TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/15 G308 2231061-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.09.2020
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Entscheidungsdatum

15.09.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
GSVG §41

Spruch

G308 2231061-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch KLEIN WUNTSCHEK & PARTNER Rechtsanwälte GmbH, gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen, Landesstelle Steiermark (vormals: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle Steiermark) vom 04.03.2020, Zahl: XXXX , wegen Rückforderung ungebührlich entrichteter Beiträge zur Pensions- und Krankenversicherung gemäß § 41 GSVG, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen, Landesstelle Steiermark (vormals: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle Steiermark; im Folgenden: belangte Behörde), vom 04.03.2020, Zahl XXXX , wurde gemäß § 47 SVSG (Selbstständigen-Sozialversicherungsgesetz), § 194 GSVG iVm §§ 409 und 410 ASVG entschieden, dass der Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden: BF) vom 27.06.2019 auf Rückforderung ungebührlich entrichteter Beiträge zur Pensions- und Krankenversicherung für den Zeitraum von 18.06.2012 bis 31.12.2017 in Höhe von EUR 44.199,04 gemäß § 41 GSVG abgewiesen wird.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die ursprünglich als selbstständig qualifizierte Tätigkeit des BF für seine vormalige Auftraggeberin nunmehr nach Einlangen eines entsprechenden Schreibens der Österreichischen Gesundheitskasse (im Folgenden: ÖGK) vom 10.04.2019 und vom 03.07.2019 rechtskräftig als unselbstständige Erwerbstätigkeit iSd ASVG umqualifiziert worden sei. Der BF habe am 27.06.2019 die Rückzahlung der bei der belangten Behörde in diesem Beitragszeitraum geleisteten Sozialversicherungsbeträge beantragt. Gemäß dem gegenständlich anwendbaren § 41 Abs. 3 GSVG idF BGBl. I Nr. 125/2017 habe aber eine Überweisung der Beiträge an die ÖGK zu erfolgen und sei nur ein allfälliger Überschuss an den Beschwerdeführer direkt auszubezahlen. Das Guthaben in Höhe von EUR 44.199,04 sei somit seitens der belangten Behörde an die ÖGK überwiesen worden. Der Antrag auf Rückzahlung des Beschwerdeführers sei daher abzuweisen gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schriftsatz seiner bevollmächtigten Rechtsvertretung vom 13.03.2020, am selben Tag bei der belangten Behörde einlangend, fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde stattgeben und den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass festgestellt wird, dass dem BF das Guthaben in Höhe von EUR 44.199,04 zu entrichten ist.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid die Rechtslage vor Inkrafttreten des BGBl. I Nr. 125/2017 (Sozialversicherungszuordnungsgesetz) anzuwenden gewesen wäre, da sich der Sachverhalt (so der Zeitraum, der von der Umqualifizierung betroffen sei) von 18.06.2012 bis 31.12.2016 erstrecke und das Sozialversicherungszuordnungsgesetz erst mit 01.07.2017 in Kraft getreten sei. Die Rückforderung basiere auf der mit rechtskräftigem Bescheid der ÖGK vom 23.01.2017 erfolgten Neuzuordnung der selbstständigen Erwerbstätigkeit des BF in eine unselbstständige Erwerbstätigkeit. Der Sachverhalt habe sich seither nicht verändert. Jedenfalls für den Zeitraum 18.06.2012 bis 31.12.2016 sei die „alte“ Rechtslage anzuwenden und dem BF persönlich die ungebührlich entrichteten Sozialversicherungsbeiträge zurückzuzahlen, anstatt diese der ÖGK zu überweisen. Zwar sei der Vertrauensschutz im österreichischen Verfassungsrecht nicht ausdrücklich festgeschrieben, dennoch werde dieses durch die Grundrechtsordnung geschützt. Nach Ansicht des BF werde dieser auch übervorteilt, käme es tatsächlich zu einer gänzlichen Überweisung an die ÖGK, da – wäre der BF von Beginn an nach dem ASVG versichert gewesen – sich die Dienstgeberin (die Auftraggeberin) und der BF die Sozialversicherungsbeiträge nach Dienstgeber- und Dienstnehmeranteilen geteilt hätten. So erfolge nunmehr eine Übernahme zumindest von Teilen der eigentlichen Dienstgeberanteile durch die an die belangte Behörde vom BF allein geleisteten Beitragszahlungen. Damit erwachse der Dienstgeberin ein ungebührlicher finanzieller Vorteil. Der BF wäre damit gezwungen eine Last zu übernehmen, die eigentlich der Dienstgeberin zuzuordnen sei. Dies könne nicht im Sinne des Gesetzgebers sein. Es werde daher angeregt, das Bundesverwaltungsgericht möge zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 41 Abs. 3 GSVG (neu) das gegenständliche Verfahren an den Verfassungsgerichtshof herantragen.

3. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde zur Entscheidung vorgelegt und langten am 18.05.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Im, mit 15.05.2020 datierten, Vorlagebericht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass mit dem Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz BGBl. I Nr. 125/2017, welches mit 01.07.2017 in Kraft getreten sei, auch § 41 Abs. 3 GSVG in der gegenständlichen strittigen Fassung eingeführt worden sei. Es würden vom Gesetzgeber in den Schlussbestimmungen diesbezüglich keinerlei Übergangsfristen vorgesehen werden und sei dergleichen auch nicht aus den Materialen zu entnehmen. Wenngleich die Materialien nur explizit auf das Zuordnungsverfahren eingehen würden, so sei das nach erfolgter Zuordnung allenfalls stattfindende Rückabwicklungsverfahren eine gesetzlich vorgesehene Folge der Neuzuordnung. Für Verfahren zur Umqualifizierung von Erwerbstätigkeiten nach dem 01.07.2017 sei immer § 41 Abs. 3 GSVG idF BGBl. I Nr. 125/2017 („neu“) anzuwenden, auch dann, wenn die zu beurteilenden Zeiträume vor diesem Stichtag lägen. Für die Beurteilung des Rückzahlungsantrages und die darauf anzuwendende Fassung des § 41 Abs. 3 GSVG käme es gegenständlich lediglich darauf an, dass das diesbezügliche Behördenhandeln nach dem 30.06.2017 stattfinde. Es käme dabei nicht auf den Zeitpunkt der rechtskräftigen Umqualifizierung des Versicherungsverhältnisses durch die ÖGK an. Dies sehe auch der Verfassungsgerichthof in seiner Entscheidung vom 27.11.2019, E 4911/2018 so.

4. Der Vorlagebericht der belangten Behörde vom 15.05.2020 wurde dem BF mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.05.2020 zur Gegenäußerung binnen drei Wochen übermittelt.

5. Mit Schriftsatz vom 03.06.2020, beim Bundesverwaltungsgericht am 05.06.2020 einlangend, nahm der BF zu den Ausführungen der belangten Behörde im Vorlagebericht Stellung. Darin wurde zusammengefasst ausgeführt, dass sich der Verfassungsgerichtshof (VfGH) in dem von der belangten Behörde herangezogenen Erkenntnis nicht mit dem gegenständlich strittigen Thema beschäftige, sondern nur einen „Bescheid“ des Bundesverwaltungsgerichtes aufhebe, in welchem die Nachentrichtung von Pflichtversicherungsbeiträgen wegen einer Qualifikation eines Rechtsverhältnisses als Dienstverhältnis bestätigt worden sei, das Bundesverwaltungsgericht es aber unterlassen habe, allfällige Beitragszahlungen nach GSVG und daraus resultierende Überweisungsbeiträge an die ÖGK festzustellen und ohne Auseinandersetzung mit § 41 Abs. 3 GSVG den nachzuentrichtenden Betrag bestätigt habe. Inhaltlich habe der VfGH dazu nicht mit einem Wort Stellung bezogen. Hingegen habe sich der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) mit dem Thema Rückwirkung von Gesetzen ausführlich auseinandergesetzt (vgl etwa Erkenntnis vom 04.05.1977 bzw. vom 06.06.1991, 91/09/0077) und habe ausgesprochen, dass grundsätzlich nur die nach Inkrafttreten eines Gesetzes verwirklichten Sachverhalte nach dem neuen Gesetz zu beurteilen seien. Vorher verwirklichte Sachverhalte unterlägen grundsätzlich dem vorher geltenden Gesetz. Streitgegenständlich seien Versicherungsbeiträge für den Zeitraum 18.06.2012 bis 31.07.2017. Es könne wohl nicht ernstlich der Fall sein, dass man nun auf diese Situation eine neu geschaffene Bestimmung anwenden solle. Bei einer gegenteiligen Betrachtung würde dies dazu führen, dass im Falle einer (willkürlichen) Erhebung eines Rechtsmittels verbunden mit der gezielten Einsetzung eines oder mehrerer Rechtsmittelverfahren der Zeitpunkt der Subsumtion unter ein geändertes Gesetz hinausgeschoben werden könnte.

