TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/27 W111 2219168-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.04.2020
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Entscheidungsdatum

27.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W111 2219168-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Dajani, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX , Rechtsanwalt in XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.04.2019, Zl.: 1214404804-181175032,

A) I. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird gemäß § 3 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

II. beschlossen:

Betreffend die Spruchpunkte II. bis VI. wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG idgF aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger der russischen Föderation, stellte am 06.12.2018 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Anlässlich seiner am gleichen Datum abgehaltenen niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, er habe zuletzt in Moskau gelebt, wo sich unverändert seine Mutter, sein Bruder, seine Ehefrau und seine vier minderjährigen Kinder aufhielten. Der Beschwerdeführer gehöre der ossetischen Volksgruppe an, sei christlich-orthodoxen Glaubens, habe Rechtswissenschaften studiert und sie zuletzt Vizepräsident einer Firma gewesen. Den Herkunftsstaat habe er Anfang Februar 2018 legal verlassen und sei selbständig über Weißrussland, Polen und Tschechien nach Österreich gereist, wo er sich seit dem 08.02.2018 aufhalte. Zum Grund seiner Flucht führte der Erstbeschwerdeführer an, es habe Gelderpressungen von Leiten des tschetschenischen Präsidenten gegeben. Anfangs habe der Beschwerdeführer das Geld bezahlt, bald jedoch habe er begriffen, dass er dies nicht weiterhin könne. Er sei von einem namentlich bezeichneten engen Vertrauten von Kadyrow entführt und für seine Freilassung zur Zahlung von 1 Million USD aufgefordert worden. Der Beschwerdeführer habe nur 100.000 USD zahlen können, damit er freigelassen werde. Bis zur Ausreise habe er sich versteckt. Die Drohungen seien ernst zu nehmen, da der zuvor erwähnte Mann für den Tod des Oberhauptes der tschetschenischen Diaspora in der Türkei verantwortlich gewesen wäre. Es würde keinen Sinn ergeben, bei der Polizei um Hilfe zu ersuchen, weil alle korrupt respektive Geheimdienstmitarbeiter wären. Aus Angst um sein Leben habe der Beschwerdeführer sein Herkunftsland verlassen.

Der vom Beschwerdeführer im Original vorgelegte gültige russische Reisepass und ein Auszug aus dem Visa-Informationssystem des Bundesministeriums für Inneres ergaben, dass der Beschwerdeführer im Besitz von griechischen/italienischen Schengen-Visa der Kategorie C mit einem Gültigkeitszeitraum von 30.08.2018 bis 09.03.2020 sowie vom 29.08.2017 bis 28.08.2018 gewesen und eines Visums der USA mit einem Gültigkeitszeitraum von 14.12.2016 bis 11.12.2019 gewesen ist.

Mit Eingabe vom 13.02.2019 wurde die Bevollmächtigung einer Rechtsanwaltskanzlei bekanntgegeben.

Am 20.02.2019 erfolgte vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers im Beisein einer Dolmetscherin für die russische Sprache und der bevollmächtigten Vertreterin des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführe gab zusammengefasst an, er sei gesund und habe bislang wahrheitsgemäße Angaben erstattet, welche korrekt rückübersetzt worden seien.

Auf die Frage, ob er neben dem bereits bei der Behörde aufliegenden russischen Reisepass weitere Beweismittel vorzulegen habe, gab der Beschwerdeführer an, er hätte zwei ihm über WhatsApp übermittelte Gespräche, welche er übersetzen lassen und vorlegen werde. Es handle sich um Ende Dezember 2017 und Ende März 2018 erhaltene Nachrichten jenes Mannes, welcher ihn bedroht hätte. Desweiteren legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung des russischen Innenministeriums vom 30.03.2018 über seine strafgerichtliche Unbescholtenheit vor, welche über einen Bevollmächtigten ausgestellt worden wäre, als sich der Beschwerdeführer bereits in Österreich befunden hätte. Grund sei gewesen, dass er sichergehen hätte wollen, dass in der Russischen Föderation kein Strafverfahren gegen ihn geführt werde. Auf weitere Befragung gab der Beschwerdeführer an, er habe in der Russischen Föderation keine Probleme aufgrund seiner Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit gehabt. Er habe im Heimatland ein Jus-Studium absolviert und werde diesbezügliche Unterlagen nachreichen. Von 1999 bis 2009 habe er als Untersuchungsbeamter im Innenministerium gearbeitet, im Anschluss habe er ein Jahr lang in einer Firma, welche sich mit Elektro beschäftigt hätte als Stellvertreter des Generaldirektors gearbeitet. Zuletzt sei er als Vizepräsident für die Sicherheit im Hotelmanagement beschäftigt gewesen, zusätzlich sei er Stellvertreter des Generaldirektors eines Hotels gewesen. Ein halbes Jahr vor seiner Ausreise habe er beide Jobs gekündigt. Anfang 2017 hätte ihn am Diensttelefon ein Mann namens A angerufen, welcher sich mit ihm treffen wollte. Es sei zu einem Treffen gekommen, in welchem sie über Aktienanteile gesprochen hätten. Der Mann hätte ihm gesagt, dass ihm ein Aktenanteil eines der Hotels gehöre und er im Namen des Kadyrow auftrete. Man habe vom Beschwerdeführer wollen, dass er die Juristen nicht zur Gerichtsverhandlung lasse. Der Beschwerdeführer habe schließlich gesagt, dass er sich überlegen werde und habe sodann gleich den Hauptaktionär und den Vizepräsidenten für Sicherheitsfragen benachrichtigt. Als die Mitteilung erfolgte, hätte man Kadyrow scheinbar direkt kontaktiert. A habe den Beschwerdeführer angerufen und ihm mitgeteilt, dass er einen Fehler gemacht hätte. Es sei viel Geld verloren worden und man habe gesagt, dass der Beschwerdeführer dieses Geld zahlen müsste. Der Beschwerdeführer hätte seine Vorgesetzten informiert, dass er Probleme hätte. Sie hätten nicht verstanden, welche Probleme er habe, weshalb er gekündigt hätte. In der Russischen Föderation hätte der Beschwerdeführer zwei Eigentumswohnungen sowie zwei Firmen; er sei kein armer Mensch. Er selbst habe zuletzt in der Eigentumswohnung seiner Frau in Moskau gelebt. Nach dem Anruf vom 25.12.2017 habe er aus Sorge nicht mehr zu Hause, sondern bei seinem Bruder - womit er nicht seinen leiblichen Bruder meine - in der gleichen Straße gelebt. Seine Frau und seine Kinder würden noch an der ursprünglichen Adresse leben. Seine Frau arbeite als Ärztin, die drei gemeinsamen Kinder würden die Schule besuchen. Im Jahr 2017 habe er eine weitere Tochter mit einer anderen Frau bekommen, welche ebenfalls in Moskau wohne. Sein Vater lebe in XXXX , seine Mutter und sein Bruder in Moskau. Zu seiner Ehefrau stehe er täglich telefonisch in Kontakt. Sie würden über Alltägliches sprechen, bei seiner Familie sei alles in Ordnung. Der Beschwerdeführer habe den Herkunftsstaat im Februar 2018 verlassen und sei im Besitz eines italienischen Visums gewesen, welches er sich für touristische Zwecke habe ausstellen lassen. Österreich sei sein Zielland gewesen, da er schon früher hier gewesen wäre und ihm dieses Land gefalle. Der Beschwerdeführer bewohne in Österreich eine Mietwohnung mit monatlichen Kosten in Höhe von 3.400 EUR. Der Beschwerdeführer habe nie Probleme mit den Sicherheitsbehörden oder anderen Institutionen seines Herkunftsstaates gehabt und es liege kein Haftbefehl gegen ihn vor. Seit seiner Ausreise im Februar 2018 sei der Beschwerdeführer nicht mehr in der Russischen Föderation gewesen.

