TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/6 W180 2226662-10

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Veröffentlicht am 06.11.2020
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Entscheidungsdatum

06.11.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch

W180 2226662-10/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Georg PECH als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 06.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens stellte er am 30.01.2020 einen Folgeantrag.

2. Während des (ersten) Asyl- bzw. Beschwerdeverfahrens wurde der Beschwerdeführer im Bundesgebiet wiederholt straffällig und wurde drei Mal von inländischen Landesgerichten rechtskräftig verurteilt. Er befand sich in Untersuchungshaft bzw. Strafhaft. Zudem wurde gegen den Beschwerdeführer ein Waffenverbot verhängt.

3. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt oder BFA) vom 23.08.2019 wurde dem Beschwerdeführer Parteiengehör zur beabsichtigten weiteren Vorgangsweise – Verhängung der Schubhaft – geboten. Ihm wurde dabei ein konkreter Fragenkatalog zur Beantwortung und ausführlichen Stellungnahme übermittelt. Er machte von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch und wirkte am weiteren Verfahren nicht mit.

4. Am 29.11.2019 wurde gegen den Beschwerdeführer ein Schubhaftbescheid erlassen und über ihn die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet. Im Anschluss an eine Strafhaft wurde der Beschwerdeführer am 03.12.2019 in Schubhaft überstellt.

Seit 03.12.2019 wird der Beschwerdeführer in Schubhaft angehalten.

5. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.12.2019, 03.04.2020, 30.04.2020, 27.05.2020, 24.06.2020, 22.07.2020, 20.08.2020, 14.09.2020 und 09.10.2020 wurde jeweils festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig ist.

6. Am 30.10.2020 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt auszugsweise dem Bundesverwaltungsgericht erneut gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft unter Abgabe einer Stellungnahme vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum bisherigen Verfahren

1.1.1. Der Beschwerdeführer wurde am 04.04.2016 in Ungarn und am 01.02.2016 in Griechenland erkennungsdienstlich behandelt. Bereits am 05.04.2016 stellte der Beschwerdeführer in Ungarn einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei er den Ausgang dieses Verfahrens nicht abwartete, sondern sich dem Verfahren entzog und nach Österreich weiterreiste. Der Beschwerdeführer stellte am 06.04.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.1.2. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 20.03.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz in Österreich zur Gänze abgewiesen und kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt. Es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde gewährt.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.01.2020 als unbegründet abgewiesen.

1.1.3. Am 30.01.2020 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stand der Schubhaft einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz um eine Abschiebung zu verhindern. Dieser Folgeantrag wurde wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, es wurde keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot in der Dauer von acht Jahren erlassen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.03.2020 als unbegründet abgewiesen.

1.1.4. Der Beschwerdeführer hat mit Bescheid vom 20.12.2018 das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet nach dem Asylgesetz verloren.

1.1.5. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.12.2019, 03.04.2020, 30.04.2020, 27.05.2020, 24.06.2020, 22.07.2020, 20.08.2020, 14.09.2020 und 09.10.2020 wurde jeweils festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig ist.

1.2. Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht, er ist afghanischer Staatsangehöriger. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

Der Beschwerdeführer hat zwar begonnen Deutsch zu lernen, in Österreich aber keine Deutschprüfungen abgelegt. Der Beschwerdeführer geht im Inland keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügt über keine ausreichenden finanziellen Mittel zur nachhaltigen Existenzsicherung. Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Familienangehörigen und auch sonst keine engen sozialen Bindungen oder Anknüpfungspunkte. Er verfügt in Österreich über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz.

1.3. Zu den Voraussetzungen der Schubhaft (Allgemein, Fortsetzung, Sicherungsbedarf, Fluchtgefahr, Verhältnismäßigkeit)

1.3.1 Mit Bescheid des Bundesamtes vom 29.11.2019 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet.

Seit dem 03.12.2019 wird der Beschwerdeführer in Schubhaft angehalten.

1.3.2. Seit dem 16.03.2020 besteht gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung, die rechtskräftig und durchsetzbar ist. Zum Zeitpunkt der Folgeantragstellung am 30.01.2020 bestand bereits eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, nämlich aufgrund der Beschwerdeabweisung durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.01.2020.

1.3.3. Der Beschwerdeführer ist nach wie vor haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor. Der Beschwerdeführer hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

1.3.4. Der Beschwerdeführer war von 27.12.2017 bis 10.01.2018 in einem Quartier untergebracht und von 28.12.2017 bis 12.01.2018 dort gemeldet. Am 04.01.2018 wurde der Beschwerdeführer in einer anderen Asylunterkunft von der Polizei, welche von der Hausbesitzerin verständigt worden war, schlafend angetroffen und gemäß § 38 Abs. 5 SPG weggewiesen.