6. Die Stellungnahme des BF vom 03.06.2020 wurde der belangten Behörde mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.06.2020 zur Gegenäußerung binnen drei Wochen übermittelt.

Eine neuerliche Stellungnahme der belangten Behörde langte bis dato nicht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Der BF war im Zeitraum von 18.06.2012 bis 30.04.2018 ursprünglich im Rahmen einer selbstständigen, nach dem GSVG versicherten, Erwerbstätigkeit für seine damalige Auftraggeberin, der Firma XXXX GmbH (im Folgenden: W. GmbH), tätig und leistete in diesem Zeitraum Beitragszahlungen zur Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG (vgl Feststellungen im angefochtenen Bescheid vom 04.03.2020, S 1; Beschwerdevorbringen vom 13.03.2020, S 2 f; darüber hinaus unstrittig).

2. Mit Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse, Landesstelle Steiermark (kurz: ÖKG; vormals: Steiermärkische Gebietskrankenkasse) vom 23.01.2017, Zahl: XXXX , wurde festgestellt, dass unter anderem der nunmehr verfahrensgegenständliche BF (neben weiteren Personen) im Zeitraum 18.06.2012 bis 30.04.2018 aufgrund seiner Tätigkeit für die W. GmbH tatsächlich ein nach § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG vollversichertes, unselbstständiges Dienstverhältnis vorgelegen sei. Die W. GmbH wurde entsprechend zur Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen verpflichtet. Gegen diesen Bescheid erhob sowohl die W. GmbH als auch davon unabhängig der gegenständliche BF Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Die Beschwerde des BF wurde jedoch mit am 10.12.2018 beim Bundesverwaltungsgericht einlangendem Schriftsatz zurückgezogen und das Beschwerdeverfahren daraufhin mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.02.2019 zur Zahl G302 2167845-1/3E eingestellt (vgl etwa aktenkundiger Beschluss des BVwG zur Zahl G302 2167845-1/3E).

3. Mit Schreiben der ÖGK vom 10.04.2019 sowie vom 03.07.2019 wurde die belangte Behörde über die rechtskräftige Änderung der Versicherungszuständigkeit informiert (vgl angefochtener Bescheid vom 04.03.2020, S 3).

Der BF beantragte am 27.06.2019 bei der belangten Behörde die Rückzahlung von (aufgrund der Umqualifizierung seiner Tätigkeit in ein unselbstständiges Dienstverhältnis) tatsächlich ungebührlich entrichteten Sozialversicherungsbeiträgen (vgl angefochtener Bescheid vom 04.03.2020, S 1; aktenkundiger Antrag; darüber hinaus unstrittig).

4. Der BF entrichtete im Zeitraum von 18-06-2012 bis 30.04.2018 unstrittig EUR 44.199,04 (nachträglich zu Unrecht) an die belangte Behörde (vgl etwa auch Beschwerdeantrag, Beschwerde vom 13.03.2020, S 8; Vorlagebericht vom 15.05.2020, S 5).

5. Der Sachverhalt steht fest. Strittig ist ausschließlich die rechtliche Beurteilung.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.

Der Sachverhalt ist weiters unstrittig. Strittig ist ausschließlich die Rechtsfrage, ob auf den gegenständlichen Sachverhalt § 41 GSVG in der Fassung BGBl. I Nr. 125/2017 bzw. gleichbleibend in der Fassung BGBl. I Nr. 100/2018 (in der Folge: „neu“) oder noch in der bis 30.06.2017 geltenden Fassung vor dem Sozialversicherungszuordnungsgesetz, BGBl. I Nr. 62/2010 (in der Folge: „alt“), anzuwenden ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Anzuwendendes Recht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg. cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit iSd. Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).