Zum Grund seiner Flucht führte der Beschwerdeführer Folgendes aus:

"Ich bin aus einem einfachen Grund ausgereist. Ich wurde entführt. Man hat mich erpresst. Um freigelassen zu werden, habe ich mich verpflichtet Geld zu zahlen. Man hat 1 Mio $ von mir gefordert. Ich habe 100.000 USD bezahlt. Ich habe dann verstanden, dass man mich observiert. Ich bin in der Nacht dorthin gekommen und in der Früh wurde ich schon angerufen. Der Mann, welcher das gemacht hat, hat mich das erste Mal ins Hotel Präsident gebracht. Als ich wieder dorthin geflogen bin, habe ich gesagt, dass ich nicht bereit bin. Man hat mir gesagt, dass ich mit einem Flieger aus XXXX gekommen bin. Man hat mir sogar die Flugnummer mitgeteilt. Er hat mir gesagt dass ich gleich kommen soll. Ich bin hingefahren, es war im Sommer, ich weiß nicht mehr genau wann, weil ich diese Treffen vermische. Ich bin hingekommen und er hat mich gefragt, ob ich mit ihnen ein Spiel spiele. Er hat gesagt, dass ich offensichtlich nicht viel über ihn weiß. Er hat gesagt, dass er XXXX heißt. Er sagte, dass er über sich selbst erzählen wird, damit ich weiß, mit wem ich es zu tun habe. Er hat mir gesagt, dass er die Aufträge von Kadyrow erfüllt und die Feinde von ihm überall auf der Erde beseitigt werden, egal wo sie sich befinden. Vor ein paar Jahren sagte er wurde ein Feind von Kadyrow in der Türkei beseitigt. Er sagte, dass ich das überprüfen kann und feststellen kann, welche Möglichkeiten diese Leute haben. Er sagte mir, dass es kein Witz ist und es besser für mich wäre, wenn ich folge. Er sagte mir, dass ich das Geld bringen soll, da man sonst mich und meine Familie ergreifen wird. Ich bin dann dorthin und habe das Geld gebracht. Die 100.000 USD habe ich in Beträgen von jeweils 10.000 bzw. 15.000 USD bezahlt, insgesamt waren es 100.000. Es gab mehrere Treffen. Er sagte mir, wie gefährlich er ist. Obwohl ich eingeschüchtert war. Als wir dort saßen, war ich Zeuge eines Gespräches mit ihm. Er hat persönlich mit jmd. gesprochen. Der Inhalt des Gespräches war wie folgt. Er sagte dann werden wir jetzt mit XXXX abrechnen. Ihr könnte zurück, dann habt ihr in der Ukraine nichts zu tun, das war der Inhalt des Gespräches. Ich habe kurz später in der Zeitung gelesen, dass es einen Anschlag auf XXXX gegeben hat. Das war ein Parlamentsabgeordneter der Ukraine. In Folge des Anschlages ist ein Wachmann umgebracht worden. Der XXXX wurde schwer verletzt. Ich habe diese Fakten in Verbindung gebracht. Es war schon gegen Ende des Jahres 2017. Ich konnte zu dem Zeitpunkt nicht mehr als 100.000 USD bezahlen. Ich habe XXXX angerufen und habe gesagt, dass ich im Jahr 2017 nicht mehr bezahlen kann. Er sagte, dass ich im Jahr 2017 noch 100.000 bezahlen soll. Ich musste bis Ende 2017 noch 100.000 USD bezahlen. Er hat grob mit mir gesprochen. Ich war völlig fertig und habe gesagt, auf Wiedersehen und habe aufgelegt. Nach ein paar Tagen hat er versucht mich anzurufen, ich habe aber nicht abgehoben. Ich war wütend, weil es den Rahmen gesprengt hat. Ich hatte Angst und war sauer. Ich weiß gar nicht, wie ich es beschreiben soll. Am 25. Dezember 2017 hat er mir dann die Audionachricht, die ich vorlegen werde, geschickt. Er hat mir gesagt, dass ich mir keine Sorgen machen soll, da bald das neue Jahr kommt und er für mich und Familie Geschenke hätte. Es hat wie eine Drohung geklungen. Ich habe dann meine Familie in das Gebiet Moskau gebracht, damit sie sich nicht direkt in Moskau befinden. Ich wollte, dass sie dort Silvester feiern können. Seit dem Zeitpunkt habe ich bei XXXX gelebt. Ich habe für meine Familie ein Cottage gemietet, an der Straße XXXX gemietet. Ich glaube, dass Sie dort bis zum 12. Jänner 2018 waren. Ich habe ständig den Gedanken gehabt, wie ich verschwinden kann, damit man mich nicht umbringt. Ich habe dann versucht meine geschäftliche Tätigkeit abzuschließen. Man kann nicht so schnell wegfahren. Ich habe meine Geschäfte abschließen müssen. Ich habe meiner Frau erklärt, dass die Situation kompliziert ist und meine Ehefrau den Eindruck erwecken soll, dass ich weggefahren bin. Das ist alles. Am 29. März 2018 habe ich die endgültige Mitteilung bekommen. Ich habe verstanden, dass sich nicht geändert hat und die Leute feindliche Absichten haben. Ich habe Angst, dass ich umgebracht werde. Ich habe hier in Österreich um Asyl angesucht, da diese Leute solche Möglichkeiten in Österreich nicht haben.