Von 10.01.2018 bis 29.10.2018 war der Beschwerdeführer in einem anderen Quartier in XXXX untergebracht und von 12.01.2018 bis 06.11.12018 dort gemeldet. Von 27.09.2018 bis 30.09.2018 blieb der Beschwerdeführer unerlaubt von diesem Quartier fern und war abgängig. Er hat dadurch die Fortführung seines Asylverfahrens qualifiziert behindert bzw. sich dem Verfahren entzogen.

1.3.5. Der Beschwerdeführer hat bereits zuvor in Ungarn einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Der Beschwerdeführer hat sich auch seinem Asylverfahren in Ungarn durch seine Weiterreise nach Österreich entzogen.

1.3.6. Der Beschwerdeführer achtet die österreichische Rechtsordnung nicht. Es konnten weder die Verurteilungen noch die Inhaftierungen den Beschwerdeführer zu rechtskonformen Verhalten bewegen. Der Beschwerdeführer befand sich seit seiner Asylantragstellung am 06.04.2016 in Österreich von 22.06.2017 bis 24.07.2017, von 21.12.2017 bis 22.12.2017 und von 04.04.2019 bis 03.12.2019 in Justizanstalten in Österreich in Haft. Der Beschwerdeführer ist seit dem 09.04.2019 in Österreich behördlich ausschließlich in den jeweiligen Haftanstalten gemeldet.

Der Beschwerdeführer weist in Österreich folgende Verurteilungen auf:

1.3.6.1. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 24.07.2017 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des teilweise versuchten unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften und psychotropen Stoffen (§§ 27 Abs. 1 achter Fall, Abs. 2a, 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, 30 Abs. 1 achter Fall SMG, 15 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten, wovon 6 Monate unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden, verurteilt.

Dieser Verurteilung liegen Taten zugrunde, die der Beschwerdeführer als Mittäter an einer öffentlichen Verkehrsfläche und einem allgemein zugänglichen Ort, unter Umständen, unter denen sein Verhalten geeignet war, durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes Ärgernis zu erregen, von einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt bis 21.06.2017 als Jugendstraftat begangen hat. Dabei hat er am 21.06.2017 drei Gramm Cannabiskraut einer verdeckten Ermittlerin gewinnbringend überlassen, eine Stange Cannabisharz mit acht Gramm zu überlassen versucht und vier Stück Tabletten mit psychotropen Stoffen wurden durch den Mittetäter zum unverzüglichen Verkauf durch den Beschwerdeführer bereitgehalten. Weiters hat der Beschwerdeführer von einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt bis 21.06.2017 wöchentlich, unter anderem am 10.06.2017 acht Gramm Cannabis erworben und besessen.

Dabei wurden bei der Strafbemessung mildernd der ordentliche Lebenswandel, die überwiegende Geständigkeit, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist und erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Vergehen gewertet. Eine diversionelle Erledigung kam aufgrund der Schwere der Schuld nicht in Betracht und war die Erfahrung des Haftübels notwendig, um den Beschwerdeführer vor der zukünftigen Begehung von Straftaten abzuhalten.

1.3.6.2. Mit Urteil eines Landesgerichts vom 15.01.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung (§ 107 Abs. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 Wochen, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden, verurteilt. Gleichzeitig wurde die Probezeit der gewährten bedingten Strafnachsicht des Urteils vom 24.07.2017 auf fünf Jahre verlängert.

Dieser Verurteilung liegt eine gefährliche Drohung zugrunde, wonach der Beschwerdeführer am 20.12.2017 zwei Personen anschrie und Sie mit dem Umbringen bedrohte und nach dem erstmaligen Einschreiten der Polizei erneut zu ihnen ging und schrie er werde sie töten, das Lokal verbrennen und alle würden darin sein und sterben, sowie weiters Tathandlungen gegenüber den Müttern, Frauen und Schwestern der Opfer androhte.

Bei der Strafbemessung wurden erschwerend die mehrfache Tatbegehung und mildernd der Beitrag zur Wahrheitsfindung gewertet. Eine diversionelle Erledigung kam nicht in Betracht, da es einer Verurteilung des leicht aufbrausenden Beschwerdeführers bedurfte, um diesem sein Unrecht vor Augen zu führen (OZ 3: AS 21 ff).

1.3.6.3. Mit Urteil eines Landesgerichts vom 26.09.2019 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung und des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften (§ 107 Abs. 1 StGB; §§ 27 Abs. 2a SMG, 15 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt. Die Probezeit der gewährten bedingten Strafnachsicht des Urteils vom 15.01.2018 wurde auf fünf Jahre verlängert.

