TE OGH 2020/9/23 1Ob102/20m

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Veröffentlicht am 23.09.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****-Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch die ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH, Graz, gegen die beklagte Partei M***** – Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Univ.-Prof. Dr. Gernot Murko und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, und die Nebenintervenientin auf Seite der beklagten Partei V***** GmbH in Liqu. (vormals V***** GmbH), *****, vertreten durch Mag. Christian Maurer und Mag. Daniel Schöpf, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 485.280,54 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 13. März 2020, GZ 2 R 25/20v-74, mit dem das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 11. Dezember 2019, GZ 28 Cg 50/15m-70, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Die Bezeichnung der Nebenintervenientin auf Seite der beklagten Partei wird auf „V***** GmbH in Liqu.“ berichtigt.

II. Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Zu I.:

Aus dem Firmenbuch (FN *****) ergibt sich, dass die Generalversammlung am 16. 7. 2019 den Beschluss fasste, die Nebenintervenientin aufzulösen, und dass die Nebenintervenientin ihre Firma geändert hat. Ihre Parteibezeichnung ist daher gemäß § 235 Abs 5 ZPO zu berichtigen (RIS-Justiz RS0039550).

Zu II.:

Die Klägerin ist Fruchtnießerin einer im Eigentum der Republik Österreich (Bund) stehenden Liegenschaft, auf der die Beklagte als Werkunternehmerin aufgrund eines mit der Republik Österreich als Werkbestellerin im Jahr 1986 abgeschlossenen Werkvertrags bis 1989 eine Autobahnbrücke errichtete. Die Klägerin ist gemäß § 8 ASFINAG-Ermächtigungsgesetz 1997, BGBl I 1997/113, (auch) in dieses Rechtsverhältnis ex lege eingetreten.

Zur dauerhaften stabilen Verbindung der Autobahnbrücke mit dem Untergrund verbaute die Beklagte vereinbarungsgemäß Daueranker im Hang. Diese Anker bestehen aus einem im Untergrund verkeilten Teil, einer „Freispielstrecke“, einem Ankerkopf (in den die Litzen des Stahlseils mit Keilen integriert sind) und einer Abdeckkappe. Wenn die Ankerkonstruktion im Untergrund verkeilt ist, ist der Ankerkopf zu spannen und danach die Freispielstrecke zum Zweck des Korrosionsschutzes vollständig zu hinterfüllen. Die fehlende Hinterfüllung einer Freispielstrecke ist durch das Befahren mit einer Kamera oder einem Spiegel oder durch endoskopische Maßnahmen erkennbar.

Beim vorliegenden Ankersystem wurde die Freispielstrecke nicht sorgfältig mit Korrosionsschutzmasse hinterfüllt. Dieser Ausführungsfehler hätte durch sorgfältiges Arbeiten und Überprüfen unmittelbar nach dem Verpressen vermieden werden können. Der unmittelbar nach der nicht sorgfältigen Herstellung eingetretene Schaden – freiliegende Litzen hinter dem Ankerkopf und damit mangelhafter Korrosionsschutz der Freispielstrecke, wodurch die Litzen vom Tag der Herstellung an korrodieren konnten – wurde anlässlich einer Prüfung im Jahr 2013 festgestellt. Durch vollständige Hinterfüllung der Freispielstrecke mit Korrosionsschutzmasse wäre der Korrosionsschaden verhindert worden.

Ein Prüfer des vormals für die Wartung zuständigen Bundeslandes fertigte am 28. 1. 2004 Lichtbilder von heruntergefallenen, von Rost zerfressenen Ankerkopfabdeckungen an. Um nach Abnahme der Ankerköpfe die Freispielstrecke dahinter zu überprüfen, konnte man schon damals die Anker in der Mitte durchbohren und den Hohlraum dahinter mit einer mit einem Spiegel besetzten Stange oder mit einer Kamera begutachten, um festzustellen „wie es den Ankerlitzen dahinter geht“. Der Anker hat in der Mitte eine Ausnehmung, die zu Kontrollzwecken durchbohrt werden kann, ohne eine Litze zu gefährden. Gibt es keine Möglichkeit, „ins Innere zu blicken“, muss der Ankerkopf entspannt und freigelegt oder eine Abhebekontrolle oder eine Zugfestigkeitskontrolle durchgeführt werden.