[...]

Sie führten an, dass Sie entführt worden wären, machen Sie dazu bitte konkreten Angaben? Nennen Sie Personen, Namen, Ortsdaten, Zeitangaben etc.?

VP: Ich erkläre das. Ich war mit dem Auto im Zentrum von Moskau unterwegs. XXXX hat mich angerufen und gesagt, dass ich zu ihm ins Präsidentenhotel kommen soll. Das ist ein Hotel, das vom föderalen Sicherheitsdienst bewacht wird. Dort kann nicht jeder rein. Ich ging hin und habe meinen Pass gezeigt und ich wurde reingelassen. XXXX hat auf mich gewartet. Es waren noch 6 bewaffnete Personen dabei. Sie waren bewaffnet und hatten Bärte. Er sagte, dass ich mitkommen soll. Ich fragte wohin, er sagte, dass er es mir erklären wird. Er hat mir 2x einen Schlag auf das Gesicht versetzt. Es war aber nicht so ein starker Schlag, ich wurde nicht bewusstlos. Er fragte mich, mit wem ich ein Spiel spielen möchte. Ich sagte mit niemanden und ich nicht weiß, was man von mir will. Ich sagte, ich weiß nicht was ich sagen soll. Er sagte mir, dass man entschieden hat eine Million $ zu verdienen. Weil ich nicht das notwendige gemacht habe, das Geld zahlen soll. Ich habe gesagt, dass es nicht richtig ist. Er hat mir gesagt, dass es die einzige Möglichkeit ist um frei zu kommen und ich damit einverstanden sein soll. Ich habe gesagt, dass ich nicht bereit bin ein Gespräch in dieser Form zu führen. Ich habe versucht aufzustehen. Die anderen haben mich eingekreist. Ich habe ok gesagt und dass ich verstanden habe. Ich sagte, dass ich das Geld nicht sofort zahlen kann und nicht die Möglichkeiten habe so viel Geld zu zahlen. So war das, dann bin ich gegangen und habe mit den Geldzahlungen begonnen."

Befragt, ob er sich an die Polizei gewandt hätte, gab der Beschwerdeführer an, wie hätte er sich an die Polizei wenden sollen, er hätte gesagt, dass er die rechte Hand von Kadyrow sei. Auf die Frage, weshalb man nach seiner Kündigung weiterhin Geld von ihm haben wollte, meinte der Beschwerdeführer, man habe die Summe von ihm wollen, das sei alles. Befragt, wie es möglich sei, dass seine Frau und seine Kinder weiterhin ohne Probleme ein normales Leben in der Russischen Föderation führen könnten, entgegnete der Beschwerdeführer, die Leute hätten das Geld von ihm gefordert und gedroht, dass sie seiner Familie etwas antun könnten. Der Beschwerdeführer habe nicht seine gesamte Familie rausbringen können, seine Frau arbeite und die Kinder gingen zur Schule. Sie hätten die Entscheidung getroffen, dass der Beschwerdeführer ausreise und sie schauen würden, wie sich die Situation entwickle. Danach gefragt, weshalb er infolge seiner Einreise nach Österreich im Februar 2018 bis Dezember 2018 mit der Stellung des Antrages auf internationalen Schutz zugewartet hätte, erwiderte der Beschwerdeführer, eine Flucht sei ein einschneidendes Erlebnis. Er sei die ganze Zeit im Stress gewesen und habe über die Möglichkeiten nachgedacht; er habe gedacht, dass er vielleicht mit Kadyrow eine Vereinbarung treffen könne. Dann habe er verstanden, dass es keinen Weg zurückgebe, weshalb er um Asyl angesucht hätte. Er möchte, dass ihm der österreichische Staat Schutz gebe und wolle alles machen, um sich zu integrieren. Bislang habe er noch keine Integrationsschritte unternommen. Seinen Aufenthalt in Österreich finanziere er selbständig.