Der Beschwerdeführer hat am 21.11.2018 eine Frau mit dem Umbringen bedroht und ihr gegenüber geäußert, dass er ihr den Kopf abschneiden werde, um Sie in Furcht und Unruhe zu versetzen. Am 03.04.2019 überließ er weiters einem anderen Cannabiskraut an einem allgemein zugänglichen Ort öffentlich gegen Entgelt und versuchte im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem Mittäter unbekannten Abnehmern an szenetypischen Örtlichkeiten 1,5 Gramm Cannabiskrau öffentlichen gegen Entgelt zu überlassen.

Bei der Strafbemessung wurde das Alter von unter 21 Jahren zu den Tatzeitpunkten mildernd gewertet, erschwerend wurden die Tatbegehung während offener Probezeit, das Zusammentreffen dreier Vergehen, zwei einschlägige Vorstrafen und die Tatbegehung während eines anhängigen Verfahrens ins Kalkül gezogen (OZ 3: AS 29 ff).

1.3.7. Seit dem 25.04.2019 besteht ein rechtskräftiges Waffenverbot für den Beschwerdeführer.

1.3.8. Am 28.02.2020 wurde über den Beschwerdeführer aufgrund einer Ordnungswidrigkeit, nämlich dem unerlaubten Besitz eines Mobiltelefons im Polizeianhaltezentrum, eine Disziplinierungsmaßnahme angeordnet. Am 10.09.2020 wurde neuerlich eine Disziplinierungsmaßnahme angeordnet, da er wiederum unerlaubt im Besitz eines Mobiltelefons war. Schließlich erfolgte am 14.10.2020 abermals eine Disziplinierungsmaßnahme, wiederum wegen Besitzes eines Mobiltelefons.

1.3.9. Der Beschwerdeführer ist nicht kooperativ. Er war von 21.12.2019 bis 22.12.2019, von 05.04.2020 bis 22.04.2020, von 06.06.2020 bis 07.06.2020 und von 10.09.2020 bis 11.09.2020 in Hungerstreik. Er trat von 15.09.2020 bis 16.09.2020 abermals in Hungerstreik.

1.3.10. Der Beschwerdeführer ist nicht vertrauenswürdig.

1.3.11. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) wurde vom Bundesamt bei der Afghanischen Botschaft angefordert und von dieser die Ausstellung am 17.04.2020 zugesichert. Die Ausstellung eines HRZ durch die Afghanische Botschaft ist damit jederzeit möglich.

1.3.12. Die Abschiebung des Beschwerdeführers innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer ist möglich. Für einen (vom Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht näher genannten) Termin im Dezember 2020 ist eine Frontex-Charterrückführung nach Afghanistan geplant. Der Flug wird erfahrungsgemäß ca. drei Wochen vor dem Termin buchbar werden. Sobald das möglich ist, wird der Beschwerdeführer auf den Flug gebucht und ist mit einer umgehenden Ausstellung eines HRZ seitens der afghanischen Botschaft zu rechnen.

1.3.13. Eine Änderung der Umstände, die für die Freilassung des Beschwerdeführers seit der letzten gerichtlichen Überprüfung am 09.10.2020 sprechen, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes die bisherigen Schubhaftverfahren des Beschwerdeführers betreffend sowie in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes die asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren des Beschwerdeführers betreffend, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes das bisherige Schubhaftverfahren des Beschwerdeführers betreffend sowie aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes die asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren des Beschwerdeführers betreffend.

2.1. Zum bisherigen Verfahren

Die Feststellungen zu den Punkten 1.1.1. bis 1.1.3 sind unstrittig und ergeben sich insbesondere aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes das bisherige Schubhaftverfahren des Beschwerdeführers betreffend (GZen: W171 2226662-1, W180 2226662-2, W283 2226662-3, W279 2226662-4, W281 2226662-5, W154 2226662-6, W154 2226662-7, W278 2226662-8, W283 2226662-9 und W180 2226662-10) und aus den Akten zu den asyl- bzw. fremdenrechtlichen Verfahren des Beschwerdeführers zu GZen W248 2193826-1 und W140 2193826-2.

Die Feststellung zu Punkt 1.1.4., dass der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet verloren hat, ergibt sich zusätzlich aus dem Bescheid der belangten Behörde vom 20.12.2018, welcher im Haftprüfungsverfahren zu W283 2226662-3 vorgelegt wurde.