Auf einem anderen Autobahnteilstück wurden beim gleichen Ankertyp korrodierte Ankerköpfe, abgerissene Anker, heruntergefallene Ankerkopfabdeckungen und mangelhafter Korrosionsschutz in der Freispielstrecke hinter dem Ankerkopf festgestellt. Spätestens im Jahr 2008 kannte die Klägerin „die Problematik von mangelhaftem Korrosionsschutz“ bei der Freispielstrecke von geankerten Konstruktionen. Sie führte damals auf dem anderen Autobahnteilstück Überprüfungen der geankerten Konstruktionen mit Hebekontrollen und endoskopische Untersuchungen durch. Derartige endoskopische Untersuchungen von Freispielstrecken wurden im Zeitraum 2008/2009 erstmals Sonderprüfungsmethoden und als solche in Fachkreisen publiziert.

Nachdem die Klägerin von 2006 – damals wurden Hinweise auf korrodierte Ankerkopfabdeckungen in ein Prüfprotokoll aufgenommen – bis 2012 die Brücke nicht kontrolliert hatte, hegte sie den ersten Verdacht derartiger Korrosionsschäden an dieser Brücke Anfang Juli 2012, als ihr Bauwerksprüfer eine Ankerkopfabdeckung abnahm „und versuchte, bei einer Litze, ob er hinten hineinkommt in den hinterfüllten Raum und [er] kam hinein“. Das war für ihn ein Zeichen, dass bei der Ankerkonstruktion etwas nicht stimmen würde. Die von ihm veranlasste Überprüfung bestätigte im Jahr 2013 den Verdacht, dass die Freispielstrecke nicht ordnungsgemäß mit Korrosionsschutzmaterial hinterfüllt war. Durch eine im Jahr 2014 durchgeführte Sonderprüfung mittels Endoskopie wurde der konkrete Schaden „sichtbar“.

Mit ihrer am 1. 7. 2015 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin von der Beklagten als Ersatz für Schäden, die ihr diese durch unzureichenden Korrosionsschutz der Freispielstrecke zugefügt habe, 485.280,54 EUR und die Feststellung, die Beklagte hafte ihr für sämtliche Schäden, die aufgrund „des mangelhaft ausgeführten Korrosionsschutzes entstanden sind bzw noch entstehen werden“. Ihr Anspruch sei nicht verjährt, weil der Schaden erst am 4. 7. 2012 erkennbar geworden sei. Nach damaligem Stand der Prüftechnik sei Korrosion an Ankerköpfen kein Indiz für Korrosion im Inneren des Ankers gewesen und selbst in der bauwirtschaftlichen Lehre sei bis 2011 das Problem einer Korrosion der Freispielstrecke hinter den Ankerköpfen nicht bekannt gewesen.

Die Beklagte und ihre Nebenintervenientin wendeten – soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz – ein, der Ersatzanspruch der Klägerin sei verjährt, weil ihr die Anspruchsvoraussetzungen aufgrund der seit 2004 vorliegenden Verdachtsmomente – Korrosion der Ankerköpfe und Ankerabdeckungen – bei angemessener Erkundigung schon damals bekannt geworden wären.

Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Die Klägerin, die sich Obliegenheitsverletzungen „ihrer Rechtsvorgänger“ zurechnen lassen müsse, hätte aufgrund der schon 2004 verrosteten Ankerkopfabdeckungen die Obliegenheit getroffen, die Ankerkopfabdeckungen abzunehmen und die Freispielstrecke so zu überprüfen, wie es ihr Bauwerksprüfer Anfang Juli 2012 angesichts der korrodierten Ankerköpfe getan hat. Im Jahr 2008 habe sie aufgrund ihrer Erfahrung mit ähnlichen Problemen auf einem anderen Autobahnabschnitt nicht nur von den Indizien für eine Sonderprüfung gewusst, sondern auch schon über jene Sonderprüfungsmethode (Endoskopie) verfügt, die sie erst im Jahr 2014 anwendete. Durch eine „auffallende Sorglosigkeit“ in eigenen Angelegenheiten sei sie ihrer Verpflichtung, aufgrund der massiven Korrosionserscheinungen an den Ankerkopfabdeckungen und den Ankerköpfen durch eine Sonderprüfung den Schaden bereits 2004/2005, spätestens aber 2008 zu entdecken, nicht nachgekommen. Sie müsse daher die Einrede der Verjährung gegen sich gelten lassen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Rechtlich führte es aus, zumindest seit Jänner 2004 sei eine technische Abklärung notwendig gewesen, wie weit die Anker korrodiert seien, weil gefährdete Anker Einsturzgefahr für die Brücke bedeuteten. Um nach Abnahme der Ankerköpfe die dahinter liegende Freispielstrecke zu überprüfen, habe die Klägerin schon damals die Anker in der Mitte durchbohren und den Hohlraum dahinter mit einer mit einem Spiegel besetzten Stange oder mit einer Kamera begutachten können, um festzustellen, „wie es den Ankerlitzen dahinter geht“. Spätestens im Jahr 2008 habe sie aufgrund der Erfahrungen mit demselben Ankertyp auf einem anderen Autobahnabschnitt vom Problem des mangelhaften Korrosionsschutzes in der Freispielstrecke hinter dem Ankerkopf, wenn Ankerkopfabdeckungen herunterfallen und Ankerköpfe korrodiert sind, gewusst. Ab 2008/2009 habe zur Überprüfung von Freispielstrecken hinter Ankerköpfen auch die Untersuchung mittels Endoskops zur Verfügung gestanden. Dass die Klägerin trotz erheblicher Verdachtsmomente bis Juli 2012 die Suche nach dem Schaden, nach dessen Ursache und nach dem Schädiger unterlassen habe, sei ihr als Vernachlässigung ihrer Erkundigungsobliegenheit anzulasten. Da sie bei angemessener Erkundigung die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen spätestens 2009 ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen hätte können – aus dem Fehlen des Korrosionsschutzes im Bereich der Freispielstrecke hätte sich unmittelbar auf die Beklagte als Schädigerin schließen lassen – sei ihr mit Klage vom 1. 7. 2015 geltend gemachter Schadenersatzanspruch gemäß § 1489 Satz 1 ABGB verjährt.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu beantworten gewesen seien.

Rechtliche Beurteilung

Die – nach Freistellung durch den Obersten Gerichtshof – beantwortete außerordentliche Revision der Klägerin ist zulässig, weil den Vorinstanzen wegen in wesentlichen Bereichen widersprüchlicher Feststellungen keine gesicherte Tatsachengrundlage für die Beurteilung der behaupteten Verletzung der Erkundigungsobliegenheit vorlag. Sie ist im Sinn der Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen auch berechtigt.

1.1. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB beginnt mit Kenntnis von Schaden und Schädiger. Der Geschädigte muss sowohl den Schaden als auch den Ersatzpflichtigen soweit kennen, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann (RS0034524). Der den Anspruch begründende Sachverhalt muss dem Geschädigten zwar nicht in allen Einzelheiten, aber doch so weit bekannt sein, dass er in der Lage ist, das zur Begründung seines Ersatzanspruchs erforderliche Sachvorbringen konkret zu erstatten (vgl RS0034524 [T24, T25]). Um mit Erfolg Klage erheben zu können, benötigt der Geschädigte sohin bei einer Verschuldenshaftung Kenntnis von der Schadensursache (RS0034951), dem maßgeblichen Kausalzusammenhang (RS0034366) und dem Verschulden des Schädigers (RS0034322). Diese Kenntnis wird durch verschuldete Unkenntnis nicht ersetzt (RS0034686). Die bloße Möglichkeit der Kenntnis genügt grundsätzlich ebensowenig wie die bloße Möglichkeit der Ermittlung einschlägiger Tatsachen. Kennenmüssen reicht daher grundsätzlich nicht aus (RS0034366 [T3, T6]).

