TE OGH 2020/7/29 13Os58/20h

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Veröffentlicht am 29.07.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Juli 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Part in der Strafsache gegen Vanessa R***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 39 Hv 134/19k des Landesgerichts Feldkirch, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 9. Jänner 2020 (ON 155) ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Leitner, sowie des Verteidigers Dr. Pistotnik zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache AZ 39 Hv 134/19k des Landesgerichts Feldkirch verletzt das Urteil dieses Gerichts vom 9. Jänner 2020 (ON 155) § 270 Abs 2 Z 5 StPO iVm §§ 37 und 35 Abs 1 SMG.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in den Schuldsprüchen 13, 14 und 15 wegen Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG, demgemäß auch in den Muhammet D*****, David T***** und Jimmy T***** betreffenden Strafaussprüchen einschließlich der Vorhaftanrechnung, ebenso aufgehoben wie die hinsichtlich David T***** gemäß § 494a StPO gefassten Beschlüsse und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Feldkirch verwiesen.

Mit ihrer Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe in Bezug auf die Angeklagten Muhammet D*****, David T***** und Jimmy T***** wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier von Bedeutung – Muhammet D***** (zu 13), David T***** (zu 14) und Jimmy T***** (zu 15) jeweils eines Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG schuldig erkannt.

Danach haben sie vorschriftswidrig unbekannte Mengen Suchtgift erworben und besessen, wobei sie die Straftaten ausschließlich zum persönlichen Gebrauch begingen, nämlich

(13) D***** vom 1. bis zum 6. Oktober 2019 in V*****, indem er täglich Kokain und Cannabis konsumierte, weiters

(14) David T***** vom 13. Juli bis zum 6. Oktober 2019 in V*****, indem er täglich Cannabis konsumierte, und

(15) Jimmy T***** vom 7. Mai bis zum 6. Oktober 2019, indem er täglich Cannabis konsumierte.

Dazu trafen die Tatrichter im Wesentlichen dem oben wiedergegebenen Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) entsprechende Feststellungen samt Ausführungen zur subjektiven Tatseite (US 16 f).

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil erhob (nur) die Staatsanwaltschaft Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe zum Nachteil sämtlicher Angeklagter.

Dieses Urteil steht – wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt – mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Gemäß § 37 SMG hat nach Einbringen der Anklage das Gericht die §§ 35 und 36 SMG sinngemäß anzuwenden und das Verfahren unter den für die Staatsanwaltschaft geltenden Voraussetzungen mit Beschluss einzustellen.

Nach ständiger Rechtsprechung hindert der Umstand, dass ein Angeklagter – wie hier – weiterer, mit dem Suchtmittelgesetz in keinem Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen schuldig erkannt wird, eine vorläufige Verfahrenseinstellung nach § 37 iVm § 35 Abs 1 SMG nicht (RIS-Justiz RS0113621).

Dem Urteilssachverhalt zufolge begingen die Angeklagten Muhammet D*****, David T***** und Jimmy T***** die nach dem SMG inkriminierten Straftaten ausschließlich zu ihrem je eigenen persönlichen Gebrauch, weshalb das Erstgericht zutreffend das Vorliegen der Privilegierungsvoraussetzung nach § 27 Abs 2 SMG bejahte. Diese entspricht dem in § 35 Abs 1 SMG genannten Diversionskriterium (RIS-Justiz RS0131952). Wird durch die Tat § 27 Abs 1 und 2 SMG verwirklicht, ist daher Diversion nach § 35 Abs 1 (iVm § 37) SMG – bei Vorliegen auch der weiteren Voraussetzungen und Bedingungen (§ 35 Abs 3 bis 7 SMG) – stets geboten. Lehnt das Gericht dies gleichwohl ab, hat es gemäß dem Gebot des § 270 Abs 2 Z 5 StPO, die als erwiesen oder nicht erwiesen angenommenen, entscheidungswesentlichen Tatsachen in den Entscheidungsgründen des Urteils in gedrängter Darstellung anzuführen (Danek, WK-StPO § 270 Rz 30 f), Feststellungen zu treffen, aus denen sich die Nichtanwendung der genannten Diversionsbestimmungen ableiten lässt (RIS-Justiz RS0119091 [T7 und T9]; vgl auch 15 Os 39/16y [Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10a StPO]).

Das Fehlen solcher Konstatierungen macht hier die Nichtanwendung von Diversion unschlüssig (RIS-Justiz RS0122332), weshalb das angefochtene Urteil in den Schuldsprüchen wegen Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften § 270 Abs 2 Z 5 StPO iVm §§ 37 und 35 Abs 1 SMG verletzt.

Da diese Gesetzesverletzung geeignet ist, zum Nachteil der Angeklagten Muhammet D*****, David T***** und Jimmy T***** zu wirken, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, ihre Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO). Die Aufhebung der hinsichtlich David T***** gemäß § 494a StPO gefassten Beschlüsse war Folge der Beseitigung des diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruchs (RIS-Justiz RS0100194).

Mit ihrer in Ansehung der Angeklagten Muhammet D*****, David T***** und Jimmy T***** ergriffenen Berufung war die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

Textnummer

E128948

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0130OS00058.20H.0729.000

Im RIS seit

31.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

01.09.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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