Die Feststellungen zu Punkt 1.1.5. sind unstrittig und ergeben sich aus den dort genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zu Punkt 1.2. zur Identität des Beschwerdeführers sind unstrittig und beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes und insbesondere aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.03.2020, W140 2193826-2 (S. 13 und 14) und dem mündlich verkündeten Erkenntnis vom 10.01.2020, W248 2193826-1 (vgl. zugehörige Verhandlungsschrift S. 18 bis 19.). Die Feststellungen zur finanziellen Situation des Beschwerdeführers, zur Erwerbstätigkeit und den sozialen Kontakten ergeben sich zusätzlich aus dem Erkenntnis W283 2226662-3 (S. 5). Aus dem Behörden- und Gerichtsakten ergeben sich keine Anhaltspunkte für familiäre, soziale oder berufliche Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers in Österreich. Auch die seit mehr als zwei Jahren bestehende Freundschaft zu einer Frau und deren Mutter, sowie die Patenschaft einer weiteren Frau stellen keine engen Bezugspersonen dar: Der Beschwerdeführer hat niemals mit seiner Freundin gemeinsam gelebt, noch besteht eine finanzielle Abhängigkeit, es fanden wechselseitige Besuche statt (siehe dazu Auszug aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung vom 30.10.2020 unter „Termine im Haus“ sowie Verhandlungsschrift zu W248 2193826-1, S. 12f).

Eine nachhaltige Existenzsicherung ist mangels Geldreserven, wie dies in der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung ersichtlich ist, nicht zu erblicken. Einer legalen Erwerbstätigkeit zur Erlangung einer Selbsterhaltungsfähigkeit steht das Fehlen einer diesbezüglichen Bewilligung entgegen und hat der Beschwerdeführer eine Beschäftigung im Asylverfahren auch verneint.

Die Feststellungen zu dem nicht vorhandenen gesicherten Wohnsitz ergeben sich im Wesentlichen aus dem Einblick in das zentrale Melderegister vom 30.10.2020. Aufgrund des rechtskräftigen negativen Abschlusses der Asylverfahren besteht kein Versorgungsanspruch über die Grundversorgung mehr. Von einem gesicherten Wohnsitz kann daher nicht ausgegangen werden.

2.3. Zu den Voraussetzungen der Schubhaft (Allgemein, Fortsetzung, Sicherungsbedarf, Fluchtgefahr, Verhältnismäßigkeit):

Die Feststellungen zu den Punkten 1.3.1. und 1.3.2. ergeben sich aus den dort zitierten Entscheidungen. Dass der Beschwerdeführer seit 03.12.2019 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

Die Feststellungen Punkt 1.3.3. gründen daher, dass sich keine Anhaltspunkte ergeben haben, wonach beim Beschwerdeführer eine Haftunfähigkeit vorliegen würde (siehe dazu Auszug aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung vom 30.10.2020 sowie medizinischen Unterlagen des PAZ vom 10.09.2020, vorgelegt in der Schubhaftprüfung zu GZ W278 2226662-8). Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung am 10.01.2020 vor dem Bundesverwaltungsgericht an, gesund zu sein (Verhandlungsschrift zu W248 2193826-1, S. 3). Dass der Beschwerdeführer Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft.

Die Feststellungen zu Punkt 1.3.4. zur Unterbringung 27.12.2017 bis 10.01.2018 ergeben sich aus dem Auszug zum Grundversorgungs-Informationssystem (im Folgenden: GVS) vom 30.10.2020 (unter „Quartier“) und zur dortigen Meldung vom 28.12.2017 bis 12.01.2018 aus dem Einblick in das zentrale Melderegister vom 30.10.2020. Die Feststellungen zum 04.01.2018 ergeben sich aus einer im Akt erliegenden Meldung der LPD XXXX vom 04.01.2018 (in OZ 2 zu W281 2226662-5).

Die Feststellungen zu Punkt 1.3.4. zur Unterbringung 10.01.2018 bis 29.10.2018 ergeben sich aus dem Auszug zum GVS (unter „Quartier“) und zur dortigen Meldung vom 12.01.2018 bis 06.11.2018 aus dem Einblick in das zentrale Melderegister vom 18.06.2020.

Die Feststellungen zum Zeitraum vom 27.09.2018 bis 30.09.2018 und der unerlaubten Abwesenheit ergeben sich zum einen aus einer Meldung „Abhängigkeit“ der LPD XXXX vom 28.09.2018, aus der hervorgeht, dass der Beschwerdeführer am 27.09.2018 um 15 Uhr die Wohngemeinschaft verlassen hat und es seitdem keinen Kontakt mehr mit dem Beschwerdeführer gab (OZ 7 zu W281 2226662-5). Der Personeninformation Auskunft vom 29.04.2020 (siehe dazu Haftüberprüfung zu Akt zu W283 2226662-3, OZ 2 S. 17) ist zu entnehmen, dass die Fahndung am 30.09.2018 widerrufen wurde. Der Beschwerdeführer war in dieser Zeit nicht für die Behörde greifbar, hat sich dem laufenden Verfahren entzogen bzw. den Fortgang des Verfahrens behindert.

