TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/27 W147 2200357-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.04.2020
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Entscheidungsdatum

27.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs3a
AsylG 2005 §9 Abs2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W147 2200357-3/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. KANHÄUSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20/5, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20. Juni 2018, Zl. 730823908-180355962, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15. März 2019 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1, 2 und 5 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 138/2017, stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Dem Beschwerdeführer, einem Staatsangehörigen der Russischen Föderation, wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 17. Juli 2008, Zl. A12 254.257-0/2008/14E, der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

2. Mit 26. März 2018 erlangte die belangte Behörde Kenntnis über die gegen den Beschwerdeführer erhobene Anklage wegen § 15 StGB, §§ 201, 202 Abs. 1, 202 Abs. 2 4. Fall StGB.

3. Am 13. April 2018 leitete die belangte Behörde das nunmehr verfahrensgegenständliche Aberkennungsverfahren gegen den Beschwerdeführer ein.

4. Im Zuge des nunmehr verfahrensgegenständlichen Aberkennungsverfahrens wurde der Beschwerdeführer am 24. April 2018 vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen und führte in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die russische Sprache aus, er wolle nichts sagen, habe Kopfschmerzen und werde er nichts unterschreiben.

5. Mit Urteil des XXXX vom XXXX 20/2018t, rechtskräftig am XXXX , wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 15, 201 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 24 Monaten verurteilt.

6. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde dem Beschwerdeführer der mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 17. Juli 2008, Zl. A12 254.257-0/2008/14E, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt. Gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.).

Unter Spruchpunkt II. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt.

Unter Spruchpunkt III. wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 3 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG und § 52 Abs. 9 FPG festgsetellt, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers unzulässig sei (Spruchpunkt V.). In Spruchpunkt VI. wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage und wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm § 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf aktuelle Länderfeststellungen zur Lage im Herkunftsstaat und stellte zur Person des Beschwerdeführers fest, dass er Staatsangehöriger der Russischen Föderation, der Volksgruppe der Russen zugehörig und orthodoxen Glaubens sei. Der Beschwerdeführer sei verheiratet, habe zwei minderjährige Kinder und sei in Österreich berufstätig. Der Beschwerdeführer sei in Österreich rechtskräftig wegen eines schweren Verbrechens (Versuch im Sinne des § 15 StGB) verurteilt worden.

Zur zwingenden Aberkennung des Status des Asylberechtigten führte die belangte Behörde aus, dass der Grund des § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 vorliege. Der Beschwerdeführer sei von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens im Sinne des § 17 StGB mit Urteil des Landesgerichtes XXXX rechtskräftig verurteilt worden und stelle, aufgrund des Urteilsausspruches, aus stichhaltigen Gründen eine Gefahr für die Österreichische Republik dar. Mit Erkenntnis vom 14. März 2011, D13 415230, habe der Asylgerichtshof eine Verurteilung (§ 201 Abs. 1 StGB) abstrakt als besonders schweres Verbrechen eingestuft. Daher sei dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten abzuerkennen gewesen.

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 sei der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in sein Herkunftsland eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Im Falle des Beschwerdeführers drohe keine der obgenannten Gefahren.

Der Beschwerdeführer sei von einem inländischen Gericht wegen der Delikte gemäß §§ 15, 201 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 24 Monaten verurteilt worden. Gemäß § 17 StGB seien Verbrechen vorsätzliche Handlungen, die mit lebenslanger oder mehr als 3-jähriger Freiheitsstrafe bedroht seien, alle anderen strafbaren Handlungen seien Vergehen.

Der Verfassungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 13. Dezember 2011 (U 1907/10-11 mwN) ausgeführt, dass § 9 Abs. 2 AsylG 2005 in Umsetzung der in Art. 19 Abs. 3 iVm Art. 17 Abs. 1 der Status-Richtlinie normierten Ausschluss- bzw. Aberkennungstatbestände richtlinienkonform auszulegen sei. Der Begriff des "Verbrechens" in § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 sei daher richtlinienkonform auszulegen und sei davon auszugehen, dass der in Art. 17 Abs. 1 lit. b der Status-Richtlinie geregelte Aberkennungstatbestand der "schweren Straftat" im Sinne der österreichischen Strafrechtsterminologie mit der "rechtskräftigen Verurteilung zu einem Verbrechen" (§ 17 StGB) umgesetzt worden sei. Daher sei dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 nicht zuzuerkennen gewesen.

