TE Vwgh Erkenntnis 1997/3/19 95/01/0466

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Veröffentlicht am 19.03.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §3;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des M in T, vertreten durch Dr. V, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. August 1995, Zl. 4.346.986/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. August 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen Liberias, der am 31. Mai 1995 in das Bundesgebiet eingereist ist und am darauffolgenden Tag den Antrag auf Asylgewährung gestellt hat, gegen den diesen Antrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 10. Juli 1995 abgewiesen.

Nach Darstellung des Verfahrensganges und der von ihr in Anwendung gebrachten Rechtslage führte die belangte Behörde begründend aus, die Angaben des Beschwerdeführers anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 16. Juni 1995 vor dem Bundesasylamt seien weitgehend unglaubwürdig. Die belangte Behörde schloß sich der rechtlichen Würdigung des Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz "vollinhaltlich" an und erhob die begründenden Ausführungen des erstinstanzlichen Bescheides zum Inhalt ihres (des nunmehr angefochtenen) Bescheides. Sie fügte dem lediglich weitere Ausführungen zur Frage der Verfolgungssicherheit des Beschwerdeführers in Ungarn an.

Die Erstbehörde hatte das Vorbringen des Beschwerdeführers wie folgt gewürdigt:

"Sie behaupten, in Monrovia gelebt zu haben, Sie besitzen hinsichtlich der Hauptstadt Liberias jedoch nur äußerst mangelhafte Kenntnisse, ebenso auch hinsichtlich der politischen Gegebenheiten. Ihre Aussage erweckt den Eindruck, als hätten Sie bestimmte Begriffe wie "Carter-Camp" und "NPFL" auswendig gelernt, wesentliche Details waren Ihnen jedoch unbekannt. So gaben Sie zu "Westpoint" an, es handle sich um einen Stadtteil; der Begriff Mesurado war Ihnen völlig unbekannt; die ULIMO, eine Bürgerkriegspartei, wurde von Ihnen sogar als peacekeeping-Gruppe definiert. Tatsächlich handelt es sich bei Westpoint jedoch um einen Küstenabschnitt, bei Mesurado um einen Stadtteil, nämlich das Zentrum (gemeint: Monrovias) und bei der ULIMO keineswegs um eine "Peacekeeping-Gruppe". Gegen den Wahrheitsgehalt Ihrer Aussage spricht auch das namenlose Gefängnis in einer unbekannten Stadt. Es erscheint auch nicht glaubhaft, daß die Truppen der NPFL bei einer tatsächlichen Exekution so dilettantisch vorgehen würden, wie von Ihnen beschrieben. Als weiteres Indiz für die Unglaubwürdigkeit Ihrer Aussage stellt sich der Umstand dar, daß Sie nach einem angeblich langen Gefängnisaufenthalt ohne Rückkehr nach Hause über Ihre ID-Card verfügen. Bei einem sechsmonatigen Gefängnisaufenthalt müßte wohl davon ausgegangen werden, daß man sich nicht mit der bloßen Frage nach Ihrer Identität begnügt, sondern daß man Sie wohl durchsucht und dabei Ihre ID-Card gefunden hätte."

Im übrigen erachtete die Behörde erster Instanz auch die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtweg aus näher angegebenen Gründen für unglaubwürdig.

Die belangte Behörde sah auch keinen der Fälle des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 als vorliegend an, weshalb von einer Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens Abstand genommen wurde. Auch die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Mängel des Ermittlungsverfahrens erster Instanz erachtete die belangte Behörde unter Hinweis darauf, es sei nicht Aufgabe der Verwaltungsbehörden, dem Asylwerber Unterweisungen zu erteilen, wie er sein Vorbringen zu gestalten habe, damit seinem Antrag allenfalls stattgegeben werden könne, nicht als gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG erwogen hat:

In seiner Beschwerde macht der Beschwerdeführer zunächst geltend, es stelle eine gravierende Verletzung von Verfahrensvorschriften dar, wenn die belangte Behörde ihren Bescheid lediglich mit der Übernahme des bekämpften Bescheides erster Instanz begründe. Daß eine derartige Vorgangsweise der belangten Behörde vom Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht als rechtswidrig erkannt wird, wurde bereits in dem hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1995, Zl. 95/01/0045, ausgesprochen. Im übrigen ist weder der Berufung des Beschwerdeführers, die in bezug auf die Frage der Flüchtlingseigenschaft lediglich die Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz bekämpft, noch auch dem übrigen Akteninhalt zu entnehmen, daß dem Ermittlungsverfahren wesentliche Verfahrensverletzungen anlasten. Ein über das Vorbringen in erster Instanz hinausgehendes Vorbringen wurde vom Beschwerdeführer auch in seiner Berufung nicht erstattet, weshalb eine Anwendung des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 nicht geboten war, abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer auch in seiner Beschwerde die Relevanz einer allenfalls in diesem Zusammenhang vorliegenden Verfahrensverletzung nicht geltend macht.

Auch der Anregung, das gegenständliche Verfahren zu unterbrechen und einen Gesetzesprüfungsantrag hinsichtlich der neuen Fassung des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 beim Verfassungsgerichtshof einzubringen, wird schon aus diesem Grunde nicht nähergetreten.

Die Beschwerde bekämpft - wie schon die Berufung - im wesentlichen jedoch die von der Behörde erster Instanz vorgenommene, durch Übernahme deren Begründung auch der belangten Behörde zurechenbare Beweiswürdigung. Die Beweiswürdigung ist ein Denkprozeß, nicht aber eine Beurteilung rechtlicher Fragen. Sie ist aus diesem Grunde nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit des Denkvorganges als solchen handelt, sowie darum, daß der Sachverhalt, der im Denkvorgang gewürdigt wurde, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist. Der Verwaltungsgerichtshof kann daher wohl die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung, nicht aber ihre konkrete Richtigkeit nachprüfen (vgl. die zu § 41 VwGG ergangene Judikatur in Dolp3, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 548 ff). Wenn die belangte Behörde (bzw. die Behörde erster Instanz) auf Grund der zu einzelnen gezielt an den Beschwerdeführer gerichteten Fragen und der von diesem dokumentierten Unkenntnis in wesentlichen Belangen davon ausgeht, seinen Angaben könne Glaubwürdigkeit nicht zugebilligt werden, kann diese Beweiswürdigung nicht als unschlüssig erkannt werden. Daß die belangte Behörde bei ihrer Beweiswürdigung "willkürlich" vorgegangen sei, kann aus dem Akt nicht verifiziert werden.

Insofern der Beschwerdeführer meint, die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung sei gleichzusetzen mit der von der belangten Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung ("Glaubwürdigkeit" seiner Angaben), ist ihm zu entgegnen, daß die Beurteilung des rechtlichen Begriffs der "Glaubhaftmachung" auf der Grundlage positiv getroffener Feststellungen von seiten der erkennenden Behörde vorzunehmen ist, im Falle der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers aber derartige positive Feststellungen von der Behörde nicht getroffen werden können.

Da die belangte Behörde die Angaben des Beschwerdeführers bereits als nicht glaubwürdig qualifiziert, diese Angaben daher auch einer rechtlichen Beurteilung nicht unterzogen hat, erübrigt sich auch ein Eingehen auf die - sich auf eine Wiederholung der Ausführungen der belangten Behörde sowie einer allgemeinen Darstellung der Ausführungen Rohrböcks (Das Asylgesetz 1991, S. 43) beschränkende - Inhaltsrüge der Beschwerde.

Insgesamt kann daher der belangten Behörde mit Erfolg nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 verneint hat. Tat sie dies zu Recht, kommt es auch auf die Klärung der Frage der Verfolgungssicherheit des Beschwerdeführers im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 nicht mehr an.

Die Beschwerde war aus diesen Gründen als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995010466.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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