Die Feststellungen zum Asylverfahren in Ungarn waren aufgrund des Eurodac Treffers und den Angaben des Beschwerdeführers festzustellen. Dass er sich auch seinem Asylverfahren in Ungarn entzogen hat, war aufgrund seiner eigenen Angaben, wonach er zwei Tage in Ungarn war, festzustellen und stimmt diese Angabe auch mit den Zeitpunkten der Antragstellung in Ungarn (am 05.04.2016) und Österreich (am 06.04.2016) überein (Eurodac Treffer gemäß Anfrage Informationsverbundsystem zentrales Fremdenregister am 30.10.2020).

Dass der Beschwerdeführer die österreichische Rechtsordnung nicht achtet, war aufgrund seiner Verurteilungen festzustellen (Punkt 1.3.6.). Dass ihn weder seine Verurteilungen noch die Inhaftierungen von weiteren Straftaten abhalten konnten, war aufgrund der Anzahl seiner Verurteilungen und Inhaftierungen festzustellen. Dass der Beschwerdeführer auch während seiner Anhaltung im Polizeianhaltezentrum aufgrund von Ordnungswidrigkeiten diszipliniert werden musste, bestärkt diese Annahme. Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers beruhen auf einer Einsichtnahme in das Strafregister am 30.10.2020 sowie auf den in den Akten einliegenden Urteilsausfertigungen (u.a. in OZ 3 in GZ W283 2226662-9). Die Zeiten in Anhaltung (Untersuchungshaft und Strafhaft) ergeben sich auch dem Einblick in das zentrale Melderegister vom 30.10.2020.

Die Feststellungen zu Punkt 1.3.7. ergeben sich aus der Personeninformation Auskunft vom 29.04.2020 („2. Vormerkung (Personeninformation)“; siehe dazu Haftüberprüfung zu Akt zu W283 2226662-3, OZ 2 S. 18), in dem ein mit 25.04.2019 rechtskräftiges Waffenverbot, verhängt von der BH Tulln, eingetragen ist.

Die Feststellungen zu Punkt 1.3.8. ergeben sich aus den im Akt aufliegenden Berichten (siehe Haftüberprüfung zu Akt zu W283 2226662-3, OZ 2 S. 101ff und den Bericht zur Disziplinierungsmaßnahme am 14.10.2020 im gegenständlicher Gerichtsakt, OZ 1).

Die Feststellungen zu Punkt 1.3.9. ergeben sich aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung vom 30.10.2020. Sein gesamtes Verhalten wird seitens des Gerichts als unkooperativ qualifiziert, da der Beschwerdeführer einen unbegründeten Folgeantrag unmittelbar nach rechtskräftigem Abschluss seines ersten Asylverfahrens stellte, um sein Verfahren erfolgreich zu verzögern. Auch die Asylantragstellung in Ungarn und unmittelbar darauffolgende Weiterreise nach Österreich sowie seine Entziehung während des Asylverfahren durch Abgängigkeit untermauern diesen Eindruck. Auch das mehrfache Eintreten in den Hungerstreik, spricht für das unkooperative Verhalten des Beschwerdeführers. Dass der Beschwerdeführer sich von 15.09. bis 16.09.2020 abermals im Hungerstreik war, ergibt sich aus dem Auskunft der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung vom 30.10.2020.

Die Feststellungen zu Punkt 1.3.10. ergeben sich bereits aus der Tatsache, dass er aufgrund seines Vorverhaltens (insbesondere die Erfüllung strafrechtlicher Tatbestände) für sich keine Vertrauenswürdigkeit in Anspruch nehmen kann.

Die Feststellungen zu Punkt 1.3.11. ergeben sich zum einen aus einer Anfrage Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister, in der das HZR-Heimreisezertifikat Verfahren mit Erstellungsdatum 17.04.2020 vermerkt ist und einer Stellungnahme der belangten Behörde vom 19.06.2020 (OZ 5 zu W281 2226662-5), dass am 16.03.2020 ein Verfahren bei der Afghanischen Botschaft gestartet worden sei, wobei am 17.04.2020 mitgeteilt worden sei, dass jederzeit eine Ausstellung des EU laissez passer möglich sei.