Der Beschwerdeführer sei weiters kein Opfer von Gewalt und stelle er eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich dar, sodass ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht zu erteilen sei.

Es seien keine persönlichen Umstände ersichtlich, dass der Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr nicht eine Arbeit aufnehmen und seinen Lebensunterhalt aus Eigenem bestreiten könnte oder es ihm nicht zumutbar sei.

Die Gesamtbeurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers, seine Lebensumstände sowie seine familiären und privaten Anknüpfungspunkte hätten daher im Zuge der von der belangten Behörde vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung eines befristeten Einreiseverbotes gerechtfertigt und notwendig sei, die von ihm ausgehende schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Das befristete Einreiseverbot scheine der erkennenden Behörde zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.

7. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG vom 20. Juni 2018 wurde dem Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht der "Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20/5, 1090 Wien" als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

8. Mit Schriftsatz vom 28. Juni 2018 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht verfahrensgegenständliche Beschwerde gegen den genannten Bescheid und ficht diesen in vollen Umfang an.

9. Eine weitere Beschwerdeergänzung langte am 18. Juli 2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

10. Die Beschwerdevorlage der belangten Behörde vom 1. August 2018 langte am 2. August 2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

11. Am 15. März 2019 fand zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die russische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher der Beschwerdeführer im Beisein seiner Rechtsvertreterin zu seiner Straffälligkeit, zu seinem Leben und Alltag in Österreich und seinem Leben im Heimatland befragt wurde.

12. Mit am 22. März 2019 eingelangtem Schreiben kam die belangte Behörde der Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichtes nach, eine Stellungnahme zu der im verwaltungsbehördlichen Verfahren unterbliebenen Zukunftsprognose hinsichtlich der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gemeingefährlichkeit darzulegen.

Im Wesentlichen brachte die belangte Behörde vor, dass dem Beschwerdeführer mit der niederschriftlichen Einvernahme die Möglichkeit des Parteiengehörs gegeben worden sei und dieser die Aussage verweigert habe. Die belangte Behörde stellte die verurteilte Tat des Beschwerdeführers fest und führte dazu aus, dass bei der zu treffenden Gefährdungsprognose nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen sei und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen sei, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt sei. Dabei sei nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289; 24.03.2015, Ra 2014/21/0049).

Da der Beschwerdeführer seine aktive Mitarbeit verweigert habe, indem er die Einvernahme verweigert habe, habe kein ausreichendes Persönlichkeitsbild getroffen werden können. Allerdings zeige die Straftat eine offensichtlich niedrige Hemmschwelle des Beschwerdeführers, da diesem für die Tathandlung nicht seine Körpergewalt gereicht habe, sondern er zudem ein - wenn auch geschlossenes - Klappmesser, als Unterstützung für seine Handlung, verwendet habe. Die belangte Behörde kam zu dem Schluss: wenn man seine Ehefrau und Mutter seiner Kinder zu einer dermaßen schändlichen Handlung nötige,könne durchaus von einer Gemeingefährlichkeit ausgegangen werden. Es sei Amtswissen, dass besonders bei Drogen- und Sexualdelikten die Rückfälligkeit besonders hoch sei.

13. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. April 2019 wurde XXXX , Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie sowie Psychiatrische Kriminalprognostik, Allgemeine beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige gemäß § 52 Abs. 2 AVG iVm § 17 VwGVG zur Sachverständigen aus dem Fachgebiet Psychiatrie und Neurologie bestellt.

14. Am 31. Jänner 2020 langte das Gutachten der Sachverständigen XXXX beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Im Wesentlichen kam die Sachverständige infolge der durchgeführten Anamnese in ihren Schlussfolgerungen zu folgenden Ergebnissen:

Die Persönlichkeitsstruktur des Beschwerdeführers ist als auffällig zu beurteilen, er verfügt über eine nur verminderte Frustrationstoleranz, eingeschränkten Ressourcen zur Stressbewältigung, neigt zur Schuldexternalisierung und defizitärer Empathiefähigkeit mit aggressiven Verhaltensmustern zur Durchsetzung eigener Bedürfnisse. Diese Auffälligkeiten in der Persönlichkeit sind einer Persönlichkeitsakzentuierung zu zuordnen, eine krankheitswertige psychische Erkrankung liegt nicht vor.