3.2. Zu Spruchteil A): Abweisung der Beschwerde:

3.2.1. Der mit „Rückforderung ungebührlich entrichteter Beiträge“ betitelte § 41 GSVG idF in der Fassung BGBl. I Nr. 125/2017 bzw. gleichbleibend, nur die Bezeichnung des Versicherungsträgers ändernd, in der Fassung BGBl. I Nr. 100/2018 (in der Folge: „neu“), lautet:

„§ 41. (1) Zu Ungebühr entrichtete Beiträge können, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, zurückgefordert werden. Das Recht auf Rückforderung verjährt nach Ablauf von fünf Jahren nach deren Zahlung. Der Lauf der Verjährung des Rückforderungsrechtes wird durch Einleitung eines Verwaltungsverfahrens zur Herbeiführung einer Entscheidung, aus der sich die Ungebührlichkeit der Beitragsentrichtung ergibt, bis zu einem Anerkenntnis durch den Versicherungsträger bzw. bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung im Verwaltungsverfahren unterbrochen.

(2) Die Rückforderung von Beiträgen, durch welche eine Formalversicherung begründet wurde, sowie von Beiträgen zu einer Versicherung, aus welcher innerhalb des Zeitraumes, für den Beiträge ungebührlich entrichtet worden sind, eine Leistung erbracht wurde, ist für den gesamten Zeitraum ausgeschlossen. Desgleichen ist die Rückforderung ausgeschlossen, wenn nach dem Zeitraum, für den Beiträge ungebührlich entrichtet worden sind, eine Leistung zuerkannt worden ist und die Beiträge auf den Bestand oder das Ausmaß des Leistungsanspruches von Einfluß waren, es sei denn, der zur Leistungserbringung zuständige Versicherungsträger hatte die Möglichkeit, im Wege einer Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 69 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51) neuerlich über den Leistungsanspruch zu entscheiden und konnte die zu Unrecht geleisteten Beträge mit Erfolg zur Gänze zurückfordern.

(3) Wenn für eine Person auf Grund einer bestimmten Tätigkeit nachträglich statt der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz die Pflichtversicherung nach dem ASVG festgestellt wird, so hat die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen
1.         keine Pflichtversicherung für den entsprechenden Zeitraum festzustellen, wenn in diesem Zeitraum keine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde, andernfalls
2.         die Beitragsgrundlagen nach § 26 um die auf Grund dieser Tätigkeit festgestellten Beitragsgrundlagen nach dem ASVG (allgemeine Beitragsgrundlage und Sonderzahlungen) zu vermindern.

Soweit aus diesem Grund Beiträge zur Pflichtversicherung in der Kranken-, Pensions- und Unfallversicherung zu Ungebühr entrichtet wurden, sind diese an den für die Beitragseinhebung zuständigen Krankenversicherungsträger zu überweisen. Abs. 1 ist nicht anzuwenden. Der zuständige Versicherungsträger hat die überwiesenen Beiträge auf die ihm geschuldeten Beiträge anzurechnen. Übersteigen die anzurechnenden die dem zuständigen Versicherungsträger geschuldeten Beiträge, so ist der Überschuss der versicherten Person durch den zuständigen Versicherungsträger zu erstatten.

(4) Abs. 2 gilt nicht für Beiträge, die zwar nicht zur Gänze ungebührlich, jedoch von einer zu hohen Beitragsgrundlage oder unter Anwendung eines zu hohen Beitragssatzes entrichtet worden sind, sofern innerhalb des in Betracht kommenden Zeitraumes nur solche Leistungen erbracht wurden, die auch dann, wenn die Beiträge in richtiger Höhe entrichtet worden wären, im gleichen Ausmaß gebührt hätten.

(5) Wird die Rückforderung ungebührlich entrichteter Beiträge geltend gemacht, so hat der zur Entscheidung zuständige Versicherungsträger vorerst bei den Versicherungsträgern, denen nach § 411 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes Parteistellung im Verfahren vor den Verwaltungsbehörden zukommt, sowie bei der zuständigen Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice anzufragen, ob gemäß Abs. 2 im Hinblick auf erbrachte oder zu erbringende Leistungen aus der Unfall-, Pensions- oder Arbeitslosenversicherung ein Einwand gegen die Rückerstattung der ungebührlich entrichteten Unfall- Pensions- oder Arbeitslosenversicherungsbeiträge besteht.