Ad Pkt. 1.3.12.: Der Beschwerdeführer sollte ursprünglich mittels Charterrückführung im Oktober nach Afghanistan abgeschoben werden. Diese und eine für November geplante Charterrückführung sind jedoch nicht zustande gekommen. Dass nunmehr eine Charterrückführung für Dezember geplant ist, ergibt sich aus der Stellungnahme des Bundesamtes vom 30.10.2020. Dass eine Buchung erfahrungsgemäß erst ca. drei Wochen vor dem Termin möglich, ergibt sich aus Anfragebeantwortung des Bundesamtes vom 05.11.2020 und ist glaubwürdig. Dass nach erfolgter Flugbuchung mit einer umgehenden Ausstellung eines HRZ zu rechnen ist, ist aufgrund der Zusage der Ausstellung eines HRZ seitens der afghanischen Botschaft zu erwarten; es ist im Übrigen notorisch, dass HRZ von Afghanistan regelmäßig und rasch ausgestellt werden. Mit Blick auf die grundsätzlich gute Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit den Vertretungen und Behörden Afghanistans in Rückführungsangelegenheiten in den letzten Jahren ist aus Sicht des Gerichtes zu erwarten, dass Charterabschiebungen – auch wenn solche im Oktober und November nicht zustande gekommen sind – bald wieder aufgenommen werden. Eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer ist möglich.

Eine Änderung der Umstände, die für die Freilassung des Beschwerdeführers seit der Feststellung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.10.2020 sprechen, ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen und waren daher die Feststellungen zu Punkt 1.3.12 zu treffen.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Fortsetzungsausspruch

3.1.1. §§ 76 und 77 Fremdenpolizeigesetz (FPG), § 22a Abs. 4 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten auszugsweise:

Schubhaft (FPG)


„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. 

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gelinderes Mittel (FPG)

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
2.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (BFA-VG)

§ 22a (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.1.3. Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist gehen soll, und danach alle vier Wochen vorzulegen. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 leg.cit. bereits eingebracht wurde.

3.1.4. Allgemeine Voraussetzungen

Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

Nachdem mit Erlassung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.03.2020, zugestellt am 16.03.2020, eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung besteht, galt die zur Sicherung des Asylverfahrens verhängte Schubhaft gemäß § 76 Abs. 5 FPG ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung sind das Bestehen einer Fluchtgefahr, die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und das Nichtvorliegen eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG.

3.1.5. Fluchtgefahr

Hinsichtlich der Fluchtgefahrtatbestände des § 76 FG Abs. 3 hat sich in Hinblick auf die Vorerkenntnisse zur gegenständlich zu überprüfenden Schubhaft keine Änderung ergeben. Das Gericht geht weiterhin von Fluchtgefahr aus:

Fluchtgefahr ist dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.

Während der aufrechten Schubhaft ist der Beschwerdeführer schon mehrmals in Hungerstreik getreten, um seine Freilassung zu erwirken. Dabei handelt es sich um eine Handlung, die darauf abzielt, die Abschiebung zu umgehen oder zu behindern. Diese Tatsache rechtfertigt die Annahme in Sinne des § 76 Abs. 3 erster Satz FPG, dass der Beschwerdeführer sich der Abschiebung entziehen oder sie wesentlich erschweren wird. Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG liegt somit vor.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 3 FPG zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).

Da gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige, durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorliegt und er während seines ersten Asylverfahrens sich bereits einmal entzogen hat und für die Behörden nicht greifbar war, ist auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 3 FPG erfüllt.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z 5 FPG ist bei der Beurteilung der Fluchtgefahr zu berücksichtigen, ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand.

Der Beschwerdeführer stellte am 30.01.2020 einen Asylfolgeantrag. Zu diesem Zeitpunkt war die Rückkehrentscheidung durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.01.2020 rechtskräftig und befand sich der Beschwerdeführer bereits in Schubhaft. Es ist daher im vorliegenden Fall auch der Tatbestand der Z 5 des § 76 Abs. 3 FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt sind gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG der Grad der sozialen Verankerung des Fremden in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit bzw. das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen.

Das Verfahren hat keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass im Fall des Beschwerdeführers Umstände vorliegen, die wegen seiner Verankerung im Bundesgebiet gegen das Bestehen der Fluchtgefahr sprechen. Er verfügt im Inland über keine engen sozialen und keine beruflichen oder familiären Anknüpfungspunkte, hat keinen gesicherten Wohnsicht und ist auch nicht selbsterhaltungsfähig, weshalb keinerlei soziales Netz vorhanden ist, welches ihn vom Untertauchen bewahren könnte. § 76 Abs. 3 Z 9 FPG liegt daher gegenständlich ebenfalls vor.

Es liegt daher – weiterhin – Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3, Z 5 und Z 9 FPG vor.

3.1.6. Fortsetzung der Schubhaft gemäß § 80 Abs. 4 FPG

Gemäß § 80 Abs. 4 FPG kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden, wenn ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden kann, weil

„1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint“.