1.2. Der Geschädigte darf sich allerdings nicht einfach passiv verhalten (RS0065360), wenn er die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann; dann ist jener Zeitpunkt für die Kenntnisnahme (und damit für die Verjährungszeit) maßgeblich, zu dem dem Geschädigten die Voraussetzungen bei angemessener Erkundigung bekannt geworden wären (vgl RS0034327; RS0034335).

1.3. Die Erkundigungsobliegenheit darf nicht überspannt werden (RS0034327 [T6, T27, T31]). Ausnahmsweise kann aber, sofern eine Verbesserung des Wissensstands nur so möglich und dem Geschädigten der Kostenaufwand zumutbar ist, auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens als Erkundigungsobliegenheit des Geschädigten angesehen werden (RS0113916 [T4]). An fachkundige Personen ist dabei ein strengerer Maßstab anzulegen (RS0034327 [T41]; RS0034603 [T29]). Dabei sind jeweils die konkreten Umstände des Einzelfalls maßgeblich (RS0113916; vgl RS0034327).

1.4. Derjenige, der die Verjährung einwendet, hat jene Tatsachen, die seine Einrede zunächst einmal schlüssig begründen, vorzubringen und zu beweisen (RS0034198 [T2]). Die Beklagte ist daher auch für den Beginn der Verjährungsfrist beweispflichtig (RS0034456 [T1, T4]).

2.1. Nach den vom Berufungsgericht übernommenen erstinstanzlichen Feststellungen ist die fehlende Hinterfüllung der Freispielstrecke nur bei einer Sonderprüfung (Befahren mit einer Kamera oder einem Spiegel oder einer endoskopischen Maßnahme) erkennbar. Von außen gab es beim ersichtlichen Schadensbild (korrodierte Abdeckungen) vorerst keinerlei Indizien, die darauf hindeuteten, dass die Freispielstrecke dahinter nicht hinterfüllt wäre. Selbst wenn ein zwingender Zusammenhang zwischen einer Korrosion an der Ankerkappe und am Ankerkopf mit einer möglichen Korrosion im Inneren der Ankerkonstruktion nicht gegeben ist, wäre dies – so die davon abweichende, zunächst aber unklare weitere Feststellung – aber ein Indiz dafür, eine Sonderprüfung durchzuführen. Bei einer Sonderprüfung wären die geltend gemachten Schäden zu Tage getreten.

2.2. Nach der erstgenannten Feststellung bestanden – trotz des ungünstigen Zustands der Ankerköpfe bereits in den 2000er-Jahren – von außen keine Anhaltspunkte für eine unzureichende Hinterfüllung der Freispielstrecke. Nach der weiteren zitierten Feststellung soll dies aber dennoch ein „Indiz“ dafür gewesen sein, „eine Sonderprüfung durchzuführen“. Maßgeblich ist aber allein, ob überhaupt und wenn ja, wann die Klägerin massive Verdachtsmomente dahin haben musste, dass die Beklagte – ähnlich wie bei der Brücke eines anderen Autobahnabschnitts, die von einer anderen Werkunternehmerin ausgeführt worden war – eine unzureichende Verfüllung mit Korrosionsschutzmasse vorgenommen und damit Rostschäden verschuldet hatte. Ohne klare und aussagekräftige Feststellungen, die derzeit nicht vorliegen, lässt sich nicht beurteilen, ob die Klägerin bereits vor 2012 ausreichenden Anlass gehabt und ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen hätte können, dass die Freispielstrecke hinter dem Ankerkopf von der Beklagten nicht ausreichend verfüllt worden war. Ob aus allgemeinen Sicherheitserwägungen – worauf die Passage zu einem „Indiz für eine Sonderprüfung“ wohl abzielt – weitergehende Prüfungen vorzunehmen gewesen wären, ist für die Frage der verjährungsrechtlichen Erkundigungsobliegenheit in die dargestellte konkrete Richtung nicht von Bedeutung.