(6) Die Rückforderung ungebührlich entrichteter Beiträge steht dem Versicherten zu.“

Die Schlussbestimmung zu Art. 2 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 125/2017 (§ 367 GSVG) lautet:

„§ 367. Die §§ 41 Abs. 3, 117a Abs. 2, 194b samt Überschrift, 298 Abs. 12 und 306 Abs. 10 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 125/2017 treten mit 1. Juli 2017 in Kraft.“

3.2.2. Der von der belangten Behörde zitierten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 27.11.2019, E4911/2018, lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die dortige Beschwerdeführerin betrieb ein Hotel, in dessen Rahmen auch Massagen angeboten wurden. Die unter anderem in den Jahren 2012 bis 2015 tätige Masseurin hatte mit der Beschwerdeführerin einen als „Werkvertrag" bezeichneten Vertrag abgeschlossen, auf dessen Grundlage die Abrechnung der gegenüber Hotelgästen erbrachten Massageleistungen zwischen der Masseurin, die über eine Gewerbeberechtigung als „gewerbliche, mobile Masseurin" verfügte, und der Beschwerdeführerin im Einzelnen erfolgte. Laut dem Vorbringen der Beschwerdeführerin hat die Masseurin auch Sozialversicherungsbeiträge nach GSVG entrichtet. Mit Bescheid vom 13.02.2017 stellte die Steiermärkische Gebietskrankenkasse fest, dass die bei der Beschwerdeführerin tätige Masseurin auf Grund ihrer Tätigkeit für die Beschwerdeführerin im Zeitraum vom 01.02.2012 bis 30.11.2015 gemäß §4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG sowie gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der Voll- und Arbeitslosenversicherung unterlegen und die Beschwerdeführerin verpflichtet sei, aus diesem versicherungspflichtigen Dienstverhältnis für den angeführten Zeitraum gemäß den §§ 44 Abs. 1 und 49 Abs. 1 ASVG an Sozialversicherungsbeiträgen, Fondsbeiträgen, Umlagen und Sonderbeiträgen sowie Verzugszinsen insgesamt € 42.387,14 nachzuentrichten. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 31.10.2018 als unbegründet ab. Mit näherer Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die im Hotel der Beschwerdeführerin tätige Masseurin nicht selbständig erwerbstätig, sondern als Dienstnehmerin beschäftigt gewesen sei, da in einer Gesamtschau von einem Überwiegen der Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbstständiger Ausübung der Tätigkeit auszugehen sei.

Der dieser Entscheidung des VfGH zugrundeliegende Sachverhalt ist somit bezogen auf die rückwirkende Umqualifizierung von vormals selbstständigen Erwerbstätigkeiten in unselbstständige Dienstverhältnisse für Zeiträume vor Inkrafttreten des § 41 Abs. 3 GSVG „neu“ mit 01.07.2017 und der nach 01.07.2017 auf derartige Sachverhalte anzuwendenden Rechtslage mit dem, dem gegenständlich vom Bundesverwaltungsgericht zu beurteilenden Sachverhalt, vergleichbar.

Nach Darstellung der rechtlichen Bestimmungen des § 41 GSVG „neu“ sowie der zugehörigen Schlussbestimmung des § 367 GSVG führte der VfGH zur anzuwendenden Rechtslage wörtlich aus:

„Während des anhängigen verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens hat das Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz, BGBl I 125/2017, unter anderem §41 Abs3 GSVG neu gefasst, der seitdem den Fall regelt, dass für eine Person nachträglich statt der Pflichtversicherung nach dem GSVG die Pflichtversicherung nach ASVG festgestellt wird; soweit aus diesem Grund Pflichtversicherungsbeiträge nach GSVG zu Unrecht entrichtet wurden, sind diese an den für die Beitragseinhebung zuständigen Krankenversicherungsträger zu überweisen, und der zuständige Versicherungsträger hat die überwiesenen Beiträge auf die ihm geschuldeten Beiträge anzurechnen. §41 Abs3 GSVG ist gemäß §367 leg. cit. zum 1. Juli 2017 ohne weitere Übergangsanordnung in Kraft getreten.“

