TE OGH 2020/4/8 3Ob33/20d

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Veröffentlicht am 08.04.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Dr.

 Roch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Priv.-Doz. Dr. Rassi und Mag. Painsi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Mag. Gerlinde Füssel, LL.M., Rechtsanwältin in Linz, gegen die beklagte Partei G*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Univ.-Prof. Dr. Friedrich Harrer, Dr. Iris Harrer-Hörzinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 204.787,62 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 29. Jänner 2020, GZ 2 R 10/20h-23, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Für einen Sozialversicherungsträger, der gemäß § 332 ASVG eine Schadenersatzforderung des Verletzten (Sozialversicherten) schon im Zeitpunkt des Entstehens der Schadenersatzforderung erwirbt, beginnt die Verjährungsfrist des § 1489 ABGB erst dann zu laufen, wenn er selbst die Kenntnis von Schaden und Schädiger erlangt hat oder erlangen hätte können (RIS-Justiz RS0116986 [T4]). Nichts anderes gilt im hier vorliegenden Fall eines nach deutschem Recht zu beurteilenden (RS0083638) Forderungsübergangs auf den klagenden deutschen Sozialversicherungsträger gemäß § 116 zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X; vgl RS0045190).

1.2. Die bloße Möglichkeit der Ermittlung einschlägiger Tatsachen vermag ihre Kenntnis iSd § 1489 ABGB zwar nicht zu ersetzen (RS0034459), der Geschädigte darf sich aber nicht einfach passiv verhalten und es darauf ankommen lassen, dass er von der Person des Ersatzpflichtigen eines Tages zufällig Kenntnis erhält (RS0065360 [T3]; RS0034459 [T2]). Könnte er die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen, gilt die Kenntnis als schon in dem Zeitpunkt erlangt, in dem sie ihm bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre (RS0034327 [T1]). Diese Erkundigungsobliegenheit darf allerdings nicht überspannt werden (RS0034327 [T6]); sie setzt deutliche Anhaltspunkte für einen Schadenseintritt im Sinn konkreter Verdachtsmomente voraus, aus denen der Anspruchsberechtigte schließen kann, dass Verhaltenspflichten nicht eingehalten wurden (RS0034327 [T42]).

1.3. Die Behauptungs- und Beweislast für die den Eintritt der Verjährung begründenden Umstände, den Beginn der Verjährungsfrist und die relevante Kenntnis zu einem bestimmten Zeitpunkt trifft denjenigen, der die Verjährungseinrede erhebt (RS0034456 [T4]), hier also die beklagte Trägerin jenes Krankenhauses, in dem eine Versicherte der Klägerin im Jahr 2013 – nach dem Klagevorbringen nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst – behandelt wurde; dies gilt auch dann, wenn sich ein Beklagter – wie hier – darauf beruft, der Geschädigte hätte Erkundigungsobliegenheiten verletzt (RS0034456 [T5]).

2. Von den Grundsätzen dieser Rechtsprechung sind die Vorinstanzen mit ihrer Beurteilung, der Verjährungseinwand sei unberechtigt, nicht abgewichen:

2.1. Die Revisionswerberin zieht zu Recht nicht mehr in Zweifel, dass die Klageforderung nicht verjährt ist, sofern man – wie es die Vorinstanzen getan haben – eine Erkundigungsobliegenheit der Klägerin erst im April 2015 in Hinblick auf einen Rehabilitationsantrag ihrer Versicherten annimmt, aufgrund dessen eine Mitarbeiterin der Klägerin einen im Krankenhaus der Beklagten unterlaufenen Behandlungsfehler für möglich hielt.

2.2. Es stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar, dass die Vorinstanzen die der Klägerin schon im Jänner 2014 von einer Mitarbeiterin zugekommene (bloße) Information, aus den Angaben der Versicherten bei einem Telefonat habe sich ein Hinweis auf einen (offenbar: von der Patientin) „eventuell vermuteten Behandlungsfehler“ ergeben, in Verbindung mit dem Umstand, dass die Versicherte auf das ihr daraufhin übersandte Schreiben der Klägerin, mit dem diese ihr unter Bezugnahme auf das Telefonat eine Broschüre übersandte, fachkundige Beratung anbot und sie informierte, dass sie sich bei Interesse telefonisch melden solle, nicht reagierte, nicht als eine weitergehende Erkundigungsobliegenheit der Klägerin auslösend werteten. Aus der Entscheidung 7 Ob 77/17z ist für die Beklagte schon deshalb nichts zu gewinnen, weil der Klägerin nach den Feststellungen im Jänner 2014 gerade noch kein konkreter Hinweis auf einen Behandlungsfehler vorlag. Weitere Feststellungen zu den Möglichkeiten der Klägerin, zu einem Gutachten zu gelangen, erübrigen sich daher.

2.3. Die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach die verbliebenen Unklarheiten über die Entwicklung des Kenntnisstandes der Klägerin zwischen Jänner 2014 und April 2015 zu Lasten der dafür behauptungs- und beweispflichtigen Beklagten gingen, hält sich im Rahmen der oben dargestellten Rechtsprechung. Das Unterbleiben der von der Revisionswerberin in diesem Zusammenhang vermissten ergänzenden Feststellungen, aus denen abzuleiten wäre, dass der Klägerin der von ihr im April 2015 zum Anlass für weitere Erkundigungen genommene Rehabilitationsantrag bereits im Jänner 2014 vorlag, begründet schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage, weil die Beklagte in erster Instanz kein entsprechendes Vorbringen erstattet hat (RS0053317 [T2, T4]); Beweisergebnisse sind nämlich grundsätzlich nicht geeignet, fehlendes Prozessvorbringen zu ersetzen (RS0037915; RS0038037).

2.4. Da die Verjährungsfrist dem Geschädigten in voller Länge zur Verfügung steht und hier gewahrt wurde, stellt sich die Frage nicht, ob die Klage früher eingebracht hätte werden können. Auch dazu bedurfte es daher keiner Feststellungen.

Textnummer

E128152

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00033.20D.0408.000

Im RIS seit

22.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.05.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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