Am 07.03.2019 brachte der damalige bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers eine schriftliche Stellungnahme ein, in welcher zunächst auf Auszüge aus den in der Einvernahme ausgehändigten Länderberichten verwiesen wurde, welche die in der Russischen Föderation herrschenden Missstände im Justizsystem und die verbreitete Korruption belegen würden. Weiters ergebe sich aus dem Berichtsmaterial eine allgemein kritische Menschenrechtslage in der Russischen Föderation. Zum Verhältnis zwischen Kadyrow und der russischen Regierung sowie die Reichweite seines Einflusses wurde ergänzend auf eine Analyse der Bundeszentrale für politische Bildung vom 09.04.2018 sowie einen Bericht aus der Neuen Züricher Zeitung verwiesen.

Beiliegend übermittelt wurden beglaubigte Kopien der Heiratsurkunde und des Arbeitsbuchs des Beschwerdeführers sowie der Geburtsurkunden seiner vier Kinder und seiner Ehegattin. Desweiteren wurden unübersetzte Kopie eines Diploms und eines Leumundszeugnisses sowie Übersetzungen der Telefonaufzeichnungen vom 25.12.2017 und vom 29.03.2018 in Vorlage gebracht.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt V.).

In der Entscheidungsbegründung hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, die vom Beschwerdeführer angegebenen Gründe für das Verlassen des Heimatlandes seien nicht glaubhaft und es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer in der Russischen Föderation asylrelevanter Verfolgung oder Gefährdung durch staatliche Organe oder Privatpersonen ausgesetzt gewesen sei oder dies künftig zu befürchten hätte. Es hätten keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, in der Russischen Föderation einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Beweiswürdigend wurde im Wesentlichen erwogen, dass der Beschwerdeführer keine detaillierten Angaben zu seiner angeblichen Entführung habe tätigen können. Dieser habe weder eine konkrete Beschreibung der Person XXXX noch eine Erklärung dafür abgegeben können, wie er das Hotel problemlos wieder verlassen habe können. Ein weiteres Indiz für die Tatsachenwidrigkeit seiner Fluchtgründe sei der Umstand, dass seine Familie trotz der vorgebrachten Drohungen weiterhin ohne Probleme in der Russischen Föderation aufhältig sei. Auch die letzte legale Ausreise und die regelmäßigen Reisen des Beschwerdeführers würden den Eindruck einer Unglaubwürdigkeit seiner Angaben erhärten. Überdies sei es für die Behörde keinesfalls nachvollziehbar, weshalb dieser infolge seiner Einreise in das Bundesgebiet mehrere Monate abgewartet und erst dann einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht hätte. Der Beschwerdeführer sei trotz mehrfacher Aufforderung nicht in der Lage gewesen, ein stichhaltiges, detailliertes und somit nachvollziehbares Vorbringen rund um seinen Fluchtgrund darzulegen. Selbst bei einer Glaubwürdigkeit seines Vorbringens wäre für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, weil sein Herkunftsland aufgrund einer funktionierenden Staatsgewalt seine Staatsbürger schütze.

Der Beschwerdeführer sei gesund und zur uneingeschränkten Teilnahme am Erwerbsleben fähig, er besitze Universitätsbildung und Berufserfahrung und habe ein enges familiäres Netz in der Russischen Föderation.

Der Beschwerdeführer, welcher sich erst seit einem kurzen Zeitraum in Österreich aufhalte, habe im Bundesgebiet keine familiären Bindungen, ginge keiner Arbeit nach und habe bislang keine Deutschprüfung abgelegt.