Die verurteilte Tat am 21. März 2018 spricht für ein defizitäre Bewältigungsstrategien erhöhtes Aggressionspotenzial bzw. dafür, dass der Beschwerdeführer dazu neigt, Konflikte unter Einsatz von Aggression zu lösen.

Eine Psychotherapie zur Änderung seiner dysfunktionalen Handlungsmuster wäre zweifelsohne indiziert, bei fehlendem Problembewusstsein ist jedoch die Bereitschaft des Beschwerdeführers, sich einer solchen Therapie zu unterziehen (zumindest derzeit) nicht gegeben.

Aufgrund der forensischen Anamnese und des Eindruckes, den der Beschwerdeführer bei der Untersuchung hinterlassen hat, kann zukünftig delinquentes Verhalten mit einer Tat gegen Leib und Leben nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden. Der Beschwerdeführer hat sein strafrechtliches Fehlverhalten bisher noch nicht entsprechend reflektiert, sondern verharrt in schuldexternalisierenden Begründungen für sein Handeln.

Nachdem es sich bei der Tat am 21. März 2018 um eine Beziehungstat gehandelt hat und darüberhinausgehende strafrechtliche Auffälligkeiten nicht bekannt sind, lässt sich eine vom Beschwerdeführer ausgehende "Gefahr für die Allgemeinheit" nicht mit der erforderlichen Sicherheit bestätigen.

15. Mit Parteiengehör vom 31. Jänner 2020 gewährte das Bundesverwaltungsgericht sowohl dem Beschwerdeführer als auch der belangten Behörde eine zweiwöchige Frist zur schriftlichen Stellungnahme.

Es erfolgte keinerseits eine schriftliche Stellungnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat zur vorliegenden Beschwerde wie folgt erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Für den Beschwerdeführer scheint im österreichischen Strafregister folgende Verurteilung auf:

Mit Urteil des XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , rechtskräftig am XXXX , wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 15, 201 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 24 Monaten verurteilt.

Im Wesentlichen führte das Landesgericht XXXX in der Urteilsbegründung aus, dass der Beschwerdeführer am 21. März 2018 seine Ehefrau XXXX mit Gewalt und durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger Gewalt für Leib und Leben, zur Duldung des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung zu nötigen versucht hat, indem er zunächst mit einem geschlossenen Klappmesser auf sie zukam, äußerte, dass er sie jetzt "ficken" werde und zwar auch in ihren "Popo", sie in die Couch drückte, ihr den Mund drückte, ihre Hose öffnete, wiederholt versuchte, ihr diese zur Gänze herunterzuziehen und als ihm das nicht gelang, in weiterer Folge äußerte, wenn es unten nicht funktioniere, dann mit dem Mund, sie daraufhin an den Haaren packte und ihren Kopf gegen seinen Penis drückte, um ihr diesen in ihren Mund zu stecken und gleichzeitig mit der Hand onanierte und ejakulierte, wobei es insgesamt nur aufgrund ihrer anhaltenden heftigen Gegenwehr beim Versucht blieb.

Als mildernd wertete das Landesgericht XXXX , dass es beim Versuch geblieben ist und den bisher ordentlichen Lebenswandel des Beschwerdeführers und als erschwerend die Intensität der Tathandlung und den Missbrauch des Vertrauensverhältnisses in der Ehe.

Am 13. April 2018 wurde das Aberkennungsverfahren gegen den Beschwerdeführer eingeleitet.

Es wird festgestellt, dass es sich bei der verurteilten Tat vom 21. März 2018 um eine Beziehungstat gehandelt hat und sich eine vom Beschwerdeführer ausgehende "Gefahr für die Allgemeinheit" nicht mit der erforderlichen Sicherheit bestätigen lässt.

Festgestellt wird, dass die belangte Behörde jegliche Ermittlungen hinsichtlich einer Gefährdungsprognose des Beschwerdeführers unterlassen hat.

Weiters wird festgestellt, dass die belangte Behörde jegliche Ermittlungen in Bezug auf den Aberkennungstatbestand gemäß § 7 Abs.1 Z 2 AsylG 2005 unterlassen hat.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Der oben unter Punkt II. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Richter auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens. Die zu erörternde rechtskräftige Verurteilung scheint im aktuellen Strafregister der Republik Österreich auf. Das Strafurteil ist dem Akt der belangten Behörde beigefügt.