Z 4 des § 80 Abs. 4 FPG wurde durch die Novelle BGBl. I Nr. 84/2017 eingefügt, der entsprechende Tatbestand, wonach Fälle, in denen sich der Beschwerdeführer bereits einmal dem Verfahren entzogen hat, gleich zu behandeln sind wie jene Fälle, die in den Ziffern 1 bis 3 genannt sind, war aber schon zuvor in diesem Absatz enthalten (wenn auch nicht unter einer eigenen Ziffer textiert) und geht auf ursprünglich auf die Novelle BGBl. I Nr. 38/2011 zurück. Mit dieser Novelle wurde erstmals die Verlängerung der Schubhaft ermöglicht, wenn der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen hat. Den Materialien dieser Novelle ist klar zu entnehmen, dass der Wille des Gesetzgebers gerade darauf gerichtet war (RV 1078 BlgNR XXIV. GP 38: „Abs. 4 wird vor dem Hintergrund der RückführungsRL in mehrfacher Hinsicht adaptiert. Nunmehr soll klargestellt werden, dass das einmalige ‚Entziehen aus dem Verfahren‘ nicht mehr nur ein Grund für die Verhängung der Schubhaft (§ 76 Abs. 1), sondern auch für die Dauer der Schubhaft relevant ist.“; vgl. dazu eingehend BVwG 24.06.2020, W281 2226662-5).

Der Beschwerdeführer hat sich, wie den Feststellungen unter Punkt 1.3.4. zu entnehmen ist, in der Vergangenheit dem Verfahren, das zur Erlassung eine aufenthaltsbeendenden Maßnahme geführt hat, entzogen:

Der Beschwerdeführer war in der Zeit von 27.09.2018 bis 30.09.2018 von seiner Asylunterkunft abgängig und wurde zur Fahndung ausgeschrieben.

Die widerrechtliche Abgängigkeit von etwa drei Tagen stellt eine Entziehung im Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme dar. Der Beschwerdeführer war an diesen Tagen für die Behörde nicht greifbar und sein Aufenthaltsort nicht bekannt. Der Beschwerdeführer war daher für diesen Zeitraum untergetaucht. Diesen Umstand hat der Beschwerdeführer auch im gesamten Verfahren nie bestritten. Wenn sich ein Fremder dem Verfahren entzieht, kommt es nicht auf die Dauer des Entzuges, sondern lediglich darauf an, ob der Fremde sich dem Verfahren überhaupt entzogen hat.

Gegenständlich ist der Tatbestand der Z. 4 verwirklicht. Damit ist eine Anhaltung in Schubhaft über sechs Monate hinaus – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen, insbesondere der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft – möglich.

3.1.7. Verhältnismäßigkeit

Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

Der Beschwerdeführer weist Vorstrafen nach dem Strafgesetzbuch und Suchtmittelgesetz auf, wobei sich der Zeitraum, in dem er die strafbaren Handlungen gesetzt hat von 10.06.2017 bis 03.04.2019 erstreckt. Die erste Tatbegehung erfolgte daher nicht lange nach der Einreise des Beschwerdeführers am 06.04.2016. Alle Straftaten setzte der Beschwerdeführer während seines laufenden Asylverfahrens. Die besondere Verwerflichkeit dieser Taten manifestiert sich nicht nur im Deliktszeitraum und der weiteren Tatbegehung trotz erfolgter gerichtlicher Verurteilung innerhalb der Probezeit, sondern insbesondere auch darin, dass der Beschwerdeführer Suchtmittel an einen öffentlichen Ort überlassen hat, um es teils gewinnbringend zu verkaufen. Aus den Verurteilungen lässt sich auch ableiten, dass der Beschwerdeführer wiederholt gleichartige Delikte gesetzt hat und sohin auch durch einschlägige Vorverurteilungen nicht von der weiteren Tatbegehung abgehalten werden konnte. Der Begehungszeitraum einiger Taten, für die der Beschwerdeführer mit Urteil am 26.09.2019 verurteilt wurde, erfolgte zudem während eines bereits anhängigen Strafverfahrens und während offener Probezeit. Diversionelle Erledigungen waren bei der ersten Verurteilung – trotz Unbescholtenheit - aufgrund der Schwere der Schuld und der Erforderlichkeit, ihm das Haftübel vor Augen zu führen nicht möglich. Auch bei der zweiten Verurteilung war eine Diversion aufgrund des leicht aufbrausenden Charakters nicht möglich und musste ihm sein Unrecht durch Verspürung des Haftübels vor Augen geführt werden.

