TE OGH 2020/12/9 13Os98/20s

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Veröffentlicht am 09.12.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Dezember 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Pöttinger in der Strafsache gegen Newman O***** und einen anderen Angeklagten wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Newman O***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 19. August 2020, GZ 8 Hv 11/20m-162, sowie dessen Beschwerde gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsichten nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Aussprüchen über die Konfiskation und über den Verfall eines Mobiltelefons aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Newman O***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für die Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – Newman O***** jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter (und dritter) Fall und Abs 4 Z 3 SMG (A I 1) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG (A I 2) sowie des Vergehens der Hehlerei nach § 164 (richtig) Abs 2 StGB (C) schuldig erkannt.

Danach hat er in G***** und an einem anderen Ort

(A) von Anfang 2019 bis zum 22. Juli 2019 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem anderen vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25-Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge

I/1 aus Italien ausgeführt und nach Österreich eingeführt, indem sie Richard B***** und Eghosaserei O***** dazu bestimmten (§ 12 zweiter Fall StGB), zumindest 10.955 Gramm Cannabiskraut, beinhaltend 969 Gramm Delta-9-THC in Reinsubstanz, von Italien nach Österreich zu bringen, und

I/2 anderen überlassen, indem sie in zahlreichen Angriffen zumindest 8.000 Gramm Cannabiskraut, beinhaltend 708 Gramm Delta-9-THC in Reinsubstanz, an andere weiterveräußerten, sowie

(C) am 2. April 2019 ein Mobiltelefon der Marke Samsung Type Galaxy 8, welches andere zum Nachteil des Stefan***** durch das Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB erlangt hatten, gekauft oder von den Tätern entgegengenommen und bis zur Sicherstellung am 22. Juli 2019 verwendet.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Newman O*****.

Die Feststellungen zu C (US 8 f) stützte das Erstgericht in objektiver Hinsicht auf die Herkunft des Mobiltelefons aus einer Raubtat, das Innehaben eines geraubten Gegenstands, das Fehlen eines Ankaufbelegs und die Widerlegung der Verantwortung des Angeklagten, die Sache in einem bestimmten Geschäft gegen Entgelt erworben zu haben (US 9 und 14). Die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite leitete es aus dem objektiven Tatgeschehen ab (US 16). Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit sind diese Ableitungen nicht zu beanstanden.

Rechtliche Beurteilung

Der Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) übergeht diese Entscheidungsgründe. Solcherart ist die Mängelrüge (Z 5) nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS-Justiz RS0119370).

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810).

Diesen Bezugspunkt verfehlt die Rüge, indem sie Feststellungen zum Wirkstoff (der Sache nach Z 9 lit a) und zum Reinsubstanzanteil (Z 10) der tatverfangenen Suchtgifte vermisst, dabei aber die – bei verständiger Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe – genau dazu getroffenen Feststellungen (US 6 und 8 iVm US 13) übergeht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass dem Konfiskationserkenntnis und dem Verfallserkenntnis, und zwar soweit Letzteres den Verfall eines Mobiltelefons der Marke Samsung Type Galaxy 8 betrifft, nicht geltend gemachte, von Amts wegen aufzugreifende Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO anhaftet (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Konfisziert wurden die „sichergestellten Gegenstände (Mobiltelefon und SIM-Karten)“ (US 3). Darüber hinaus wurde das „sichergestellte Mobiltelefon der Marke Samsung Type Galaxy 8“ – bei dem es sich nach den Festellungen des Erstgerichts zur Gerätenummer um das vom Schuldspruch C umfasste Tatobjekt handelt (vgl US 2 und 9) – für verfallen erklärt (US 4).

Dem Konfiskationserkenntnis steht schon entgegen, dass das Erstgericht die in § 19a Abs 2 StGB zwingend vorgesehene Verhältnismäßigkeitsprüfung gänzlich unterließ (RIS-Justiz RS0088035 [insbesondere T7]).

Welche vermögensrechtliche Anordnung das Erstgericht in Bezug auf das „sichergestellte“ Mobiltelefon der Marke Samsung Type Galaxy 8 treffen wollte, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen (siehe US 3 f, vgl auch US 7, 9 und 14).

Mit Blick auf die Subsidiarität des Verfalls (hier § 20a Abs 2 Z 3 StGB) wäre vor einem Ausspruch nach § 20 Abs 1 StGB im Übrigen zu prüfen gewesen, ob dessen Wirkung nicht durch Rückstellung der entzogenen Sache an den Eigentümer erreicht werden kann (vgl dazu den Antrag des Raubopfers, das sich dem Verfahren auch als Privatbeteiligter angeschlossen hat, ihm sein Mobiltelefon wieder auszufolgen [S 3 in ON 18 in ON 116]).

Da das Konfiskationserkenntnis und das Verfallserkenntnis nicht mit Berufung bekämpft werden (RIS-Justiz RS0130617), waren die Aussprüche bei der nichtöffentlichen Beratung sofort aufzuheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO).

Vorerst wird das Oberlandesgericht über die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten Newman O***** zu entscheiden haben (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E130101

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0130OS00098.20S.1209.000

Im RIS seit

22.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.12.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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