Die Feststellungen zum psychischen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers sowie zum Umstand, dass eine vom Beschwerdeführer ausgehende "Gefahr für die Allgemeinheit" nicht mit der erforderlichen Sicherheit bestätigt werden kann, ergeben sich aus dem Sachverständigengutachten von XXXX , Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie sowie Psychiatrische Kriminalprognostik, Allgemeine beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige, und dem persönlichen Eindruck im Rahmen der Beschwerdeverhandlung.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

3.1.1. Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFAVG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, sowie nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

3.2. Zu Spruchteil A) Aufhebung

3.2.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, ist einem Fremden der Status des Asylberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt (Z 1), einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist (Z 2) oder der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat (Z 3).

Gemäß § 6 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 70/2015, ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn und solange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt (Z 1), einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt (Z 2), er aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt (Z 3) oder er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. 60/1974, entspricht (Z 4).

3.2.2. Die belangte Behörde hat im gegenständlichen Fall die Aberkennung des dem Beschwerdeführer mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 17. Juli 2008, Zl. A12 254.257-0/2008/14E, zuerkannten Status des Asylberechtigten spruchgemäß und auch in ihrer Beweiswürdigung und rechtlichen Beurteilung ausschließlich auf die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 gebaut - sohin auf die Bestimmung, dass der Status des Asylberechtigten einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen ist, wenn ein Ausschlussgrund nach § 6 vorliegt.

Die belangte Behörde stützt sich in ihrer Begründung des angefochtenen Bescheides dezidiert auf § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005. Aus folgenden Gründen ist der Bescheid jedoch aus diesem Blickwinkel mit Rechtswidrigkeit behaftet:

3.2.3. Der mit "Aberkennung des Status des Asylberechtigten" betitelte § 7 AsylG 2005 lautet wie folgt:

"(1) Der Status des Asylberechtigten ist einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt;

2. einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder

3. der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.

(2) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 wahrscheinlich ist.

(3) Das Bundesamt kann einem Fremden, der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3), den Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 nicht aberkennen, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt - wenn auch nicht rechtskräftig - nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat. Kann nach dem ersten Satz nicht aberkannt werden, hat das Bundesamt die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuständige Aufenthaltsbehörde vom Sachverhalt zu verständigen. Teilt diese dem Bundesamt mit, dass sie dem Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat, kann auch einem solchen Fremden der Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 aberkannt werden.

(4) Die Aberkennung nach Abs. 1 Z 1 und 2 ist mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Dieser hat nach Rechtskraft der Aberkennung der Behörde Ausweise und Karten, die den Status des Asylberechtigten oder die Flüchtlingseigenschaft bestätigen, zurückzustellen."

Der mit "Ausschluss von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" betitelte § 6 AsylG 2005 lautet wie folgt:

"(1) Ein Fremder ist von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn

1. und so lange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt;

2. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt;

3. er aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

4. er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

(2) Wenn ein Ausschlussgrund nach Abs. 1 vorliegt, kann der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden. § 8 gilt."

Für den vom Bundesamt bei der Sachverhaltsfeststellung zu Spruchpunkt I. angenommenen Fall einer Entscheidung gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 müssen wegen der wörtlich gleichen Voraussetzungen die gleichen Maßstäbe gelten, auf die sich die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in den bisherigen Vorerkenntnissen zu § 13 Abs. 2 zweiter Fall AsylG 1997 bezogen haben (vgl. dazu VwGH 01.03.2016, Zl. Ra 2015/18/0247, und insbesondere VwGH 21.09.2015, Zl. Ra 2015/19/0130: "vgl. allgemein zu den Kriterien des Asylausschlussgrundes - zu vergleichbarer Rechtslage - die Erkenntnisse vom 6. Oktober 1999, 99/01/0288, vom 3. Dezember 2002, 99/01/0449 und vom 23. September 2009, 2006/01/0626; zum Begriff des "besonders schweren Verbrechens" im Sinne dieser Bestimmung die bereits zitierten Erkenntnisse vom 3. Dezember 2002 und vom 23. September 2009; sowie zum Tatbestandsmerkmal der "Gefahr für die Gemeinschaft" des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 die zur "Gemeingefährlichkeit" ergangene hg. Judikatur, etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. Jänner 1995, 94/01/0746, vom 10. Oktober 1996, 95/20/0247 sowie vom 27. September 2005, 2003/01/0517").