3. In der mit Schreiben vom 16.05.2019 durch den damaligen gewillkürten Vertreter rechtzeitig gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde vorgebracht, der Beschwerdeführer sei von Personen, welche als die Hintermänner des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow operieren würden, bedroht und erpresst worden, an diese 1 Million USD zu zahlen. Nachdem der Beschwerdeführer bereits 100.000 USD gezahlt hätte und nicht im Stande und gewillt gewesen sei, mehr Geld aufzubringen, die existenzielle Bedrohungslage sich jedoch zugespitzt hätte, habe er das Herkunftsland verlassen. Da die russischen Behörden als äußerst korrupt gelten würden, habe der Beschwerdeführer die kriminellen Handlungen nicht angezeigt, sondern in Österreich um Schutz angesucht. Da der Beschwerdeführer sich dem Druck des tschetschenischen Oberhauptes, dem zahlreiche schwerste Menschenrechtsverletzungen zugerechnet würden, und dessen Macht sich nicht auf das Gebiet Tschetscheniens begrenze, nicht gebeugt hätte, werde dieser in der Russischen Föderation aus politischen Gründen verfolgt. Die Behörde habe den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren nicht Genüge getan und den Bescheid dadurch mit Mangelhaftigkeit belastet. Die von der Behörde herangezogenen Länderberichte würden sich unzureichend mit dem konkreten Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers befassen. Die belangte Behörde habe der Entscheidung Länderberichte zugrunde gelegt, diese jedoch nicht in Beziehung zum Vorbringen des Beschwerdeführers gesetzt. Zudem habe sich die Behörde mit den vom Beschwerdeführer übermittelten Telefonaufzeichnungen nicht auseinandergesetzt, aus welchen sich jedenfalls ergebe, dass der Beschwerdeführer vom Absender massiv eingeschüchtert bzw. erpresst werden sollte. Personen, welche solche Nachrichten übermitteln, würden jedenfalls keine Repressalien seitens der russischen Justiz befürchten. Entgegen den Vorhalten der Behörde habe der Beschwerdeführer detaillierte Angaben zu den fluchtauslösenden Vorfällen und zur Person des Verfolgers erstattet. Das Verlassen des Hotels sei dem Beschwerdeführer "erlaubt" worden, damit er die geforderte Geldsumme besorgen könnte. Zum Vorhalt, die Familie des Beschwerdeführers könne nach wie vor ohne Probleme in der Heimat leben, sei auszuführen, dass der Beschwerdeführer den Kontakt zu seiner Familie über einen Bekannten aufrechterhalten hätte, um diese nicht zu gefährden. So habe der Eindruck entstehen sollen, dass der Beschwerdeführer keinen Kontakt mehr zu seiner Familie habe. Ergänzend sei festzuhalten, dass die Beteiligten nun alle Vorkehrungen getroffen hätten, um die Sicherheit der Familie möglichst zu gewährleisten. So würden die minderjährigen Kinder von Bodyguards und anderen Personen beschützt werden, sobald sie die Wohnung verließen. Aufgrund der betreffenden Vorfälle, die eine außerordentliche Belastung innerhalb der Familie bedeuten würden, habe die Ehefrau des Beschwerdeführers schließlich beschlossen, die Scheidung einzureichen. Sie möchte daher den Kontakt mit dem Beschwerdeführer offenbar auf das Nötigste beschränken und erreichend, dass sowohl sie als auch die minderjährigen Kinder keinerlei Gefahr ausgesetzt würden. Die aktuelle Entwicklung zeige deutlich, dass nunmehr lediglich der Beschwerdeführer im Fokus der Gruppe bzw. des Ramsan Kadyrow stehe, sodass der betreffende Vorhalt des BFA nicht haltbar sei. Da gegen den Beschwerdeführer kein Strafverfahren geführt werde, bestünde kein Grund, weshalb er das Land nicht auf legalem Weg hätte verlassen können. Der Beschwerdeführer sei gezwungen worden, sein Heimatland zu verlassen, um der Gelderpressung und den Bedrohungen durch Kadyrows Hintermänner zu entgehen. In Sicherheit angekommen, habe der Beschwerdeführer sich zunächst mit seiner Lage eingehend auseinanderzusetzen. Erst als dem Beschwerdeführer klar geworden sei, dass eine Vereinbarung mit Kadyrow zur Lösung der Situation nicht möglich sein würde, habe sich der Beschwerdeführer entschlossen, in Österreich um Schutz anzusuchen. Die soeben beschriebene Reaktion entspreche jedenfalls der allgemeinen Lebenserfahrung, sodass der entsprechende Vorhalt der Behörde unbegründet sei. Zur im angefochtenen Bescheid angesprochenen Schutzfähigkeit der russischen Behörden sei festzuhalten, dass die Justiz in seinem Herkunftsland korrupt sei und das dortige Justizwesen von Missständen, darunter politischer Einflussnahme, betroffen sei. Andererseits sei von Bedeutung, dass hinter der Entführung und Erpressung Kadyrow selbst stehen würde. In diesem Zusammenhang sei erneut auf die Machtstellung des tschetschenischen Präsidenten und die von ihm zuzurechnenden Verstöße gegen Menschenrechte hinzuweisen. Bereits aus diesem Grund würden Personen, welche zum engeren Kreis des tschetschenischen Machthabers gehören, keine staatlichen Repressionen drohen. Dem Beschwerdeführer sei es deshalb nicht zumutbar, bei den russischen Behörden Schutz zu suchen, welche mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht gegen Ramsan Kadyrow ermitteln würden. Der Beschwerdeführer, welcher von den Gefolgsleuten des Kadyrow entführt und bedroht worden sei, könne im Falle einer Rückkehr demnach jedenfalls nicht mit einem staatlichen Schutz rechnen. Da der Beschwerdeführer in keinem Landesteil Schutz vor Verfolgung finden könnte, seien die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, in eventu des Status des subsidiär Schutzberechtigten, erfüllt. Schließlich habe die Behörde bei der Entscheidungsfindung das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers unzureichend berücksichtigt.

4. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 22.05.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Am gleichen Datum langte die vom Beschwerdeführer übermittelte Ehescheidungsklage inklusive beglaubigter Übersetzung ins Deutsche ein.

Mit Eingabe vom 12.11.2019 wurde die Vertretungsmacht des nunmehr bevollmächtigten Rechtsanwaltes bekanntgegeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der volljährige Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, welcher die im Spruch ersichtlichen Personalien führt, der Volksgruppe der Osseten angehört und sich zum christlich-orthodoxen Glauben bekennt, reiste am 08.02.2018 unter Mitführung seines russischen Reisepasses und eines gültigen Schengen-Visums der Kategorie C in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 06.12.2018 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Der zuletzt in Moskau ansässig gewesene Beschwerdeführer begründete seine Flucht aus dem Herkunftsstaat im Wesentlichen mit einer versuchten Gelderpressung durch Hintermänner des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow, welche mit Drohungen gegen ihn und seine Familie einhergegangen sei. Der Beschwerdeführer habe einen Teil der geforderten Summe in der Höhe von 1 Million USD gezahlt und sei in weiterer Folge aus dem Heimatland geflüchtet. Der Beschwerdeführer hat sich nie politisch betätigt, hat die behaupteten kriminellen Handlungen nicht behördlich zur Anzeige gebracht und hat sich nie öffentlich kritisch gegenüber dem tschetschenischen Regime geäußert. Darüberhinausgehende Fluchtgründe oder Rückkehrbefürchtungen hat er nicht geschildert. Durch die Unterlassung der vollständigen Begleichung der - aus rein kriminellen Motiven - geforderten Geldsumme hat der Beschwerdeführer keine bestimmte politische Haltung zum Ausdruck gebracht.