Es kann daher dem Beschwerdevorbringen bzw. dem Vorbringen in der Gegenäußerung des BF zum Vorlagebericht der belangten Behörde, der VfGH hätte in der gegenständlich relevanten Entscheidung keine Aussage zur, auf solche Sachverhalte anzuwendenden, Rechtslage getroffen, nicht gefolgt werden. Richtig ist, dass – wie der BF ausführte – der VfGH das Erkenntnis des BVwG wegen Verletzung der dortigen Beschwerdeführerin (der späteren Dienstgeberin) in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art. 2 StGG und Art. 7 B-VG aufgehoben hat. Dies jedoch gerade aus dem Grund, als der VfGH wegen der Anwendbarkeit des § 41 Abs. 3 GSVG „neu“ auf den zu entscheidenden Sachverhalt dem Bundesverwaltungsgericht vorwarf, dass es sich mit dieser Bestimmung eben nicht auseinandersetzte bzw. diese nicht angewandt hatte. Da
§ 41 Abs. 3 GSVG „neu“ nunmehr eine Überweisung ungebührlich entrichteter Sozialversicherungsbeiträge im Fall einer Umqualifizierung einer vormals selbstständigen Erwerbstätigkeit in ein unselbstständiges, nach ASVG versichertes, Dienstverhältnis vorsieht, hätte sich das Bundesverwaltungsgericht im dortigen Fall mit der konkreten Höhe der Beitragszahlungen der Masseurin nach GSVG auseinandersetzen müssen und diese in Anwendung des § 41 Abs. 3 GSVG „neu“ von den mit dem dort angefochtenen Bescheid der ÖGK ausgesprochenen Nachverrechnungsbeträgen gegenüber der Beschwerdeführerin (der späteren Dienstgeberin) abziehen müssen. Weil das Bundesverwaltungsgericht aber ohne Berücksichtigung der zu überweisenden Beiträge nach GSVG an die ÖGK die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Höhe der Nachverrechnungsbeträge ohne weiteres bestätigt hatte, wurde die Beschwerdeführerin (Dienstgeberin) in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt.

Der VfGH hat in seiner Entscheidung vom 27.11.2019, E4911/2018, hinsichtlich der Regelung des § 41 Abs. 3 GSVG „neu“ und den damit einhergehenden – wie vom BF vorgebracht – „Vermögensverschiebungen“ bezogen auf die Verpflichtung zur Leistung von Dienstgeber- und Dienstnehmerbeiträgen nach ASVG auch keinerlei verfassungsrechtliche Bedenken geäußert, sodass diese auch seitens des Bundesverwaltungsgerichtes nicht erkannt werden können.

3.2.3. Zum Einwand der „ungerechtfertigten Vermögensverschiebung“ im Falle einer Anrechnung sämtlicher GSVG-Beiträge nach entsprechendem Rückzahlungsantrag des Versicherten (wie im gegenständlichen Fall) auf die durch die Umqualifizierung in ein Dienstverhältnis rückwirkend entstandenen Beitragsschulden nach ASVG ist zudem zu berücksichtigen, dass in § 41 Abs. 3 GSVG „neu“ von „geschuldeten Beiträgen“ gesprochen wird und in den Erläuterungen (1613 BlgNR 25. GP 2) der Terminus „Beitragsschuld“ verwendet wird. Da es sich hier um das ASVG-Beitragskonto handelt, ist dessen Differenzierung zwischen Beitragspflicht (sie regelt die Aufteilung der Beitragslast zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer) und Beitragsschuld (sie regelt wer die Beiträge iS der konkreten Durchführung der Überweisung bzw. Bezahlung der Beiträge) zu beachten (vgl Derntl in Sonntag (Hrsg), ASVG § 58 Rz 15). Geschuldet werden sowohl die Dienstnehmer- als auch die Dienstgeber-Beitragsanteile, weshalb die Anrechnung auf die Gesamtschuld erfolgt. Von einer allfälligen Erstattung profitiert hingegen die versicherte Person, welche die Beiträge ursprünglich an die Sozialversicherung der Selbstständigen abgeführt und dafür die Beitragspflicht getragen hat (vgl Derntl in Sonntag (Hrsg), GSVG8 § 41 Rz 20).

Der Einwand der ungerechtfertigten Vermögensverschiebung geht somit ins Leere.