Wie der Verwaltungsgerichtshof - erstmals - in seinem Erkenntnis vom 6. Oktober 1999, Zl. 99/01/0288, unter Hinweis auf Art. 33 Z 2 GFK ausgeführt hat, müssen nach "internationaler Literatur und Judikatur" kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Heimat- oder Herkunftsstaat verbracht werden darf. Er muss ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür rechtskräftig verurteilt worden, gemeingefährlich sein und es müssen die öffentlichen Interessen an der Rückschiebung die Interessen des Flüchtlings am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis zur Auslegung des Begriffs "besonders schweres Verbrechen" ausgeführt hat, handelt es sich z.B. bei Drogenhandel typischer Weise um ein besonders schweres Verbrechen; allerdings genüge es nicht, dass der Antragsteller ein abstrakt als schwer einzustufendes Delikt verübt habe. Die Tat müsse sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen. Milderungsgründe, Schuldausschließungsgründe und Rechtfertigungsgründe seien zu berücksichtigen.

Der Verwaltungsgerichtshof fügte seiner im Erkenntnis zur Zl. 99/01/0288 getroffenen Festlegung des Drogenhandels als "typischerweise besonders schweres Verbrechen" im ebenfalls bereits zitierten Erkenntnis vom 03. Oktober 2002, Zl. 99/01/0449, zur Frage, wann denn nun ein solches "typischerweise besonders schweres Verbrechen" ausreichend sei, um "besonders schwer" zu sein, "illustrativ" hinzu, in der Bundesrepublik Deutschland sei etwa für den auf Art. 33 Abs. 2 zweiter Fall Genfer Flüchtlingskonvention bezogenen Tatbestand in § 51 Abs. 3 dAuslG mit Gesetz vom 29. Oktober 1997 das Erfordernis einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren normiert worden.

In der Regierungsvorlage zum AsylG 2005 wird zu § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG, auf welchen § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG u.a. verweist, erläuternd - wenngleich nur demonstrativ - Folgendes ausgeführt:

"Die Z 3 und 4 des Abs. 1 entsprechen inhaltlich dem bisherigen § 13 Abs. 2 AsylG. Unter Begriff ,besonders schweres Verbrechen' fallen nach Kälin, Grundriss des Asylverfahrens (1990), S 182 und 228 (ua. Mit Hinweis auf den UNHCR) und Rohrböck, (Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asylg (1999) Rz 455, mit weiteren Hinweisen auf die internationale Lehre), nach herrschender Lehre des Völkerrechts nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen (vgl. VwGH 10.06.1999, 99/01/0288). Zu denken wäre aber auch - auf Grund der Gefährlichkeit und Verwerflichkeit an besondere Formen der Schlepperei, bei der es zu einer erheblichen Gefährdung, nicht unbedeutenden Verletzung oder gar Tötung oder während der es zu erheblichen - mit Folter vergleichbaren Eingriffen in die Rechte der Geschleppten kommt. Die aktuelle Judikatur in Österreich, wie in anderen Mitgliedstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention, verdeutlicht, dass der aus dem Jahre 1951 stammende Begriff des "besonders schweren Verbrechens" des Art. 33 Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention einer Anpassung an sich ändernde gesellschaftliche Normenvorstellungen zugänglich ist."

Versuchte Vergewaltigung gemäß §§ 15, 201 Abs. 1 StGB stellt abstrakt ein besonders schweres Verbrechen im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 dar. Auch konkret ist die Verurteilung als besonders schweres Verbrechen im Sinne obiger Judikatur zu qualifizieren. Dies deshalb, weil die Intensität der Tathandlung des Beschwerdeführers und der Missbrauch des Vertrauensverhältnisses in der Ehe in der Urteilsbegründung des Landesgerichtes XXXX als erschwerend gewertet wurden und die Strafmilderungsgründe, dass das Delikt im Versuchsstadium endete und der bisher ordentliche Lebenswandel des Beschwerdeführers die Schwere der Tat und des Tathergangs nicht zu relativieren vermögen. Zusammenfassend ist daher von einem besonders schweren Verbrechen im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 auszugehen.

