3.1.10. Die Befragung des BF in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 27.09.2019 fand auf Wunsch des BF in deutscher Sprache statt. Es konnte daher wegen der Deutschkenntnisse des BF von einer Übersetzung von Spruch und Rechtsmittelbelehrung in die russische Sprache abgesehen werden.“

Die Verwaltungsbehörde legte auch aktuell den Schubhaftakt zur neuerlichen Überprüfung der Schubhaft vor und beantragte unter Abgabe einer Stellungnahme die Fortsetzung der Schubhaft; unter anderem führte sie aus:

„Weitere Maßnahmen seit der letzten Verhältnismäßigkeitsprüfung durch das BVwG:

Die genaue Vorgangsweise wurde in der Beilage ausführlich dargelegt.

Der Vater ist noch immer untergetaucht, wurde aber trotzdem für den nächsten Charter gemeldet (03.12.2020).

Die Mutter der Partei wurde mittels Ladungsbescheid für den 03.11.2020 vorgeladen, jedoch kam diese der Ladung nicht nach, da Sie sich laut Auskunft der Rechtsvertretung unwohl fühlte.

Es wird derzeit eine ärztliche Bestätigung eingefordert.

Seitens der ha. Behörde ist aufgrund der vorgelegten Unterlagen an die russischen Behörden mit einer Identifizierung bzw. Erlangung eines Heimreisezertifikats zu rechnen, wodurch die weitere Anhaltung in Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung notwendig, zumutbar und verhältnismäßig.“

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: 

Feststellungen:

Die vom Bundesverwaltungsgericht im oben angeführten Vorerkenntnis getroffenen und im Verfahrensgang dargestellten Feststellungen werden, soweit zitiert, zum gegenständlichen Sachverhalt erhoben.

Ergänzend wird festgestellt:

Es sind zwischenzeitlich keine Umstände eingetreten, die auch nur ansatzweise für eine Freilassung des Beschwerdeführers sprechen.

Beweiswürdigung:

Hinsichtlich der vom angeführten Vorerkenntnis übernommenen Feststellungen ist auf die eindeutige Aktenlage im Zusammenhang mit den erwägenden Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichtes im Vorerkenntnis zu verweisen.

Die ergänzende Feststellung ergibt sich aus der Stellungnahme der Verwaltungsbehörde – aus derselben leiten sich auch die großen Bemühungen der Verwaltungsbehörde ab, den für Österreich eine exorbitant große Gefahr darstellenden Beschwerdeführer – siehe obig zitierte Sachverhaltsfeststellungen zur kriminellen Vita des Beschwerdeführers – abzu schieben.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte unterbleiben, da der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage und des Inhaltes der Stellungnahme der belangten Behörde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Fortsetzungsausspruch:

Gesetzliche Grundlagen

Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) lauten (auszugsweise):

Der mit „Begriffsbestimmungen“ betitelte § 2 FPG lautet:

§ 2 (4) Im Sinn dieses Bundesgesetzes ist

1. Fremder: wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt.

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 FPG lautet:

§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

Der mit „Gelinderes Mittel“ betitelte § 77 FPG lautet:

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,

1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder

3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Der mit „Dauer der Schubhaft“ betitelte § 80 lautet:

§ 80 (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1.

drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2.

sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1.

die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2.

eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3.

der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4.

die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:

§ 22a (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.

3.2. Zur Judikatur

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Gemäß § 22a Abs. 4 dritter Satz BFA-VG gilt mit der Vorlage der Verwaltungsakten durch das BFA eine Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG - einen neuen Hafttitel dar. Über vor (oder nach) der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen (VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/21/0270; VwGH vom 30.08.2018, Ra 2018/21/0111).

Vor dem Hintergrund des aktuell feststehenden Sachverhaltes, welcher aber bereits dem angeführten Vorerkenntnis zugrunde gelegt wurde und auch keine zwischenzeitlich für den Beschwerdeführer sprechenden Änderungen auf Sachverhaltsebene zu konstatieren waren, wird daher die rechtliche Beurteilung des Vorerkenntnisses, soweit zitiert, zur gegenständlich rechtlichen Beurteilung erhoben. Nochmals sei hier angeführt, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner massiven Straffälligkeit (unter anderem Verurteilung wegen §§ 15, 278b Abs. 2 StGB, §§ 15, 278a StGB) als exorbitant hohe Gefahr für Österreich anzusehen ist.

Selbst wenn eine Rückführung nicht in nächster Zukunft wegen Covid-19 möglich wäre, ist die weitere Anhaltung verhältnismäßig, da, wie auch bereits dem Vorerkenntnis zu entnehmen ist, der Beschwerdeführer die Schubhaft aufgrund seines Verhaltens einzig und allein selbst zu verantworten hat.

Auch ist die weitere Anhaltung zur Sicherung der gesetzlich zwingend vorgesehenen Durchsetzung fremdenrechtlicher Normen gerade unter dem Aspekt des §76 Abs. 2a FPG wegen seiner schon mehrfach angeführten massiven Straffälligkeit geboten und insofern verhältnismäßig.

3.2. Zu Spruchteil B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Einreiseverbot Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Kooperation Mittellosigkeit öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Terror Untertauchen Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W117.2230440.7.00

Im RIS seit

23.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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