Selbst wenn man darüber hinaus davon ausginge, dass das unter 3.2.2. dargestellte Erkenntnis des VfGH für den gegenständlichen Fall nicht relevant wäre, so ist den weiteren Einwendungen in der Beschwerde zu entgegnen:

3.2.4. Sofern in der Beschwerde ausgeführt wird, dass der zu beurteilende Sachverhalt mit „rechtskräftigen“ Bescheid der ÖGK vom 23.01.2017 (somit vor Inkrafttreten des § 41 Abs. 3 GSVG „neu“ mit 01.07.2017) festgestanden und diesbezüglich keine Änderung mehr eingetreten sei und demnach eine im Verlauf eines Rechtsmittelverfahrens eintretende Rechtsänderung nicht rückwirkend auf einen solchen Sachverhalt angewandt werden kann, ist vorerst auszuführen, dass ein mit Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht angefochtener Bescheid im Falle der „Zurückziehung der Beschwerde“, bei der es sich um eine Prozesserklärung handelt, während des bereits anhängigen Beschwerdeverfahrens erst mit der Zurückziehung unanfechtbar im weiteren Sinne wird, dessen formelle Rechtskraft hingegen erst mit der Erlassung des entsprechenden verwaltungsgerichtlichen Einstellungsbeschlusses eintritt und der Bescheid somit nicht „rückwirkend“ mit Datum der ursprünglichen Bescheiderlassung in Rechtskraft erwächst (vgl Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11 (2019), Rz 742 Pkt. 3.-5. sowie Rz 856).

Im gegenständlichen Fall wurde die Beschwerde gegen den Bescheid der ÖGK vom 23.01.2017 erst am 10.12.2018 zurückgezogen und das zur Zahl G302 2167845-1 beim Bundesverwaltungsgericht protokollierte Beschwerdeverfahren mit Beschluss vom 04.02.2019 eingestellt. Die formelle Rechtskraft trat daher mit Zustellung des Einstellungsbeschlusses, frühestens somit am 04.02.2019 und daher nach dem Inkrafttreten des § 41 Abs. 3 GSVG „neu“ mit 01.07.2017 ein.

Verfahrensgegenstand ist gegenständlich auch nicht die Umqualifizierung der selbstständigen Erwerbstätigkeit des BF in ein unselbstständiges Dienstverhältnis für einen vergangenen Zeitraum (dies war Gegenstand des von der ÖGK geführten Verfahrens), sondern die sowohl vor als auch nach dem Inkrafttreten des Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetzes vorgesehene Rechtsfolge der Rückabwicklung bei ungebührlich entrichteten Sozialversicherungsbeiträgen nach dem GSVG für den Fall einer rückwirkenden Umqualifizierung, welche sowohl vor als auch nach Inkrafttreten des Sozialversicherungszuordnungsgesetzes einen entsprechenden Antrag des Versicherten vorsah bzw. vorsieht, diese daher antragsgebunden und nicht von Amts wegen vorzunehmen ist. Der entsprechende Antrag des Beschwerdeführers auf Rückzahlung von ungebührlichen Sozialversicherungsbeiträgen langte am 27.06.2019, somit ebenfalls nach Inkrafttreten des Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetzes mit 01.07.2017 bei der belangten Behörde ein.

Relevant für die Beurteilung der maßgeblichen Rechtslage ist aber grundsätzlich der Zeitpunkt der Bescheiderlassung, nicht der Zeitpunkt der Antragstellung oder des Eintritts der Rechtskraft. Zur maßgeblichen Rechtslage ist daher auszuführen, dass die Behörden ihrer Entscheidung in der Sache grundsätzlich immer das zu diesem Zeitpunkt, dh genau genommen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides (bzw. Erlassung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung) geltende Recht zugrunde zu legen hat (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 59 Rz 77 (Stand 01.07.2005, rdb.at)).

Dieser Grundsatz beansprucht unabhängig davon Geltung, um welche Art von Bescheid (also ein Feststellungs-, Leistungs- oder Rechtsgestaltungsbescheid) es sich handelt. Aus der ständigen Rechtsprechung des VwGH zur ehemaligen Berufung ergibt sich auch, dass auch die Berufungsbehörde im Allgemeinen das im Zeitpunkt ihrer Entscheidung geltende Recht anzuwenden hat. Daher kann im Fall einer Änderung der (Sach- oder) Rechtslage auch der Berufung gegen einen (im Zeitpunkt seiner Erlassung) rechtmäßigen Bescheid infolge der inzwischen eingetretenen Änderung der Rechtslage stattzugeben sein (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 59 Rz 78 (Stand 01.07.2005, rdb.at)).