3.2.4. Ob der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, erfordert eine Gefährdungsprognose, wie sie in ähnlicher Weise auch in anderen asyl- und fremdenrechtlichen Vorschriften zugrunde gelegt ist (vgl. etwa § 6 Abs. 1 Z 4 und § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005; §§ 53 und 66 Abs. 1 FPG). Dabei ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die Annahme gerechtfertigt ist, der Fremde stelle eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich dar. Strafgerichtliche Verurteilungen des Fremden sind daraufhin zu überprüfen, inwieweit sich daraus nach der Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und der Tatumstände der Schluss auf die Gefährlichkeit des Fremden für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Republik Österreich ziehen lässt (vgl. VwGH vom 30. August 2017, Zl. Ra 2017/18/0155).

Sowohl für die Bestimmung des § 6 Abs. 1 Z 3 als auch Z 4 AsylG 2005 ist daher die vom Betroffenen ausgehende Gefahr - im Falle der Z 3 für die Sicherheit der Republik Österreich und im Falle der Z 4 für die Allgemeinheit - maßgeblich und nicht für sich alleine - wie dies die Ausschlussgründe des Art 1 F GFK vorsehen - das Vorliegen eines strafrechtlichen Delikts.

3.2.5. Die belangte Behörde hat zwar die Tatsache der strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Verbrechens nach § 15 StGB, §§ 201, 202 Abs. 1, 202 Abs. 2 4. Fall StGB festgestellt, jedoch keinerlei Feststellungen zum Tathergang getroffen. Auch der Ausgangsbescheid und das Verfahren betreffend den Antrag auf internationalen Schutz wurde dem Verwaltungsakt nicht beigelegt.

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung - wie bereits dargelegt - im Wesentlichen mit einer vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit ohne jedoch zuvor konkrete Beweise erhoben und Ermittlungen durchgeführt zu haben, auf welche ihre Ansicht gestützt werden könnte.

Dem Beschwerdeführer wurde zwar im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme Gelegenheit zur Äußerung im Aberkennungsverfahren gegeben, von welcher der Beschwerdeführer nicht Gebrauch machte, da er seine Aussage verweigerte. Zu einer schriftlichen Stellungnahme wurde der Beschwerdeführer nicht aufgefordert. Die belangte Behörde holte auch kein Sachverständigengutachten oder Ähnliches ein, auf welches die getroffenen psychologischen Annahmen gestützt werden können.

Entgegen der Meinung der belangten Behörde kann angesichts der Ausführungen zum Vorliegen eines besonders schweren Verbrechens auch nicht gesagt werden, der Beschwerdeführer stelle im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 bzw. des Art. 33 Abs. 2 erster Fall GFK eine konkrete Gefahr für die "nationale Sicherheit" dar, da es sich bei dem vom Beschwerdeführer begangen Delikt nicht um Umstände handelt, die den Bestand des Staates gefährden (vgl. dazu etwa Kälin, Grundriss des Asylverfahrens (1990) 225 ff, und auch das VwGH-Erkenntnis vom 10. Oktober 1996, 95/20/0247, mwN).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde aus einer Bestimmung, deren Strafrahmen zehn Jahre nicht übersteigt - den Schluss gezogen, es lägen "gewichtige Gründe" dafür vor, dass der Beschwerdeführer eine "Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich" (Anmerkung: im konkreten Fall wohl gemeint: Gefahr für die Allgemeinheit) darstelle. Dabei hat die belangte Behörde es unterlassen ein entsprechendes Gutachten oder Ähnliches zur Beurteilung der psychischen Verfassung des Beschwerdeführers einzuholen, um eine adäquate Gefährdungsprognose hinsichtlich der Gefährdung des Beschwerdeführers für die "Allgemeinheit" erstellen zu können.

Gänzlich unberücksichtigt beließ die belangte Behörde die Tatsache, dass das begangene Delikt im Versuchsstadium endete, obwohl dies ausdrücklich als mildernder Umstand im Urteil des XXXX vom XXXX gewertet wurde.

Eine Gefährdungsprognose ist im angefochtenen Bescheid nicht enthalten und auf Grundlage des seitens der belangten Behörde festgestellten Sachverhalts auch nicht möglich. Zwar ist nach der Judikatur des VwGH in gravierenden Fällen schwerer Verbrechen bereits ohne umfassende Prüfung der einzelnen Tatumstände eine eindeutige Wertung als schweres Verbrechen mit negativer Zukunftsprognose zulässig. Da jegliche Ermittlungen und Feststellungen zum Gesamtverhalten des Beschwerdeführers durch das Bundesamt unterlassen worden sind, waren diese durch das erkennende Gericht durch Einvernahme des Beschwerdeführers und Einholung eines Sachverständigengutachtens nachzuholen.