Da der Beschwerdeführer nicht einmal durch rechtskräftige Bestrafungen und der mehrfachen Verspürung des Haftübels von der Begehung weiterer Straftaten abgehalten werden konnte, ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer auch künftig Straftaten nach dem Strafgesetzbuch bzw. Suchtmittelgesetz begehen werde. Aufgrund der wiederholten Begehung von Suchtgiftdelikten und der gefährlichen Drohungen gefährdet der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Daher besteht ein besonders hohes öffentliches Interesse an der baldigen Außerlandesbringung des Beschwerdeführers.

Betrachtet man die Interessen des Beschwerdeführers an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass der Beschwerdeführer familiäre Kontakte und andere enge soziale oder berufliche Kontakte im Inland nicht vorweisen konnte, die im Rahmen der Abwägung die Entscheidung zu Gunsten einer Freilassung zu beeinflussen geeignet waren. Der Beschwerdeführer hat mehrfach gegen strafrechtliche Bestimmungen verstoßen und damit zum Ausdruck gebracht, dass er ganz klar keine Unterordnung unter das im Inland bestehende Rechtssystem beabsichtigt. In Schubhaft hat der Beschwerdeführer zudem mehrfach Ordnungswidrigkeit begangen, indem er unerlaubt Mobiltelefone besessen hat. Er hat in Österreich bereits zwei Anträge auf internationalen Schutz gestellt, und ist im ersten Asylverfahren abgängig gewesen. Es wurde auch ein Einreiseverbot verhängt. Die Republik Österreich hat damit nach Ansicht des Gerichts nunmehr ausreichend klar dargestellt, dass ein Verbleib des Beschwerdeführers im Inland rechtlich nicht gedeckt ist und sohin auch ein erhöhtes Interesse an einer Außerlandesbringung des Beschwerdeführers bekundet. Dem gegenüber wiegen die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers, der keine engen Kontakte und keine Familienangehörigen in Österreich hat, weit weniger schwer als das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen – insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer wird zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung seit 11 Monaten in Schubhaft angehalten und damit etwas mehr als die Hälfte der zulässigen Schubhafthöchstdauer von 18 Monaten gemäß § 80 Abs. 4 FPG. Insbesondere in Hinblick auf das besonders hohe öffentliche Interesse an seiner Außerlandesbringung wegen der wiederholten Straffälligkeit (Suchtgiftdelikte und gefährliche Drohungen) sowie dem Verhalten in Schubhaft, vorallem mehrfache Hungerstreiks, um seine Freilassung zu erpressen, beurteilt der erkennende Richter die Schubhaft im Entscheidungszeitpunkt noch als verhältnismäßig.

Nach dem Vorbringen des Bundesamtes wird die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan mittels Charterrückführung im Dezember 2020 vorbereitet. Im Entscheidungszeitpunkt wird eine Anhaltung bis zu einer Abschiebung zu diesem Zeitpunkt vom erkennenden Richter – ebenso wie im letzten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes zur gegenständlichen Schubhaft vom 09.10.2020, W283 2226662-9 – als (gerade) noch verhältnismäßig angesehen.

Bei einer im Sinne des § 80 Abs. 4 höchstzulässigen Dauer der Schubhaft von 18 Monaten ist die Aufrechterhaltung der seit 03.12.2020 bestehenden Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft im Entscheidungszeitpunkt noch verhältnismäßig.

3.1.8. Gelinderes Mittel

Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung kann auf Grund der fehlenden finanziellen Mittel des Beschwerdeführers nicht zur Anwendung kommen. Aber auch die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom Beschwerdeführer in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens nicht zum Ziel der Sicherung des Verfahrens, da diesfalls die konkrete Gefahr des Untertauchens des Beschwerdeführers besteht. Der Beschwerdeführer hat sich bereits dem laufenden Asylverfahren entzogen. Der Beschwerdeführer ist dreimal straffällig geworden und ist nicht vertrauenswürdig. Er ist mehrfach in Hungerstreik getreten, um seine Freilassung zu erzwingen. Gegen ihn wurden wegen Ordnungswidrigkeiten in Schubhaft schon mehrmals Disziplinierungsmaßnahmen angeordnet. Bei dem Verhalten der Beschwerdeführers vor während der Anhaltung ist nicht zu erwarten, dass er die aus der Anordnung eines gelinderen Mittels für ihn folgenden Beschränkungen und Auflage einhalten und sich der Behörde zur Verfügung halten würde.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

3.1.9. Der hier zu prüfende Sachverhalt stellt daher nach wir vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des Beschwerdeführers zu gewährleisten.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

3.1.10. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage, des Inhaltes der Beschwerde und der Stellungnahme der belangten Behörde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

3.2. Zu Spruchteil B. - Revision

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies ist der Fall wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie zu Spruchpunkt A. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Ausreisewilligkeit Einreiseverbot Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft Kooperation Mittellosigkeit öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Suchtmitteldelikt Untertauchen Vereitelung Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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