Eine andere Betrachtungsweise ist allerdings nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes dann geboten, wenn der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, dass auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden ist. Andererseits ist die frühere Rechtslage auch dann maßgeblich, wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war. Eine solche Zeitraumbezogenheit des Gesetzes wurde in der Rechtsprechung des VwGH etwa bejaht hinsichtlich der Pflicht zur Entrichtung der Arbeiterkammerumlage, für Abgabenbescheide, für die sozialversicherungsrechtliche Beitrags- und Versicherungspflicht, die Feststellung der Beitragsgrundlagen, udgl (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 59 Rz 81 mwN (Stand 01.07.2005, rdb.at)).

Dieser Judikatur liegt nach VwSlG 12.2880 A/1986 die zutreffende Rechtsauffassung zugrunde, dass die Frage, welches Recht von den Behörden anzuwenden ist, eine Frage der Auslegung „jener Bestimmungen ist, die den zeitlichen Anwendungsbereich zum Gegenstand haben“ (vgl etwa VwGH vom 31.08.1999, 99/05/0054; vom 20.05.2003, 98/05/0112). Darunter sind auch die in der Sache anzuwendenden (Verwaltungs-)Vorschriften zu verstehen, deren Stichtags- oder Zeitraumbezogenheit in Frage steht (vgl etwa VwGH vom 20.02.1996, 95/08/0214; 03.07.2001, 2001/05/0198). Daher kann „außer Kraft getretenes“ Recht weiterhin maßgeblich sein, wenn die betreffenden (insbesondere Übergangs-)Vorschriften dies explizit anordnen oder sich dies implizit aus dem Regelungsgegenstand der betreffenden Norm ergibt. Bleibt die Frage dennoch offen (ergibt sich also nicht die Anwendung einer im Entscheidungszeitpunkt der Behörde nicht mehr geltenden Rechtslage), ist auf die Zweifelsregel zurückzugreifen, dass das im Entscheidungszeitpunkt in Geltung stehende Recht anzuwenden ist (vgl etwa VwGH vom 18.05.1995, 95/06/0092; vom 31.08.1999, 99/05/0054) (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 59 Rz 82 (Stand 01.07.2005, rdb.at)).

Der nachträglichen Umqualifizierung von Sozialversicherungsverhältnissen ist eine „Rückwirkung“ immanent. Auch wenn sich der „Umqualifizierungs-Zeitraum“ des Versicherungsverhältnisses und eine daraus resultierende ASVG-Beitragspflicht der W. GmbH auf Zeiträume vor dem 01.07.2017 beziehen, so erfolgte die tatsächliche Umqualifizierung erst mit Erlassung des Einstellungsbeschlusses durch das Bundesverwaltungsgericht (frühestens mit 04.02.2019) bzw. mit dem nachfolgenden Behördenhandeln der ÖGK, die in der Folge die belangte Behörde von der rechtskräftigen Feststellung eines Dienstverhältnisses informierte. Der Beschwerdeführer beantragte dann am 27.06.2019 die Rückzahlung ungebührlich entrichteter Beiträge. Die (zeitraumbezogen) jeweils beurteilende Qualifikation des Beschäftigungsverhältnisses stellt für das gegenständliche Verfahren eine entschiedene Vorfrage dar, ist aber selbst nicht mehr Verfahrensgegenstand. Da § 41 Abs. 3 GSVG „neu“ mit 01.07.2017 ohne Übergangsregelung in Kraft getreten ist und sich auf alle nach dem 30.06.2017 durchgeführten beitragsrechtlichen Rückabwicklungen bezieht (etwas anderes kann weder dem Gesetz noch den erläuternden Bemerkungen entnommen werden), hat die belangte Behörde gegenständlich zu Recht § 41 Abs. 3 GSVG „neu“ angewandt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag, oder wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Gemäß Abs. 4 kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) entgegenstehen. Gemäß Abs. 5 kann das Verwaltungsgericht von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden. In der Beschwerde wurden keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen und war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen (VwGH 31.07.2007, GZ 2005/05/0080). Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

Der Sachverhalt blieb darüber hinaus unstrittig und nur eine Rechtsfrage zu lösen. Der BF hat weiters die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH vertritt eine eindeutige und einheitliche Rechtsprechung, weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH und VfGH ist zwar teilweise zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Beitragszahlungen Entscheidungszeitpunkt Krankenversicherung Pensionsversicherung Rechtslage Rückforderung selbstständig Erwerbstätiger unselbständige Tätigkeit VfGH

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G308.2231061.1.00

Im RIS seit

21.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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