Im Lichte der Ausführungen der Sachverständigen XXXX , Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie sowie Psychiatrische Kriminalprognostik, Allgemeine beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige, ist nicht von einer Gemeingefährdung des Beschwerdeführers auszugehen, da es sich bei der am 21. März 2018 begangenen Tat des Beschwerdeführers um eine Beziehungstat gehandelt hat und darüberhinausgehende strafrechtliche Auffälligkeiten nicht bekannt sind. Zwar kann die Sachverständige zukünftig delinquentes Verhalten mit einer Tat gegen Leib und Leben nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen, doch lässt sich eine vom Beschwerdeführer ausgehende "Gefahr für die Allgemeinheit" auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit bestätigen.

Auch der im Zuge der Beschwerdeverhandlung gewonnene persönliche Eindruck des Beschwerdeführers konnte eine von diesem ausgehende "Gefahr für die Allgemeinheit" nicht bestätigen, weshalb die Voraussetzungen für die Erfüllung des Aberkennungstatbestandes gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 im konkreten Fall nicht erfüllt sind.

3.2.6. Beschwerdegegenständlich liegt ein Aberkennungsverfahren gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 vor. Sachverhaltsermittlungen hinsichtlich allfälliger geänderter Umstände wurden seitens der belangten Behörde weder erhoben, dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs vorgehalten bzw. festgestellt.

Es liegt nicht im Sinne des Gesetzes, insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die belangte Behörde als Spezialbehörde für die Ermittlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist und es sich bei einem Aberkennungsverfahren um ein von der belangten Behörde amtswegig eingeleitetes Verfahren handelt, dass eine ernsthafte Prüfung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden soll.

Daran vermag auch die Judikatur des VwGH zur grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte nichts zu ändern, bezieht sich diese doch primär auf Antragsverfahren und nicht wie im gegenständlichen Fall auf amtswegig eingeleitete Verfahren. Darüber hinaus erweist sich die Sachverhaltsermittlung im konkreten Fall hinsichtlich des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 als nicht einmal "ansatzweise" ausreichend, sondern schlichtweg nicht vorhanden.

Der Gesetzgeber sieht zwar verpflichtend die Einleitung von Aberkennungsverfahren bei entsprechenden Anzeichen vor (zuletzt etwa durch das Fremdenrechtspaket 2018) und sieht auch entsprechende Fristen für das Bundesamt vor, doch entbindet dies die belangte Behörde nicht von ihrer Verpflichtung, ein ordnungsgemäßes Verfahren unter Berücksichtigung der Judikatur der Höchstgerichte durchzuführen. Ein offenkundiges Überwälzen dieser Verpflichtung auf das Bundesverwaltungsgericht ist keinesfalls im Sinne der Rechtsstaatlichkeit.

Der Vollständigkeit halber ist noch auf die Bestimmung des § 7 Abs. 3 AsylG 2005 hinzuweisen, wonach das Bundesamt einem Fremden, der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3), den Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 nicht aberkennen kann, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt - wenn auch nicht rechtskräftig - nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat, gelangt hier im Hinblick auf die Straffälligkeit des Fremden nicht zur Anwendung.

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass der belangten Behörde die Prüfung des § 7 Abs. 1 Z 2 AslyG 2005 somit weiterhin offensteht.

3.2.7. Die Behebung des Bescheides im gesamten Umfang hatte aufgrund der Untrennbarkeit sämtlicher Spruchpunkte zu erfolgen (vgl. hierzu Asylgerichtshof 10. 2. 2011, C18 308.109-2/2010/3E und die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

3.2.8. Dem Beschwerdeführer kommt aufgrund der Behebung des Bescheides weiterhin der Status des Asylberechtigten zu.

3.3. Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2017, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich stets auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und der europäischen Höchstgerichte stützen; diesbezügliche Zitate finden sich in der rechtlichen Beurteilung. Sofern die oben angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu (zum Teil) alten Rechtslagen erging, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf inhaltlich gleichlautende Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W147.2200357.3.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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