Derzeit steht nur gesichert fest, dass die Klägerin den ersten Verdacht auf Korrosionsschäden erstmals im Juli 2012 hatte. Das Erstgericht wird im fortzusetzenden Verfahren widerspruchsfreie Feststellungen dazu zu treffen haben, ob für die Klägerin bereits in den Jahren davor eindeutige und klare Anhaltspunkte bestanden und sie aufgrund des vorhandenen Schadensbildes mit den letztlich festgestellten Mangelschäden rechnen und im Rahmen ihrer verjährungsrechtlichen Erkundigungsobliegenheit eine Sonderprüfung in Auftrag geben hätte müssen. Solche eindeutigen Anhaltspunkte für eine unzureichende Hinterfüllung der Freispielstrecke stehen derzeit aufgrund der zitierten widersprüchlichen Feststellungen jedenfalls nicht fest.

3. Zur Klarstellung ist darauf zu verweisen, dass die Klägerin – entgegen ihrer Ansicht – der Umstand, dass erst in der am 19. 11. 2013 in Kraft getretenen Fassung der RVS 13.03.21 die Durchführung einer Sonderprüfung empfohlen wird, nicht davon entband, die ihr bereits zuvor bekannten und auch anerkannten Prüfmethoden zur Erkundigung augenscheinlicher Mängel einzusetzen. Liegen ihr – sofern dies überhaupt festgestellt werden könnte – ausreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Schadens (nämlich eines gefährlichen Korrosionsschadens infolge mangelhafter Verfüllung) vor und führt sie dennoch keine möglichen und zumutbaren technischen Untersuchungen zur Aufklärung durch, wäre ihr eine Verletzung der sie treffenden Erkundigungspflicht mit der Folge des Beginns der Verjährungsfrist mit jenem Zeitpunkt vorzuwerfen, zu dem sie bei angemessenem Vorgehen ausreichend sichere Tatsachenkenntnis erlangt hätte. Der Umstand, dass die konkrete Prüfmethode 2008/2009 noch nicht in den RVS („Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen“) vorgesehen war, würde die fachkundige Klägerin, sofern sie bereits bei einem anderen Autobahnabschnitt mit demselben Schadensbild 2008/2009 diese Prüfmethode durchführen ließ, nicht davon entbinden, von einer allenfalls erforderlichen endoskopischen Untersuchung zur Feststellung der Schadensursache Gebrauch zu machen. Sie bestreitet auch nicht, dass ihr ab 2008/2009 die Möglichkeit einer endoskopischen Untersuchung offengestanden wäre und sie aufgrund ihrer Erfahrungen beim anderen Autobahnabschnitt auch von dieser Überprüfungsmöglichkeit Kenntnis hatte.

Der Umstand, dass in einem bestimmten anderen Prozess die Verjährung der Schadenersatzansprüche der Klägerin gegen eine andere Werkunternehmerin verneint wurde, ist darauf zurückzuführen, dass sie die Klage dort bereits im Jahr 2011 einbrachte und ihr der dort anspruchsbegründende Sachverhalt Anfang 2009 zur Kenntnis gelangt war. Damit unterscheidet sich – auch wenn die Klägerin anderes behauptet – der hier zu beurteilende Sachverhalt maßgeblich vom dort festgestellten.

4. Der Revision ist daher aus den zu 2.2. dargelegten Gründen Folge zu geben. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren seine Feststellungen im aufgezeigten Sinn klarzustellen bzw zu verbreitern und anschließend neuerlich zu entscheiden haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Textnummer

E129703

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00102.20M.0923.000

Im RIS seit

18.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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