1.3. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

Der angefochtene Bescheid hat sich mit der Glaubwürdigkeit des vom Beschwerdeführer geschilderten fluchtauslösenden Sachverhaltes sowie der Frage der Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit russischer Behörden nur im Ansatz auseinandergesetzt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und dem vorgebrachten Fluchtgrund:

2.1.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinem im Original vorgelegten russischen Reisepass in Zusammenschau mit seinen dahingehend glaubhaften Angaben. Dass er im Zuge der Einreise im Besitz eines gültigen Schengen-Visums gewesen ist, ergibt sich, ebenso wie das Datum seiner Einreise, aus dem vorgelegten Reisedokument Die Feststellungen über seine Herkunft, seine Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit ergeben sich aus seinen dahingehend glaubhaften Angaben.

2.1.2. Die Feststellungen über den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgrund ergeben sich aus dessen Angaben in der polizeilichen Erstbefragung am 06.12.2018 und seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 20.02.2019 sowie den Ausführungen in der schriftlichen Stellungnahme vom 07.03.2019 und dem Beschwerdeschriftsatz vom 16.05.2019. Dem in diesem Rahmen erstatteten Vorbringen lässt sich insgesamt kein Hinweis darauf entnehmen, dass die vom Beschwerdeführer geschilderten Drohungen und Gelderpessungsversuche durch Hintermänner des tschetschenischen Staatsoberhauptes andere als rein kriminelle Motive besessen hätten. Der Beschwerdeführer schilderte, er sei zunächst in Zusammenhang mit seiner damaligen beruflichen Funktion von einem Hintermann des Kadyrow zu bestimmten Einflussnahmen aufgefordert worden (vgl. AS 155: "Man wollte von mir, dass ich die Juristen nicht zur Gerichtsverhandlung lasse."), nachdem er dieser Aufforderung nicht entsprochen hätte sei es - zumal es zu einem Geldverlust für die Verfolger gekommen wäre - zu Drohungen und Forderung einer Summe von 1 Million USD vom Beschwerdeführer gekommen. Der Beschwerdeführer habe gegen diese Erpressungsversuche seien Angaben zufolge keine behördlichen Schritte eingeleitet und sich auch nicht etwa öffentlichen in kritisch in Bezug auf das tschetschenische Regime und die erlebten Drohungen geäußert. Eine allfällige politische Komponente des Vorbringens kann demnach nicht erkannt werden. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergibt sich, dass er ursprünglich durch seine berufliche Funktion ins Blickfeld der Hintermänner Kadyrows geraten sei und die geschilderten Drohungen ausschließlich aus kriminellen Motiven - nämlich der beabsichtigten Einflussnahme auf ein Unternehmen sowie die Erpressung von Geldzahlungen - erfolgt sind.

Darüberhinausgehende Fluchtgründe oder Rückkehrbefürchtungen hat der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren nicht dargelegt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Da sich die gegenständliche zulässige und rechtzeitige Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG zur Entscheidung zuständig.

Zu A) Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.):

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung nur dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191, mwN).

Die Gefahr der Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH vom 10.12.2014, Ra 2014/18/0078, mwN).

Der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften ist iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrunde liegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zuletzt etwa VwGH 30.8.2017, Ra 2017/18/0119; 28.11.2019, Ra 2018/19/0203) kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.

Gemäß Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie), die im Sinne einer unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts mit zu berücksichtigen ist, muss der Schutz vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden wirksam sein. Ein solcher Schutz ist generell gewährleistet, wenn etwa der Herkunftsstaat geeignete Schritte einleitet, um die Verfolgung oder den ernsthaften Schaden zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, und wenn der Asylwerber Zugang zu diesem Schutz hat. Bei Prüfung (u.a.) dieser Frage berücksichtigen die Mitgliedstaaten nach Art. 8 Abs. 2 Statusrichtlinie zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers. Die Statusrichtlinie sieht daher einerseits vor, dass die staatliche Schutzfähigkeit zwar generell bei Einrichtung eines entsprechenden staatlichen Sicherheitssystems gewährleistet ist, verlangt aber anderseits eine Prüfung im Einzelfall, ob der Asylwerber unter Berücksichtigung seiner besonderen Umstände in der Lage ist, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben (vgl. zum Ganzen etwa VwGH vom 24.2.2015, Ra 2014/18/0063; 16.11.2016, Ra 2016/18/0233, jeweils mit weiteren Nachweisen).

3.2.2. Die vom Beschwerdeführer angegebene Verfolgung durch Hintermänner des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow erfolgte - auch im Fall der hypothetischen Wahrunterstellung - ausschließlich aus kriminellen Motiven, nämlich zunächst zwecks illegitimer Einflussnahme im unternehmerischen Bereich sowie später zur Erpressung von Geldzahlungen. Dabei ist kein Zusammenhang zu den in der GFK taxativ aufgezählten Verfolgungsgründen erkennbar. Der Beschwerdeführer wäre im Falle des Zutreffend der als fluchtauslösend geschilderten Ereignisse ursprünglich nicht aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Motive, sondern wegen seiner damaligen beruflichen Funktion, in das Blickfeld der Hintermänner von Kadyrow geraten, welche von ihm verlangt hätten, auf bestimmte unternehmerische Prozesse zu ihren (finanziellen) Gunsten Einfluss zu nehmen; als der Beschwerdeführer dieser Aufforderung nicht nachgekommen sei, habe man ihn aufgrund der finanziellen Verluste zur Zahlung von USD 1 Million aufgefordert und ihn in diesem Zusammenhang verbal bedroht. Jenen Angaben des Beschwerdeführers lässt sich entnehmen, dass seine Verfolger ausschließlich mit der Motivation gehandelt hätten, sich einen illegitimen finanziellen Vorteil zu verschaffen. Der Beschwerdeführer habe in der Folge keine bestimmten Handlungen gesetzt, um gegen die behaupteten Drohungen durch kriminelle Hintermänner des Kadyrow vorzugehen, etwa indem er das Verhalten behördlich zur Anzeige gebracht oder öffentlich kritisiert hätte, weshalb er kein Verhalten gesetzt hat, welches allenfalls als eine missliebige politische Gesinnung - und nicht bloß als Unwillen/Unvermögen, die geforderte Erpressungssumme zu begleichen - ausgelegt werden könnte. Der Beschwerdeführer ist auch sonst nicht als "Kämpfer" gegen die Korruption oder als Kritiker des tschetschenischen Regimes tätig geworden und hat daher auch keine politische Gesinnung vertreten, welche im Zusammenhang mit der angegebenen Verfolgung steht, sodass ihm auch insofern keine unterstellte regimefeindliche Gesinnung nachgesagt werden kann. Auch sonst lässt sich dem Vorbringen des Beschwerdeführers kein Hinweis auf einen Zusammenhang der vorgebrachten Verfolgung mit einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Motive erkennen.

3.2.3. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers sich sohin selbst bei Wahrunterstellung kein Hinweis darauf entnehmen, dass die vom Beschwerdeführer angegebenen Vorfälle nicht bloß krimineller Natur gewesen seien. Eine nur auf kriminellen Motiven beruhende Verfolgung kann keinem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe zugeordnet werden und vermag eine Asylgewährung grundsätzlich nicht zu rechtfertigen (vgl. VwGH 26.11.2014, Ra 2014/19/0059 bis 0062, mwN; 13.12.2018, Ra 2018/18/0336).

Da sich dem Vorbringen des Beschwerdeführers demnach auch bei Wahrunterstellung kein potentieller Zusammenhang zu einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ angeführten Verfolgungsmotiv entnehmen lässt, brauchte auf die Frage einer Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der russischen Behörden in Bezug auf die vorgebrachte Bedrohungssituation in diesem Kontext nicht mehr eingegangen werden.

3.2.4. Es kann demnach nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer, welcher der Volksgruppe der Osseten angehört, sich zum christlich-orthodoxen Glauben bekennt, und auch nicht politisch aktiv war, im Herkunftsland aufgrund generalisierender Merkmale einer Verfolgung aus in der GFK genannten Motiven ausgesetzt wäre. Derartiges wurde auch weder im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens noch in der Beschwerde konkret vorgebracht.

Da auch sonst keine konkrete gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung in seinem Heimatstaat vorliegt, war im Ergebnis die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abzuweisen.

3.3. Behebung der Spruchteile II.-VI. (Spruchpunkt II.):

3.3.1. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG durch die Verwaltungsgerichte hat der Verwaltungsgerichtshof ausgehend von einem prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch das Verwaltungsgericht präzisierend wie folgt festgehalten (VwGH vom 06.07.2016, Ra 2015/01/0123):

"In § 28 VwGVG 2014 ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg cit vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (Hinweis E vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, mwN). Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Hinweis E vom 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0087, mwN). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (Hinweis E vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, mwN)."

2.2. Im vorliegenden Fall hat das Bundesamt sich nur ansatzweise mit der Glaubwürdigkeit des vom Beschwerdeführers vorgebrachten Fluchtgrundes und den damit in Zusammenhang stehenden Rückkehrbefürchtungen auseinandergesetzt und das Verfahren dadurch mit einem gravierenden Mangel belastet.

Wenn auch eine Asylrelevanz des Vorbringens auch im Falle der Wahrunterstellung nicht gegeben ist, so ist nicht auszuschließen, dass die geschilderten Vorfälle ein sonstiges Rückkehrhindernis begründen, sodass es einer eingehenden Auseinandersetzung mit der Glaubwürdigkeit der vorgebrachten Verfolgung bedurft hätte, um das mögliche Vorliegen eines Abschiebehindernisses beurteilen zu können.

Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall zwar eine Einvernahme zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers vorgenommen, diese beschränkte sich allerdings auf eine allgemeine Befragung ohne durch konkretes Nachfragen gezielt auf das vom Beschwerdeführer eigenständig geschilderte Fluchtvorbringen und damit auf den Einzelfall einzugehen. Die Durchsicht der Niederschrift der Einvernahme ergibt ein insgesamt sehr unstrukturiertes und wenig nachvollziehbares Bild der vom Beschwerdeführer dargelegten fluchtkausalen Ereignisse, sodass anerkannt werden kann, in welcher chronologischen Reihenfolge er welche Sachverhalte erlebt haben will (siehe dazu die exemplarisch im Verfahrensgang wiedergegebenen Auszüge aus dem Protokoll der Einvernahme vom 20.02.2019).

Davon ausgehend hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Rahmen der Beweiswürdigung keine Widersprüche oder eine fehlende Nachvollziehbarkeit, welche zum Ergebnis einer Unglaubwürdigkeit des vorgebrachten Sachverhaltes führt, sondern die angenommene Tatsachenwidrigkeit im Wesentlichen auf die Vagheit der Schilderungen des Beschwerdeführers sowie die Umstände gestützt, dass es seiner Familie trotz der angeblichen Bedrohungen möglich sei, weiterhin im Herkunftsstaat zu leben und dort ein normales Leben zu führen, sowie darauf, dass der Beschwerdeführer infolge der Einreise in das Bundesgebiet mehrere Monate mit der Stellung des Antrages auf internationalen Schutz zugewartet hätte. Wenn auch die beiden letztgenannten Argumente nicht von der Hand zu weisen sind, so hätte es darüber hinaus jedenfalls auch einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Fluchtvorbringen selbst bedurft, was wie dargelegt, eine strukturierte und eingehende Befragung vorausgesetzt hätte.

Weiters hat die Beschwerde zu Recht darauf verwiesen, dass die belangte Behörde sich mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Beweismitteln in keiner Weise auseinandergesetzt hat. Hierbei handelt es sich um Transkriptionen von angeblichen Telefonaufzeichnungen, welche die Drohungen durch den Verfolger belegen würden. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat den Beschwerdeführer zu diesen Beweismitteln jedoch in keiner Weise befragt, sodass unklar ist, ob dieser auch eine Original-Audiodatei in Vorlage bringen könnte sowie in welchem konkreten Zusammenhang diese Anrufe erfolgt wären. Eine Auseinandersetzung mit den vom Beschwerdeführer dargebotenen Beweismitteln wurde im Verfahren vor der Behörde völlig unterlassen.

Schließlich hat sich die Behörde auch in keiner Weise mit der Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der russischen Behörden in Bezug auf die vom Beschwerdeführer geschilderte Drohung befasst. Der Bescheid führt zwar an einer Stelle aus, dass der Herkunftsstaat aufgrund einer funktionierenden Staatsgewalt seinen Staatsbürgern Schutz biete. Dabei wird jedoch das konkrete Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei von Hintermännern des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow verfolgt worden, vollkommen außer Acht gelassen. Den im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderberichten lassen sich keine konkreten Informationen dahingehend entnehmen, ob die russischen Behörden in einem Fall einer kriminellen Verfolgung wie dem geschilderten ausreichend in der Lage sein würden, dem Beschwerdeführer Schutz zu gewähren. Feststellungen, welche eine Beurteilung der Plausibilität des Vorbringens des Beschwerdeführers, er sei außerhalb der Tschetschenischen Teilrepublik, nämlich in Moskau, einer Verfolgung durch Hintermänner des Kadyrow ausgesetzt gewesen, finden sich im angefochtenen Bescheid nicht.

Die Behörde hat somit im konkreten Fall gegen die in § 18 Abs. 1 AsylG 2005 (idF BGBl I Nr. 4/2008) determinierten Ermittlungspflichten verstoßen (vgl. dazu die inhaltlich nahezu unveränderte Fassung des § 18 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 68/2013). Mit § 18 Abs. 1 AsylG 2005 (wie auch schon mit der nahezu wortgleichen Vorgängerbestimmung des § 28 AsylG 1997) wurde die aus § 37 iVm § 39 Abs. 2 AVG hervorgehende Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen, speziell für das Asylverfahren weiter konkretisiert (vgl. dazu VwGH 08.04.2003, Zl. 2002/01/0522). So verpflichtet § 18 Abs. 1 AsylG 2005 idgF das Bundesamt (zuvor Bundesasylamt), in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt werden, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt oder überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen (zum Umfang der Ermittlungspflichten vgl. VwGH 14.12.2000, Zl. 2000/20/0494; VwGH 06.10.1999, Zl. 98/01/0311; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0222; VwGH vom 21.09.2000, Zl. 98/20/0361; VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0599).

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - im konkreten Fall nicht ersichtlich. Das Verfahren würde durch eine Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht keine Beschleunigung erfahren, zumal die Verwaltungsbehörde durch die bei ihr eingerichtete Staatendokumentation wesentlich rascher und effizienter die notwendigen Ermittlungen nachholen kann. Verwiesen wird diesbezüglich auch auf die jüngste Entscheidung des VwGH vom 25.10.2018 zu Ra 2018/20/0014-6, in der festgestellt wird, dass sich die Behörde nicht offenkundig notwendiger Erhebungen entledigen und diese auf das BVwG übertragen kann.

3.3.4. Da Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in Hinblick auf vorstehende Erwägungen zu beheben war, können auch die dessen rechtliche Existenz voraussetzenden Spruchpunkte III. bis V. keinen Bestand haben.

3.4.1. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

In seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. 2014/20/0017, ging der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" nunmehr folgende Kriterien beachtlich sind: "Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen." (VwGH 28.05.2014, Zl. 2014/20/0017)

3.4.2. Ein Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung wurde in der Beschwerde gestellt.

Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gem. § 21 Abs. 7 BFA-VG sind im gegenständlichen Fall hinsichtlich Spruchpunkt I. erfüllt, zumal auch bei Zugrundelegung aller Angaben des Beschwerdeführers zur erlebten Verfolgungssituation als wahr kein Zusammenhang zu einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Motive zu erkennen ist und die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten demnach auch wenn nach Durchführung weiterer Ermittlungen eine Glaubwürdigkeit des Vorbringens festgestellt würde, nicht in Betracht käme.

Hinsichtlich Spruchpunkt II. bis V. konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, zumal aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid in diesen Spruchpunkten aufzuheben ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs.1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs.4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht Glaubwürdigkeit Kassation mangelnde Asylrelevanz mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W111.2219168.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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